European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0010OB00215.16Y.0316.000
Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird teilweise Folge gegeben.
Die Zurückweisung der Klage wird bestätigt, soweit die klagende Partei ihr Begehren auf Zahlung von 50.000 EUR sA und die Feststellung der Haftung auf Entscheidungen des Verwaltungs‑ und Verfassungsgerichtshofs stützt.
Im Übrigen werden die Entscheidungen der Vorinstanzen aufgehoben. Dem Erstgericht wird die Einleitung des Verfahrens unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen.
Die Entscheidung über die Kosten bleibt der Endentscheidung vorbehalten.
B e g r ü n d u n g :
Die Klägerin ist die Alleingesellschafterin der zu FN 205887a im Firmenbuch eingetragenen C***** GmbH (C*****), über deren Vermögen aufgrund des Antrags des Landes Vorarlberg vom Handelsgericht Wien mit Beschluss vom 8. 2. 2016 das Konkursverfahren eröffnet wurde. Die Klägerin, die der Ansicht ist, dadurch sei ihr Gesellschaftsanteil materiell enteignet worden, brachte gegen den Bund und das Land Vorarlberg eine Klage wegen europarechtlicher Staatshaftung ein, mit der sie begehrt, die beklagten Parteien zur ungeteilten Hand zur Zahlung von 50.000 EUR zu verpflichten sowie festzustellen, dass diese verpflichtet seien, der Klägerin sämtliche weiteren, über diesen Betrag hinausgehenden Schäden, „die aus dem klagsgegenständlichen Sachverhalt resultieren“, zu ersetzen.
Dazu stützte sie sich – zusammengefasst – auf nachstehende Behauptungen: Die Beklagten hätten zu Lasten der Klägerin europarechtswidrige, den einzigen Konzessionär nach dem Glücksspielgesetz (GSpG) ungerechtfertigt bevorzugende Normen, nämlich jene des GSpG und des Vorarlberger Kriegsopferabgabegesetzes, geschaffen und angewendet. Die C*****, die keine Möglichkeit gehabt habe, eine Konzession nach dem GSpG zu erwerben, habe vom 1. 9. 2010 bis 31. 12. 2012 Betriebsstätten ua in Bregenz zum Betrieb von Pokerkartenspielen ohne Bankhalter geführt und sei Inhaberin einer entsprechenden Gewerbeberechtigung gewesen. Ihre Tätigkeit habe darin bestanden, als Dienstleistung Spielutensilien wie Spielkarten und Spieltische zur Verfügung zu stellen, das Entgelt dafür sei spieleinsatz- und gewinnunabhängig gewesen. Das beklagte Land habe mit dem Vorarlberger Kriegsopferabgabegesetz eine Erdrosselungssteuer eingeführt, weil dessen § 3 Abs 1 vorsehe, dass die C***** 10 % des Eintrittsgeldes der Pokerspieler als Abgabe leisten müsse. Das Eintrittsgeld werde aber nicht nach jenem Betrag bemessen, den die C***** von den Spielern erhalte, sondern nach den geleisteten Spieleinsätzen, an denen die C***** gar keine Gewahrsame erlange. Die C***** sei gezwungen worden, ein Mehrfaches der eigenen Umsätze an Kriegsopferabgabe zu bezahlen, welche vom Bürgermeister der Landeshauptstadt Bregenz mit – in der Klagserzählung näher bezeichneten – Bescheiden festgesetzt worden sei. Die Vorarlberger Landesregierung habe den dagegen erhobenen Berufungen nicht Folge gegeben, der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der gemäß Art 144 B‑VG erhobenen Beschwerden abgelehnt und sie an den Verwaltungsgerichtshof abgetreten, der Verwaltungs-gerichtshof die Beschwerden jeweils als unbegründet abgewiesen, wiewohl die C***** in den Verfahren die