OGH 1Ob298/03k

OGH1Ob298/03k23.11.2004

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer, Dr. Zechner und Univ. Doz. Dr. Bydlinski als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Andreas T*****, vertreten durch Mag. Michael Tscheinig, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur, Wien 1, Singerstraße 17-19, wegen EUR 7.372,61 sA und Feststellung (Streitwert EUR 71.375,59) infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 27. Oktober 2003, GZ 14 R 73/03p-10, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 30. Jänner 2003, GZ 32 Cg 6/02s-6, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird teilweise Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil, das im Ausspruch über das Feststellungsbegehren bestätigt wird, wird im Ausspruch über das Leistungsbegehren dahin abgeändert, dass das Ersturteil in diesem Umfang wiederhergestellt wird.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 2.806,70 (darin EUR 7,24 Barauslagen) bestimmten Kosten des Verfahrens erster Instanz, die mit EUR 1.753, 27 bestimmten Kosten des Verfahrens zweiter Instanz und die mit EUR 1.262,89 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 609,14 bestimmten Barauslagen binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger erstand in einem Zwangsversteigerungsverfahren eine Liegenschaft um das Meistbot von ATS 4,130.000. Die Liegenschaft war mehrfach mit Pfandrechten belastet, unter anderem mit einem solchen einer Baugesellschaft für eine vollstreckbare Forderung von ATS 62.475,77 samt Nebengebühren und Kosten. Trotz Aufforderung stellte die Baugesellschaft keinen Barzahlungsantrag und beteiligte sich auch sonst nicht am Verteilungsverfahren. Mit Meistbotsverteilungsbeschluss vom 14. 9. 1999 wurde das Meistbot samt Zinsen den einzelnen Gläubigern in der bücherlichen Rangordnung zugewiesen. Gemäß Punkt A. 12 des Meistbotsverteilungsbeschlusses (ON 58 im Exekutionsakt) erfolgte an die Baugesellschaft "mangels Anmeldung keine Zuweisung". Den beiden Verpflichteten wurde eine nicht unbeträchtliche Hyperocha zugewiesen.

Nach Rechtskraft des Meistbotsverteilungsbeschlusses und Vorlage der finanzamtlichen Unbedenklichkeitsbescheinigung wurde dem Kläger über dessen Antrag mit Beschluss vom 30. 12. 1999 (ON 77 im Exekutionsakt) die Einverleibung des Eigentumsrechts ob der ersteigerten Liegenschaft bewilligt und dort in Punkt 3. "die Einverleibung der Löschung folgender vom Ersteher nicht übernommener Lasten und Rechte bzw Löschung weiterer Eintragungen" angeordnet. Diese Löschungsverfügung erstreckte sich gemäß deren lit. c auch auf mehrere vollstreckbare Pfandrechte, unter anderem jenes der Baugesellschaft.

Vor Beginn der Versteigerung hatte sich einer der drei Bietinteressenten bei der zuständigen Richterin erkundigt, "wie das denn mit den Gläubigern sei". Die Richterin antwortete, dass der Bieter hiemit nichts zu tun habe, die Liegenschaft werde lastenfrei erworben. Auch der unvertretene Kläger erkundigte sich mehrmals bei der Richterin über den Gang des Verfahrens und wollte auch wissen, was mit den Gläubigern geschehe und wann die Verpflichteten aus dem Haus ausziehen müssten. Die Richterin sagte ihm, er habe mit den Gläubigern nichts zu tun und die Liegenschaft würde lastenfrei übergeben werden. Nach Erteilung des Zuschlags erkundigte sich der Kläger bei der Richterin über die weitere Vorgangsweise. Sie machte ihn darauf aufmerksam, dass er das Meistbot so rasch wie möglich erlegen solle, weil sonst Zinsen anfielen. Sie teilte ihm auch mit, dass er den Liegenschaftserwerb dem Finanzamt für Gebühren und Verkehrssteuern anzuzeigen habe und nach Erhalt der Unbedenklichkeitsbescheinigung die Durchführung der erforderlichen Grundbuchseintragungen beantragen könne. Sie erteilte dem Kläger keine Rechtsbelehrung dahin, dass Gläubiger, die ihre Forderung nicht angemeldet haben, durch Übernahme der Schuld in Anrechnung auf das Meistbot zu befriedigen seien. Der Kläger erlegte das gesamte Meistbot und wurde nicht darauf aufmerksam gemacht, dass er jene pfandrechtlich sichergestellten Forderungen, deren Barzahlung nicht begehrt wurde, vom Meistbot hätte abziehen können. Der zuständigen Richterin war bekannt, dass der Kläger im gesamten Versteigerungsverfahren nicht anwaltlich vertreten war.

