European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0140OS00096.13V.0812.000
Spruch:
In der Strafsache AZ 34 Hv 90/10d des Landesgerichts Linz verletzen
1./ das Urteil des Landesgerichts Linz vom 14. Oktober 2011 (ON 218) in der Abschöpfung des 3.600 Euro übersteigenden Betrags von 17.480 Euro an unrechtmäßiger Bereicherung §§ 16, 293 Abs 3 [290 Abs 2] StPO iVm § 488 Abs 1 StPO;
2./ das Urteil des Oberlandesgerichts Linz vom 26. November 2012, AZ 10 Bs 104/12h (ON 230 der Hv‑Akten), soweit es den im vorgenannten Urteil des Landesgerichts Linz enthaltenen Ausspruch auf Abschöpfung der unrechtmäßigen Bereicherung unbeanstandet ließ, § 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO [§ 281 Abs 1 Z 11 dritter Fall StPO] iVm § 471 StPO und § 489 Abs 1 StPO.
Der im Urteil des Landesgerichts Linz vom 14. Oktober 2011, GZ 34 Hv 90/10d‑218, enthaltene Ausspruch über die Abschöpfung der Bereicherung in Ansehung des 3.600 Euro übersteigenden Betrags von 17.480 Euro wird ersatzlos aufgehoben.
Mit seinem Antrag auf Erneuerung des Verfahrens gemäß § 363a StPO wird Ing. Mag. Otto G***** insoweit auf die kassatorische Entscheidung verwiesen.
Im Übrigen wird dem Antrag nicht Folge gegeben.
Text
Gründe:
Mit Urteil des Landesgerichts Linz vom 11. September 2007, GZ 34 Hv 81/07a-94, wurde Ing. Mag. Otto G***** des Vergehens der Schlepperei nach § 104 Abs 1 FrG 1997 (erkennbar gemeint: idF BGBl I 2002/134; I/1), der Verbrechen der Schlepperei nach § 114 Abs 2 und Abs 4 erster Fall FPG (idF BGBl I 2005/100; I/2) sowie des Vergehens der Veruntreuung nach § 133 Abs 1 und Abs 2 erster Fall StGB (II) schuldig erkannt.
Danach hat er
I. in L*****, C***** und anderen Orten ‑ teils in der Absicht, sich durch die (zu ergänzen: wiederkehrende) Begehung gleichartiger Schlepperhandlungen gegen ein Entgelt in Höhe von 450 Euro pro geschlepptem Fremden eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen (I/2/a und b) ‑ dadurch, dass er in Moldawien ausreisewillige Männer und Frauen durch vor Ort ansässige Kontaktpersonen zur Verbringung nach Österreich und Italien anwerben, sie bei den Behörden zur Erlangung der erforderlichen Visa und der Reiseorganisation unterstützen und auf der Reise begleiten und betreuen ließ, sowie in seiner Eigenschaft als Obmann des Vereins „E*****“ die für die Visumserteilung erforderlichen Einladungen und Verpflichtungserklärungen zur Verfügung stellte und für die Unterbringung und den Versicherungsschutz der Reiseteilnehmer verantwortlich zeichnete, wobei er es ernstlich für möglich hielt und sich billigend damit abfand, dass die Geschleppten entgegen ihren Angaben gegenüber den österreichischen Behörden nicht beabsichtigten, nach Ablauf ihrer Visa nach Moldawien zurückzukehren,
1.) Ende 2004/Anfang 2005 mit dem Vorsatz, dass dies gegen einen nicht bloß geringen Vermögensvorteil für ihn oder einen Dritten geschieht, die rechtswidrige Einreise von Fremden, nämlich der moldawischen Staatsangehörigen Tatiana S*****, Viktoria A*****, Ana St*****, Valentina F*****, Zinaida C*****, Daria Ci***** und Dmitri Ca*****, nach Österreich und Italien, sohin in Mitgliedstaaten der Europäischen Union und in einen Nachbarstaat Österreichs, gefördert;
2.) mit dem Vorsatz, sich durch ein dafür geleistetes Entgelt unrechtmäßig zu bereichern, im Zusammenwirken unter anderem mit der rechtskräftig verurteilten, vor Ort ansässigen Tatiana Ste***** die rechtswidrige Einreise oder Durchreise nachgenannter Fremder nach Österreich oder durch Österreich nach Italien, sohin in und durch einen Mitgliedstaat der Europäischen Union und in einen Nachbarstaat Österreichs, gefördert, und zwar:
a.) im Februar und März 2006 die Einreise oder Durchreise der moldawischen Staatsangehörigen Andrei B*****, Nina P*****, Maria Po*****, Liliana Sta*****, Ivan Go*****, Alexandra T*****, Elena Sa***** und Nina Ga*****;
b.) von April bis August 2006 die Einreise oder Durchreise der moldawischen Staatsangehörigen Andrei Ch*****, Petru Str*****, Tamara Bi*****, Victor M*****, Elena Cr*****, Domnita Ba*****, Nicolae Bu*****, Ion Pe*****, Zinaida Cre*****, Tamara Bir***** und Lucia Cior*****;
II.) am 17. Jänner 2005 in L***** mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz ein Gut, das ihm anvertraut worden ist und dessen Wert 3.000 Euro übersteigt, nämlich einen Bargeldbetrag in Höhe von 19.308,80 Euro, den ihm Mag. Dr. Wolfgang O***** zur Weiterleitung an die moldawischen Staatsangehörigen Zinovia Cot*****, Elena Bis*****, Natalia Mo*****, Sergiu Cos*****, Raisa Co*****, Vasile D*****, Ivan Go*****, Zinaida Stra*****, Elena Stre*****, Eugenia Br*****, Tatiana V*****, Tatiana R*****, Elena H*****, Ana Tu*****, Emilia Do*****, Veronica So*****, Valentina Cio*****, Elena Bar*****, Liudmila Tur***** und Alexandra Vi*****, welchen mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs vom 17. Dezember 2004, Zlen. 2004/21/0291, 0296‑0315/11, infolge Stattgebung einer Beschwerde gegen die mit 5. November 2004 datierten, der Erteilung von Schengen‑Visa der Kategorie C ablehnenden Bescheide der österreichischen Botschaft in Bukarest ein Aufwandsersatz von jeweils 1.171,20 Euro zugesprochen worden war, übergeben hatte, sich und Tatiana Ste***** zugeeignet, indem er einen ihr nicht als Aufwandsersatz zustehenden und (zu ergänzen: von ihm) auch nicht zur Weiterleitung an die moldawischen Beschwerdeführer bestimmten Teilbetrag von 1.828,80 Euro an Tatiana Ste***** überwies, während er den Restbetrag von 17.480 Euro für eigene Zwecke einbehielt.
Der Genannte wurde hiefür unter Anwendung des § 28 StGB nach § 114 Abs 4 FPG (damals idF BGBl I 2005/100) zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Gemäß § 20 Abs 1 StGB (damals idF BGBl I 2002/134) wurde (US 4 und 119: zu I/2/a) ein Betrag von 3.600 Euro (8 x 450 Euro) an unrechtmäßiger Bereicherung abgeschöpft.
Der dagegen gerichteten ‑ ausschließlich vom Angeklagten erhobenen ‑ Berufung wegen Nichtigkeit, Schuld und Strafe (ON 99 der Hv-Akten) gab das Oberlandesgericht Linz mit Urteil vom 16. Juni 2008, AZ 10 Bs 38/08x (ON 105 der Hv-Akten), teilweise Folge und hob ‑ trotz bereits begonnener Beweisaufnahme in der Berufungsverhandlung (ON 104 der Hv-Akten; vgl dazu RIS-Justiz RS0101736) ‑ das angefochtene Urteil im Schuldspruch I/2/a und b sowie II, im Strafausspruch sowie im Abschöpfungserkenntnis auf und verwies die Sache insofern zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht. Mit seiner Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe verwies es den Angeklagten auf die kassatorische Entscheidung; im Übrigen gab es der Berufung des Angeklagten nicht Folge.
Im zweiten Rechtsgang wurde Ing. Mag. Otto G***** mit Urteil des Landesgerichts Linz vom 14. Oktober 2011 (ON 218 der Hv-Akten; nunmehr AZ 34 Hv 90/10d) wegen der bereits erwähnten Taten (vormals I/2/a und b sowie II) neuerlich schuldig erkannt, und zwar diesmal der (im Februar und März 2006 [nunmehr I/1/a] und von April bis August 2006 [nunmehr I/1/b]) begangenen Verbrechen der Schlepperei nach § 114 Abs 1 und Abs 3 Z 1 FPG sowie des am 17. Jänner 2005 begangenen Vergehens der Veruntreuung nach § 133 Abs 1 und Abs 2 erster Fall StGB (II).