Unionsrechtswidrigkeit der der Abgabenforderung zugrunde liegenden Bestimmung eingewendet habe. Sie berief sich darauf, dass zu ihren Kunden [gemeint wohl der C*****] auch Unionsbürger gehörten, und behauptete, die nationalen Abgabenvorschriften seien nicht nur eine Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit nach Art 56 AEUV, sondern verstießen auch gegen Art 15 bis 17, 20 und 47 GRC und verfolgten den Zweck, ihr Unternehmen zu liquidieren, um die Monopolbildung auf dem Glücksspielmarkt abzusichern. Die Verwaltungsbehörden und die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts hätten kein Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH gestellt, das Unionsrecht insbesondere durch Annahme einer Beweislastumkehr zugunsten des Staats unrichtig angewendet und den Anwendungsvorrang des Unions- vor dem nationalen Recht gröblich verletzt. Das Land Vorarlberg habe am 15. 4. 2015 beim Handelsgericht Wien den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der C***** gestellt, dadurch sei das Unternehmen aufgelöst und zerschlagen worden und ein wirtschaftlicher Schaden in nicht abschätzbarer Höhe bei der C***** und ihr selbst als Alleingesellschafterin eingetreten; das Feststellungsbegehren beziehe sich auf künftige Schäden durch die weitere Erlassung von Bescheiden nach dem Vorarlberger Kriegsopferabgabegesetz; 50.000 EUR seien jedenfalls bereits jetzt als Schaden eingetreten.
Das Erstgericht wies die Klage wegen Unzulässigkeit des ordentlichen Rechtswegs a limine zurück, weil die Klägerin im konkreten Fall ihre Staatshaftung auch auf Entscheidungen des im Abgabenverfahren angerufenen Verwaltungsgerichtshofs gegründet habe. Der Verfassungsgerichtshof nehme seine Zuständigkeit für Klagen wegen europarechtlicher Staatshaftung nach Art 137 B‑VG dann wahr, wenn das gemeinschaftswidrige Handeln oder Unterlassen unmittelbar dem Gesetzgeber zuzurechnen sei oder wenn gemeinschaftswidriges Verhalten von Höchstgerichten iSd § 2 Abs 3 AHG (also des Obersten Gerichtshofs, Verwaltungsgerichtshofs oder Verfassungs-gerichtshofs) behauptet werde. Eine kumulative Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofs und des Amtshaftungsgerichts sei ausgeschlossen.
Das Rekursgericht erachtete die Ausführungen im Rekurs der Klägerin für nicht stichhältig und die Begründung des angefochtenen Beschlusses für zutreffend. Werde ein Staatshaftungsanspruch (auch) aus angeblich unionsrechts-widrigem Verhalten eines Höchstgerichts abgeleitet, bestehe auch nach Auffassung des Rekursgerichts selbst bei behauptetem untrennbaren Zusammenhang mit ebenfalls anspruchsbegründendem Verhalten von Vollzugsbehörden, die nicht Höchstgerichte seien, die Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofs iSd Art 137 B‑VG. Es gab daher dem Rekurs der Klägerin nicht Folge und sprach aus, der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig.
Gegen diese Entscheidung richtet sich der Revisionsrekurs der Klägerin mit dem Begehren, die Entscheidungen der Vorinstanzen aufzuheben und dem Erstgericht die Fortsetzung des Verfahrens aufzutragen.
Rechtliche Beurteilung
Der – mangels Streitanhängigkeit einseitige (§ 521a Abs 2 iVm Abs 1 ZPO) – Revisionsrekurs ist zulässig, weil Klarstellungen zur Staatshaftung angebracht sind, und auch teilweise berechtigt.