In der Folge wurde der Kläger von der Baugesellschaft auf Zahlung der pfandrechtlich sichergestellten Forderung samt Zinsen und Kosten in Anspruch genommen. Der Kläger, der der hier Beklagten erfolglos den Streit verkündet hatte, verlor in zwei Instanzen und hatte daher insgesamt ATS 101.494,34 zu zahlen. Das Berufungsgericht in diesem Verfahren sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Der Kläger stellte keinen Antrag gemäß § 508 Abs 1 ZPO.

Drei weitere auf der vom Kläger ersteigerten Liegenschaft pfandrechtlich sichergestellte Gläubiger hatten sich ebenfalls am Verteilungsverfahren nicht beteiligt. Auch ihnen wurde unter Hinweis auf die mangelnde Anmeldung aus dem Meistbot nichts zugewiesen. Auch diese Pfandrechte wurden in der Folge mit Beschluss des Exekutionsgerichts (ON 77) als nicht übernommene Lasten gelöscht.

Sowohl der Meistbotsverteilungsbeschluss als auch der die Pfandrechtslöschungen verfügende Beschluss wurden der Baugesellschaft und den übrigen Gläubigern zugestellt und erwuchsen in Rechtskraft.

Mit seiner am 20. 3. 2002 beim Erstgericht eingelangten Klage begehrte der Kläger, die Beklagte zur Zahlung von EUR 7.372,61 sA schuldig zu erkennen und festzustellen, dass die Beklagte dem Kläger für sämtliche Inanspruchnahmen aus dem Versteigerungsverfahren im Ausmaß der tatsächlichen Inanspruchnahme hafte. Der Kläger habe sich bereits vor dem Versteigerungsverfahren durch die zuständige Richterin beraten lassen und es sei ihm dabei zugesichert worden, dass er durch den Erlag des Meistbots die Liegenschaft lastenfrei erwerben könne. Die Richterin habe dem Kläger davon abgeraten, einen beim Versteigerungsverfahren anwesenden Rechtsanwalt zu bevollmächtigen, und das Erfordernis anwaltlicher Vertretung verneint. Über Anleitung der Richterin habe der Kläger das gesamte Meistbot erlegt, obwohl die Forderung der Baugesellschaft im Meistbotsverteilungsbeschluss nicht berücksichtigt worden sei. Dem Kläger sei nicht bekannt gewesen, dass er das zu erlegende Meistbot in diesem Fall um den der Gläubigerin zustehenden Betrag hätte vermindern müssen. Die Baugesellschaft habe ihn daraufhin auf Zahlung der pfandrechtlich sichergestellten Forderung in Anspruch genommen, und der Kläger habe diesen Prozess verloren, wodurch ihm ein Gesamtschaden von ATS 101.449,34 entstanden sei. Darüber hinaus seien auch weitere Gläubiger, die ihre Forderung nicht angemeldet hatten, im Meistbotsverteilungsbeschluss nicht berücksichtigt worden, sodass auch in diesen Fällen die Inanspruchnahme des Klägers zu befürchten sei. Er habe daher ein rechtliches Interesse an der Feststellung der zukünftigen Haftung der Beklagten.

Die Beklagte wendete ein, weder die Baugesellschaft noch der Kläger hätten gegen den Meistbotsverteilungsbeschluss Rekurs erhoben. Der Kläger habe daher gegen § 2 Abs 2 AHG verstoßen, sodass ihm schon deshalb kein Anspruch zustehe. Die Verhandlungsrichterin habe dem Kläger nicht davon abgeraten, sich rechtsfreundlich vertreten zu lassen, sondern habe ihm vielmehr die Beiziehung anwaltlichen Beistands mehrfach nahegelegt. Die Forderung nach weitergehender Beratung überspanne die Anleitungspflicht.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es führte aus, die Richterin des Exekutionsverfahrens sei als Organ des Bundes verpflichtet gewesen, den Kläger zumindest auf die Rechtsfolgen der Nichtanmeldung einer pfandrechtlich sichergestellten Forderung hinzuweisen, was sie jedoch unterlassen habe. Die Beklagte sei daher dem Kläger zum Ersatz des eingetretenen Schadens verpflichtet. Da auch noch weitere Gläubiger ihre Forderungen nicht angemeldet hätten, bestehe zumindest die Möglichkeit, dass der Kläger auch deren Ansprüche werde befriedigen müssen. Deshalb sei auch das Feststellungsinteresse zu bejahen. Eine Verletzung der Rettungspflicht im Sinn des § 2 Abs 2 AHG sei dem Kläger nicht vorzuwerfen, weil er keine Veranlassung gehabt habe, gegen den Meistbotsverteilungsbeschluss Rekurs zu erheben.