Unter Einbeziehung des bereits im ersten Rechtsgang in Rechtskraft erwachsenen Schuldspruchs wegen des Vergehens der Schlepperei nach § 104 Abs 1 FrG wurde der Genannte nach § 114 Abs 3 FPG (idF BGBl I 2009/122) zu einer Freiheitsstrafe von 14 Monaten verurteilt, wovon ein Strafteil von zehn Monaten nach § 43a Abs 3 StGB unter Bestimmung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachgesehen wurde.
Darüber hinaus sprach das Landesgericht Linz die auf § 20 Abs 1 StGB „idF BGBl 1996/762“ (richtig: BGBl I 2002/134) gegründete Abschöpfung eines Betrags von 21.080 Euro an unrechtmäßiger Bereicherung aus, der sich aus der Summe von 3.600 Euro (zu nunmehr I/1/a [vormals I/2/a]) und 17.480 Euro (zu II) ergibt (US 3 und 88).
Der gegen dieses Urteil erhobenen Berufung des Angeklagten wegen Nichtigkeit, Schuld und Strafe (ON 224) gab das Oberlandesgericht Linz mit Urteil vom 26. November 2012, AZ 10 Bs 104/12h (ON 230 der Hv‑Akten), nicht, jener ‑ zum Nachteil des Angeklagten erstatteten ‑ Berufung der Staatsanwaltschaft hingegen Folge und erhöhte die über den Angeklagten verhängte Freiheitsstrafe auf 16 Monate, wobei es die teilbedingte Strafnachsicht aus dem Urteil ausschied.
Gegen die im ersten Rechtsgang ergangenen Urteile des Landesgerichts Linz vom 11. September 2007 (ON 94) und des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 16. Juni 2008 (ON 105) sowie die im zweiten Rechtsgang ergangenen Urteile des Landesgerichts Linz vom 14. Oktober 2011 (ON 218) und des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 26. November 2012 (ON 230) richtet sich ‑ gestützt auf die Behauptung einer Verletzung in von Art 6, 7 und 14 MRK sowie Art 1 1. ZPMRK garantierten Rechten ‑ der Antrag des Ing. Mag. Otto G***** auf Verfahrenserneuerung gemäß § 363a StPO (RIS‑Justiz RS0122228).
Die von der Generalprokuratur gegen die Urteile des Landesgerichts Linz vom 14. Oktober 2011 (ON 218) und des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 26. November 2012 (ON 230) erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes macht Gesetzesverstöße im Zusammenhang mit dem im zweiten Rechtsgang ergangenen Abschöpfungserkenntnis geltend.
Rechtliche Beurteilung
Zur Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes:
Wie die Generalprokuratur zutreffend aufzeigt, steht der mit Urteil des Landesgerichts Linz (ON 218) im zweiten Rechtsgang getroffene und im Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht (ON 230) ebenso wie in der Berufung des Erneuerungswerbers (ON 224) unbeanstandet gebliebene Ausspruch über die Abschöpfung der Bereicherung mit dem Gesetz nicht im Einklang:
1./ Gemäß §§ 16, 293 Abs 3 [§ 290 Abs 2] StPO iVm § 488 Abs 1 StPO darf der Einzelrichter des Gerichtshofs erster Instanz nach Aufhebung eines Urteils auf Grund eines lediglich zu Gunsten des Angeklagten ergriffenen Rechtsmittels im zweiten Rechtsgang keine strengere Strafe verhängen als das angefochtene Urteil ausgesprochen hatte. Dieses Verschlechterungsverbot im Sanktionenbereich gilt für jede einzelne Unrechtsfolge je für sich (RIS‑Justiz RS0100700 [T8]; Ratz, WK-StPO § 290 Rz 43) und betrifft demnach auch - gemäß § 443 Abs 3 StPO dem Ausspruch über die Strafe gleichgestellte - vermögensrechtliche Anordnungen wie (bis zum Inkrafttreten idF BGBl I 2010/108 mit 1. Jänner 2011) die Abschöpfung der Bereicherung im Sinn des § 20 Abs 1 StGB aF oder (seither) den Verfall nach § 20 StGB idgF (vgl Tischler, SbgK Vorbem zu §§ 20 ‑ 20c und § 26 Rz 28; Ratz, WK-StPO § 290 Rz 50).
Die auf § 20 Abs 1 StGB „idF BGBl 1996/762“ gegründete Abschöpfung eines um 17.480 Euro höheren Betrags (insgesamt 21.080 Euro) an unrechtmäßiger Bereicherung als im ersten Rechtsgang (insgesamt 3.600 Euro) bewirkt somit eine Verletzung des Verschlechterungsverbots zum Nachteil des Angeklagten.
