OGH 15Os146/00

OGH15Os146/0025.10.2000

Der Oberste Gerichtshof hat am 25. Oktober 2000 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Markel als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Strieder und Dr. Zehetner als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Krüger als Schriftführer, in der Strafsache gegen Horst S***** wegen des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten gewerbsmäßig schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 erster Fall, Abs 3, 148 zweiter Fall und 15 StGB sowie einer anderen strafbaren Handlung, AZ 22 Vr 2844/98, Hv 13/99 des Landesgerichtes für Strafsachen Graz, über die Grundrechtsbeschwerde des Angeklagten gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Graz vom 7. September 2000, AZ 11 Bs 354/00 (= ON 62), nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Horst S***** wurde im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Text

Gründe:

Der Angeklagte befindet sich seit 2. September 1999 im oben bezeichneten Verfahren aus den Haftgründen des § 180 Abs 2 Z 1 und 3 lit b StPO in Untersuchungshaft. Mit (noch nicht rechtskräftigem) Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 20. März 2000, GZ 22 Vr 2844/98-52, wurde über ihn eine Freiheitsstrafe von 36 Monaten verhängt. Danach liegt ihm - hier zusammengefasst wiedergegeben - zur Last, in Graz zwischen August 1995 und Dezember 1998/Jänner 1999 gewerbsmäßig fünf Personen um zumindest 1,100.000 Mio S betrügerisch geschädigt (I.) und von 1992 bis 6. Juli 1998 ihm anvertrautes Billiardzubehör im Wert von rund 10.000 S sowie "jedenfalls" 500.000 S Bargeld veruntreut zu haben

(II.).

Mit dem angefochtenen Beschluss vom 7. September 2000, AZ 11 Bs 354/00 (= ON 62), gab das Oberlandesgericht Graz einer gegen den (einen Enthaftungsantrag des Angeklagten vom 10. August 2000 abweisenden) Beschluss des Vorsitzenden keine Folge, wobei es einerseits sowohl den dringenden Tatverdacht als auch das Vorliegen der herangezogenen Haftgründe bejahte, andererseits die Unverhältnismäßigkeit der Haft und die Voraussetzungen für deren Subsituierung durch Anwendung gelindere Mittel gemäß § 180 Abs 5 StPO verneinte.

Die dagegen erhobene Grundrechtsbeschwerde ist nicht im Recht.

Rechtliche Beurteilung

Vorweg ist festzuhalten, dass der rechtskräftige Beschluss vom 2. September 1999 über die Verhängung der Untersuchungshaft (S 41 f/I) nicht mehr zum Gegenstand des Grundrechtsbeschwerdeverfahrens gemacht werden darf (vgl hiezu BS. S 177 oben/II).

Mit Bezug auf den nach Durchführung eines umfangreichen Beweisverfahrens ergangenen (wenngleich noch nicht rechtskräftigen) Schuldspruch, der sich auf die tatrichterliche Würdigung einer Mehrzahl subjektiver und objektiver Beweismittel im kontradiktorischen Verfahren stützt (ON 52), hat der Gerichtshof zweiter Instanz nicht nur einen - wie die Beschwerde argumentiert - "hinreichenden", sondern vielmehr einen "dringenden" Tatverdacht zureichend begründet (Hager/Holzweber GRBG § 2 E 19). Dem wird lediglich die (an Hand der Aktenlage widerlegbare) pauschale Kritik an der schöffengerichtlichen Beweiswürdigung entgegengehalten.

Auch der weiterhin bestehende, durch gelindere Mittel nicht substituierbare Haftgrund der Tatbegehungsgefahr gemäß § 180 Abs 2 Z 3 lit b StPO wird in der bekämpften Beschwerdeentscheidung gesetzeskonform beurteilt. Soweit dagegen bloß vorgebracht wird, der Umstand, dass Handlungen, die noch zu keiner rechtskräftigen gerichtlichen Verurteilung geführt haben und großteils durch die Aussagen der Privatbeteiligten gestützt werden, als Entscheidungsgrundlage herangezogen werden, verstoße gegen die durch Art 6 Abs 2 EMRK geschützte Unschuldsvermutung und widerspreche dem Erfordernis eines hinreichenden Tatverdachtes sowie eines begründeten Anlasses zur Annahme einer Tatbegehungsgefahr im Sinne des Art 5 Abs 1 lit c EMRK, genügt der Hinweis auf die dazu ergangenen Entscheidungen des Höchstgerichtes (vgl Mayerhofer, Das österreichische Strafrecht4, dritter Teil, Nebenstrafrecht, erster Halbband, Art 5 Abs 1 lit c EMRK E 1a, 3 und Art 6 Abs 2 EMRK E 20aa; 15 Os 93/93 und die dort zitierte Judikatur und Literatur zur EMRK).

Da - wie dargelegt - der Haftgrund der Tatbegehungsgefahr zu Recht angenommen wurde, erübrigt sich die Prüfung, ob darüber hinaus der Haftgrund der Fluchtgefahr nach § 180 Abs 2 Z 1 StPO gegeben ist, zu deren Beseitigung eine Kaution von 50.000 S angeboten wird.

Wenn auch die erstgerichtliche Verurteilung noch nicht rechtskräftig ist, kann von einer unangemessenen Dauer der Untersuchungshaft im Verhältnis zur verhängten Strafe von 36 Monaten keine Rede sein. Dagegen führt die Beschwerde lediglich (polemisch) ins Treffen, die Ungleichmäßigkeit der Rechtsprechung und die Unhaltbarkeit der dreijährigen verhängten Freiheitsstrafe sei aus dem Vergleich mit dem über den abgesondert verurteilten (im vorliegenden Strafverfahren als Zeugen vernommenen) Heimo S***** zu ersehen, sodass die Länge der Untersuchungshaft in keinem Verhältnis zu der zu erwartenden Strafe stehe. Vom Tatgericht gewichtete Strafzumessungsgründe und deren Resultat, die sich auf einen Mitverurteilten beziehen, eignen sich nicht zur Beurteilung der Verhätnismäßigkeit der Dauer der Untersuchungshaft eines davon nicht Betroffenen.

Unverständlich ist schließlich Bedeutungsinhalt und Bezug des Schlusssatzes der Beschwerdeschrift: "Eine abschlägige Entscheidung wird die Anrufung des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zur Folge haben", erfolgt damit doch keine Ausführung des in § 3 Abs 1 erster Satz GRBG normierten Inhalts der Grundrechtsbeschwerde.

Da somit Horst S***** im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt wurde, war die Grundrechtsbeschwerde ohne Kostenausspruch (§ 8 GRBG) abzuweisen.

Stichworte