Das Gericht zweiter Instanz wies das Klagebegehren ab. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands EUR 20.000 übersteige und dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Alle pfandrechtlich sichergestellten Forderungen, deren Barzahlung nicht spätestens acht Tage vor dem Versteigerungstermin begehrt werde, seien gemäß § 223 Abs 1 EO durch Übernahme der Schuld in Anrechnung auf das Meistbot zu berichtigen. Dazu bedürfe es nicht der förmlichen und ausdrücklichen Einwilligung des Erstehers. Der Meistbotsverteilungsbeschluss im Zwangsversteigerungsverfahren sei insofern unrichtig gewesen, als nicht die Übernahme der nicht zur Barzahlung angemeldeten Forderungen in Anrechnung auf das Meistbot angeordnet worden sei. Die Einschätzung des Erstgerichts, der Kläger sei nicht gehalten gewesen, den Meistbotsverteilungsbeschluss mit Rekurs zu bekämpfen, sei zutreffend. Ungeachtet der Frage, ob er durch die Entscheidung überhaupt beschwert gewesen sei, sei durch den Beschluss jedenfalls eine "aktuelle Handlungsanforderung" an ihn nicht ausgelöst worden, weshalb insoweit die schuldhafte Verletzung einer Rettungspflicht im Sinn des § 2 Abs 2 AHG nicht angenommen werden könne. Infolge Löschung des Pfandrechts nach Rechtskraft des Meistbotsverteilungsbeschlusses sei die Haftung des Erstehers sowohl mit der übernommenen Liegenschaft als auch mit seinem "persönlichen Vermögen" weggefallen. Aus der Übernahme der versteigerten Liegenschaft sei keine Verpflichtung des Klägers abzuleiten, die Schuld gegenüber der Baugesellschaft zu tilgen. Das verurteilende Erkenntnis in dem von dieser gegen den Kläger angestrengten Rechtsstreit sei daher unrichtig gewesen. Die unrichtige Verteilung des Meistbots sei im konkreten Fall für den Kläger nicht schadenstiftend gewesen. Ab der Löschung der Lasten durch das Exekutionsgericht habe aus dessen unrichtiger Meistbotsverteilung bei Beachtung der Rechtslage durch andere Gerichte kein Schaden für den Kläger mehr entstehen können. Daran ändere auch die - unrichtige - gegenteilige Entscheidung des Zivilgerichts nichts. Diese Entscheidung sei insoweit nicht bindend, als sie nicht über die Richtigkeit oder Unrichtigkeit des Verhaltens der Exekutionsrichterin abspreche. Schon deshalb könne sie auch für die Beurteilung der Zahlungspflicht gegenüber der Baugesellschaft keine Rechtskraftwirkung entfalten. Für das über die Ansprüche der Baugesellschaft hinausgehende Feststellungsbegehren sei sie schon deshalb nicht präjudiziell, weil dieses am Vorverfahren nicht "beteiligte Gläubiger beträfe". Aus eben diesem Grund könne auch aus der Nichtbeteiligung der Beklagten am Rechtsstreit keine Bindungswirkung abgeleitet werden. Der Einwand, dass durch ein fehlerhaftes Verhalten des Exekutionsgerichts kein Schaden entstanden sei, habe im Streitverfahren gar nicht präjudiziell sein können, weil es dort nicht um das Verhalten des Exekutionsgerichts gegangen sei. Dieser Einwand sei daher im Amtshaftungsverfahren nicht abgeschnitten. Daraus ergebe sich, dass der Vermögensnachteil des Klägers ausschließlich auf eine unzutreffende Entscheidung im Zivilverfahren, nicht aber auf den - durch die Löschung der nicht übernommenen Lasten im Exekutionsverfahren dem Kläger gegenüber "wiedergutgemachten" - Fehler im Meistbotsverteilungsbeschluss zurückzuführen sei. Auf ein Fehlverhalten des Zivilgerichts berufe sich aber der Amtshaftungskläger nicht.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen erhobene Revision des Klägers ist zulässig, weil das Berufungsgericht tragende Grundsätze der Entscheidung des verstärkten Senats SZ 70/60 über die Bindungswirkung bei Streitverkündung verkannt hat; es kommt ihr auch teilweise Berechtigung zu.