1. Der Grundsatz der außervertraglichen Haftung des Staats für Schäden, die dem Einzelnen durch dem Staat zuzurechnende Verstöße gegen das Unionsrecht entstehen, folgt aus dem Wesen der Unionsrechtsordnung. Der Geschädigte hat aufgrund dieser Haftung einen Entschädigungsanspruch, wenn drei Voraussetzungen erfüllt sind: Die unionsrechtliche Vorschrift, gegen die verstoßen worden ist, bezweckt, dem Einzelnen Rechte zu verleihen, der Verstoß gegen diese Vorschrift ist hinreichend qualifiziert und zwischen diesem Verstoß und dem dem Geschädigten entstandenen Schaden besteht ein unmittelbarer Kausalzusammenhang (EuGH Urteile Francovich ua, C‑6/90 und C‑9/90, EU:C:1991:428, Rn 35; Brasserie du pêcheur und Factortame , C‑46/93 und C‑48/93, EU:C:1996:79, Rn 31 und 51; Köbler , C‑224/01, ECLI:EU:C:2003:513, Rn 51 f; Fuß , C‑429/09, ECLI:EU:C:2010:717, Rn 47; de Schooten , C‑268/15, ECLI:EU:C:2016:874, Rn 41; vgl auch RIS‑Justiz RS0113922). Nicht nur legislatives und exekutives, sondern auch höchstgerichtliches Unrecht kann Gegenstand dieser unionsrechtlichen Haftung sein (C‑224/01 Rn 52; Tomášová , C‑168/15, EU:C:2016:602, Rn 23; C‑268/15 Rn 42; Mader in Schwimann/Kodek, ABGB 4 Vor § 1 AHG Rz 24).
2. Die Beurteilung der Voraussetzungen für die Haftung der Mitgliedstaaten obliegt grundsätzlich den nationalen Gerichten (C‑429/09 Rn 48). Ebenso haben die nationalen Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten zu bestimmen, welches innerstaatliche Gericht für unionsrechtliche Staatshaftungsansprüche zuständig ist (C‑224/01 Rn 50; Mader in Schwimann/Kodek, ABGB4 Vor § 1 AHG Rz 24; Kucsko-Stadlmayer in Mayer/Stöger,EUV/AEUV, Art 340 AEUV Rz 102; Vrba, Amtshaftung – Staatshaftung [2016] Kap. 2.4.4, 1).
3.1. Ungeachtet der Empfehlungen im Schrifttum (siehe nur Dossi,Geltendmachung der EU-Staatshaftung in Österreich: die Praxis in einem System unvollständiger Rechtsgrundlagen, ecolex 2000, 337 [342]) hat der österreichische Gesetzgeber die Frage, vor welcher staatlichen Behörde und in welchem Verfahren gemeinschaftsrechtlich begründete Staatshaftungsansprüche geltend zu machen sind, nicht ausdrücklich geregelt (VfGH A 36/00 = VfSlg 17.019). Die Frage, vor welcher staatlichen Behörde und in welchem Verfahren gemeinschaftsrechtlich begründete Staatshaftungsansprüche geltend zu machen sind, ist daher nach den allgemeinen Grundsätzen der Zuständigkeitsverteilung vorzunehmen, wie sie sich in der österreichischen Rechtsordnung finden (A 36/00 mwN).
