European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0010OB00170.18H.1121.000
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Die Klägerin steht in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zur Beklagten. Sie war bis zu ihrer Versetzung im März 2016 als Lehrerin an einer bestimmten Volksschule in der Steiermark tätig. Seit 2013 fühlte sie sich dort von ihren Kollegen, der provisorischen Schulleiterin sowie von Mitarbeitern des Landesschulrats und durch von diesem gegen die Klägerin ergriffene Disziplinarmaßnahmen gemobbt. Sie bemerkte verschiedene körperliche Symptome (höherer Blutdruck, Gewichtszunahme, Hautjucken, Herz- und Magenschmerzen, Libidoverlust) und begehrt dafür vom beklagten Land Schmerzengeld in Höhe von 20.000 EUR sowie den Ersatz pauschalierter Unkosten in Höhe von 200 EUR. Die Klage ist außerdem auf die Unterlassung von im Klagebegehren näher bezeichneten „Mobbinghandlungen“ gerichtet.
Das Erstgericht wies die Klage zur Gänze ab, weil für ein Unterlassungsbegehren keine Grundlage im AHG bestehe und eine psychische Beeinträchtigung mit Krankheitswert nicht festgestellt werden konnte. Dies wurde vom Berufungsgericht bestätigt; es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands insgesamt 30.000 EUR übersteige und die ordentliche Revision nicht zulässig sei.
Rechtliche Beurteilung
Die außerordentliche Revision der Klägerin zeigt keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO auf.
1. Die Abweisung des von der Klägerin begehrten Ersatzes ihrer pauschalen Unkosten in Höhe von 200 EUR wird von ihr – wie bereits in ihrer Berufung – nicht substantiiert bekämpft.
2. Der Amtshaftungsanspruch kann nur auf Geldersatz oder die Feststellung der Verpflichtung zum Ersatz eines noch nicht bezifferbaren Schadens gerichtet sein (RIS‑Justiz RS0049906 [insb T1 und T2]; vgl auch RS0045688). Dass Gerichte (im Hoheitsbereich) dem Rechtsträger ein Unterlassen auftragen, ist hingegen ausgeschlossen (vgl etwa 1 Ob 28/91; 1 Ob 306/98a mwN; siehe etwa auch Mader in Schwimann / Kodek 4 Vor § 1 AHG Rz 6 und § 1 AHG Rz 87; Schragel , AHG³ Rz 171; grundsätzlich wohl auch Kletečka , ecolex 1990, 607 [Glosse zu 1 Ob 47/89]), weil dies dem Gewaltenteilungsprinzip (und bei gerichtlichen Handlungen der richterlichen Weisungsungebundenheit) widersprechen würde (1 Ob 32/95; Ziehensack , AHG [2017] § 1 AHG Rz 71; Schragel aaO). Dass das Berufungsgericht dieser Rechtsansicht gefolgt ist, begegnet keinen Bedenken. Die vereinzelte Kritik an der ständigen Rechtsprechung (und der überwiegenden Literatur), der sich das Berufungsgericht aber nicht anschloss, begründet für sich genommen keine Zulässigkeit der Revision (vgl RIS‑Justiz RS0042985 [T1]). Soweit sich die Klägerin auf die Ausführungen von Cohen (Amtshaftung bei schlichter Hoheitsverwaltung, JBl 2014, 228) stützt, sprach der Oberste Gerichtshof zu der von dieser Autorin behaupteten Problematik allfälliger Rechtsschutzlücken bereits wiederholt aus, dass sie sich einer Schließung durch die Rechtsprechung entziehen (etwa 1 Ob 306/98a mwN). Die in der Revision erwähnte Stellungnahme von Lenzbauer (Rechtsschutz gegen schlichte Hoheitsverwaltung, JAP 2014/2015, 20 [24 f]) befürwortet nicht die Anwendung des AHG auf Unterlassungsansprüche, sondern bloß (de lege ferenda) eine diesbezügliche – auf das Verwaltungsrecht bezogene – Gesetzesänderung.
3. Im Hinblick auf das von den Vorinstanzen abgewiesene Zahlungsbegehren zeigt die Revision ebenfalls keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO auf. Vorauszuschicken ist, dass die in § 1325 ABGB genannte Körperverletzung zwar eine Gesundheitsverletzung mit einschließt, welche die Störung innerer Lebensvorgänge betrifft (vgl idS RIS-Justiz RS0030778). Dabei muss es sich allerdings um eine massive Einwirkung in die psychische Sphäre handeln. Eine psychische Einwirkung, die bloß das seelische Wohlbefinden beeinträchtigt, ist ebenso wenig eine Gesundheitsverletzung (RIS‑Justiz RS0030778), wie psychische Beeinträchtigungen, die bloß in Unbehagen und Unlustgefühlen bestehen (RIS‑Justiz RS0030792 [T3]). Kein Ersatz gebührt nach allgemeinem Schadenersatzrecht demnach etwa für bloße Beeinträchtigungen durch (auch beißende) Geruchs
immissionen (RIS-Justiz RS0030768), für bloß die Lebensqualität beeinträchtigende Lärmbeeinträchtigungen (3 Ob 531/88), Angstgefühle
(9 Ob 36/00k) oder für eine bloße Einbuße an Lebensfreude (2 Ob 70/14d; dort aufgrund einer zu einer erektilen Dysfunktion führenden Verletzung des Ehegatten).