2./ Das im Rechtsmittelverfahren mit der Entscheidung über die Berufungen gegen dieses Urteil befasste Oberlandesgericht Linz hätte diese dem Ausspruch über die Abschöpfung anhaftende Nichtigkeit (§ 281 Abs 1 Z 11 dritter Fall StPO; vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 726) von Amts wegen aufgreifen müssen (§ 489 Abs 1 StPO iVm § 471 StPO und § 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO).
Das für den Verurteilten nachteilige Urteil des Landesgerichts Linz vom 14. Oktober 2011, GZ 34 Hv 90/10d‑218, war somit gemäß § 292 letzter Satz StPO im aus dem Spruch ersichtlichen Umfang ersatzlos aufzuheben.
Zum Erneuerungsantrag des Verurteilten Ing. Mag. Otto G*****:
Mit seinem hinsichtlich des überschießenden Abschöpfungserkenntnisses gestellten Antrag auf Erneuerung des Verfahrens (Punkt II/F) war der Verurteilte auf die kassatorische Entscheidung zu verweisen, weil er durch dessen rechtskräftige und ersatzlose Behebung insoweit - trotz Nichtausschöpfung des Instanzenzugs im ordentlichen Verfahren (vgl ON 224) - beschwerdefrei gestellt ist (vgl RIS‑Justiz RS0126458).
Im Übrigen war dem Erneuerungsantrag des Verurteilten nicht Folge zu geben:
Für den subsidiären Rechtsbehelf eines nicht auf ein Urteil des EGMR gestützten Erneuerungsantrags gelten alle gegenüber dem EGMR normierten Zulässigkeits‑ voraussetzungen der Art 34 und 35 Abs 1 und 2 MRK sinngemäß (RIS‑Justiz RS0122737).
Ein Zulässigkeitskriterium für die Befassung des EGMR durch Erhebung einer Individualbeschwerde ist das Einhalten einer sechsmonatigen Frist nach der endgültigen innerstaatlichen Entscheidung (Art 35 Abs 1 MRK; RIS-Justiz RS0122737 [T4]; zur Maßgeblichkeit der Zustellung als fristauslösendes Ereignis vgl 14 Os 54/14s mwN). In Betracht kommt demnach eine Entscheidung, die letztinstanzlich infolge eines effektiven Rechtsmittels und in Bezug auf den Beschwerdegegenstand ergangen ist (11 Os 7/12g).
Der Oberste Gerichtshof kann überdies erst nach Ausschöpfung des Rechtswegs angerufen werden. Diesem wird entsprochen, wenn von allen effektiven Rechtsbehelfen Gebrauch gemacht wurde (vertikale Erschöpfung) und die geltend gemachte Konventionsverletzung zumindest der Sache nach und in Übereinstimmung mit den innerstaatlichen Verfahrensvorschriften im Instanzenzug vorgebracht wurde (horizontale Erschöpfung; Grabenwarter/Pabel, EMRK5 § 13 Rz 26 und 34).
Demnach hat ‑ weil die Opfereigenschaft nach Art 34 MRK nur dann anzunehmen ist, wenn der Beschwerdeführer substantiiert und schlüssig vorbringt, in einem bestimmten Konventionsrecht verletzt zu sein (Grabenwarter/Pabel, EMRK5 § 13 Rz 16) ‑ auch ein Erneuerungsantrag gemäß § 363a StPO deutlich und bestimmt darzulegen, worin eine (vom angerufenen Obersten Gerichtshof sodann selbst zu beurteilende) Grundrechtsverletzung iSd § 363a Abs 1 StPO zu erblicken sei (RIS‑Justiz RS0122737 [T17]).
Dabei hat sich der Antragsteller mit der als grundrechtswidrig bezeichneten Entscheidung in allen relevanten Punkten auseinanderzusetzen (RIS‑Justiz RS0124359).
I./ Zur behaupteten Verletzung von Art 7 MRK:
1./ Zu I/A: Verfristet ist der Erneuerungsantrag hinsichtlich der behaupteten Grundrechtsverletzung durch den bereits im ersten Rechtsgang mit Urteil des Oberlandesgerichts Linz vom 16. Juni 2008 (ON 105) rechtskräftig gewordenen Schuldspruch nach § 104 Abs 1 FrG 1997 idF BGBl I 2002/134 (I/1 in ON 94). Im Übrigen wurde auch in der im ersten Rechtsgang ergriffenen Berufung (ON 99 und 100) weder die nunmehr reklamierte Beurteilung des Falls im Licht der (von 1. Juni 2006 bis 31. Dezember 2009 in Geltung gewesenen) Bestimmungen des § 114 Abs 1 und 2 FPG idF BGBl I 2005/100 gefordert noch der darauf aufbauende Vorwurf eines Rechtsfehlers mangels Feststellungen zur Wissentlichkeit der Tatbegehung (Abs 1) oder zum Vorsatz auf unrechtmäßige Bereicherung (Abs 2) erhoben. Der Rechtsweg wurde insoweit also gar nicht erst ausgeschöpft (RIS-Justiz RS0127714).
