European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:E123144
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Die Revisionsrekurse werden zurückgewiesen.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsrekursverfahrens bleibt dem Rekursgericht vorbehalten.
Begründung:
Die 1984 geschlossene Ehe der Parteien, aus der drei volljährige Kinder hervorgegangen sind, wurde mit Urteil des Erstgerichts vom 12. 9. 2014 aus dem Alleinverschulden des Mannes geschieden. Die eheliche Lebensgemeinschaft ist seit 23. 10. 2013 aufgehoben; damals ist die Frau aus der Ehewohnung ausgezogen.
Die Frau begehrt vom Mann primär eine Ausgleichszahlung. Sie brachte im Wesentlichen vor, dass in die Aufteilungsmasse nicht nur die während aufrechter ehelicher Lebensgemeinschaft erworbenen drei Liegenschaften, sondern auch das Elternhaus des Mannes miteinzubeziehen seien, weil die während aufrechter ehelicher Gemeinschaft von beiden Parteien bewirkte Wertschöpfung erheblich überwiege; in die Aufteilungsmasse würden auch der Hausrat, Holzbezugsrechte und eine Schafzucht fallen. Zur Schaffung dieses Vermögens hätten beide Ehegatten ihre gesamte Arbeitskraft eingesetzt und ihre gemeinsamen ehelichen Ersparnisse für den Erwerb neuer Liegenschaften, die Rückzahlung der Kreditverbindlichkeiten und Investitionen verwendet. Sie habe seit Anbeginn in der Tischlerei mitgearbeitet, die Landwirtschaft als zweite Betriebsführerin betreut, die drei gemeinsamen Kinder großgezogen, die Ferienzimmer und Appartements bewirtschaftet, die Schwiegermutter gepflegt und einen Wohnungsberechtigten versorgt und damit ihren Beitrag zu den ehelichen Errungenschaften geleistet.
Der Mann bestreitet zusammengefasst, dass aufzuteilendes Vermögen vorhanden sei. Das Privathaus sei aus seinen vorehelichen Mitteln angekauft worden; im Übrigen handle es sich ausschließlich um betriebliches Vermögen, zu dessen Erwerb kein Familienvermögen herangezogen worden sei.
Das Rekursgericht sprach in Abänderung des erstinstanzlichen Beschlusses, mit dem dem Mann die Leistung einer Ausgleichszahlung von 500.000 EUR aufgetragen und die Verpfändung von zwei Liegenschaften angeordnet worden war, der Frau eine Ausgleichszahlung von 250.000 EUR zu. Es erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs für zulässig, weil zur Frage der analogen Anwendung des § 91 Abs 2 EheG auf erbrachte Dienst‑ oder Arbeitsleistungen eines Ehegatten für das Unternehmen des anderen „(jüngere) Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs – soweit für das Rekursgericht überblickbar – fehlt“.
Die dagegen erhobenen – vom jeweiligen Verfahrensgegner beantworteten – Revisionsrekurse der Parteien sind entgegen diesem nach § 71 Abs 1 AußStrG nicht bindenden Ausspruch des Rekursgerichts nicht zulässig. Die Zurückweisung der ordentlichen Revisionsrekurse wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 71 Abs 3 AußStrG). Beide Rechtsmittel werden wegen ihres thematischen Zusammenhangs gemeinsam behandelt:
Rechtliche Beurteilung
1. Entgegen der Begründung des Rekursgerichts wurde die für erheblich angesehene Rechtsfrage bereits in der Entscheidung 1 Ob 133/17s (= EF‑Z 2018/63, 131 [im Ergebnis zustimmend Oberhumer]) geklärt. Investitionen in ein (landwirtschaftliches) Unternehmen sind nach § 91 Abs 2 EheG – so schon der Wortlaut und auch die Intention des Gesetzgebers – nur insofern zu berücksichtigen, als sie aus ehelichem Gebrauchsvermögen oder ehelichen Ersparnissen stammen. Die Mitwirkung im Erwerb des anderen (und damit die Arbeitsleistung für das Unternehmen des anderen) ist– soweit sie nicht anders abgegolten wurde (vgl § 98ABGB) – ebenso wie „mittelbare Beitragsleistungen“ durch Haushaltsführung, Kindererziehung und Pflegeleistungen bei der Festlegung des Aufteilungsschlüssels nach § 83 EheG zu berücksichtigen und nicht von § 91 Abs 2 leg cit erfasst (RIS‑Justiz RS0131859).
