Spruch:
Cornel Mihail D***** wurde im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Text
Gründe:
Gegen Cornel Mihail D***** ist beim Landesgericht für Strafsachen Graz ein Verfahren wegen des Verdachtes des Verbrechens nach § 104 Abs 1 und Abs 3 erster und zweiter Fall FrG anhängig, weil er - laut Strafantrag der Staatsanwaltschaft Graz vom 16. Jänner 2003 (ON 31) - dringend verdächtig ist, er habe am 4. Dezember 2002 in Unterpremstätten sowie weiteren Orten des Bundesgebietes gewerbsmäßig und als Mitglied einer kriminellen Vereinigung die rechtswidrige Einreise eines Fremden in einem Mitgliedsstaat der EU mit dem Vorsatz gefördert, dass dies gegen einen nicht bloß geringfügigen Vermögensvorteil für ihn oder einen anderen geschieht (Schlepperei), indem bei der organisierten Verbringung fünf moldawischer Staatsangehöriger von Ungarn sowie drei ukrainischer Staatsangehöriger von einem nicht näher bekannten Nachbarstaat Österreichs jeweils durch Österreich nach Italien, die Beförderung von fünf moldawischen Staatsangehörigen von zumindest einem nicht näher bekannten Ort in Österreich nach Unterpremstätten/Raststation Kaiserwald und von dort, nach Aufnahme der von (den mit unter Verfolgung gestellten) Dumitru S***** und Teodor S***** dorthin geschleppten drei ukrainischen Staatsangehörigen, weiter nach Italien übernahm.
Cornel Mihail D***** befand sich seit 7. Dezember 2002, zum Zeitpunkt der Entscheidung durch den Gerichtshof zweiter Instanz (noch) aus den Haftgründen der Flucht - und Tatbegehungsgefahr nach § 180 Abs 1, Abs 2 Z 1 und Z 3 lit a StPO in Untersuchungshaft (der ursprünglich auch herangezogene Haftgrund der Verdunkelungsgefahr nach § 180 Abs 2 Z 2 StPO ist im Hinblick auf § 194 Abs 1 StPO nicht mehr aktuell). In der über den von der Staatsanwaltschaft Graz erhobenen Strafantrag am 20. Februar 2003 abgeführten und vertagten Hauptverhandlung beantragte der Beschuldigte seine Enthaftung, worüber die Einzelrichterin mit Beschluss vom gleichen Tag auf Fortsetzung der Untersuchungshaft wegen Flucht- und Tatbegehungsgefahr nach § 180 Abs 2 Z 1 und 3 lit b StPO erkannte (ON 45).
Mit dem angefochtenen Beschluss gab das Oberlandesgericht Graz der gegen diesen Beschluss gerichteten Beschwerde nicht Folge, ordnete seinerseits die Fortsetzung der Untersuchungshaft aus den Haftgründen der Flucht- und Tatbegehungsgefahr nach § 180 Abs 2 Z 1 und Abs 3 lit a StPO an und hielt fest, dass gemäß § 181 Abs 6 StPO die Wirksamkeit dieses Beschlusses durch eine Haftfrist nicht mehr begrenzt ist.
Rechtliche Beurteilung
Der dagegen erhobenen Grundrechtsbeschwerde, mit der unrichtige Beurteilung des Tatverdachtes und der Haftgründe sowie Unverhältnismäßigkeit der Haft moniert wird, kommt keine Berechtigung zu.
Soweit die Beschwerde den dringenden Tatverdacht durch Erwägungen über den Beweiswert der vom Oberlandesgericht ins Treffen geführten bestimmten Tatsachen, also der den Verdachtsausspruch über das Vorliegen entscheidender Tatsachen tragenden Gründe (§ 182 Abs 4 zweiter Satz [§ 179 As 4 Z 4] StPO), in Frage zu stellen sucht, verkennt sie, dass eine am Gesetz orientierte Bekämpfung der Sachverhaltsgrundlagen einer Haftentscheidung an den Kriterien der Z 5 und 5a des § 281 Abs 1 StPO maßzunehmen hat.
Demnach ist die Begründung des dringenden Tatverdachtes nur dann offenbar unzureichend, wenn sie den Gesetzen folgerichtigen Denkens oder grundlegenden Erfahrungssätzen widerspricht und solcherart geradezu willkürlich erscheint. Auch im Fall bloßer Scheingründe hätte das Gericht den Rahmen des gesetzlichen Beweiswürdigungsermessens überschritten (§ 10 GRBG; JBl 2000, 259 = EvBl 1999/192, EvBl 2000/112; EvBl 2000/193, EvBl 2001/97, 11 Os 143, 144/99, 12 Os 135/01, 13 Os 6/02, 14 Os 47/02, 13 Os 64/02, 15 Os 24/03 uva).
