European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0010OB00068.16F.0428.000
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
Rechtliche Beurteilung
1. Eine relevante Aktenwidrigkeit hat das Berufungsgericht zutreffend verneint. Aktenwidrigkeit (vgl dazu nur RIS‑Justiz RS0043347) im eigentlichen Sinn, nämlich ein Widerspruch zwischen dem Akteninhalt und einer bestimmten Urteilsgrundlage, liegt schon deshalb nicht vor, weil es durchaus zutrifft, dass der nunmehrige Kläger im Anlassverfahren nicht (ausdrücklich) geltend gemacht hat, dass das dort gestellte Feststellungsbegehren „zu weit“ wäre. Dazu bestand auch kein Anlass, weil es ohnehin unstrittig war, dass die Zahlungspflicht des Klägers vertraglich auf die Zeit der Ausübung des Wohnungsrechts durch die Wohnungsberechtigte begrenzt war. Schon deshalb liegt es durchaus nahe, den Spruch des insoweit unpräzisen Feststellungsurteils im Anlassverfahren im Sinne des nach den Entscheidungsgründen übereinstimmenden Parteienvorbringens mit der gebotenen Einschränkung auszulegen (vgl RIS‑Justiz RS0000300).
Darüber hinaus hat das Berufungsgericht ausgeführt, dass eine allfällige überschießende Fassung des Feststellungsausspruchs für den Kläger nicht nachteilig gewesen sei; insbesondere hätte die Einschränkung auf die Zeit der Ausübung des Wohnrechts keine kostenrechtlichen Vorteile mit sich gebracht. Dagegen führt der Revisionswerber sachlich nichts ins Treffen. Insbesondere erklärt er nicht, welche Nachteile ihm durch einen allenfalls überschießenden Feststellungsausspruch im Anlassverfahren entstanden sind bzw noch entstehen könnten.
2. Unverständlich sind die Ausführungen dazu, dass das Feststellungsinteresse im Anlassverfahren gefehlt hätte. Strittig war die Frage der Auslegung der Vertragsklausel über die Zahlungspflicht des Klägers für die Dauer der Ausübung des Wohnrechts durch die Wohnberechtigte. Da dieses Wohnrecht erkennbar noch in Anspruch genommen wurde, beschränkte sich das Rechtsverfolgungsinteresse des damaligen Klägers naheliegenderweise nicht auf bereits verstrichene Zeiträume, sondern erfasste ebenso die Zukunft, sollte doch auch dafür Klarheit über die vertragliche Zahlungspflicht des nunmehrigen Klägers geschaffen werden. Der Revisionswerber übersieht offenbar, dass auch eine stattgebende Entscheidung über das Leistungsbegehren die Frage der Auslegung des Vertrags nur als Vorfrage beurteilt, deren Beantwortung über den Leistungsprozess aber nicht hinausgeht. Mangels Bindung kann daher für die Zukunft ein rechtliches Interesse an der begehrten Feststellung keinesfalls geleugnet werden (vgl nur RIS‑Justiz RS0039110; RS0039021; RS0038908).