Gemäß Art III Abs 1 des Bundesgesetzes vom 11. 7. 2000 (BGBl I 2000/59-EO-Nov 2000) ist dieses Gesetz auf Exekutionsverfahren anzuwenden, in denen der Exekutionsantrag nach dem 30. September 2000 bei Gericht eingelangt ist. Da die Exekutionsanträge gegen die beiden Verpflichteten, aufgrund derer die Zwangsversteigerung der Liegenschaft bewilligt wurde, jeweils am 3. 4. 1998 bei Gericht einlangten, ist für den hier zu entscheidenden Fall - wie bereits das Berufungsgericht zutreffend dargestellt hat - die Rechtslage vor dieser Novelle der Exekutionsordnung maßgebend. Wie weiters vorweg festzuhalten ist, blieb es im Verfahren unstrittig, dass die Forderung der Baugesellschaft ebenso wie jene der übrigen nicht berücksichtigten Pfandgläubiger im Meistbot jedenfalls Deckung gefunden hätte wie sich dies auch ohne weiteres aus dem Meistbotsverteilungsbeschluss und der die Summe aller nicht berücksichtigten Forderungen übersteigenden Hyperocha nachvollziehen lässt.

Gemäß § 171 Abs 2 EO aF waren Gläubiger, für die auf der Liegenschaft pfandrechtlich sichergestellte Forderungen haften, mit dem Versteigerungsedikt aufzufordern, spätestens acht Tage vor dem Versteigerungstermin die Erklärung abzugeben, ob sie die Berichtigung ihrer Forderungen durch Barzahlung verlangen oder mit der Übernahme der Schuld durch den Ersteher unter gleichzeitiger Befreiung des bisherigen Schuldners einverstanden sind. Dabei war ihnen mitzuteilen, dass, wer nicht spätestens acht Tage vor dem Versteigerungstermin die Berichtigung durch Barzahlung fordert, als mit der Übernahme der Schuld durch den Ersteher und der Entlassung seines früheren Schuldners einverstanden gilt; ein nachträgliches Verlangen der Barberichtigung konnte nur mit Zustimmung des Erstehers berücksichtigt werden. Anders als nach der nunmehrigen Gesetzeslage sollte nach der Vorstellung des Gesetzgebers vor der EO-Nov 2000 die Übernahme einer pfandrechtlich sichergestellten Schuld durch den Ersteher die Regel bilden und solche Forderungen, von bestimmten - hier nicht gegebenen - Ausnahmen abgesehen, durch Barzahlung nur dann berichtigt werden, wenn der Gläubiger dies spätestens acht Tage vor dem Versteigerungstermin verlangte. Gemäß § 223 Abs 1 EO aF wurden pfandrechtlich sichergestellte Forderungen, war ihre Barzahlung nicht spätestens acht Tage vor dem Versteigerungstermine begehrt worden, durch Übernahme der Schuld in Anrechnung auf das Meistbot berichtigt. Erst durch die Übernahme trat der Ersteher in ein direktes Rechtsverhältnis mit der Hypothekargläubigerin, so wie dieses nach Maßgabe der diesem Forderungsrecht zugrunde liegenden und aus dem Grundbuch ersichtlichen Rechtsakte zwischen dem ursprünglichen und dem nunmehr befreiten Schuldner und der Gläubigerin bestand (SZ 27/7). Wie aus den zitierten gesetzlichen Bestimmungen hervorgeht, werde der Ersteher durch die Übernahme der Schuld zugleich Real- und Personalschuldner; es kam also zu einer privativen Schuldübernahme (Heller/Berger/Stix Komm. z. EO II4, 1534; Angst in Angst EO § 223 Rz 1; SZ 27/7). Wenngleich der Verteilungsbeschluss keinen Exekutionstitel darstellt, hatte er dennoch über die Übernahme der Forderungen abzusprechen (Heller/Berger/Stix aaO). Dafür, welche Lasten der Ersteher ohne Anrechnung auf das Meistbot zu übernehmen hatte, war das Versteigerungsedikt maßgebend (§§ 150, 162 EO aF); dafür, bei welchen Lasten dies in Anrechnung auf das Meistbot zu geschehen hatte, der Inhalt des Meistbotsverteilungsbeschlusses (§ 223 Abs 1 EO aF). Ging daraus nicht hervor, dass eine Last in Anrechnung auf das Meistbot zu übernehmen ist, sei es wegen Barzahlung, sei es, weil darauf kein Meistbotsrest entfällt, konnte sie gelöscht werden. Auch wenn das Recht im Verteilungsbeschluss zu Unrecht nicht berücksichtigt wurde, stand dies der Löschung nicht entgegen. Der Berechtigte hätte sich dagegen durch Rekurs gegen den Verteilungsbeschluss wehren müssen (GlUNF 4869; Heller/Berger/Stix aaO, 1608; Angst in Angst aaO § 237 Rz 7).

