OGH 15Os131/01

OGH15Os131/0120.9.2001

Der Oberste Gerichtshof hat am 20. September 2001 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Markel als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schmucker und Dr. Zehetner als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Emsenhuber als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Dejan L***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 erster Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen, AZ 9 Vr 174/01 des Jugendgerichtshofes Wien, über die Grundrechtsbeschwerde des Angeklagten Sharyar Z***** gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien vom 7. August 2001, AZ 21 Bs 285/01 (ON 162 des Vr-Aktes), nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Sharyar Z***** wurde im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Text

Gründe:

Sharyar Z***** befindet sich im oben bezeichneten Strafverfahren seit 27. März 2001 (ON 18/I) aus dem Haftgrund der Tatbegehungsgefahr gemäß § 180 Abs 2 Z 3 lit a und lit b StPO in Verbindung mit § 35 Abs 1 JGG in Untersuchungshaft. In der (seit 30. Juli 2001) rechtswirksamen Anklageschrift werden ihm die Verbrechen (A) des teils versuchten, teils vollendeten schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 erster Fall, 15 StGB und (B) der Erpressung nach § 144 Abs 1 StGB sowie die Vergehen (C) der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB und (D) der dauernden Sachentziehung nach § 135 Abs 1 StGB vorgeworfen.

Danach habe er - zusammengefasst wiedergegeben -

(A) in Wien als Mitglied einer Bande unter Mitwirkung anderer Bandenmitglieder mit Gewalt oder durch gefährliche Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben in 21 Angriffen (in der Anklage detailliert dargelegt) anderen fremde bewegliche Sachen, nämlich Bargeld, Wertgegenstände sowie Mobiltelefone in einem 25.000 S nicht übersteigenden Wert mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz weggenommen bzw abgenötigt. Die Gewaltanwendung sei zum Teil durch Entreißen von Handtaschen bei älteren Frauen, wobei auf Grund deren Gegenwehr in einigen Fällen die Handgriffe abgerissen seien und eines der Opfer eine leichte Schulterverletzung erlitten habe, im Übrigen durch das Umringen der meist jugendlichen Opfer erfolgt, um auf diese Druck auszuüben und sie einerseits einzuschüchtern, andererseits im Bedarfsfall eingreifen zu können, wobei teilweise auch Schläge versetzt oder angedroht worden seien. In weiteren sechs Fällen sei es beim Versuch geblieben.

(B) Bei zwei der Erpressungsfakten habe sich der Angeklagte an der Nötigung zur Ausfolgung von Handys und der Forderung von Bargeld für deren Rückgabe beteiligt.

(C) Im Anschluss an zwei der Raubtaten hätten Z***** sowie seine Mittäter die in den Handtaschen vorgefundenen Ausweise weggeworfen, (D) was auch mit einem der erbeuteten Handys sowie einer durch Raub erlangten Handtasche geschehen sei, ohne sich die Gegenstände zueignen zu wollen.

Mit dem angefochtenen Beschluss gab das Oberlandesgericht Wien der Beschwerde des Angeklagten gegen die in der vom Untersuchungsrichter (aus Anlass eines Enthaftungsantrages) durchgeführten Haftverhandlung am 20. Juli 2001 beschlossene Fortsetzung der Untersuchungshaft (ON 138/II) nicht Folge und ordnete seinerseits deren Fortsetzung aus dem genannten Haftgrund bis längstens 10. Oktober 2001 an.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen erhobenen Grundrechtsbeschwerde, mit der zum einen eine unrichtige Beurteilung des Haftgrundes der Tatbegehungsgefahr, zum anderen Unverhältnismäßigkeit der Haft moniert wird, kommt keine Berechtigung zu.

Der Hinweis auf die Unbescholtenheit, das Verspüren des Haftübels über mehrere Monate und die beim Raub - mit Ausnahme eines Faktums - sich im Einzelnen im Bereich von 20 S bis 5.000 S bewegenden Schadensbeträge vermag den - diese Umstände ohnedies in seine Erwägungen einbeziehenden - zutreffenden Darlegungen im angefochtenen Beschluss des Oberlandesgerichtes nichts Substantielles entgegenzusetzen. Soweit die Beschwerde bei der Beurteilung sowohl der Anlass- als auch der Prognosetat als eine solche mit schweren Folgen lediglich auf den Vermögensschaden abstellt, ist unvorgreiflich der Beurteilung durch das Schöffengericht zu beachten, dass nach gefestigter Rechtsprechung die Schwere der Rechtsgutbeeinträchtigung bei bandenmäßig begangenem Raub nicht nur aus der Sozialschädlichkeit der Vermögensbeeinträchtigung, sondern insbesondere aus dem Gewaltfaktor und der bandenmäßigen Begehung erhellt, sodass die isolierte Betrachtung eines dabei verursachten Vermögensschadens allein keine taugliche Beurteilungsgrundlage für die Einordnung einer Tat mit schweren Folgen darstellen kann (vgl auch 14 Os 134/97, 11 Os 131/97, 12 Os 23/96, 14 Os 186/93).

Das Vorbringen, bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung seien auch die Bestimmungen des § 43 StGB zu erwägen, übersieht, dass bei Berücksichtigung einer Prognose über die zu erwartende Strafe die Möglichkeit einer bedingten Strafnachsicht - neben der im Grundrechtsbeschwerdeverfahren fehlenden vollständigen Kenntnis allfälliger Tatumstände - weitgehend von einer auf Grund der Aktenlage allein nicht zu beurteilenden Wohlverhaltensprognose abhängt, die nicht zuletzt mit der künftigen Verantwortung des Angeklagten vor dem Tatgericht und dem persönlichen Eindruck im Zusammenhang steht, den er auf das mit der Straffindung befasste Gericht hinterlässt (vgl 13 Os 162/96, 12 Os 146/98). Damit bleibt fallbezogen eine mögliche Anwendung der Bestimmungen über die bedingte Strafnachsicht bei der - vordringlich auf das Strafausmaß abstellenden - Verhältnismäßigkeitsprüfung (unter Einbeziehung der schwergewichtig prognostisch häufig im Ermessensbereich liegenden Gewährung) hypothetisch (11 Os 117/98, 15 Os 110/00, 13 Os 114/00, 13 Os 81/01). Davon, dass die zum Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung insgesamt rund viereinhalb Monate andauernde Untersuchungshaft zur Bedeutung der Sache oder (bei verdachtskonformer Verurteilung) zu der zu erwartenden Strafe außer Verhältnis stünde, kann keine Rede sein.

Sharyar Z***** wurde somit im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt, weshalb seine Beschwerde ohne Kostenausspruch (§ 8 GRBG) abzuweisen war.

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