European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0170OS00027.15X.1214.000
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde ‑ soweit hier von Bedeutung ‑ Robert J***** „mehrerer Verbrechen“ (vgl aber RIS‑Justiz RS0121981) des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB schuldig erkannt.
Danach hat er in B***** als Vertragsbediensteter und Vizeleutnant des Österreichischen Bundesheers, mithin als Beamter (im strafrechtlichen Sinn), mit dem Vorsatz, dadurch die Republik Österreich an deren Vermögen zu schädigen, seine Befugnis als Leiter der Verpflegungsverwaltung der W***** und damit als Verantwortlicher für den Wareneinkauf, die Warenausgabe, die Lagerhaltung, die Bestimmung über den Gebrauch der Ware in der Truppenküche, die Bearbeitung der Lieferantenrechnungen sowie die Dokumentation der Warenein‑ und ‑ausgänge im Küchen‑Management‑System, im Namen des Bundes als dessen Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, wissentlich missbraucht, indem er
A/6 „am 15. September 2011 im Namen und auf Rechnung des Österreichischen Bundesheers eine Palette Red Bull im Wert von 2.737,15 Euro einkaufte, an Lukas T***** verkaufte und dieses Geld für sich behielt, und sodann den Einkauf von Kunden Nr. 93275 ('Truppenküche Sonstiges') auf Kunden Nr. 91140 ('Truppenküche Lebensmittel') umbuchte und diesen Posten, der in der Sammelrechnung vom 30. November 2011 wirksam wurde, zur Auszahlung an die BHAG weiterleitete, die die Auszahlung auch tatsächlich vornahm, wodurch dem Österreichischen Bundesheer ein Schaden von 2.737,15 Euro entstand“;
A/10 im Jahr 2011 Martin B***** dreimal beauftragte, Waren aus dem Lager der Truppenküche der W***** abzuholen und zu ihm nach Hause zu bringen, wo er sie sodann für private Zwecke verwendete, wodurch ein Schaden von zumindest 300 Euro entstand.
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen aus § 281 Abs 1 Z 5, 5a, 9 lit a und 10a StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde ist nicht im Recht.
Die exakte zeitliche und örtliche Einordnung des Ankaufs der Palette Red Bull (US 4 f) ist im Zusammenhang mit dem Schuldspruch A/6 ebenso wenig entscheidend (RIS‑Justiz RS0098557) wie der genaue Kaufpreis. Indem die Mängelrüge die dazu getroffenen Feststellungen mit Hinweis auf diesbezügliche Abweichungen in den unterschiedlichen ‑ vom Erstgericht insgesamt als glaubwürdig erachteten (US 7) ‑ Aussagen des Zeugen Lukas T***** (in Ermittlungsverfahren und Hauptverhandlung) kritisiert, verfehlt sie demnach den notwendigen Bezug zu für die Schuld- oder die Subsumtionsfrage ausschlaggebenden Tatsachen (RIS‑Justiz RS0117499).
Aktenwidrigkeit (Z 5 fünfter Fall) liegt nur bei unrichtiger Wiedergabe des Inhalts von Beweismitteln vor, nicht bei einem ‑ hier von der Mängelrüge behaupteten - Widerspruch zwischen der Aussage des Zeugen Lukas T***** einerseits und Feststellungen oder dem Referat der entscheidenden Tatsachen im Urteilstenor (§ 260 Abs 1 Z 1StPO) andererseits (RIS‑Justiz RS0099431).
Soweit die Argumente der Mängelrüge gegen die Feststellungen zu Datum, Ort und Preis des Einkaufs der Palette Red Bull sowie einer Bereicherung des Beschwerdeführers (A/6) „hilfsweise“ auch im Rahmen der Tatsachenrüge (Z 5a) geltend gemacht werden, vernachlässigt dieser den wesensmäßigen Unterschied der einzelnen ‑ demnach gesondert auszuführenden -Nichtigkeitsgründe (RIS‑Justiz RS0115902) und spricht erneut (wie bereits oben dargelegt) keine entscheidenden Tatsachen an (RIS‑Justiz RS0118780).
Letzteres gilt auch für den ‑ unter dem Aspekt offenbar unzureichender Begründung (Z 5 vierter Fall) erhobenen ‑ Einwand, es fehle „jegliches Beweisergebnis“ für die Annahme, der Beschwerdeführer habe den ihm von Lukas T***** übergebenen Kaufpreis (nicht an das Bundesheer abgeführt, sondern) „einbehalten“, um sich dadurch „unrechtmäßig zu bereichern“ (US 6). Weder tatsächliche Schadenszufügung (RIS‑Justiz RS0130266) noch persönliche Bereicherung des Beamten sind nämlich Tatbestandserfordernisse des § 302 Abs 1 StGB.
Im Zusammenhang mit dem Schuldspruch A/10 traf das Erstgericht überschüssige Feststellungen zu Tatbestandsmerkmalen eines ‑ zutreffend (vgl RIS‑Justiz RS0096344) nicht subsumierten (§ 260 Abs 1 Z 2 StPO) ‑ gewerbsmäßigen Diebstahls (US 9). Solche Feststellungen sind nicht Gegenstand einer Anfechtung mit Nichtigkeitsbeschwerde (RIS‑Justiz RS0118585).
Weshalb der Beschwerdeführer, der nach den Konstatierungen zu diesem Schuldspruch als „Leiter der Verpflegungsverwaltung der Truppenküche der W*****“ (US 4) Martin B***** dreimal die Weisung zum Abtransport verschiedener Lebensmittel und Waren aus dem Bestand „der Truppenküche W*****“ erteilt und dadurch seine (eigene) Befugnis „hinsichtlich der Truppenverpflegung wissentlich missbraucht“ habe (US 8 f), „Extraneus“ sei und deshalb Feststellungen zu seinem auf vorsätzliches Handeln des Angewiesenen bezogenen Wissen fehlen sollten, erklärt die weitere Rüge (nominell Z 5) nicht.