Die Frau hat den Mann während aufrechter ehelicher Lebensgemeinschaft durch Arbeit und Aufwendungen in seinen Unternehmen (landwirtschaftlicher Betrieb, Betrieb einer Jausenstation, Privatzimmervermietung, Tischlerei) unterstützt. Die Beurteilung des Rekursgerichts, dass ihre umfangreichen Beiträge im Sinn des § 83 EheG, nämlich die Mitwirkung im Betrieb des Mannes, die Führung des gemeinsamen Haushalts, die Kindererziehung und ihr sonstiger ehelicher Beistand, wie etwa die Pflege der Schwiegermutter und die Versorgung eines Wohnungsberechtigten, den Wertzuwachs ermöglichten, der (nur) dem Mann in dessen Unternehmen zugute kommt, sodass es sachgerecht erscheine, ihr die vorhandene Aufteilungsmasse weitgehend zuzuteilen, ist nicht korrekturbedürftig. Zwar hat das Rekursgericht dabei § 94 Abs 1 – methodisch unzutreffend – in Verbindung mit einer als „sachgerecht“ angesehenen Analogie zu § 91 Abs 2 EheG herangezogen, jedoch inhaltlich unter dem maßgeblichen Gesichtspunkt der Billigkeit nach § 83 Abs 1 EheG die Ausgleichszahlung mit einem Betrag von 250.000 EUR bemessen.
Die Ermittlung des Aufteilungsschlüssels ist eine Frage des Einzelfalls, die die Zulässigkeit des Revisionsrekurses nur im Fall einer aufzugreifenden – hier nicht vorliegenden – Fehlbeurteilung rechtfertigen könnte (RIS‑Justiz RS0108756). Eine Ausgleichszahlung ist nicht mit (scheinbar) mathematischer Genauigkeit festzusetzen (RIS‑Justiz RS0113732 [T4]). In welcher Höhe sich dieser Ausgleich im Rahmen der Aufteilung zu bewegen hat, ist nach den Umständen des konkreten Einzelfalls zu entscheiden (vgl RIS‑Justiz RS0058268 [T4]).
2. Die Mitwirkung im Erwerb des Mannes ist, soweit sie nicht anders abgegolten wurde, gemäß § 83 Abs 2 EheG als Beitrag der Frau zu werten. Ihre Mitwirkungsleistung wurde (wie in Punkt 1. dargelegt) vom Rekursgericht als ihr Beitrag bei der Verteilung der Aufteilungsmasse angemessen – sie erhält vier Fünftel des Werts – berücksichtigt, ohne dass sie eine Fehlbeurteilung aufzuzeigen vermag.
3. Ein landwirtschaftlicher Betrieb (RIS‑Justiz RS0057537 [T4, T5]; RS0057595) oder eine Privatzimmervermietung (RIS‑Justiz RS0057505 [T2]; RS0057537 [T6]) sind Unternehmen im Sinn des § 82 Abs 1 Z 3 EheG. Sachen, die zu einem Unternehmen gehören, unterliegen nach dieser Bestimmung nicht der Aufteilung. Entscheidend ist, ob und welche Grundstücke (im Zeitpunkt der Auflösung der ehelichen Gemeinschaft) – im vorliegenden Fall vom Mann – einem landwirtschaftlichen Betrieb gewidmet waren und ob eine selbständige organisierte Erwerbsgelegenheit vorlag (7 Ob 23/09x; vgl RIS‑Justiz RS0057720).
