OGH 13Os81/01

OGH13Os81/0127.6.2001

Der Oberste Gerichtshof hat am 27. Juni 2001 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Brustbauer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schmucker und Dr. Habl als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Eichinger als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Leonidas C***** wegen des Verbrechens des gewerbsmäßig schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 zweiter Fall StGB und anderer strafbarer Handlungen, AZ Vr 707/00 des Landesgerichtes Wiener Neustadt, über die Grundrechtsbeschwerde des Angeklagten gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien als Beschwerdegericht vom 27. April 2001, AZ 20 Bs 123/01 (ON 135 des Vr-Aktes), nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Leonidas C***** wurde im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Text

Entscheidungsgründe:

Leonidas C***** befindet sich im oben bezeichneten Strafverfahren seit 26. Mai 2000 (nunmehr nur) aus dem Haftgrund der Tatbegehungsgefahr gemäß § 180 Abs 2 Z 3 lit a und lit b StPO in Untersuchungshaft. In der am 23. April 2001 erhobenen, zwischenzeitig rechtswirksamen Anklageschrift wird ihm (I) das Verbrechen des gewerbsmäßig schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 zweiter Fall StGB und die Vergehen (II) nach § 114 Abs 1 und 2 ASVG und (III) nach § 15 Abs 1 Z 1 KMG vorgeworfen.

Danach hat er - zusammengefasst wiedergegeben - von Jänner 1995 bis Ende März 2000 in Wien und anderen Orten Österreichs

I) 162, in der Anklage namentlich bezeichnete Personen mit auf

unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz durch Vorgabe seiner Befähigung zur Durchführung von Wertpapiergeschäften sowie der vereinbarungsgemäßen Veranlagung von Geldbeträgen in der Höhe von insgesamt 47,913.657,60 S unter Zusicherung unrichtiger Gewinnaussichten, somit durch Täuschung über Tatsachen zur Übergabe der in der Anklage ebenfalls detailliert genannten Geldbeträge, somit zu Handlungen veranlasst, die die genannten Personen mit einem 500.000 S übersteigenden Betrag in Höhe von mehreren Millionen Schilling am Vermögen schädigten, wobei er den schweren Betrug in der Absicht beging, sich durch dessen wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen;

II) als Geschäftsführer und somit als vertretungsbefugtes Organ nachgenannter juristischer Personen und als Dienstgeber nachgenannte Beiträge von Dienstnehmern zur Sozialversicherung einbehalten und dem berechtigten Versicherungsträger vorenthalten, und zwar

1) von Oktober 1999 bis Dezember 2000 in Perchtolsdorf als Geschäftsführer der Firma A***** GesmbH Dienstnehmeranteile von insgesamt 101.900,45 S

2) von Oktober bis November 1999 in Perchtoldsdorf als Geschäftsführer der Al***** GesmbH Dienstnehmeranteile von insgesamt

6.390 S,

III) von Jänner 1995 bis März 2000 in Perchtoldsdorf, Wien und anderen Österreichs als Geschäftsführer der A*****GesmbH im Zusammenhang mit einem öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder Veranlagungen, die nach § 1 Abs 1 Z 4 KMG prospektpflichtig sind, nämlich A***** Kapitalanteilscheine, angeboten, ohne dass zeitgerecht ein kontrollierter Prospekt veröffentlicht wurde.

Mit dem angefochtenen Beschluss gab das Oberlandesgericht Wien der - gegen die Abweisung eines Enthaftungsantrages (ON 126/XIX) durch den Untersuchungsrichter (ON 128/XIX) gerichteten - Beschwerde des Angeklagten nicht Folge und ordnete die Fortsetzung der Untersuchungshaft aus dem genannten Haftgrund bis längstens 27. Juni 2001 an.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen erhobenen Grundrechtsbeschwerde, mit der zum einen unrichtige Beurteilung des Haftgrundes der Tatbegehungsgefahr, zum anderen Unverhältnismäßigkeit der Haft moniert wird, kommt keine Berechtigung zu.