2./ Zu I/B: In Bezug auf den im zweiten Rechtsgang ergangenen Schuldspruch (I/1/a und b [im ersten Rechtsgang I/2/a und b]) wegen (im Februar und März 2006 und von April bis August 2006 begangener) Verbrechen der Schlepperei nach § 114 Abs 1 und Abs 3 Z 1 FPG (idF BGBl I 2009/122) wurde die nunmehr behauptete Verletzung des aus Art 7 MRK garantierten Bestimmtheits- und Klarheitsgebots (Grabenwarter/Pabel, EMRK5 § 24 Rz 141) in der Berufung (ON 224) gegen das Ersturteil vom 14. Oktober 2011 (ON 218) ebensowenig thematisiert wie ein Verstoß gegen das Günstigkeitsprinzip. Die prozessuale Voraussetzung der Ausschöpfung des Rechtswegs ist also auch zu diesen Fragen nicht erfüllt.
3./ Zu I/C: Gegen den im zweiten Rechtsgang gefällten Schuldspruch wegen des Verbrechens der Veruntreuung nach § 133 Abs 1 und 2 erster Fall StGB (II) wendet sich der Beschwerdeführer mit der Behauptung einer Verletzung des Bestimmtheits- und Klarheitsgebots (Art 7 MRK), obwohl er der Sache nach bloß seinen (im Urteil allerdings festgestellten; ON 218 US 27) Vorsatz auf unrechtmäßige Bereicherung bei Einbehaltung des ihm von Rechtsanwalt Dr. O***** ausdrücklich zur Weiterleitung an die im Tenor genannten moldawischen Staatsangehörigen übergebenen Bargeldbetrags sowie auf Zueignung einer ihm „anvertrauten“ (wirtschaftlich fremden) Sache im Sinn dieser Bestimmung bestreitet. Er zeigt solcherart eine ‑ bloß nominell angesprochene (Art 7 MRK), im ordentlichen Rechtsmittel abermals nicht thematisierte (vgl RIS‑Justiz RS0122737 [T13], insbesondere 13 Os 16/09s) ‑ Grundrechtsverletzung nicht deutlich und bestimmt auf (erneut RIS‑Justiz RS0122737 [T17], RS0128393).
II./ Zur behaupteten Verletzung von Art 6 MRK:
Zu II/A: Als Verstoß gegen Art 6 MRK bemängelt der Beschwerdeführer, allerdings ohne konkrete von staatlichen Behörden verursachte Verzögerungen des Verfahrens zu bezeichnen, das Oberlandesgericht Linz habe im Rahmen der Entscheidung über die Berufungen wegen des Ausspruchs über die Strafe die Verfahrensdauer (von insgesamt über sechs Jahren in zwei Rechtsgängen) nicht ausreichend in Rechnung gestellt, indem es in Anerkennung des Milderungsgrundes nach § 34 Abs 2 StGB ausgehend von einer (vom Berufungsgericht) für angemessen erachteten Freiheitsstrafe von 22 Monaten eine Strafreduktion von sechs Monaten (auf 16 Monate) in Anschlag brachte (ON 230 US 14 f). Allerdings hatte er selbst eine unverhältnismäßig lange Dauer des Verfahrens in seiner Berufung gegen das Urteil des Landesgerichts Linz vom l4. Oktober 2011 (ON 218) gar nicht behauptet (ON 224) und im gesamten Verfahren auch nicht von dem gegen unnötige Verfahrensverzögerungen (vgl § 9 Abs 1 StPO) offenstehenden Rechtsbehelf des Fristsetzungsantrags nach § 91 GOG Gebrauch gemacht, demnach den Rechtsweg abermals nicht erschöpft (RIS-Justiz RS0122737).
Im Übrigen können die Sanktionsfrage betreffende Umstände, die wie hier - nach messbarer Berücksichtigung der langen Verfahrensdauer bei der Straffestsetzung - nicht Gegenstand einer Sanktionsrüge (§ 281 Abs 1 Z 11 StPO) sind, sondern ausschließlich in den Bereich der Berufung fallen (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 724), mit dem innerstaatlichen subsidiären Rechtsbehelf eines Erneuerungsantrags ohne vorherige Anrufung des EGMR nicht geltend gemacht werden (RIS-Justiz RS0125371).