Wenn die Frau meint, dass die B*alpe und das M*gut „bloße Wertanlagen“ im Sinn des § 82 Abs 1 Z 4 EheG und damit in die Aufteilung einzubeziehen seien, ist ihr entgegenzuhalten, dass es sich bei diesen Liegenschaften bzw Liegenschaftsanteilen um keinen Unternehmensanteil im Sinn dieser Bestimmung handelt. Entscheidend dafür, ob ein Grundstück „zu einem Unternehmen gehört“ (§ 82 Abs 1 Z 3 EheG), ist die Widmung des Eigentümers zu Zwecken eines – sei es etwa auch vom anderen Ehegatten betriebenen – Unternehmens (RIS‑Justiz RS0057521).
Die Beurteilung des Rekursgerichts, dass sowohl die betrieblich genutzte B*alpe als auch der ¾‑Anteil des Mannes an den Liegenschaften des M*guts gemäß § 82 Abs 1 Z 3 EheG von der Aufteilung ausgenommen seien, ist nicht korrekturbedürftig. Auf der B*alpe, die aus einer großflächigen Liegenschaft besteht, deren Eigentümer der Mann ist, wurde im Sommer die Schafhaltung betrieben, wodurch die entsprechende Widmung für eine landwirtschaftliche Nutzung erfolgte. Beim M*gut handelt es sich um eine eigene Landwirtschaft, die vom gemeinsamen Sohn geführt wird, der die Flächen bewirtschaftet. Diese Landwirtschaft wird auf vier Liegenschaften betrieben, deren Miteigentümer zu ¾ der Mann und zu ¼ der Sohn sind. Neben der Zurverfügungstellung der Liegenschaften beteiligt sich der Mann auch an der Betriebsführung, sodass jedenfalls im Innenverhältnis eine mitunternehmerische Tätigkeit (zusammen mit dem Sohn) vorliegt. Die erstinstanzliche Feststellung, dass diese Anschaffung dem Mann „ausschließlich zur Vermehrung seines (Real)Vermögens“ diente, beruht darauf, dass die beigezogene Sachverständige diesen Zukauf bei der Ermittlung seines landwirtschaftlichen Einkommens nicht berücksichtigte. Aus der (nach wie vor bestehenden) Widmung der mehrheitlich im Miteigentum des Mannes stehenden Liegenschaften für die mitunternehmerisch auch von ihm betriebene Landwirtschaft folgt, dass es sich dabei um Sachen handelt, die im Sinn des § 82 Abs 1 Z 3 EheG zu einem Unternehmen „gehören“. Wenn daher das Rekursgericht die den landwirtschaftlichen Betrieben zugehörigen Liegenschaften von der nachehelichen Vermögensaufteilung ausnahm, ist dies nicht zu beanstanden. Weitere rechtliche Erwägungen stellt die Frau in diesem Zusammenhang nicht an.
4. Oberster Grundsatz bei der Aufteilung der Vermögenswerte nach §§ 81 ff EheG ist die Billigkeit (RIS‑Justiz RS0079235 [T1]). Die nach diesem Grundsatz vorzunehmende Aufteilung hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Eine erhebliche Rechtsfrage liegt nur dann vor, wenn dargetan wird, dass die zweite Instanz bei Beurteilung des Einzelfalls in Überschreitung des Ermessensbereichs von den allgemeinen Grundsätzen abgewichen ist (RIS‑Justiz RS0113732; vgl RS0108755). Das vermögen beide Parteien nicht aufzuzeigen.
Mit dem Argument, eine Kürzung des erstinstanzlichen Zuspruchs von 500.000 EUR durch das Rekursgericht auf die Hälfte sei unbillig und dieses habe „viele Komponenten des gemeinschaftlichen Zusammenwirkens der Streitteile während der Dauer von drei Jahrzehnten zur Schaffung eines enormen Immobilienvermögens außer Acht“ gelassen, vermag die Frau nicht konkret aufzuzeigen, warum die ihr zuerkannte Ausgleichszahlung außerhalb des dem Rekursgericht zukommenden Ermessensspielraums bei der Aufteilung liegen sollte.