Ordnet das Gericht die Berichtigung der Forderung durch deren Übernahme nicht an und löscht es nach Rechtskraft des Verteilungsbeschlusses das Pfandrecht, so fehlt es an jeglichem Titel für die privative Schuldübernahme durch den Ersteher. Dass sich das Exekutionsgericht im hier zu beurteilenden Fall nicht etwa nur im Ausdruck vergriffen hat und dass man daher auch im Wege der Auslegung nicht zu einer Anordnung der Übernahme gelangen könnte, ergibt sich nicht zuletzt aus dem die Löschung der Pfandrechte anordnenden Beschluss, der diese Pfandrechte ausdrücklich als vom Ersteher nicht übernommene Lasten bezeichnet. Ausgehend von der dargestellten Rechtslage hat der Oberste Gerichtshof in einem vergleichbaren Fall der Nichtberücksichtigung eines verbücherten, nach den Versteigerungsbedingungen unter Anrechnung auf das Meistbot zu übernehmenden Bestandrechts in seinem Erkenntnis 3 Ob 18/88 ausgeführt, dass es der Bestandnehmer unterlassen habe, sich am Verteilungsverfahren zu beteiligen und gegen den ihm zugestellten Verteilungsbeschluss ein Rechtsmittel zu ergreifen, sodass es im Verteilungsverfahren nicht zur Übernahme des Bestandrechts durch den Ersteher in Anrechnung auf das Meistbot gekommen sei. Gemäß § 237 Abs 3 EO sei daher nach Rechtskraft des Verteilungsbeschlusses die Löschung dieser weder nach den Versteigerungsbedingungen noch im Verteilungsverfahren übernommenen Last zu bewilligen. Gegen den Rechtsstandpunkt, in einem derartigen Fall werde der Ersteher auch nicht Personalschuldner, spricht auch nicht die Entscheidung SZ 68/92, die die rechtskräftige Löschung von Pfandrechten nach dem Zuschlag, jedoch vor der Verteilungstagsatzung zum Gegenstand hatte: Infolge Rechtskraft des Zuschlags und Erfüllung der Versteigerungsbedingungen durch den Ersteher sei das "Meistbot endgültig zum Befriedigungsfonds für alle darauf Gewiesenen" geworden. Durch die rechtsirrig vorgenommene Löschung der Hypotheken hätten daher materielle Rechte der Pfandgläubiger nicht beeinträchtigt werden können, es sei ihnen lediglich die Möglichkeit genommen worden, im Einverständnis mit den Erstehern gemäß § 223 Abs 1 EO anstelle der Barzahlung die Übernahme der Schuld zu begehren. Sie seien aber mit ihren Ansprüchen im Verteilungsbeschluss zu berücksichtigen. Dieser Entscheidung kann bloß entnommen werden, dass die Löschung von Pfandrechten solange nicht schaden kann, als ein Befriedigungsfonds in Form des Meistbots vorhanden und zuweisbar ist. Im hier zu beurteilenden Fall ist es aber unstrittig, dass das Meistbot im Zeitpunkt der Klageführung der (früheren) Pfandgläubigerin gegen den Ersteher bereits verteilt und somit der Befriedigungsfonds nicht mehr in seiner ursprünglichen Form vorhanden war. Es muss hier nicht weiter untersucht werden, ob und bejahendenfalls, welche Ansprüche der Pfandgläubigerin gegen die - von ihrer Personalhaftung nicht befreiten - Verpflichteten aus dem Titel der Zuweisung eines Teiles des Meistbots als Hyperocha bestehen könnten, weil jedenfalls feststeht, dass der Ersteher davon mangels Anrechnung der Hypothekarforderungen auf seine Zahlungspflicht nichts mehr in Händen hat.