Dies gilt ebenso (vgl RIS-Justiz RS0091610) für die auf die Dauer des Verfahrens gestützte Kritik an der Versagung der in der Berufungsschrift (ON 224 S 49) geforderten bedingten Nachsicht des Amtsverlusts als Landesbeamter (§§ 27, 44 Abs 2 StGB iVm § 14 Oö Landesbeamtengesetz), die das Rechtsmittelgericht mit der Ausnützung der politischen und beruflichen Stellung des Beschwerdeführers (als Landtagsabgeordneter) im Rahmen seiner Einladungspraxis zu den Schuldsprüchen wegen Schlepperei und der Notwendigkeit der Festigung des Vertrauens in die Sauberkeit der öffentlichen Verwaltung und ihrer Organe begründete (vgl ON 230 US 15; ON 218 US 5, 15 f, 31, 34 [iVm ON 2 S 27 ff in ON 12], 37, 59, 78).
Zu II/B: Entgegen dem Vorwurf einer Verletzung im Recht auf Urteilsbegründung ist keine offenbar unzureichende, offensichtlich widersprüchliche oder eindeutig irrtümliche Begründung (vgl Peukert in Frowein/Peukert, EMRK-Kommentar3 Art 6 Rz 182 f, 185 f) der Entscheidung des Oberlandesgerichts Linz auszumachen (ON 230 US 6 ff). Entsprechendes wurde (unter dem Aspekt der Rechtswegerschöpfung) auch in der gegen das erstinstanzliche Urteil gerichteten Berufung nicht behauptet.
Zu II/C: Eine Verletzung in seinem Anspruch auf rechtliches Gehör sieht der Beschwerdeführer in dem Umstand, dass das Oberlandesgericht bei seiner Entscheidung eine der (49-seitigen) Berufungsschrift seines Wahlverteidigers (ON 224) als Beilage ./2 angeschlossene, von ihm selbst verfasste (103-seitige) kritische Kommentierung der Feststellungen und Erwägungen des Ersturteils unter Hinweis auf die (gesetzliche) Möglichkeit bloß einmaliger Ausführung der Beschwerdegründe unbeachtet ließ (ON 230 US 6; vgl § 489 Abs 1 StPO iVm § 467 Abs 1 StPO; RIS‑Justiz RS0100175; Ratz, WK-StPO § 285 Rz 6 f, § 294 Rz 5, § 467 Rz 1). Er verabsäumt jedoch klarzumachen, weshalb ihm damit verwehrt gewesen sein soll, seinen Standpunkt in der Berufungsschrift seines Wahlverteidigers angemessen darzulegen (vgl Grabenwarter/Pabel, EMRK5 § 24 Rz 64).
Die Argumentation, ein für die erneute Entscheidung in Sach- und Rechtsfragen zuständiges Rechtsmittelgericht habe die „Aussage“ des Angeklagten „unmittelbar“ zu würdigen, verkennt, dass der Grundsatz des fairen Verfahrens bloß verlangt, dass das Rechtsmittelgericht kein unterinstanzliches Urteil aufhebt und eine „neue“ (originäre) Beweiswürdigung vornimmt, ohne die Betroffenen zu informieren und ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben (vgl Grabenwarter/Pabel, EMRK5 § 24 Rz 65; Peukert in Frowein/Peukert, EMRK-Kommentar3 Art 6 Rz 108 und 161). Dem Angeklagten wurde im Übrigen gerade in der Berufungsverhandlung vom 26. November 2012 gestattet, seinen Standpunkt - zusätzlich zu seinem Verteidiger - auch persönlich darzulegen (ON 229 S 2 f, 9 f).