3.2. Auf Basis der bestehenden Zuständigkeitsnormen macht der Verfassungsgerichtshof – dem es nach Art 138 Abs 1 B‑VG zukommt, auch im Konfliktfall zwischen ihm selbst und den ordentlichen Gerichten die Frage der Zuständigkeit bindend zu lösen – die Zuständigkeit für die Prüfung eines unionsrechtlichen Staatshaftungsanspruchs davon abhängig, welcher Staatsgewalt der Unionsrechtsverstoß zuzurechnen ist. Er erachtet sich nach Art 137 B‑VG in den Fällen des „legislativen Unrechts“ und im Fall der Staatshaftung wegen behaupteter Unionsrechtswidrigkeit höchstgerichtlicher Entscheidungen („höchstgerichtliches Unrecht“) für zuständig (grundlegend A 36/00; A 2/01 ua = VfSlg 17.095; A 2/07 = VfSlg 18.557; A 14/08 = VfSlg 18.866; zuletzt die Klagen als unzulässig zurückweisend, allerdings wegen der fehlenden Darlegung eines „qualifizierten Unionsrechtsverstoßes“ A 3/2015; A 8/2015; A 8/2016). Am „legislativen Unrecht“ knüpft der Verfassungsgerichtshof dann an, wenn die anspruchsbegründenden Handlungen unmittelbar dem Gesetzgeber zuzurechnen sind und der geltend gemachte Schaden unmittelbar auf – behauptete – Fehlleistungen des Gesetzgebers zurückzuführen ist. Wurde der behauptete Schaden durch ein verwaltungsbehördliches oder gerichtliches Handeln (ausgenommen jenes der Höchstgerichte) verursacht, bleibt es bei der Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte auch für eine unionsrechtliche Staatshaftung (A 23/00 = VfSlg 16.107; A 2/01 ua; A 8/08 = VfSlg 18.600; A 9/08 = VfSlg 18.787; A 14/08; A 15/11; A 3/2015; vgl auch Frischhut/Ranacher, Die Unterscheidung zwischen legislativem und administrativem Unrecht in Staatshaftungssachen, ÖJZ 2005, 241 [254 f]). Abgesehen von Staatshaftungsansprüchen aus höchstgerichtlichen Entscheidungen (A 2/01 ua; A 3/2015) haben damit über unionsrechtswidriges Verhalten der Vollzugsorgane (Behörden, Gerichte), auch wenn dem ein Fehlverhalten des Gesetzgebers vorhergehen sollte, die ordentlichen Gerichte zu urteilen. „Administratives Unrecht“ im Sinne der vorstehenden Abgrenzung zwischen „legislativem Unrecht“ und „Vollzug“ liegt nämlich auch dann vor, wenn, wie nach der vorliegenden Klage, Vollzugsorgane tätig werden, die eine allfällige Nichtbeachtung des Gemeinschaftsrechts durch den Gesetzgeber hätten aufgreifen können (OGH 1 Ob 205/04k = SZ 2004/148; 1 Ob 228/07x = SZ 2008/16; 1 Ob 248/08i; RIS‑Justiz RS0119570).
4.1. Die Revisionsrekurswerberin meint, es käme die Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofs nach Art 137 B-VG nur in Betracht, „wenn ausschließlich ein isolierter Rechtsverstoß eines Höchstgerichtes releviert worden wäre“. Außerdem ziehe – nach ihrer Auffassung – ein „Gesamtsachverhalt“ eine (einzige) Zuständigkeit entweder der ordentlichen Gerichte oder des Verfassungsgerichtshofs nach sich. Im vorliegenden Fall müsse der „Gesamtsachverhalt“ als Ganzes einer Beurteilung durch die ordentlichen Gerichte unterzogen werden.
4.2. Diese Behauptungen kann sie aber weder durch Rechtsvorschriften noch Rechtsprechung untermauern. Träfe die Ansicht, die Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofs sei nur dann gegeben, wenn sich ein Kläger in seiner Klage allein auf einen „isolierten“ Verstoß eines Höchstgerichts berufen hat, zu, müsste der Verfassungsgerichtshof für Klagen, in denen Fehlverhalten unterschiedlicher Staatsgewalten geltend gemacht werden, oder für solche, in denen (wie dies häufig der Fall sein wird) dem behaupteten Verstoß durch Höchstgerichte solche der untergeordneten Instanzen vorgelagert sind, seine Zuständigkeit zur Gänze verneinen und sie insgesamt zurückweisen. Dann hätte es im Übrigen der Kläger in der Hand, die Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofs dadurch herbeizuführen, dass er nur das Verhalten eines Höchstgerichts schilderte, oder aber – je nach Belieben – jene der ordentlichen Gerichte zu wählen, indem er in seiner Klage auch das Verhalten der Vorinstanzen oder des Gesetzgebers anführte.