Dem Berufungsgericht ist somit darin beizupflichten, dass die von der Pfandgläubigerin erwirkte Verurteilung des hier klagenden Erstehers rechtsirrig war.

Der erkennende als verstärkter Senat hat in seiner Entscheidung 1 Ob 2123/96d = SZ 70/60 den Rechtssatz geprägt:

"Die Wirkungen eines materiell rechtskräftigen zivilgerichtlichen Urteils erstrecken sich soweit auf den einfachen Nebenintervenienten und denjenigen, der sich am Verfahren trotz Streitverkündung nicht beteiligte, als diese Personen als Parteien eines als Regressprozess geführten Folgeprozesses keine rechtsvernichtenden oder rechtshemmenden Einreden erheben dürfen, die mit den notwendigen Elementen der Entscheidung des Vorprozesses in Widerspruch stehen. In diesem Rahmen sind sie daher an die ihre Rechtsposition belastenden Tatsachenfeststellungen im Urteil des Vorprozesses gebunden, sofern ihnen in jenem Verfahren soweit unbeschränktes rechtliches Gehör zustand. Das gilt jedoch nicht auch für denjenigen, der sich am Vorprozess nicht beteiligte, dem aber auch gar nicht der Streit verkündet worden war."

Entgegen der vom Berufungsgericht offenkundig vertretenen Ansicht setzt diese Interventionswirkung keine Identität der Rechtsgründe, die einer Klagestattgebung im Vor- und im Regressprozess als Grundlage dienen können, voraus. Vielmehr ist nur von Bedeutung, dass die als Klagegrund wesentlichen Tatsachen des Regressprozesses bereits notwendige Elemente des Urteils des Vorprozesses waren (1 Ob 242/97p). Der Umstand, dass es im Vorprozess um die Zahlungspflicht des Erstehers trotz Nichtberücksichtigung der Forderung im Verteilungsbeschluss und Löschung der Pfandrechte ging, während Gegenstand des hier zu entscheidenden Amtshaftungsprozesses die Frage ist, ob dieses Verhalten der Exekutionsrichterin haftungsbegründend ist, schließt daher die Bindungswirkung nicht aus, sondern begründet diese im Sinn der zitierten Entscheidung des verstärkten Senates in geradezu beispielhafter Weise.

Auch der Einwand der Beklagten, die Interventionswirkung müsse schon deshalb verneint werden, weil im Vorprozess nicht Tat-, sondern nur Rechtsfragen abgehandelt wurden, geht ins Leere. Dadurch, dass die Beklagte dem Vorverfahren trotz Streitverkündung nicht als Nebenintervenientin beigetreten ist, erstreckt sich die Tatbestandswirkung des dort ergangenen Urteils auch auf sie (vgl 4 Ob 47/99m).

Ist aber der Beklagten der Einwand verwehrt, das Urteil des Vorprozesses sei rechtsirrig gewesen, kann dieser - wenngleich zutreffende - Umstand vom Berufungsgericht auch nicht von Amts wegen in das Verfahren eingeführt werden. Für dieses ist in Ansehung der Beklagten davon auszugehen, dass der Amtshaftungskläger einen Schaden, der dadurch verursacht wurde, dass die Exekutionsrichterin im Meistbotsverteilungsbeschluss nicht die Berichtigung der Pfandforderung der Baugesellschaft durch Übernahme in Anrechnung auf das Meistbot angeordnet und die Rücküberweisung des entsprechenden Deckungskapitals an den Kläger veranlasst hat, erlitten hat.