Die Beschwerdeargumentation greift allerdings nur die (vorläufige) Beweiswürdigung des Oberlandesgerichtes an und missachtet solcher Art die gesetzlichen Anfechtungskategorien.
Die vom Oberlandesgericht zur Begründung des dringenden Tatverdachtes ins Treffen geführten bestimmten Tatsachen (die den Beschuldigten belastenden Angaben des Dumitru S***** vor der Sicherheitsbehörde im Zusammenhalt mit der Vielzahl der Reisebewegungen des Beschwerdeführers zwischen Österreich und Ungarn, das Nichtvorhandensein von Hinweisen für deren Bedingtheit durch Kfz-Handel bzw Reparatur, das Fehlen legaler Einkünfte) lassen - in Verbindung mit den Mitteilungen des Aufklärungsdienstes der ungarischen Grenzwache, dass der Beschuldigte von den ungarischen Bediensteten im letzten Monat vor der Verhaftung viermal vor dem Grenzübergang Hegyeshalom/Nickelsdorf angehalten wurde, wobei jeweils moldawische Staatsangehörige ohne Einreiseberechtigung nach Österreich im Auto mitfuhren (S 131/I), und der Umstände bei Anhaltung des Beschuldigten - den daraus gezogenen Schluss auf die hohe Wahrscheinlichkeit einer gewerbsmäßig und als Mitglied einer kriminellen Vereinigung begangenen Schlepperei als nicht unvertretbar erscheinen.
Weil das Oberlandesgericht keineswegs von der Schuld des Beschwerdeführers ausgegangen ist, sondern nur den dringenden Tatverdacht bejaht hat, ist D***** übrigens auch in seinem Grundrecht, bis zum gesetzlichen Nachweis einer Schuld als unschuldig zu gelten, nicht beeinträchtigt (vgl Art 6 Abs 2 EMRK). Das weitere Vorbringen, es widerspreche dem in Art 6 Abs 1 EMRK normierten Grundsatz des "fair trail", die Relevanz von entlastenden Aussagen auszuschließen, ohne die bezughabenden Zeugen im Sinn des § 162a StPO gerichtlich kontradiktorisch vernommen zu haben, wendet sich in Wahrheit neuerlich gegen den Beweiswert der vom Oberlandesgericht im Rahmen der vorläufigen Verdachtsprüfung herangezogenen Beweismittel und stellt im Übrigen auf einen zum Zeitpunkt der Beschlussfassung durch das Oberlandesgericht noch nicht bekannten Verfahrensstand ab.
Zu Recht ist das Oberlandesgericht davon ausgegangen, dass dem Angeklagten eine strafbare Handlung mit schweren Folgen zur Last liegt. Auch hier hat der Oberste Gerichtshof bereits mehrfach ausgesprochen, dass der Begriff der "schweren Folgen" im § 180 Abs 2 Z 3 lit a StPO mit jenem in §§ 21 und 23 StGB ident ist. Er umfasst nicht nur die tatbestandsmäßigen Folgen, sondern darüber hinaus alle konkreten Tatauswirkungen in der gesellschaftlichen Wirklichkeit, sohin auch Art, Ausmaß und Wichtigkeit aller effektiven Nachteile sowohl für den betroffenen Einzelnen als auch für die Gesellschaft im Ganzen, ferner die Eignung, umfangreiche und kostspielige Abwehrmaßnahmen auszulösen und weitreichende Beunruhigung und Besorgnisse herbeizuführen; auch der erhebliche soziale Störwert zu berücksichtigen ist (12 Os 23/96, 14 Os 186/93, 10 Os 56/76; 12 Os 23/96; 14 Os 134/97; Leukauf/Steininger Komm3 § 21 RN 13 f). Die gegen das Vorliegen schwerer Folge gerichteten Einwände der Beschwerde halten zum einen nicht an den Sachverhaltsgrundlagen des oberlandesgerichtlichen Beschlusses in ihrer Gesamtheit fest, sondern argumentieren, selbst spekulativ beweiswürdigend unter außer Achtlassen der mängelfreien Argumentation des Beschwerdegerichtes gegen die Glaubwürdigkeit der Verantwortung des Beschwerdeführers (wonach er die fremden moldawischen und ukrainischen Staatsangehörigen um 20.00 Uhr abends an einer Tankstelle auf der Autobahn in Graz aufgenommen haben will, um sie kostenlos nach Wien zu bringen), auf aktenfremder Grundlage und verkennen zum anderen, dass ein Verstoß gegen die Unschuldsvermutung (Art 6 Abs 2 EMRK) bei deren Beurteilung nicht vorliegt, weil in Haftfragen das Bestehen qualifizierten Tatverdachtes (§ 5 Abs 1 lit c EMRK) ausreicht (Hager/Holzweber GRBG § 2 E 34, 34a, 12 Os 58/01).