3. Entgegen der Auffassung des Revisionswerbers ist auch nicht zu beanstanden, dass sich das Feststellungsurteil im Anlassverfahren an der Terminologie des auszulegenden Vertrags orientiert hat, der mit dem „Bestand“ und dem „Betrieb“ der Liegenschaft verbundene Kosten und Abgaben unterschieden hat. Warum das Feststellungsbegehren mangels ausreichender Bestimmtheit abzuweisen gewesen wäre, weil dort hinsichtlich der „Betriebskosten“ die Feststellung einer betragsbeschränkten Haftung begehrt wurde, ist schwer nachvollziehbar und zeigt jedenfalls keinen bedenklichen Beurteilungsfehler auf. Insbesondere ist eine jeden Zweifel und jede objektive Ungewissheit ausschließende Präzisierung des Klagebegehrens nur bei Geldleistungsklagen zu verlangen, wogegen bei anderen Klagen dem Erfordernis des § 226 ZPO hinsichtlich der Bestimmtheit des Klagebegehrens dann Genüge getan ist, wenn man unter Berücksichtigung des Sprachgebrauchs und Ortsgebrauchs und nach den Regeln des Verkehrs daraus entnehmen kann, was begehrt ist (RIS‑Justiz RS0037874). Gleiches gilt auch für die Bestimmtheit des Spruchs einer Entscheidung (vgl etwa 5 Ob 72/97t; RIS‑Justiz RS0000532 [T3]; RS0000878 [T3, T9]; ua). Welche Anforderungen an die Konkretisierung des Klagebegehrens zu stellen sind, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab (RIS‑Justiz RS0037874 [T39]). Im Anlassverfahren wurde durch die Formulierung des Feststellungsbegehrens jedenfalls klargestellt, dass die Zahlungspflicht des Beklagten nur hinsichtlich der Betriebskosten beschränkt ist, nicht aber im Hinblick auf sonstige mit dem Bestand der Liegenschaft verbundenen Abgaben und Kosten. Dass zur genauen Abgrenzung in einem späteren Leistungsprozess bei einzelnen Kostenpositionen allenfalls noch zusätzlicher Begründungsaufwand erforderlich sein kann, führt keineswegs notwendigerweise zur mangelnden Bestimmtheit des Feststellungsbegehrens.
4. Zutreffend hat das Berufungsgericht dem Revisionswerber auch die Verletzung der Rettungspflicht nach § 2 Abs 2 AHG entgegengehalten, weil er im Anlassverfahren in seinem Antrag nach § 508 ZPO keine Ausführungen zur ‑ nunmehr als amtshaftungsbegründenden Entscheidungsfehler geltend gemachten ‑ Annahme eines fehlenden natürlichen Konsenses über die Bedeutung des Wortes „Betriebskosten“ gemacht hat. In der erwähnten Bestimmung des AHG über die sogenannte Rettungspflicht kommt der Grundsatz zum Ausdruck, dass nur für unkorrigierbares Organverhalten Ersatz zu leisten ist (RIS‑Justiz RS0026901). Der spätere Amtshaftungswerber muss bereits im Anlassverfahren alle prozessualen Rechtsbehelfe ‑ im weiten Sinn (RIS‑Justiz RS0050097) ‑ erheben, die dazu dienen, fehlerhafte gerichtliche Entscheidungen zu beseitigen (RIS‑Justiz RS0050080 [T1]; RS0110188). Das Gesetz überlässt so zunächst dem Betroffenen selbst die Wahrung seiner Interessen und gewährt Amtshaftungsansprüche nur dort, wo er innerhalb des betreffenden Verfahrens alle Anfechtungsmittel vergeblich ausgeschöpft hat (RIS‑Justiz RS0026901). Damit ist selbstverständlich die Konsequenz verbunden, dass die Partei das Rechtsmittel nicht nur überhaupt erheben, sondern es darüber hinaus auch so formulieren muss, dass die darüber entscheidende Instanz in der Lage ist, den behaupteten Beurteilungs‑ oder Verfahrensfehler aufzugreifen und zu korrigieren.
