OGH 13Os130/01

OGH13Os130/0110.10.2001

Der Oberste Gerichtshof hat am 10. Oktober 2001 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Brustbauer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Rouschal und Dr. Schmucker als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Albel als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Rainer Maria M***** wegen des Verbrechens des teils versuchten, teils vollendeten schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1, Abs 3, 15 StGB und weiterer strafbarer Handlungen, AZ 12e Vr 6672/99 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien, über die Grundrechtsbeschwerde des Angeklagten gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien vom 21. Juni 2001, AZ 24 Bs 158/01 (= ON 377 des Vr-Aktes), nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Durch den angefochtenen Beschluss wurde Rainer M***** im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Text

Gründe:

Rechtliche Beurteilung

Mit dem zufolge noch unerledigter Berufung des Angeklagten Rainer Maria M***** (zwar) im Schuldspruch, nicht jedoch im Strafausspruch rechtskräftigen Urteil (die Nichtigkeitsbeschwerde wurde mit Beschluss des Obersten Gerichtshofes vom 2. Oktober 2001, AZ 13 Os 50/01, zurückgewiesen) des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 6. Februar 2001, ON 317 des Vr-Aktes, wurde der Genannte der Verbrechen des teils versuchten, teils vollendeten schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1, Abs 3, 15 StGB, der versuchten betrügerischen Krida nach §§ 15, 146 Abs 1 StGB sowie der Vergehen der Urkundenfälschung nach § 223 Abs 1 StGB und der Fälschung besonders geschützter Urkunden nach §§ 223 Abs 2, 224 StGB schuldig erkannt und zu einer fünfjährigen Freiheitsstrafe verurteilt.

Danach hat er - zusammengefasst unter anderem - im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit anderen als Beteiligte in den Jahren 1984 und 1985 betrügerische Handlungen mit einem Schaden von ca 284 Mio S, Betrugsversuchshandlungen mit einem beabsichtigten Schaden von ca 90 Mio S sowie eine Kaufvertrags- und Passfälschung begangen.

Nach Urteilsverkündung wurde über den Angeklagten gemäß § 180 Abs 2 Z 1 StPO die gemäß § 181 Abs 6 StPO durch eine Haftfrist nicht mehr beschränkte Untersuchungshaft verhängt.

Der Haftbeschwerde des Verurteilten gab das Oberlandesgericht Wien mit Beschluss vom 3. März 2001, ON 332 des Vr-Aktes, nicht Folge, trug jedoch gemäß § 114 Abs 4 StPO dem Erstgericht auf, gemäß § 190 Abs 1 StPO zu bestimmen, gegen welche Kaution sowie gegen Ablegung welcher im § 180 Abs 5 Z 1 und 2 StPO erwähnten Gelöbnisse die Untersuchungshaft aufgehoben wird.

Der gegen diesen Beschluss erhobenen Grundrechtsbeschwerde gab der Oberste Gerichtshof mit Erkenntnis vom 23. Mai 2001 zu AZ 13 Os 49/01 nicht Folge, wobei (in den Gründen) ua ausdrücklich die Gesetzeskonformität der kassatorischen Entscheidung des Oberlandesgerichtes und des erteilten Auftrages ausgesprochen wurde.

In dessen Entsprechung hatte das Landesgericht für Strafsachen Wien bereits mit Beschluss vom 21. März 2001, ON 342, bestimmt, dass die über Rainer Maria M***** verhängte Untersuchungshaft gemäß § 190 Abs 1 StPO gegen den Erlag einer Haftkaution von 42,000.000 S und Ablegung eines Gelöbnisses gemäß § 180 Abs 5 Z 1 StPO aufgehoben werde.

Der gegen diesen Beschluss vom Verurteilten erhobenen Beschwerde gab das Oberlandesgericht Wien mit Beschluss vom 10. April 2001, ON 352, Folge, hob den angefochtenen Beschluss auf und trug dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Grund für die Aufhebung war die von der Beschwerde vorgebrachte Neuerung, dass Rainer Maria M***** in Südafrika seine Arbeit verloren habe, somit über kein Einkommen mehr verfüge, auch sonst kein Vermögen besitze und überdies für seine Ehefrau und Kinder sorgepflichtig sei.