Der Verfassungsgerichtshof lehnt weder die Behandlung von Klagen, mit denen gesetzliches Unrecht und hinzutretendes Fehlverhalten von Höchstgerichten geltend gemacht werden, zur Gänze ab, noch weist er solche (auch) hinsichtlich des geltend gemachten höchstgerichtlichen Unrechts zurück, in denen neben dem Verhalten eines Höchstgerichts auch jenes der davor befassten Verwaltungsbehörden oder Gerichte als europarechtswidrig dargelegt wird (VfGH A 2/01 ua; A 14/08; A 3/2015). Schon in der Entscheidung zu A 2/01 ua anlässlich der Behandlung der bei ihm eingebrachten Staatshaftungsklagen wegen legislativen Unrechts und „staatshaftungsbegründender Fehlleistung des Oberlandesgerichts ..., in eventu des OGHs“ führte er aus, dass „insoweit Handlungen oder Unterlassungen den Oberlandesgerichten anzulasten“ wären, solche Ansprüche im Amtshaftungsweg und nicht vor dem Verfassungsgerichtshof nach Art 137 B‑VG geltend zu machen wären. Er behandelte aber die Klagen, soweit sie sich auf angebliche (auch auf legislativem Unrecht beruhende) Fehlleistungen des Obersten Gerichtshofs bezogen. Ebenso wies er in der Entscheidung A 10/09 (= VfSlg 18.971) die Klage, (nur) soweit sie sich auf ein behauptetes Fehlverhalten der zuständigen Bezirkshauptmannschaft und des Unabhängigen Verwaltungssenats stützte, zurück; im Übrigen – also betreffend ein Fehlverhalten des Verwaltungsgerichtshofs, der die Behandlung der Beschwerde abgelehnt hatte, – erachtete er sich als zuständig. Dem Standpunkt der Klägerin, eine Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofs liege ausschließlich dann vor, wenn ein „isolierter Rechtsverstoß eines Höchstgerichts“ releviert werde, hat dieses Höchstgericht, dem – wie schon zuvor erwähnt – in der Bundesverfassung die Aufgabe, Kompetenzkonflikte zu lösen, zugewiesen ist, somit bereits eine Absage erteilt. Auch der Oberste Gerichtshof sieht keinen Anlass, dies anders zu beurteilen.
4.3. Auch wenn eine Partei die Beurteilung ihres sich aus mehreren Verstößen unterschiedlicher Staatsgewalten, Behörden und/oder Gerichte abgeleiteten Anspruchs durch ein Gericht allein als wünschenswert erachten mag, kann sich die Zuständigkeit – schon wegen des Rechts der Parteien auf den gesetzlichen Richter nach Art 83 B‑VG – nur aus einer vom Gesetz vorgenommenen Zuweisung ableiten. Der Verfassungsgerichtshof und die ordentlichen Gerichte können und dürfen nur innerhalb ihrer jeweiligen vom Gesetz angeordneten, aber auch begrenzten Zuständigkeit entscheiden. Daran knüpft wieder, wenn es wie im vorliegenden Fall um die Abgrenzung der Zuständigkeit zwischen den ordentlichen Gerichten und dem Verfassungsgerichtshof geht, die (Un‑)Zulässigkeit des Rechtswegs an.