Im vorliegenden Fall konnte nicht festgestellt werden, dass „die Klägerin seit 2013 jemals an einer psychischen Beeinträchtigung mit Krankheitswert litt bzw leidet“. Dass die Vorinstanzen auf dieser Grundlage keinen ideellen Schadenersatz zuerkannten, bedarf keiner Korrektur. Ein Abweichen von den in der Rechtsprechung allgemein erarbeiteten Grundsätzen behauptet die Revisionswerberin gar nicht (RIS‑Justiz RS0042779). Dass die ständige Rechtsprechung zum (nur ausnahmsweise bejahten) Ersatz ideeller Schäden bei psychischen Beeinträchtigungen ohne Krankheitswert (und ohne vorangegangene Körperverletzung) in der Lehre vereinzelt kritisiert wird (die Revision bezieht sich primär auf Gerhartl , Ersatzfähigkeit von Gefühlsschäden, ecolex 2017, 839), begründet – wie bereits angemerkt – noch keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO. Soweit die Revisionswerberin ohne Bezugnahme auf den konkreten Fall und die vom Erstgericht getroffenen Feststellungen– dafür mit Hinweisen auf Studien und Statistiken – argumentiert, dass Mobbinghandlungen typischerweise schwere psychische Eingriffe darstellen, Gesundheitsprobleme häufig auf Mobbing zurückzuführen seien und ein gewisser Prozentsatz der Arbeitnehmer und dabei statistisch eher Frauen als Männer von Mobbing betroffen seien, wird keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO angesprochen. Dass die zu lösenden Fragen in einer Vielzahl von Fällen auftreten, bewirkt ebenfalls nicht deren Erheblichkeit (RIS‑Justiz RS0042816).
Soweit die Klägerin auf die von der jüngeren Rechtsprechung unter gewissen (engen) Voraussetzungen (sie nennt selbst eine intensive Gefühlsgemeinschaft zum Verstorbenen [bzw schwerst Verletzten]) bejahte Ersatzfähigkeit eines Trauerschadens hinweist (zur Entwicklung der Rechtsprechung vgl etwa RIS‑Justiz RS0115189), fehlt es der Revision an überzeugenden Ausführungen, weshalb eine Parallele zu Mobbingfällen zu ziehen sei. Dass das Berufungsgericht die durch behauptetes Mobbing verursachte psychische Beeinträchtigung der Klägerin ohne Krankheitswert einer durch den Tod oder schwerste Verletzungen eines nahen Angehörigen verursachten psychischen Beeinträchtigung wertungsmäßig nicht gleich gesetzt hat, begründet keine aufzugreifende Fehlbeurteilung, zumal nicht nachvollziehbar dargelegt wird, aus welchen positiven Normen sich – allenfalls im Wege einer Analogie – die gewünschte Rechtsfolge ergeben könnte. Soweit die Klägerin auf die Ersatzfähigkeit von Schockschäden hinweist, geht sie selbst davon aus, dass diese eine – hier gerade nicht feststellbare – krankheitswertige Beeinträchtigung voraussetzt (vgl RIS-Justiz RS0127926). Ein – die Zulässigkeit der Revision begründender – Wertungswiderspruch, wenn ideelle Schäden zwar bei entgangener Urlaubsfreude, nicht aber beim Mobbing am Arbeitsplatz ersetzt würden, besteht schon deshalb nicht, weil der Reisevertrag gerade auf die Erlangung immaterieller Vorteile ausgerichtet ist (vgl 2 Ob 163/06v mit Hinweis auf Karner , Verpatzter Urlaub und der EuGH, RdW 2002/194, 204 [205]); zudem diente die (punktuell) den Ersatz entgangener Urlaubsfreude normierende Bestimmung des § 31e KSchG (nur) der „Umsetzung“ einer zur Richtlinie 90/314/EWG des Rates vom 13. Juni 1990 über Pauschalreisen ergangenen Entscheidung des EuGH (C-168/00 Leitner / TUI ). Es bedarf daher keiner Korrektur, dass sich das Berufungsgericht bei seiner Entscheidung nicht an dieser Bestimmung orientierte. Ob sich eine Analogiegrundlage aus den Normen der Gleichbehandlungsgesetze gewinnen ließe, die bei Belästigung oder sonstiger Diskriminierung im Arbeitsverhältnis unter bestimmten Voraussetzungen Schadenersatzansprüche für die bloße „persönliche Beeinträchtigung“ (ohne Krankheitswert) gewähren, ist nicht näher zu prüfen. Auf die Klägerin als Pflichtschullehrerin ist nämlich gemäß dessen § 40 das B‑GlBG anzuwenden, das in § 20 für die Geltendmachung solcher Ansprüche den Verwaltungsweg (Antrag bei der Dienstbehörde) vorsieht.
4. Der Vorwurf eines rechtlichen Feststellungsmangels kann nicht erfolgreich erhoben werden, wenn zu einem bestimmten Thema ohnehin Feststellungen getroffen wurden (vgl RIS-Justiz RS0043480 [T15, T19]). Hier stellte das Erstgericht zu den psychischen Folgen der Klägerin die (von ihr empfundenen) Symptome fest und traf im Übrigen die Negativfeststellung, dass keine krankheitswertigen Beeinträchtigen festgestellt werden konnten. Damit geht der Vorwurf fehlender Feststellungen ins Leere. Ob der Klägerin Schmerzengeld zusteht, ist – entgegen den Revisionsausführungen – als rechtliche Beurteilung keiner Feststellung zugänglich. Dass der Sachverständige im Unterschied zum Erstgericht weitere Symptome der Klägerin „festgestellt“ habe, wendet sich gegen die in dritter Instanz nicht mehr bekämpfbare Beweiswürdigung (vgl RIS‑Justiz RS0043371 [T21, T22, T24]).
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