Gemäß § 2 Abs 2 AHG besteht der Ersatzanspruch nach dem Amtshaftungsgesetz nicht, wenn der Geschädigte den Schaden durch Rechtsmittel oder Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof hätte abwenden können. Nach den allgemeinen Regeln des Schadenersatzrechts setzt auch der Ausschluss des Ersatzanspruchs nach § 2 Abs 2 AHG ein Verschulden oder besser eine Sorglosigkeit des Amtshaftungsklägers im Umgang mit seinen eigenen Rechtsgütern voraus. Bei Beurteilung dieser Frage kommt es einerseits auf die konkreten Kenntnisse und Fähigkeiten eines Geschädigten und andererseits auf die gesamten Begleitumstände seines Verhaltens an (RIS-Justiz RS0027565). Soweit es der Kläger unterlassen hat, ein Rechtsmittel gegen den Meistbotsverteilungsbeschluss zu ergreifen, ist ein solches Verschulden bzw eine Sorglosigkeit in eigenen Angelegenheiten nicht zu erkennen, hat sich doch der Kläger - wie aus den erstinstanzlichen Feststellungen deutlich hervorgeht - bei der Richterin eingehend über den Gang des Verfahrens erkundigt und dabei mehrfach auch die Frage aufgeworfen, was denn mit den Gläubigern "geschehe". Für den Kläger bestand keinerlei Anlass, an der Auskunft der Richterin, er habe mit den Gläubigern nichts zu tun, er würde die Liegenschaft lastenfrei übergeben erhalten, zu zweifeln. Er sah sich daher auch zu Recht nicht veranlasst (und hatte wohl auch nicht die erforderlichen Fachkenntnisse), den Meistbotsverteilungsbeschluss auf die Berichtigung aller Gläubigerforderungen hin zu überprüfen. Eine allgemeine Verpflichtung, sich als Ersteher in einem Zwangsversteigerungsverfahren anwaltlich vertreten zu lassen, besteht nicht. Im Hinblick auf die nach den Feststellungen umfassenden Auskünfte der Richterin musste der Kläger auch nicht davon ausgehen, dass seine anwaltliche Vertretung schon aus Vorsichtsgründen erforderlich wäre.

Allerdings darf nicht unbeachtet bleiben, dass der Kläger das im Vorprozess ergangene zweitinstanzliche Urteil ohne weiteres hinnahm, was wohl auf die Rechtsansicht seines Vertreters zurückzuführen sein mag, das Klagebegehren sei grundsätzlich berechtigt, doch stehe dem Kläger aus dem Titel des Schadenersatzes eine Gegenforderung in gleicher Höhe zu (S. 4 der Klagebeantwortung im Vorakt). Entscheidungsgegenstand des am 10. 7. 2001 im Vorprozess ergangenen Berufungsurteils war ein Betrag von ATS 62.475,77 sA. Gemäß § 502 Abs 3 ZPO war, der das Berufungsgericht die ordentliche Revision für nicht zulässig erklärt hatte, im Bereich des Berufungsinteresses zwischen ATS 52.000 und ATS 260.000 die Revision nur im Fall des § 508 Abs 3 ZPO zulässig, wenn das Berufungsgericht also einen Abänderungsantrag gemäß § 508 Abs 1 ZPO für stichhältig ansah. Auch der Antrag auf Zulassung der ordentlichen Revision nach einem Ausspruch des Berufungsgerichts, dass eine solche unzulässig sei, ist ein "Rechtsmittel" im Sinn des § 2 Abs 2 AHG, auch wenn das Berufungsgericht selbst den Antrag unanfechtbar zurückweisen kann (Schragel aaO Rz 183).

Nach Lehre und Rechtsprechung ist es ohne Belang, ob der von der Rechtsordnung zur Verfügung gestellte Behelf formal im selben Verfahren oder in einem gesonderten Verfahren zur Verfügung steht, wenn er nur geeignet ist, die schadensverursachenden Folgen eines rechtswidrigen und schuldhaften Organverhaltens durch direkte Einwirkung auf das betreffende Verfahren zu verhindern oder zu verringern (RIS-Justiz RS0050199; SZ 64/126; Schragel aaO Rz 183). Schragel nennt am angeführten Ort als Beispiele derartiger gesonderter Verfahren, in denen bei sonstigem Anspruchsverlust die von der Rechtsordnung zur Verfügung gestellten Rechtsmittel ergriffen werden müssen, die Wiederaufnahmsklage, die Oppositionsklage oder die Impugnationsklage. Das von der Pfandgläubigerin gegen den Kläger geführte Zivilverfahren unterscheidet sich von diesen Klagen maßgeblich dadurch, dass ihm eine direkte Einwirkung auf das Zwangsversteigerungsverfahren nicht zuzukommen vermochte. Die Unterlassung einer - und wie sich aus obigen Rechtsauführungen ergibt, durchaus erfolgversprechen- den - Antragstellung des Klägers gemäß § 508 Abs 1 ZPO führte daher nicht im Sinn des § 2 Abs 2 AHG zum vollständigen Entfall des Anspruchs, sie ist jedoch unter dem Aspekt des § 1304 ABGB zu prüfen, gelten doch die Grundsätze des bürgerlichen Rechts auch im Amtshaftungsverfahren. Dem haftpflichtigen Rechtsträger stehen daher alle Einwendungen zu, die nach bürgerlichem Recht dem Anspruch des Klägers entgegengehalten werden können. Insbesondere kann ein Mitverschulden des Geschädigten geltend gemacht werden (RIS-Justiz RS0050022).