Sowohl die von der Klägerin angestrebte „Gesamtzuweisung“ der Beurteilung aller Staatshaftungsklagen (auch im Umfang von behaupteten Verstößen der Höchstgerichte) an die ordentlichen Gerichte wie auch die von den Vorinstanzen mit der gänzlichen Zurückweisung indirekt ausgesprochene Zuweisung des „Gesamtsachverhalts“ an den Verfassungsgerichtshof widersprechen dessen in Art 137 B‑VG verankerter suppletorischen Zuständigkeit. Bei einem auf Verstöße verschiedener Staatsgewalten, Behörden und/oder Gerichte gegründeten Staatshaftungsanspruch muss nach den geltenden Bestimmungen über die Zuständigkeit abgegrenzt werden, welcher Staatsgewalt im Sinne des Vorstehenden das behauptete einzelne Fehlverhalten zuzurechnen ist; bei Zuordnung zum „Vollzug“ muss unterschieden werden, ob es sich um gegen Höchstgerichte gerichtete Vorwürfe oder um das Verhalten der Unterinstanzen handelt. Erst dann lässt sich beurteilen, ob das angerufene Gericht zur Beurteilung aller geltend gemachten Vorwürfe zuständig ist. Soweit seine Zuständigkeit – sei es auch nur für einzelne der behaupteten Verstöße, weil daraus abgeleitete Ansprüche eben in die Beurteilung eines anderen Gerichts (des VfGH oder der ordentlichen Gerichte) fallen – überschritten ist, ist die Klage zurückzuweisen (vgl OGH 4 Ob 80/08f = SZ 2008/112 4 Ob 154/12v = SZ 2012/106; 4 Ob 227/13f; zur Zulässigkeit des Rechtswegs vgl 2 Ob 229/15p; RIS‑Justiz RS0128366).
5.1. Eine Auseinandersetzung mit der Ansicht der Klägerin, weil der Verfassungsgerichtshof zur Frage der Unionsrechtswidrigkeit und Verfassungswidrigkeit der Bestimmungen des Vlbg KOAG und des GSpG die Behandlung der gegen diese Abgabenbelastung erhobenen Beschwerden nach Art 144 B‑VG abgelehnt habe, wäre er „als befangenes Gericht von der Zuständigkeit in der Kausalgerichtsbarkeit ausgeschlossen“ obliegt, soweit seine Zuständigkeit nach Art 137 B‑VG vorliegt, diesem Gerichtshof selbst. G. Kodek (Das Verfahren der Kausalgerichtsbarkeit mit besonderer Berücksichtigung des Staatshaftungsverfahrens, in Holoubek/Lang,Das verfassungsgerichtliche Verfahren in Steuersachen [2010] 391 [418]) weist im Übrigen darauf hin, dass der Verfassungsgerichtshof schon wegen der anders gelagerten Prüfungstätigkeit nicht zum „Richter in eigener Sache“ werde. Außerdem könne er aufgrund des § 7 Abs 2 lit a VfGG („kleiner Senat“) ohnehin ein vom Spruchkörper im Anlassfall unterschiedlich besetztes Gremium bilden. Der Verfassungsgerichtshof hat sich mit dieser Problematik bereits grundsätzlich befasst und dazu erläutert, dass diese Konsequenz bei Annahme der Zuständigkeit der Amtshaftungsgerichte für das höchstgerichtliche Unrecht eben dann auch für den Obersten Gerichtshof einträte. Er kam unter Hinweis auf Art 138 B‑VG und die Judikatur des Europäischen Gerichtshofs zum Ergebnis, dass für die Beurteilung eines Staatshaftungsanspruchs aus einer angeblich gemeinschaftsrechtswidrigen Entscheidung eines der drei in § 2 Abs 3 AHG genannten Gerichte, also auch seiner eigenen, seine subsidiäre Zuständigkeit nach Art 137 B‑VG besteht (A 36/00). In den Verfahren zu A 2/2013 und unlängst zu A 7/2016, die auch auf angebliche Verstöße gegen Unionsrecht durch ihn selbst gestützte Staatshaftungsklagen betrafen, wies er diese nicht aus den von der Klägerin geäußerten Bedenken zurück, sondern weil entweder ein offenkundiges Verkennen von Unionsrecht nicht einmal im Ansatz dargelegt worden war (A 2/2013) oder die behaupteten Verstöße gegen unionsrechtliche Bestimmungen nicht vorlagen (A 7/2016).
