OGH 13Os109/02

OGH13Os109/029.9.2002

Der Oberste Gerichtshof hat am 9. September 2002 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Brustbauer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schmucker und Dr. Habl als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Teffer als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Ing. Leopold S***** und andere wegen des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 und Abs 3, 15 StGB, AZ 14 Hv 15/02w des Landesgerichtes Linz, über die Grundrechtsbeschwerde des Angeklagten Alfred S***** gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Linz vom 25. Juli 2002, AZ 7 Bs 226, 227/02 (ON 240 des Vr-Aktes), nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Alfred S***** wurde im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Text

Gründe:

Alfred S***** befindet sich im oben bezeichneten Strafverfahren seit 1. Juni 2001 aus den Haftgründen der Flucht- und Tatbegehungsgefahr nach § 180 Abs 1 und Abs 2 Z 1, Z 3 lit a und lit b StPO in Untersuchungshaft.

Inhaltlich der (rechtskräftigen) Anklageschrift ist er dringend verdächtig, das Verbrechen des teils vollendeten, teils versuchten, schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 und Abs 3, 15 StGB begangen zu haben, indem er

teils unmittelbar, teils mittelbar durch vorsatzlos handelnde Personen, teils alleine, teils im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter

(I) Verfügungsberechtigte der A***** zur Auszahlung einer überhöhten Versicherungsleistung in Höhe von 35,850.000 S verleitet und zur Zahlung von weiteren 250,360.000 S aus dem Titel des Betriebsunterbrechungs- und Sachschadens zu verleiten versucht haben soll, wobei es bei der Vollbringung der Tat nur durch Zufall, nämlich infolge weiterer Überprüfung der geltend gemachten Ansprüche aus dem Brandschadenfall vom 24. März 2000 beim Versuch geblieben ist,

(1) im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter mit Ing. Leopold S***** am 25., 27., 29. und 31. März 2001 und von April 2000 bis Ende des Jahres 2000 dadurch, dass sie die der Schadensmeldung zu Grunde gelegten Mengenangaben an verbrannten Steco-Boxen und das den Gutachtern der K***** und der E*****-Treuhand ***** vorgelegte Zahlenmaterial wiederholt, teils konkludent, teils dezidiert als richtig bestätigten und dabei verschwiegen, dass der Lagerbestand bereits im Jahre 1997 um 681.000 Stück Steco-Boxen fiktiv erhöht worden war, und in der Versicherungsmeldung einen um 1,679.862 Stück überhöhten Lagerbestand von Kunststoffboxen verschiedener Größen im Gesamtwert von 89,316.891 S behaupteten, wobei dieses Zahlenmaterial mangels anderer Informationen von den Sachverständigen der K***** und der E*****treuhand ***** ihren Schadensberechnungen zu Grunde gelegt wurde und sodann auf dieser Basis die Schadensliquidierung teils erfolgte, teils erfolgen sollte;

(2) alleine

(a) am 27. März 2000 dem Sachverständigen der Sch***** GmbH, Franz D*****, einen Lageplan über die Position der jeweiligen Boxen im Bereich des Lagers über 3 Mio Stück ausfolgte, eine inhaltlich unrichtige Liste nach Artikel und Stückzahl vor und nach dem Brand auf Basis der Inventur vom 27. März 2000 vorlegte, die dann bei der Schadensberechnung Verwendung fand, und gegenüber Klaus H***** die Anzahl der verbrannten Boxen mit 2,5 bis 3 Mio Stück bezifferte; (b) zu einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt nach dem 24. März 2000 dem Wirtschaftsprüfer der E*****treuhand ***** Mag. Richard St***** im Rahmen der Schadensabwicklung im Nachhinein erstellte, sohin inhaltlich unrichtige Transportscheine zum Nachweis vorlegte, das 54 % der fiktiv angegebenen Steco-Boxen von der Firma W***** von Ebensee nach Aurachkirchen transportiert worden wären; (c) zu einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt nach dem 24. März 2000 den Gutachtern der K***** im Zusammenhang mit der Berechnung des Betriebsunterbrechungsschadens verschwieg, dass die Prognosezahlen für das Jahr 2000 bereits überholt und wesentlich überhöht dargestellt waren, zumal die Verhandlungen mit der Firma B***** und R***** Mitte des Jahres 1999 gescheitert waren;