Aus § 1304 ABGB folgt, dass der Geschädigte verpflichtet ist, den Schaden möglichst gering zu halten. Er verletzt die Schadensminderungspflicht, wenn er schuldhaft Handlungen unterlässt, die von einem verständigen Durchschnittsmenschen gesetzt würden und geeignet wären, den Schaden abzuwehren oder zu verringern. Maßgebend ist, ob der Geschädigte jene Sorgfalt außer Acht gelassen hat, die ein verständiger Teilnehmer in seiner Lage angewandt hätte, um eine Schädigung nach Möglichkeit abzuwenden. Außerhalb des Anwendungsbereichs des § 2 Abs 2 AHG führt das Unterbleiben eines Rechtsmittels anders als nach der genannten Gesetzesstelle nicht in jedem Fall dazu, dass der Geschädigte den nicht verhinderten Schaden allein zu tragen hat. Ergreift der Geschädigte kein Rechtsmittel, obwohl es - wie hier - geeignet gewesen wäre, den Schaden ganz oder teilweise abzuwenden, so handelt er sorglos in eigenen Angelegenheiten und verletzt die ihm obliegende Rettungspflicht. Trifft ihn ein Verschulden, so ist der Schaden nach § 1304 ABGB zu teilen (SZ 70/108 mit durchaus vergleichbarem Sachverhalt).

Auch die Schadensminderungspflicht ist nicht von Amts wegen wahrzunehmen. Den Schädiger trifft die Behauptungs- und Beweislast für die Verletzung der objektiv gebotenen Sorgfalt durch den Geschädigten (Reischauer in Rummel ABGB² § 1304 Rz 44 mwH). Die Beklagte hat im Verfahren erster Instanz auch bei weitherzigster Auslegung ihres Vorbringens einen derartigen Einwand nicht erhoben. Ihr Hinweis auf § 2 Abs 2 AHG erfolgte ausschließlich im Zusammenhang mit der - jedoch, wie bereits dargestellt, nicht vorwerfbaren - Unterlassung der Bekämpfung des Meistbotsverteilungsbeschlusses durch den Kläger. Ihr weiterer - im Übrigen zur Abwehr eines Amtshaftungsanspruchs ungeeigneter (RIS-Justiz RS0050199) - Einwand, der Kläger möge vorerst gegen die beiden Verpflichteten des Exekutionsverfahrens aus dem Titel der Bereicherung vorgehen, steht mit dem von der Pfandgläubigerin geführten Verfahren in keinerlei Zusammenhang. Dem Kläger steht somit der von ihm geltend gemachte Leistungsanspruch ungeschmälert zu.

Was das Feststellungsbegehren betrifft, ist auf die eingangs dargestellte rechtliche Beurteilung der Vorgänge im Zwangsversteigerungsverfahren und darauf zu verweisen, dass bei rechtsrichtiger Qualifikation ein zivilrechtlicher Anspruch von im Zwangsversteigerungsverfahren übergangenen Pfandgläubigern gegen den Kläger nicht besteht. Das auf die Annahme einer derartigen Haftung gestützte Feststellungsbegehren ist daher vom Berufungsgericht im Ergebnis zu Recht abgewiesen worden.

Der Revision ist teilweise Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung gründet auf § 43 Abs 1 ZPO. Der in Ansehung des Gesamtstreitwerts mit bloß 9,5 % obsiegende Kläger hat der Beklagten 81 % der von ihr richtig verzeichneten Kosten zu ersetzen, wobei die Barauslagen im Verhältnis der Obsiegensquoten zuzusprechen sind.

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