Dagegen richtete sich erneut eine Grundrechtsbeschwerde des Rainer Maria M*****, die am 6. Juni 2001 als unzulässig zurückgewiesen wurde (13 Os 66/01).

Bereits vor der letztgenannten Entscheidung hatte das Landesgericht für Strafsachen Wien am 21. Mai 2001 (ON 369) die Höhe der Haftkaution mit (nunmehr) 40 Mio S bestimmt.

Mit dem vorliegend angefochtenen Beschluss hat das Oberlandesgericht Wien der dagegen erhobenen Beschwerde des Verurteilten dahin Folge gegeben, dass die Haftkaution mit 20 Mio S festgesetzt wurde.

Dagegen richtet sich eine abermals erhobene, grundsätzlich zulässige (Mayrhofer/Steininger GRBG § 1 Rz 36) Grundrechtsbeschwerde, welcher jedoch keine Berechtigung zukommt.

Soweit die Grundrechtsbeschwerde einleitend die seinerzeitige Grundrechtsbeschwerdeentscheidung 13 Os 49/01 kritisiert, weil nicht vom damaligen Beschwerdevorbringen ausgegangen wurde, genügt es zu erwidern, dass der Oberste Gerichtshof seinen Entscheidungen nicht (das ((seinerseits erneut)) aktenwidrige) Beschwerdevorbringen, sondern den tatsächlichen Inhalt der Akten zugrunde zu legen hat.

Unbegründet ist die Beschwerdebehauptung einer unangemessenen langen Frist zwischen der Verhängung der Untersuchungshaft und der zuletzt angefochtenen Entscheidung des Oberlandesgerichtes Wien, haben doch die mit der Untersuchungshaft des Verurteilten befassten Gerichte jeweils ohne Verzögerungen entschieden (wie die obige Darstellung aufzeigt), und ist die Dauer des Haftverfahrens auch durch Anträge und Rechtsmittel des Angeklagten mitverursacht, welcher die von der StPO und § 4 GRBG bestimmten Fristen weitgehend in Anspruch genommen hat.

Ein Verstoß gegen Art 5 Abs 4 EMRK ist jedenfalls nicht eingetreten.

Soweit die Beschwerde meint, dass entgegen der Ansicht des Beschwerdegerichtes bei der Bemessung der Kautionssumme die Intensität der Fluchtgefahr im Lichte der tatsächlich ausgemessenen Sanktion, insbesondere aber auch der Möglichkeit und Wahrscheinlichkeit einer bedingten Entlassung zu betrachten sei, und sich dabei auf das Erkenntnis 14 Os 140/93 (EvBl 1994/12) beruft, ist sie ebenfalls nicht berechtigt. Die genannte Entscheidung ist längst überholt. Der Oberste Gerichtshof hat seither immer wieder erkannt, dass die Möglichkeit einer bedingten Strafnachsicht - was ebenso für eine bedingte Entlassung gilt - auch vom (weiteren) Verhalten abhängt, welches antizipativ nicht beurteilt werden kann. Liegt bereits ein Urteil erster Instanz vor, so ist bei Beurteilung nicht nur der Angemessenheit der Untersuchungshaft, sondern auch der Gewichtigkeit des Haftgrundes der Fluchtgefahr, das im Urteil verhängte Strafmaß heranzuziehen (zuletzt 13 Os 81/01).

Schließlich geht auch die Kritik an der Höhe der Kautionssumme ins Leere. Rechtsrichtig hat nämlich das Oberlandesgericht die Kaution im Lichte der EMRK nicht nach dem durch die Tat verursachten Schaden (der ein Mehrfaches der Kautionssumme erreicht) bestimmt, sondern nach deren Gewicht, nämlich vielfacher, teils schwerster und umfassender Rechtsgutbeeinträchtigung, sowie unter Zugrundelegung einer hohen Fluchtgefahr einschließlich der Berücksichtigung persönlicher Verhältnisse.

Da der Beschwerdeführer sohin weder durch die Höhe der festgesetzten Kautionssumme noch sonst im Rahmen der Anfechtung in seinem Grundrecht auf persönliche Freiheit verletzt wurde, war die Beschwerde ohne Kostenausspruch (§ 8 GRBG) abzuweisen.

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