OGH 14Os134/97

OGH14Os134/971.10.1997

Der Oberste Gerichtshof hat am 1.Oktober 1997 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Massauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Holzweber und Dr.Ratz als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag.Kunz als Schriftführer, in der Strafsache gegen Nenad P***** und andere Angeklagte wegen des Vergehens der gerichtlich strafbaren Schlepperei nach § 81 Abs 1 Z 1 und Abs 2 FrG, AZ 15 E Vr 897/97 des Landesgerichtes Korneuburg, über die Grundrechtsbeschwerde der Angeklagten Nenad P*****, Zelijko K*****, Slobodan K*****, Mile T*****, Zivojin S***** und Dusko M***** gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Beschwerdegericht vom 11. September 1997, AZ 22 Bs 351-356/97 (= ON 50), in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Nenad P*****, Zelijko K*****, Slobodan K*****, Mile T*****, Zivojin S***** und Dusko M***** wurden im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Text

Gründe:

Nenad P*****, Zelijko K*****, Slobodan K*****, Mile T*****, Zivojin S***** und Dusko M***** wurden mit Urteil der Einzelrichterin vom 14. August 1997 (ON 27) des Vergehens der gerichtlich strafbaren Schlepperei nach § 81 Abs 1 Z 1 und Abs 2 FrG schuldig erkannt und zu unbedingten Freiheitsstrafen im Ausmaß zwischen neun und sechzehn Monaten verurteilt.

Darnach haben die Genannten gewerbsmäßig und um ihres Vorteils Willen die rechtswidrige Einreise von Fremden in das Bundesgebiet, und zwar:

1. in der Nacht vom 26. auf den 27.Juli 1997 zwischen Herrenbaumgarten und Schrattenberg von etwa 20 rumänischen Staatsangehörigen;

2. Nenad P***** überdies (allein) am 21. oder 22.Juni 1997 in Poysbrunn von fünf rumänischen Staatsangehörigen

gefördert.

Das Urteil ist infolge Berufung aller Angeklagten wegen Nichtigkeit, Schuld und Strafe (ON 51) nicht rechtskräftig.

Mit der angefochtenen Entscheidung gab das Oberlandesgericht den Haftbeschwerden der am 27.Juli 1997 (im Beschluß unrichtig: 2. September 1997) festgenommenen und seit 29.Juli 1997 in Untersuchungshaft angehaltenen Angeklagten mit der Maßgabe nicht Folge, daß deren Haft - unter Ausschaltung des Haftgrundes der Fluchtgefahr - nur mehr wegen Tatbegehungsgefahr nach § 180 Abs 2 Z 3 lit b StPO fortzusetzen ist.

Die dagegen gerichtete Grundrechtsbeschwerde ist im Ergebnis nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Den - teils unter unzulässiger Verweisung auf die Ausführungen in der Berufung der Angeklagten (Mayrhofer/E.Steininger GRBG § 3 Rz 12) - gegen den Tatverdacht (insbesondere gegen die Annahme der Gewerbsmäßigkeit) erhobenen Einwänden genügt es zu erwidern, daß diesem bei einem - wenngleich nicht rechtskräftigen - Schuldspruch jedenfalls die vom Gesetz (§ 180 Abs 1 StPO) geforderte Dringlichkeit zukommt. Die Beurteilung, ob das erstinstanzliche Urteil mit formellen oder materiellen Mängeln behaftet ist und allfällige Einwände einer Schuldberufung erfolgreich sind, bleibt dem Berufungsverfahren vorbehalten; darauf bezughabende Einwände sind einer Erörterung im Grundrechtsbeschwerdeverfahren entzogen (13 Os 103/96 uva).

Der Beschwerde zuwider bestand die Förderung der illegalen Einreise nach der qualifizierten Verdachtslage schon in der Zusage und tatplanmäßigen Bereitstellung der zum weiteren Transport der Fremden bestimmten Kraftfahrzeuge.