Zu II/D: Entgegen dem auf Art 6 Abs 3 lit d MRK gestützten Vorwurf wurden Verteidigungsrechte des Erneuerungswerbers nicht dadurch verletzt, dass im zweiten Rechtsgang die Ablehnung der Vernehmung von Diana Pol*****, Liliana Sta*****, Larisa Con*****, Zinaida Cre***** und Oksana Cob***** als Zeugen (ON 204 S 4; ON 103; ON 104 PS 14) vom Berufungsgericht im Rahmen der Erledigung seiner Verfahrensrüge (§ 281 Abs 1 Z 4 StPO iVm § 489 Abs 1 StPO; ON 224 S 2 ff) bereits aus formalen Gründen gebilligt wurde, weil in der nach einem Richterwechsel gemäß § 276a StPO wiederholten Hauptverhandlung vom 9. September 2011 keine deutliche und bestimmte Willenserklärung (vgl Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 310 f) erfolgt sei (vgl dagegen allerdings 14 Os 94/12y). Denn der Erstrichter hatte vor seiner abweisenden Beschlussfassung dargelegt, dass die bisherigen intensiven Bemühungen (auch seiner vor dem Richterwechsel eingeschrittenen Vorgängerin) zur Ladung der genannten (und weiterer) Zeugen aus Moldau (vgl ON 109, 110, 111, 112, 116, 117, 124, 125, 129 [S 117, 119, 133, 135, 137, 149], 130 [S 165, 167, 169], 171, 139, 143 [S 291-297 und 307, 146, 147, 149 [S 325], 152 [PS 25, 29]) und zur Einrichtung einer Videokonferenz im Rechtshilfeweg mit der Republik Moldau (ON 140, 142, 153 PS 3, 164, 165, 166, 168, 169, 175, 177, 181, 185, 186, 187, 188, 189, 190, 191, 193, 194, 195, 196, 198, 201) gescheitert waren (ON 204 S 4). Auf den Versuch einer Befragung der genannten Personen (bloß) im Rechtshilfeweg hatte der Angeklagte über entsprechende Nachfrage des Erstrichters mit Blick auf die fehlende Unmittelbarkeit dieses Beweises und die damit zu erwartenden erheblichen Verfahrensverzögerungen ausdrücklich verzichtet (ON 204 S 4 f).
Bei dieser Ausgangslage wäre es jedoch am Beschwerdeführer gelegen, vor Beschlussfassung in der Hauptverhandlung darzutun, aus welchen Gründen eine Vernehmung der im Ausland wohnhaften Zeugen vor dem erkennenden Gericht in absehbarer Zeit zu erwarten gewesen wäre, obwohl die bisherigen Bemühungen, sie an den bekanntgegebenen Adressen in Moldau (vgl ON 103 S 4 iVm ON 204 S 4 f) zu laden (ON 152 PS 25 und 29), erfolglos geblieben waren (vgl RIS-Justiz RS0099733, RS0099502).
Ein entsprechendes Vorbringen enthielt auch der in der Berufungsverhandlung gestellte und vom Berufungsgericht - nach begründeter Replik des Anklagevertreters (ON 229 S 8 f) - abgewiesene Antrag auf neuerliche Ladung und Vernehmung dieser fünf Personen sowie weiters von Domnita Ba*****, Jekaterina Bi*****, Andrei Ch*****, Lucia Cior*****, Viktor M*****, Ivan Pe***** und Petru Str***** (deren Ladung und Vernehmung der Beschwerdeführer in der Hauptverhandlung selbst nicht beantragt hatte; vgl ON 204 PS 4; ON 217 PS 2), nicht, was jedoch im Hinblick auf die vergeblichen intensiven Bemühungen des Erstgerichts, sämtliche dieser Zeugen im zweiten Rechtsgang zu laden, erforderlich gewesen wäre.
Zu II/E: In seinen Rechten auf Teilnahme an der Hauptverhandlung und auf Befragung von Belastungszeugen sieht sich der Beschwerdeführer deshalb beschränkt, weil er (in beiden Rechtsgängen; ON 89 S 9; ON 128 S 3) für die Zeit der Vernehmung der Zeugin Ste***** über deren aktenkundiges und mit versuchten Einflussnahmen begründetes Ersuchen (ON 79; ON 89 S 8; ON 128 S 2), nicht unmittelbar vor dem Angeklagten aussagen zu müssen, entgegen seinem Antrag bzw Widerspruch (ON 89 S 8; ON 128 S 3) gemäß § 250 Abs 1 StPO aus dem Verhandlungssaal entfernt wurde. Allerdings wurde in der am 9. September 2011 wegen Richterwechsels gemäß § 276a StPO neu durchgeführten Hauptverhandlung (RIS-Justiz RS0117403) seitens der Verteidigung kein Antrag auf Vernehmung dieser Zeugin gestellt, sondern der Verlesung sämtlicher Aussagen derselben zugestimmt (ON 204 S 2 und 6), die sodann am 14. Oktober 2011 erfolgte (ON 217 S 2). Als Verstoß gegen Grundsätze eines fairen Verfahrens im Sinn des Art 6 MRK (vgl § 281 Abs 1 Z 4 StPO iVm § 489 Abs 1 StPO) kann der relevierte Umstand mit Erneuerungsantrag somit schon deshalb nicht geltend gemacht werden, weil sich der Beschwerdeführer mangels Antragstellung in der nach dem Richterwechsel wiederholten und daher allein maßgeblichen Hauptverhandlung der Verfahrensrüge zur Bekämpfung des Ersturteils begeben (und eine solche in seiner Berufung auch nicht erhoben) hat (RIS-Justiz RS0099049).
