OGH 1Ob38/16v

OGH1Ob38/16v31.3.2016

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski, Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger und die Hofrätin Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Land Oberösterreich, *****, vertreten durch Dr. Franz Haunschmidt und andere Rechtsanwälte in Linz, gegen die beklagten Parteien 1. Hubert D*****, und 2. Gertrude D*****, beide vertreten durch die Ferner Hornung & Partner Rechtsanwälte GmbH, Salzburg, wegen Unterlassung und Entfernung, über die außerordentliche Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 21. Jänner 2016, GZ 6 R 193/15t‑59, mit dem das Urteil des Landesgerichts Wels vom 22. September 2015, GZ 2 Cg 106/13k‑55, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0010OB00038.16V.0331.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Die behauptete Aktenwidrigkeit und Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens wurden geprüft; sie liegen nicht vor (§ 510 Abs 3 dritter Satz ZPO).

2. Die beiden Beklagten behaupteten ‑ worauf schon das Berufungsgericht hinwies ‑ im erstinstanzlichen Verfahren nur, dass sie infolge vierzigjähriger redlicher Ersitzung eine Dienstbarkeit der ausschließlichen unentgeltlichen Nutzung an einer Teilfläche eines im bücherlichen Eigentum der klagenden Gebietskörperschaft stehenden Grundstücks ersessen hätten.

Die erstmals in der Berufung erstatteten Ausführungen zu einer konkludenten Einräumung einer Dienstbarkeit verstießen gegen das Neuerungsverbot (§ 482 Abs 1 ZPO). Im Übrigen vermeiden die Beklagten auch in der Revision, die Höhe der getätigten Investitionen zu nennen, behaupten nur die Errichtung einer „kostspieligen Anlage“ und führen keine näheren Begleitumstände an, aus denen sich die Annahme einer konkludenten Servitutseinräumung durch die (Rechtsvorgängerin der) Klägerin rechtfertigen ließe. Der Bescheid einer Bezirkshauptmannschaft im naturschutzbehördlichen Feststellungsverfahren, wonach durch die Anschüttung einer näher beschriebenen Teilfläche überwiegende öffentliche Interessen an der Erhaltung des Landschaftsbildes unter Einhaltung von Auflagen nicht verletzt werden, wäre auch ‑ wovon schon das Berufungsgericht zutreffend ausging ‑ keine rechtliche Grundlage für ein der Rechtsvorgängerin der Beklagten konkludent eingeräumtes unentgeltliches Nutzungsrecht.

3.1. Voraussetzung für die Ersitzung einer Dienstbarkeit ist (unter anderem), dass der Besitz redlich ist (§ 1463 ABGB) und zumindest dreißig Jahre (§ 1470 ABGB) oder ‑ wie hier gegenüber einer Gebietskörperschaft - vierzig Jahre (§ 1472 ABGB) gedauert hat. Redlich ist der Besitzer gemäß § 326 ABGB, wenn er aus wahrscheinlichen Gründen die Sache, die er besitzt, für die seinige hält. Der gute Glaube geht verloren, wenn der Besitzer positiv Kenntnis erlangt, dass sein Besitz nicht rechtmäßig ist, oder wenn er zumindest solche Umstände erfährt, die zu Zweifeln an der Rechtmäßigkeit der Besitzausübung Anlass geben (RIS‑Justiz RS0010137 [T1]; RS0010184; RS0034103 [T1]). Der Besitz muss während der gesamten Ersitzungszeit redlich sein, andernfalls ist die Ersitzung ausgeschlossen (§ 1477 ABGB). Die Beurteilung der Redlichkeit hängt von den Umständen des Einzelfalls ab und ist daher regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO (RIS‑Justiz RS0010184 [T13]; RS0010185 [T7]).

3.2. Eine vom Obersten Gerichtshof im Interesse der Rechtssicherheit aufzugreifende Fehlbeurteilung liegt hier nicht vor. Die Auffassung des Berufungsgerichts, der Rechtsvorgängerin der Beklagten, die während der Ersitzungsfrist der Grenzlinie des Grundstücks der Klägerin zustimmte, fehle der für die Ersitzung erforderliche gute Glaube, ist zumindest vertretbar, bestanden doch für diese seit der Unterfertigung der Planurkunde zumindest Zweifel an einem eventuell bis dahin von ihr geglaubten Grenzverlauf. Zudem ging es (unbekämpft) davon aus, dass die Rechtsvorgängerin der Beklagten nicht glaubte, ihr hätte die (Rechtsvorgängerin der) Klägerin eine Dienstbarkeit eingeräumt.

Die von den Beklagten in diesem Zusammenhang gerügten sekundären Feststellungsmängel liegen nicht vor. Wurden ‑ wie hier ‑ zu einem bestimmten Thema ohnehin Feststellungen getroffen, mögen diese auch den Vorstellungen der Rechtsmittelwerber zuwiderlaufen, kann der Vorwurf eines Feststellungsmangels nicht mehr erfolgreich erhoben werden (vgl RIS‑Justiz RS0043320 [T18]; RS0043480 [T15]; RS0053317 [T1]).

4. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

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