Der Hinweis auf die Unbescholtenheit, die Möglichkeit einer unselbständigen Tätigkeit und den Verlust der Gewerbeberechtigung vermag die - diese Umstände ohnedies in seine Erwägungen einbeziehenden - zutreffenden Darlegungen im angefochtenen Beschluss des Oberlandesgerichtes zur Annahme der Tatbegehungsgefahr nicht Substantielles entgegenzusetzen. Die Behauptung, es sei aktenkundig, dass der Angeklagte keinen finanziellen Nutzen aus der ihm angelasteten Vorgangsweise gezogen habe, ist nicht aktenkonform, ergibt sich doch schon aus den dazu Stellung nehmenden Passagen des Sachverständigengutachtens, das rund 5 Mio. S als - betriebswirtschaftlich nicht zuordenbare - Privatentnahmen des Angeklagten angesehen werden müssen (ON 102/XVII, S 379f). Auch mindert vorliegendenfalls weder die Krankheit des Beschwerdeführers noch dessen Versprechen, sich in Zukunft um eine unselbständige Tätigkeit umzusehen, die Gefahr, dass er auf freiem Fuß strafbare Handlungen iS des § 180 Abs 2 Z 3 lit a und b StPO begehen werde; dass die aufrechte Haft diese Gefahr mindert, ist unbeachtlich. Denn es ist auf die Verhältnisse (und deren etwaige Änderung), unter denen die dem Angeklagten angelastete Taten begangen worden sind, abzustellen (vgl 13 Os 136/00). Die Gefahr weiterer (qualifizierter) Folgedelinquenz hat das Oberlandesgericht zutreffend beurteilt, indem es insbesondere auf die vom Angeklagten früher vielfach gegründeten, sodann umstrukturierten Firmen, die Undurchschaubarkeit der über Internet betriebenen Finanztransaktionen und seine Fähigkeit, Vertragspartner von der - durch nichts fundierten - Rentabilität seiner Projekte zu überzeugen, ausgegangen ist.

Dem weiteren Beschwerdeeinwand zur Verhältnismäßigkeit, die dazu im angefochtenen Beschluss S 19 herangezogene Begründung sei in dieser allgemeinen Form nicht aufrecht zu erhalten, ermangelt es seinerseits an Substantiierung, weshalb er insoferne nicht erörterungsfähig ist. Mit dem Vorbringen, bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung seien auch die Bestimmungen des § 43a StGB zu erwägen, verkennt die Beschwerde, dass auch bei Berücksichtigung einer Prognose über die zu erwartende Strafe (vgl 14 Os 30/94, 14 Os 79/97, 14 Os 45/00), die Möglichkeit einer bedingten Strafnachsicht - neben der im Grundrechtsbeschwerdeverfahren auch nicht gegebenen vollständigen Kenntnis allfälliger Tatumstände - weitgehend von einer auf Grund der Aktenlage allein nicht zu beurteilenden Wohlverhaltensprognose abhängt, die nicht zuletzt mit der künftigen Verantwortung des Angeklagten vor dem Tatgericht und dem persönlichen Eindruck im Zusammenhang steht, den er auf das mit der Straffindung befasste Gericht hinterlässt (vgl 13 Os 162/96). Damit bleibt fallbezogen eine mögliche Anwendung der Bestimmungen über die bedingte Strafnachsicht bei der - vordringlich auf das Strafausmaß abstellenden - Verhältnismäßigkeitsprüfung (unter Einbeziehung deren schwergewichtig prognostisch häufiger im Ermessensbereich liegenden Gewährung) hypothetisch (11 Os 117/98, 15 Os 110/00). Davon, dass die zum Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung insgesamt rund 11 Monate andauernde Untersuchungshaft zur Bedeutung der Sache oder (bei verdachtskonformer Verurteilung) zu der erwartenden Strafe außer Verhältnis stünde, kann keine Rede sein.

Wie das Oberlandesgericht in seiner Entscheidung (S 19f) bereits zutreffend dargelegt hat, darf eine Überschreitung der Grenze von sechs Monaten in den im § 194 Abs 2 StPO (idF BGBl. 526/1993) genannten Fällen zwar nur unter den Bedingungen des § 194 Abs 3 StPO erfolgen, jedoch kommt es bei Beurteilung dieser Voraussetzungen nicht auf deren formelle Feststellung, sondern deren tatsächliches Vorliegen an (RZ 2001, S 96). Die in der Beschwerde vertretene Ansicht, der Freiheitsentzug könne nachträglich nicht verlängert werden, wenn die Sechsmonatsfrist abgelaufen sei, und die dazu zitierte Literatur und Judikatur beziehen sich auf die Bestimmung des § 193 Abs 3 StPO idF BGBl. 1983/168, die mit der Neuregelung des § 194 StPO durch das Strafprozessänderungsgesetz, BGBl. 526/1993 obsolet wurde.

Leonidas C***** wurde somit im Grundrecht auf persöniche Freiheit nicht verletzt, weshalb seine Beschwerde ohne Kostenausspruch (§ 8 GRGB) abzuweisen war.

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