Ein begründeter, nur vorübergehender Ausschluss des Angeklagten von der mündlichen Verhandlung ist unter dem Aspekt des Art 6 MRK im Übrigen unbedenklich, wenn die Interessenwahrung durch den Verteidiger gesichert ist (vgl Peukert in Frowein/Peukert, EMRK-Kommentar3 Art 6 Rz 160 und 165, 166, 180).
III. Zur behaupteten Verletzung von Art 6 MRK, Art 14 MRK und Art 1 1. ZPMRK:
Im Zusammenhang mit dem mit seiner Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von 16 Monaten gemäß § 27 Abs 1 Z 1 StGB (iVm § 14 Abs 1 Z 6 Oö Landesbeamtengesetz) verbundenen (vom Berufungsgericht nicht bedingt nachgesehenen) Amtsverlust erachtet sich der Beschwerdeführer in seinen Rechten auf Zugang zu einem Gericht, auf Achtung des Eigentums und auf Nichtdiskriminierung verletzt, weil diese Rechtsfolge nicht (wie etwa die Ausschließung vom Wahlrecht) einen einzelfallbezogenen gesonderten Ausspruch eines Gerichts erfordert (vgl § 446a StPO und § 22 NRWO), sondern im Fall der Verurteilung - wie hier - wegen einer Vorsatztat zu einer Freiheitsstrafe von bestimmter Dauer von Gesetzes wegen eintritt.
In seiner Berufung gegen das Ersturteil hat der Beschwerdeführer demgegenüber bloß unter Verweis auf die lange Verfahrensdauer, sein fortgeschrittenes Alter und den drohenden Verlust seiner Pensionsansprüche als Landesbeamter eine bedingte Nachsicht des Amtsverlusts iSd § 27 StGB (iVm § 14 Oö Landesbeamtengesetz) begehrt, die nunmehr behaupteten Konventionsverletzungen jedoch nicht angesprochen (ON 224 S 49), somit einmal mehr von vornherein den Rechtsweg nicht ausgeschöpft (vgl auch RIS‑Justiz RS0122737).
Im Übrigen verabsäumt der Beschwerdeführer klarzumachen, inwiefern der Bestand eines öffentlich‑rechtlichen Dienstverhältnisses vom Schutzbereich des Art 6 MRK erfasst sein soll (vgl Peukert in Frowein/Peukert, EMRK-Kommentar3 Art 6 Rz 17, 25, 40 und 44; Miehsler, IntKomm EMRK Art 6 Rz 150 ff; Vogler aaO Rz 201).
Die in Kritik gezogene Norm (§ 27 StGB iVm § 14 Oö Landesbeamtengesetz) dient insoweit auch einem legitimen Zweck, nämlich dem angemessenen Schutz der Sauberkeit und Vertrauenswürdigkeit der öffentlichen Verwaltung und ihrer Organe (vgl Ratz in WK2 StGB § 27 Rz 2; Jerabek in WK2 StGB § 44 Rz 5). Darüber hinaus ermöglicht das Gesetz (im Gegensatz zu dem im von der Beschwerde zitierten Fall Frodl gegen Österreich [EGMR vom 8. 4. 2010, Bsw 20201/04] konkret anzuwendenden Recht) im Einzelfall unter bestimmten Voraussetzungen eine bedingte Nachsicht der Rechtsfolge des Amtsverlusts (§ 44 Abs 2 StGB) und sieht die in Rede stehende Norm gerade kein unbefristetes Verbot der Beschäftigung im öffentlichen Dienst vor, sondern steht einer allfälligen Wiedereinstellung per se nicht im Wege (vgl Ratz in WK2 StGB § 27 Rz 7; Hochmayr, SbgK § 27 Rz 34; Mayerhofer, StGB6 § 27 Anm 4; Leukauf/Steininger, Komm3 § 27 RN 5).
Weshalb es in diesem Zusammenhang zu Verletzungen der ebenfalls nominell angesprochenen Art 14 MRK und Art 1 1. ZPMRK gekommen sein soll, macht der Antragsteller nicht klar (erneut RIS‑Justiz RS0128393).
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