Im Rahmen der Rechtsrüge (nominell Z 9 lit a, der Sache nach Z 10) wendet der Beschwerdeführer zusammengefasst ein, die ihm vorgeworfenen Handlungen (Einkauf einer Palette Red Bull samt Verbuchung und Überweisung von Geldbeträgen sowie Weitergabe der Getränke an einen anderen Heeresmitarbeiter für private Zwecke [A/6], weiters bestimmungswidrige Entnahme von Waren aus dem Lager der Truppenküche [A/10]) könnten „niemals eine Amtshandlung“ sein, es liege „keine Organtätigkeit im Rahmen der Hoheitsverwaltung“ vor, weshalb ein Schuldspruch „lediglich wegen des allgemeinen Delikts“ in Betracht komme, ist nicht methodengerecht aus dem Gesetz abgeleitet (RIS‑Justiz RS0116565). Das Bundesheer ist nämlich Teil der (Hoheits-)Verwaltung des Bundes. Seine Aufgaben sind vollständig und abschließend in Art 79 B‑VG festgelegt; als solche nennt dessen Abs 1 insbesondere die militärische Landesverteidigung. Teil der militärischen Landesverteidigung ist gemäß § 2 Abs 2 Z 1 Wehrgesetz 2001 (kurz: WG) die allgemeine Einsatzvorbereitung, die der Sicherstellung der ständigen Einsatzbereitschaft des Bundesheeres dient. Sie umfasst die Schaffung aller, insbesondere personellen und materiellen Voraussetzungen (zu denen auch die Truppenverpflegung zählt), die für eine unverzügliche und wirksame Durchführung eines Einsatzes erforderlich sind (§ 2 Abs 3 WG). Sämtliche militärische Aktivitäten im Rahmen der Friedensorganisation (vgl § 1 Abs 1 WG) sind daher grundsätzlich einsatzbezogen und damit hoheitliches Verwaltungshandeln im Rahmen der militärischen Landesverteidigung (zum Ganzen Mayer/Muzak , B‑VG 5 Art 79 B‑VG I.1.; Truppe in Kneihs/Lienbacher [Hrsg], Rill‑Schäffer‑Kommentar Bundesverfassungsrecht Art 79 Rz 19; Ulrich , Handbuch Wehrrecht, 72 f; EBRV 300 BlgNR 21. GP , 20 ff).
Vor diesem Hintergrund ist mit Blick auf § 290 Abs 1 StPO und missverständliche Ausführungen im angefochtenen Urteil (US 6) anzumerken, dass Dispositionen im Rahmen der Verwaltung der Truppenverpflegung (insbesondere Entscheidungen über deren Bevorratung und Ausgabe an die Truppe etwa durch Verwendung in der Truppenküche) Verrichtungen zur unmittelbaren Erfüllung der Vollziehungsaufgaben (hier: der allgemeinen Einsatzvorbereitung) und daher Amtsgeschäfte im Sinn des § 302 Abs 1 StGB sind (vgl RIS‑Justiz RS0095963). Die hier zu beiden Punkten des Schuldspruchs (unter anderem) vorgeworfene (wiederholte) Entnahme von Lebensmitteln und sonstigen Waren aus dem Bestand der Truppenverpflegung zur privaten (also zweckwidrigen) Verwendung stellt daher tatbildlichen Fehlgebrauch der dem Beschwerdeführer zugekommenen Befugnis, (im Rahmen der Hoheitsverwaltung) über die Truppenverpflegung zu disponieren, dar (11 Os 127/83; vgl auch RIS‑Justiz RS0040423, RS0097076).
Die gesetzmäßige Ausführung der Diversionsrüge (Z 10a) erfordert eine methodisch korrekte Argumentation auf Basis der Gesamtheit des Urteilssachverhalts unter Beachtung der Notwendigkeit des kumulativen Vorliegens sämtlicher Diversionsvoraussetzungen (RIS‑Justiz RS0124801). Diesen Anforderungen wird die Nichtigkeitsbeschwerde nicht gerecht, indem sie unter dem Aspekt der Schwere der Schuld (§ 198 Abs 2 Z 2 StPO) zwar auf den vom Erstgericht als mildernd gewerteten Umstand der „Unbescholtenheit“ verweist, die konstatierte wiederholte Tatbegehung (vgl US 13) jedoch ausblendet. Im Übrigen wird zwar behauptet, die Taten hätten (im Sinn des § 198 Abs 3 StPO) „bloß unbedeutende Folgen nach sich gezogen“, dabei jedoch außer Acht gelassen, dass der herbeigeführte Vermögensschaden von mehr als 3.000 Euro die nach den Gesetzesmaterialien (AB 2457 BlgNR 24. GP , 4) bei 100 Euro anzusetzende Obergrenze um ein Vielfaches übersteigt (RIS‑Justiz RS0120079 [T5]).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).
Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung (§ 285i StPO).
Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
Bleibt anzumerken, dass sich die verfehlte (vgl RIS‑Justiz RS0121981) Annahme mehrerer Verbrechen des Missbrauchs der Amtsgewalt (US 2) in concreto nicht zum Nachteil des Angeklagten auswirkt, weshalb amtswegige Wahrnehmung dieses Subsumtionsfehlers nicht erforderlich war ( Ratz , WK‑StPO § 290 Rz 22 ff). Angesichts dieser Klarstellung ist das Oberlandesgericht bei der Entscheidung über die Berufung insoweit nicht an den verfehlten Schuldspruch gebunden (RIS‑Justiz RS0118870).
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