5.2. Dass „die ordentlichen Zivilgericht(e) in der bisherigen Rechtsprechung in vergleichbaren Fällen ihre Zuständigkeit bejaht“ hätten (wofür sich die Klägerin auf die Verfahren zu 1 Ob 146/00b; 1 Ob 228/07x; 1 Ob 205/04k beruft), trifft nicht zu. Zwar ist richtig, dass der Oberste Gerichtshof zu 1 Ob 146/00b über einen Staatshaftungsanspruch wegen einer angeblich gemeinschaftsrechtswidrigen VwGH‑Entscheidung entschied, jedoch nur, weil die Vorinstanzen die Zulässigkeit des ordentlichen Rechtswegs ausdrücklich und übereinstimmend in den Entscheidungsgründen bejaht hatten und daher – wie der erste Senat deutlich hervorhebt – eine für den Obersten Gerichtshof bindende Entscheidung nach § 42 Abs 3 JN über eine absolute Prozessvoraussetzung vorlag. Dem Beschluss zu 1 Ob 228/07x lag ein Gesetzesentwurf, der noch nicht in das eigentliche Gesetzgebungsverfahren „vorgedrungen“ war, zugrunde. Auch in der Entscheidung 1 Ob 205/04k (mit der die Zurückweisung der Klage durch die Vorinstanzen bestätigt wurde) ging es nicht um eine behauptete Unionsrechtswidrigkeit einer höchstgerichtlichen Entscheidung, sondern um eine verspätete Umsetzung der Geldwäscherichtlinie durch den Gesetzgeber, weswegen die damaligen Klägerinnen ihre Rechte nicht durchsetzen konnten, ohne dass Vollzugsorgane insoweit hätten Hilfestellung leisten können.
6. Dass den vom EuGH formulierten gemeinschaftsrechtlichen Anforderungen, wonach „die im Schadenersatzrecht der einzelnen Mitgliedstaaten festgelegten materiellen und formellen Voraussetzungen nicht ungünstiger sein“ dürfen „als bei ähnlichen Klagen, die nur nationales Recht betreffen, und sie nicht so ausgestaltet sein dürfen, dass sie es praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren, die Entschädigung zu erlangen“ (EuGH C-6 und 9/90 Rn 42 f; C‑46/93 und C‑48/93 Rn 67 und 70), nicht Rechnung getragen worden wäre (vgl zu dieser Pflicht VfGH A 36/00 mwN; OGH 1 Ob 286/03w), kann nicht erkannt werden. Für ihre Rechtsansicht, dass „Gesamtsachverhalte die Zuständigkeit entweder (allein) der ordentlichen Gerichte oder des Verfassungsgerichtshofs nach sich ziehen“ müssen, kann die Klägerin keine Belege zitieren; im Übrigen sprechen die bereits zitierten Entscheidungen zu 4 Ob 80/08f und 4 Ob 154/12v dagegen.
7. Dem Revisionsrekurs kommt demnach teilweise Berechtigung zu, weil die Entscheidungen der Vorinstanzen (nur) insoweit zu bestätigen sind, als sie die Zulässigkeit des Rechtswegs der Klage im Umfang der Beurteilung eines behaupteten Fehlverhaltens der Höchstgerichte verneinten. Im Übrigen sind sie aber aufzuheben. Dem Erstgericht wird die Einleitung des Verfahrens unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen.
Das Feststellungsbegehren (Haftung der Beklagten für sämtliche weiteren über diesen Betrag hinausgehenden Schäden, „die aus dem klagsgegenständlichen Sachverhalt resultieren“) wird im fortgesetzten Verfahren von der Klägerin zu präzisieren sein. Ein Feststellungsbegehren ist nämlich so konkret zu fassen, dass im Falle der Stattgebung in Zukunft möglichst wenig Zweifel über dessen Reichweite auftreten können. Hier fehlt überhaupt jedwede Konkretisierung des haftungsbegründenden Verhaltens im Urteilsbegehren (vgl 1 Ob 214/15z; RIS‑Justiz RS0038915; RS0039053).
8. Der Kostenvorbehalt beruht auf den §§ 50 Abs 1, 52 Abs 1 und 4 ZPO.
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