Insgesamt wurde die Tatbegehungsgefahr - der Beschwerde zuwider - logisch und empirisch einwandfrei aus dem dargestellten Verdacht über die Verfügbarkeit des Beschuldigten für eine international operierende Schlepperorganisation abgeleitet. Dabei ging das Oberlandesgericht zutreffend davon aus, dass im Falle einer Einbindung des Beschuldigten in einen der gewinnträchtigsten Hauptzweige der organisierten Kriminalität (vgl 110 BlgNR 21. GP) die Bedeutung der Unbescholtenheit und der Erstmaligkeit der Haft in den Hintergrund treten lässt.
Die Behauptung, bestimmte Tatsachen, aus denen sich der Haftgrund der Tatbegehungsgefahr ergibt, lägen nicht vor, übergeht die Begründung des angefochtenen Beschlusses (S 9) wonach die (rechtlich) als Gefahr beurteilte hohe Wahrscheinlichkeit, der Angeklagte werde auf freiem Fuß ungeachtet des gegen ihn geführten Strafverfahrens eine gegen Volkswirtschaft und Sicherheit des Staates gerichtete, gerichtlich strafbare Handlung mit schweren Folgen begehen, aus dem dringenden Verdacht im Rahmen einer kriminellen Vereinigung begangener, gewerbsmäßig verübten Schlepperei nach § 104 Abs 1, Abs 3 erster und dritter Fall FrG abgeleitet wurde.
Soweit gegen die Annahme des durch gelindere Mittel nicht substituierbaren Haftgrundes der Tatbegehungsgefahr gemäß § 180 Abs 2 Z 3 lit a StPO neuerlich vorgebracht wird, der Umstand, dass Handlungen, die noch zu keiner rechtskräftigen gerichtlichen Verurteilung geführt haben und großteils durch Aussagen von Zeugen widerlegt würden, als Entscheidungsgrundlage herangezogen werden, verstoße gegen die durch Art 6 Abs 2 EMRK gestützte Unschuldsvermutung und widerspreche dem Erfordernis eines hinreichenden Tatverdachtes sowie eines begründeten Anlasses zur Annahme einer Tatbegehungsgefahr iSd Art 5 Abs 1 lit c EMRK, genügt der Hinweis auf die dazu ergangenen Entscheidungen des Höchstgerichtes (vgl Mayerhofer, Das österreichische Strafrecht4, dritter Teil, Nebenstrafrecht, erster Halbband, Art 5 Abs 1 lit c EMRK E 1a, 3 und Art 6 Abs 2 EMRK E 20a, 15 Os 93/93 und die dort zitierte Judikatur und Literatur zu EMRK, 15 Os 146/00). Im Hinblick auf das Vorliegen des Haftgrundes der Tatbegehungsgefahr erübrigt es sich bei Prüfung der Frage einer Grundrechtsverletzung auch auf den weiteren Haftgrund der Fluchtgefahr bzw der Argumentation zu deren Ersetzbarkeit einzugehen (Hager/Holzweber § 2 GRBG E 25, 13 Os 109/02 uva).
Weiters versagt auch der Einwand der unangemessenen Dauer der Untersuchungshaft, weil nach der derzeitigen Sachlage von einer Strafdrohung von bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe auszugehen ist (§ 104 Abs 3 FrG), sodass die bis zum Zeitpunkt der Beschlussfassung des Oberlandesgerichtes dreimonatige Untersuchungshaft im Hinblick auf die für den Fall des Schuldspruchs zu erwartende Strafe in keinem Missverhältnis steht.
Die weiteren Einwände zur Unverhältnismäßigkeit der Haft gehen von einem vom Beschwerdeführer erwarteten Freispruch und von einer nicht abschätzbaren Haft während der gesamten Verfahrensdauer aus und stellen damit nicht auf die Entscheidung des Oberlandesgerichtes, sondern auf eigene Hypothesen zur Verfahrensentwicklung sowie generelle Ausführungen zur Frage des Stellenwertes und der Handhabung der Untersuchungshaft im Allgemeinen ab.
Die die Grundrechtsbeschwerde auf den Zeitpunkt der Entscheidung durch das Oberlandesgericht abzustellen hat, konnte die danach erfolgte Enthaftung des Beschuldigten keinen Einfluss auf die Entscheidungsgrundlage haben.
Somit wurde der Beschuldigte im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt, weshalb seine Beschwerde - entgegen der in der Äußerung der Verteidigung gemäß § 35 Abs 2 StPO vertretenen, die Beschwerdeargumente wiederholenden Ansicht, jedoch in Übereinstimmung mit der Generalprokuratur - ohne Kostenausspruch (§ 8 GRBG) abzuweisen war.
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