Warum die vorgenommene Aufteilung der im Verhältnis zum vorhandenen Vermögen, das großteils wegen seiner unternehmerischen Widmung dem Mann verbleibt, deutlich geringeren Aufteilungsmasse gerade für ihn gröblich benachteiligend und daher unstatthaft sein soll, vermag er nicht näher darzulegen. Dass ihm eine Ausgleichszahlung von 250.000 EUR nicht möglich sein sollte, steht gerade nicht fest, könnte er diese doch entweder durch einen Kredit finanzieren oder durch den Verkauf von Grundstücken aufbringen.
5. Selbst wenn eine Liegenschaft gemäß § 82 Abs 1 Z 1 EheG nicht der Aufteilung unterliegt, sind die von den Ehepartnern auf die Liegenschaft gemachten wertsteigernden Aufwendungen im Rahmen der Aufteilung zu berücksichtigen (RIS‑Justiz RS0057308; vgl RS0057363). Diesen Grundsätzen folgend hat das Rekursgericht die für eine Liegenschaft des Mannes auch von der Frau getätigten zahlreichen persönlichen und finanziellen Leistungen berücksichtigt und die aufgrund der Verbesserung des Zustands eingetretene Wertsteigerung von 25.000 EUR in die Aufteilung einbezogen. Wenn der Mann die Wertsteigerung, die auf die Mitarbeit seiner früheren Frau oder deren Geldmittel zurückzuführen ist, als nicht mehr vorhanden qualifiziert, entfernt er sich vom festgestellten Sachverhalt; insofern ist sein Revisionsrekurs nicht gesetzmäßig ausgeführt.
6. Die Ehegatten errichteten auf einer zur Landwirtschaft und zur Tischlerei des Mannes gehörigen Liegenschaft ein Wohnhaus, das als Ehewohnung verwendet wurde. Nach ständiger Rechtsprechung unterliegt ein Haus, das als Bestandteil eines landwirtschaftlichen Unternehmens auch als Ehewohnung in Benützung beider Parteien stand, der Aufteilung (RIS‑Justiz RS0057479 [T2]). Die von beiden Ehegatten während der aufrechten ehelichen Lebensgemeinschaft geschaffene Werterhöhung der Liegenschaft durch den Bau des Hauses unterfällt damit dem Aufteilungsverfahren und dessen Wert ist grundsätzlich auch für die Festsetzung der Ausgleichszahlung von Bedeutung, während die übrigen Teile der Liegenschaft – auch bloß wertmäßig – von der Aufteilung ausgenommen bleiben (1 Ob 133/17s mwN).
Das Rekursgericht ist diesen Grundsätzen gefolgt und hat den Wert der Ehewohnung auf dem O*gut von rund 275.000 EUR in die Aufteilung einbezogen. Wenn der Mann meint, eine ihm geschenkte Liegenschaft, die er zum Kauf dieses Guts heranzog, spiegle sich „im Wohnteil und nicht im Betriebsteil des Gebäudes“ wieder, entfernt er sich neuerlich vom festgestellten Sachverhalt.
7. Dass die Darlehensrückzahlungen ausschließlich aus den Erträgen der Betriebe des Mannes geleistet worden sein sollen, steht ebenfalls nicht fest. Die Darlehen wurden vorwiegend aus den Einnahmen der Tischlerei bedient. Aber auch die Frau zog ihr Arbeitseinkommen heran, teilweise Zuwendungen ihres Vaters, manchmal auch Arbeitslosengeld. Auch insofern geht der Mann nicht vom festgestellten Sachverhalt aus.
8. Die Revisionsrekurse sind daher mangels aufgezeigter erheblicher Rechtsfragen im Sinn des § 62 Abs 1 AußStrG zurückzuweisen.
Das Rekursgericht hat die Kostenentscheidung (einschließlich der „Entscheidung über den Kostenrekurs“ der Frau) bis zur rechtskräftigen Erledigung der Sache vorbehalten (§ 78 Abs 1 AußStrG), sodass es auch über die Kosten des Revisionsrekursverfahrens zu entscheiden hat (in diesem Sinn 1 Ob 225/17w; 1 Ob 48/18t, jeweils mwN).
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