Den Einwänden gegen den allein angenommenen Haftgrund der Tatbegehungsgefahr ist zwar zuzustimmen, daß das Oberlandesgericht insoweit die Voraussetzungen des § 180 Abs 2 Z 3 lit b StPO verkannte, als die Angeklagten Zelijko K*****, Slobodan K*****, Mile T***** und Zivojin S***** nicht bereits wegen gegen dasselbe Rechtsgut gerichteten strafbaren Handlungen verurteilt worden sind und ihnen nunmehr auch keine wiederholten oder fortgesetzten Handlungen angelastet werden.

Dieser Fehler des Gerichtshofes zweiter Instanz wirkt indes nicht grundrechtsverletzend.

Entgegen der Beurteilung des Beschwerdegerichtes, das von nicht bloß leichten Tatfolgen ausging, liegt den Angeklagten nämlich eine strafbare Handlung mit schweren Folgen zur Last.

Der Begriff der "schweren Folgen" im § 180 Abs 2 Z 3 lit a StPO ist mit jenem der §§ 21 und 23 StGB ident; er umfaßt nicht nur die tatbestandsmäßigen Folgen, sondern darüber hinaus alle konkreten Tatauswirkungen in der gesellschaftlichen Wirklichkeit, sohin auch Art, Ausmaß und Wichtigkeit aller effektiven Nachteile sowohl für den betroffenen Einzelnen als auch für die Gesellschaft im Ganzen, ferner die Eignung, umfangreiche und kostspielige Abwehrmaßnahmen auszulösen und weitreichende Beunruhigung und Besorgnisse herbeizuführen; auch der erhebliche soziale Störwert ist zu berücksichtigen (12 Os 23/96, 14 Os 186/93, 10 Os 56/76; Leukauf/Steininger Komm3 § 21 RN 13 f).

Ausgehend vom Vorwurf, wonach die Beschwerdeführer gewerbsmäßig die illegale Einreise von ca 20 rumänischen Staatsangehörigen förderten, von denen nach der durch gewaltsamen Widerstand des abgesondert verfolgten Alexandru J***** und eines der Eingereisten ermöglichten Flucht nur knapp die Hälfte nach stundenlanger Fahndung festgenommen werden konnte (S 13 ff), sowie unter weiterer Berücksichtigung der durch die illegale Einreise der Fremden ohne Sicherung der Befriedigung ihrer Grundbedürfnisse hervorgerufenen Gefahr für die öffentliche Sicherheit und der durch die Tat aktivierten existentiellen Probleme der Geschleppten selbst, sind die Folgen dieser Straftat nach Lage des Falles als schwer zu bewerten. In diesem Zusammenhang soll auch nicht unerwähnt bleiben, daß nach den Erläuterungen zum Fremdengesetz 1992 die Schlepperei - sogar als Verwaltungsübertretung - besonders vorzuwerfen ist (692 BlgNR 18.GP).

Die Gefahr, die Angeklagten würden auf freiem Fuß ungeachtet des gegen sie geführten Strafverfahrens eine gegen dasselbe Rechtsgut gerichtete strafbare Handlung mit schweren Folgen begehen, ist aus der professionellen Abwicklung und gewerbsmäßigen Verwirklichung der Schlepperei und dem aus den durchwegs schlechten Vermögensverhältnissen resultierenden Anreiz zur Begehung derart lukrativer Straftaten abzuleiten, auch wenn die Beweislage für die Beteiligung an einer kriminellen Organisation (§ 278 a StGB) noch nicht ausreicht. Diese Gefahr ist auch durch die im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichtshofes zweiter Instanz erst eineinhalb Monate währende Untersuchungshaft der Beschwerdeführer, welche - der Beschwerde zuwider - weder zur Bedeutung der Sache noch zu den vom Erstgericht ausgesprochenen Sanktionen außer Verhältnis steht, nicht relevant gemindert (§ 180 Abs 3 StPO).

Da somit Nenad P*****, Zelijko K*****, Slobodan K*****, Mile T*****, Zivojin S***** und Dusko M***** im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt sind, war ihre Beschwerde ohne Kostenzuspruch (§ 8 GRBG) abzuweisen.

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