(II) im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit Ing. Leopold S***** am 16. Jänner 2001 Hans As***** und Dr. Manfred As***** durch die Vorgabe, die noch offene Schadenersatzforderung gegenüber der A***** in Höhe von 180 Mio S um 120 Mio S verkaufen zu wollen, vorspiegelten, die Auszahlung seitens der A***** AG stehe unmittelbar bevor, jedenfalls aber zusicherten, diesen Betrag bis spätestens August 2001 zurückzahlen zu wollen, wobei sie jedoch wussten, dass die abgetretene Forderung gegenüber der N***** AG nicht werthaltig war, zumal dieser eine manipulierte Schadensmeldung zu Grunde lag und letztlich auch eine Zahlung durch die S***** nicht mehr zu erwarten war, zum Forderungskauf und zur Zahlung von je 30 Mio S am 16. Jänner 2001 und 60 Mio S am 14. Februar 2001 verleitet haben soll. Mit dem angefochtenen Beschluss gab das Oberlandesgericht Linz der gegen die Abweisung eines anlässlich der Hauptverhandlung am 4. Juli 2002 gestellten Enthaftungsantrages (ON 214) erhobenen Beschwerde des Angeklagten (in der die Annahme des dringenden Tatverdachtes nicht mehr in Frage gestellt wird), nicht Folge und ordnete die Fortsetzung der Untersuchungshaft aus den genannten Haftgründen an (ON 240).

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen erhobenen Grundrechtsbeschwerde, mit der (nunmehr neuerlich) die unrichtige Beurteilung der Voraussetzungen des dringenden Tatverdachts und der Haftgründe, die Unverhältnismäßigkeit der Haft sowie die Nichtannahme gelinderer Mittel moniert wird, kommt keine Berechtigung zu.

Den Einwänden zur Annahme des dringenden Tatverdachtes genügt die Erwiderung, dass dessen Vorliegen in der Beschwerde gegen den Fortsetzungsbeschluss selbst eingeräumt wurde (ON 225). Die Beschwerdekritik, das Oberlandesgericht habe seiner Entscheidung ausschließlich die den ausgeschiedenen Teil des Verfahrens betreffende Verdachtslage zugrundegelegt, übergeht die konträren Erwägungen im Beschluss S 5 und ist mangels Festhalten am Inhalt dieser Entscheidung nicht erwiderungsfähig. Denn der Oberste Gerichtshof hat bereits wiederholt klargestellt, dass eine am Gesetz orientierte Bekämpfung der Sachverhaltsgrundlage einer Haftentscheidung an den Kriterien der Z 5 und 5a des § 281 Abs 1 StPO Maßzunehmen hat (§ 10 GRBG; JBl 2000, 259 = EvBl 1999, 192; EvBl 2000, 112; EvBl 2000/193; EvBl 2001/97; 11 Os 143, 144/99, 12 Os 135/01, 13 Os 6/02, 14 Os 47/02, 13 Os 76/02 uva).

Die Voraussetzungen der Grundlagen der Tatbegehungsgefahr hat das Oberlandesgericht Linz zu Recht aus der hohen vermögensdeliktischen kriminellen Energie des Beschwerdeführers im Zusammenhang mit der Zugriffsmöglichkeit auf noch verborgene Vermögenswerte in Millionenhöhe abgeleitet und somit rechtsfehlerfrei angenommen. Zutreffend wurde auch erkannt, das fallbezogen der Haftzweck durch gelindere Mittel nicht erreicht werden kann; soweit die Beschwerde im Zusammenhang mit diesem Haftgrund auf eine vom Gericht zu bestimmende Sicherheitsleistung verweist, genügt es zu entgegnen, dass der Erlag einer Barkaution zur Hintanhaltung der Tatbegehungsgefahr jedenfalls nicht vorgesehen ist (§ 190 Abs 1 StPO).

Weiters versagt auch der Einwand der unangemessenen Dauer der Untersuchungshaft, weil nach der derzeitigen Sachlage von einer Strafdrohung von einem bis zu 10 Jahren Freiheitsstrafe auszugehen ist (§ 147 Abs 3 StGB), sodass die bisher in Untersuchungshaft verbrachte Zeit im Hinblick auf den Fall des Schuldspruchs zu erwartende Strafe in keinem Missverhältnis steht.

Soweit die Beschwerde meint, dass die Möglichkeit und Wahrscheinlichkeit einer bedingten Strafnachsicht oder bedingten Entlassung zu beachten sei und sich dabei auf EvBl 1994/108 (= 14 Os 30/94) beruft, ist sie ebenfalls nicht berechtigt. Die genannte Entscheidung ist überholt. Der Oberste Gerichtshof hat seither immer wieder erkannt, dass die Möglichkeit einer bedingten Strafnachsicht - was ebenso für eine bedingte Entlassung gilt - unter anderem auch vom (weiteren) Verhalten abhängt, welches antizipativ nicht beurteilt werden kann (13 Os 130/01, 13 Os 81/01, 15 Os 110/00, 12 Os 93/01, 13 Os 29/02, 13 Os 76/02).

Im Hinblick auf das Vorliegen des Haftgrundes der Tatbegehungsgefahr erübrigt sich bei Prüfung der Frage einer Grundrechtsverletzung auch auf den weiteren Haftgrund der Fluchtgefahr bzw der Argumentation zu deren Ersetzbarkeit einzugehen (Hager/Holzweber § 2 GRBG E 25). Die Grundrechtsbeschwerde war daher ohne Kostenausspruch (§ 8 GRBG) abzuweisen.

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