Im vorliegenden Fall hat der Revisionswerber im Anlassverfahren zwar einen ‑ als Rechtsmittel im Sinn des § 2 Abs 2 AHG zu betrachtenden (1 Ob 298/03k = SZ 2004/163 = RIS‑Justiz RS0119554) ‑ Antrag auf Abänderung des Unzulässigkeitsausspruchs an das Berufungsgericht (samt Ausführung einer ordentlichen Revision) erhoben, in dem grundsätzlich all das anzuführen ist, woraus später ein Amtshaftungsanspruch abgeleitet werden soll (vgl nur Schragel , AHG 3 § 2 Rz 183). Wenn er nun vermeint, das Berufungsgericht im Anlassverfahren hätte zu Unrecht einen natürlichen Konsens der damaligen Streitteile verneint, hätte er dies ‑ eine andere denkbare erhebliche Rechtsfrage zeigt er nunmehr nicht auf ‑ zum Inhalt seines Zulassungsantrags machen müssen, um dem Berufungsgericht die Möglichkeit zu geben, seine ‑ vom nunmehrigen Kläger als unrichtig angesehene ‑ Rechtsansicht zu überprüfen und gegebenenfalls die Revision doch für zulässig zu erklären. Hat der Kläger dem Berufungsgericht diese Möglichkeit aber dadurch genommen, dass er entsprechende Ausführungen unterlassen hat, ist er seiner Rettungspflicht nach § 2 Abs 2 AHG nicht nachgekommen (vgl auch RIS‑Justiz RS0053073) und kann den behaupteten Beurteilungsfehler im Rahmen der Amtshaftung nicht mehr geltend machen. Die hier zu beurteilende Verfahrenssituation ist wesentlich anders gelagert als in dem zu 1 Ob 37/93 (= RIS‑Justiz RS0050077) entschiedenen Fall, in dem der spätere Amtshaftungskläger in seiner Berufung eine (gehörig ausgeführte) Rechtsrüge erhoben hatte, womit einer allseitigen rechtlichen Prüfung durch das Berufungsgericht nichts im Wege stand. Hier war das Berufungsgericht im Anlassverfahren bei der Prüfung der nachträglichen Zulassung der Revision aber auf die geltend gemachten Gründe beschränkt (vgl RIS‑Justiz RS0112166 [T2, T9]; zum Revisionsverfahren s etwa RIS‑Justiz RS0107501; RS0102059; RS0042779), sodass es auf den nunmehr aufgezeigten Aspekt gar nicht eingehen konnte.
5. Soweit der Revisionswerber schließlich dem Berufungsgericht vorwirft, es habe eine unvertretbare Rechtsansicht des Berufungsgerichts im Anlassverfahren zu Unrecht als vertretbar angesehen, ist grundsätzlich darauf hinzuweisen, dass im Allgemeinen die Prüfung der Vertretbarkeit einer Rechtsansicht keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO ist, es sei denn, es läge eine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung im angefochtenen Urteil vor (RIS‑Justiz RS0049955 [T10]). Davon, dass dem Berufungsgericht eine derartige Fehlbeurteilung unterlaufen wäre, weil es die Rechtsansicht des Berufungsgerichts im Anlassverfahren zur Auslegung der fraglichen Vertragserklärung als vertretbar angesehen hat, kann keine Rede sein, auch wenn sich ebenso Argumente für eine andere Auslegung finden ließen. Wenn der Revisionswerber (neuerlich) darauf hinweist, dass sein damaliger Prozessgegner „zweifelsohne“ in Kenntnis des Scheidungsfolgenvergleichs gewesen sei und daher davon habe ausgehen müssen, dass sich die betragliche Beschränkung auf seine gesamte Kostenbelastung beziehen sollte, entfernt er sich in unzulässiger Weise von den Feststellungen im Anlassverfahren, worauf bereits das Berufungsgericht hingewiesen hat. Der Umstand, dass der Prozessgegner über viele Jahre über die Betriebskosten hinausgehende Aufwendungen nicht ersetzt verlangte, mag ein Indiz für ein bestimmtes Verständnis der Vereinbarung bilden, kann aber durchaus auch anders erklärbar sein. Bei objektiver Vertragsauslegung nach dem Wortlaut der Vereinbarung (RIS‑Justiz RS0014160) war es aber keinesfalls unvertretbar, dem verwendeten Begriff „Betriebskosten“ eingeschränkte Bedeutung beizumessen, wenn in der Klausel einleitend von mit dem „Bestand und Betrieb“ der Liegenschaft ... verbundenen Kosten und Abgaben gesprochen wurde.
6. Unverständlich sind letztlich die Revisionsausführungen, es sei mit Judikatur und Literatur nicht vereinbar, dass sich das Berufungsgericht im Anlassverfahren nicht mit dem vom nunmehrigen Kläger in der damaligen Berufungsbeantwortung geltend gemachten sekundären Feststellungsmängeln auseinandersetzen habe müssen. Um welche konkreten Fragen es hier im Einzelnen gehen soll, wird nicht offengelegt. Der bloße Verweis auf den Inhalt eines früher erstatteten Schriftsatzes ‑ oder auch einer bestimmten als Beilage vorgelegten Urkunde ‑ ist unbeachtlich und vermag ein eigenständiges Revisionsvorbringen nicht zu ersetzen (vgl nur RIS‑Justiz RS0043616; RS0007029).
7. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).
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