OGH 13Os76/02

OGH13Os76/0226.6.2002

Der Oberste Gerichtshof hat am 26. Juni 2002 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Brustbauer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schmucker und Dr. Habl als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Lazarus als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Eduard Josef H***** wegen der Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 1, Abs 2 lit a und b FinStrG, AZ 241 Ur 4992/01p des Landesgerichtes für Strafsachen Wien, über die Grundrechtsbeschwerde des Beschuldigten gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien vom 16. Mai 2002, AZ 19 Bs 150/02 (ON 53 des Vr-Aktes), nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Eduard Josef H***** wurde im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt.

Die Grundrechtsbeschwerde wird abgewiesen.

Text

Gründe:

Gegen Eduard Josef H***** wurde im oben bezeichneten Verfahren am 14. April 2002 (S 3h AV-Bogen) die Voruntersuchung wegen des Verdachts der Begehung der Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 1, Abs 2 lit a und b FinStrG eingeleitet.

Danach richtet sich gegen ihn der dringende Verdacht, er habe als Geschäftsführer der T***** Bau GmbH durch Beschäftigung ausländischer Schwarzarbeiter unter Verwendung von Rechnungen nicht tätig gewordener Firmen zwecks Verrechnung von Aufwendungen ab 1997 bis 2002 fortlaufend Umsatz-, Kapitalertrags- und Lohnsteuer sowie Dienstgeberbeiträge in einem 1,000.000 S jedenfalls übersteigenden (laut vorläufiger Berechnung vom 17. April 2002 mindestens 17,263.000,- S vgl ON 37/I) strafbestimmenden Wertbetrag hinterzogen. Mit dem angefochtenen Beschluss gab das Oberlandesgericht Wien einer Beschwerde des Genannten gegen die vom Untersuchungsrichter der Landesgerichtes für Strafsachen Wien beschlossene Fortsetzung (unter gleichzeitiger Bestimmung der Aufhebung bei Erlag einer Kaution von 70.000 EUR - ON 46/1) der am 14. April 2002 aus dem Haftgrund der Fluchtgefahr nach § 180 Abs 2 Z 1 StPO verhängten Untersuchungshaft (ON 29/I) nicht Folge und setzte diese seinerseits aus den Haftgründen der Flucht- und Tatbegehungsgefahr nach § 180 Abs 2 Z 1 und Z 3 lit b StPO fort (ON 53/II).

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen erhobene Grundrechtsbeschwerde erweist sich als nicht berechtigt.

Soweit sie die zusätzliche Annahme eines weiteren Haftgrundes durch das Oberlandesgericht kritisiert, verkennt sie, dass das zur umfassenden amtswegigen Überprüfung verpflichtete Beschwerdegericht befugt ist, sich gegenüber der Entscheidung erster Instanz auf andere oder auch auf zusätzliche Gründe zu stützen (Hager/Holzweber GRBG § 2 E 76, 12 Os 78/00 = RZ 2001/28). Insoferne sie die unrichtige Beurteilung der Haftvoraussetzungen moniert, ist sie darauf zu verweisen, dass der Oberste Gerichtshof bereits wiederholt klargestellt hat, dass eine am Gesetz orientierte Bekämpfung der Sachverhaltsgrundlagen einer Haftentscheidung an den Kriterien der Z 5 und 5a des § 281 Abs 1 StPO maßzunehmen hat (§ 10GRBG; JBl 2000, 259 = EvBl 1999/192; EvBl 2000/112; EvBl 2000/193; EvBl 2001/97; 11 Os 143, 144/99, 12 Os 135/01, 13 Os 6/02, 14 Os 47/02 uva). Inwieweit durch den Umstand, dass weder gegen die Firma T***** noch gegen den Beschuldigten ein rechtskräftiger Abgabenbescheid vorliegt und ihm (vermeintlich) nicht hinreichend Gelegenheit geboten worden sei, sich zum Tatverdacht zu äußern, der Beweiswert der vom Oberlandesgericht ins Treffen geführten bestimmten Tatsachen in Frage gestellt wird, lässt die Beschwerde mit dieser pauschalen Bestreitung des Tatverdachtes offen und vermag damit den tragfähigen, aktenkonformen Ausführungen des Oberlandesgerichtes zum Vorliegen des dringenden Tatverdachtes nichts Substantiielles entgegenzusetzen und damit einen Begründungsfehler der angefochtenen Entscheidung nicht aufzuzeigen. Das Vorbringen, bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung sei zu berücksichtigen, dass über den Beschuldigten keine unbedingte Freiheitsstrafe verhängt werden würde, übersieht, dass bei Berücksichtigung einer Prognose über die zu erwartende Strafe (im Fall der Verhängung auch einer Freiheitsstrafe) die Möglichkeit einer bedingten Strafnachsicht - neben der im Grundrechtsbeschwerdeverfahren fehlenden vollständigen Kenntnis aller Strafzumessungstatsachen - weitgehend von einer aufgrund der Aktenlage allein nicht zu beurteilenden Wohlverhaltensprognose abhängt, die nicht zuletzt mit der künftigen Verantwortung des Angeklagten vor dem Tatgericht und dem persönlichen Eindruck im Zusammenhang steht, den er auf das mit der Straffindung befasste Gericht hinterlässt (vgl 13 Os 162/96, 12 Os 146/98). Damit bleibt fallbezogen eine mögliche Anwendung der Bestimmungen des § 33 Abs 5 zweiter Satz FinStrG ebenso wie über eine bedingte Strafnachsicht bei der - vordringlich auf das Strafausmaß abstellenden - Verhältnismäßigkeitsprüfung hypothetisch (11 Os 117/98, 15 Os 110/00, 13 Os 114/00, 13 Os 81/01, 15 Os 131/01). Davon, dass die zum Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung insgesamt rund einen Monat andauernde Untersuchungshaft zur Bedeutung der Sache oder (bei verdachtskonformer Verurteilung) zu der zu erwartenden Strafe außer Verhältnis stünde, kann keine Rede sein.

Weil schließlich bereits ein Haftgrund die Fortsetzung der Untersuchungshaft trägt, bedarf die Kritik an der Annahme der Fluchtgefahr bzw deren Ersetzbarkeit durch ein anderes als das vom Erstgericht angenommene gelindere Mittel keiner Erörterung. Die Grundrechtsbeschwerde war daher ohne Kostenausspruch (§ 8 GRBG) abzuweisen.

Stichworte