European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:E132790
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
[1] Soweit im Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerde relevant wurde mit dem angefochtenen Urteil * D* mehrerer Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB (A./I./), mehrerer Verbrechen des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 2 StGB (A./II./1./ bis 7./, 9./ und 10./) und, (gemeint [US 4 f, 18 f und 35]:) teils in der Entwicklungsstufe des Versuchs (§ 15 StGB) verblieben (A./II./8./ und 11./ bis 13./), der Vergehen der pornografischen Darstellungen Minderjähriger (gemeint [US 5, 8, 16 f, 31 und 35]:) nach §§ 12 zweiter Fall, 207a Abs 1 Z 1 StGB (A./III./ iVm A./II./1./ bis 7./, 9./ und 10./), teils in der Entwicklungsstufe des Versuchs (§ 15 StGB) verblieben (A./III./ iVm A./II./8./ und 11./ bis 13./), sowie nach § 207a Abs 3 „erster und zweiter Fall“ (A./III./ iVm A./II./1./ bis 7./, 9./ und 10./), teils in der Entwicklungsstufe des Versuchs (§ 15 StGB) verblieben (A./III./ iVm A./II./8./ und 11./ bis 13./), der Vergehen des sexuellen Missbrauchs von Jugendlichen nach § 207b Abs 3 StGB (A./IV./), des Verbrechens der fortgesetzten Gewaltausübung nach § 107b Abs 1, Abs 3, Abs 3a Z 3 StGB (B./I./), des Vergehens des Betrugs nach § 146 StGB (B./II./) sowie des Vergehens der falschen Beweisaussage nach § 12 (gemeint [US 7 und 25]:) zweiter Fall, 288 Abs 1 und 4 StGB (B./III./) schuldig erkannt und nach § 206 Abs 1 StGB unter Anwendung des § 39 Abs 1a StGB zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. Zugleich wurde er gemäß § 21 Abs 2 StGB in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen.
[2] Danach hat er in A*
A./I./1./ bis 4./ von 2014 bis Februar 2020 in insgesamt neun Angriffen mit den im Schuldspruch genannten vier unmündigen Personen jeweils dem Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlungen vorgenommen, indem er (unter anderem) diese jeweils oral befriedigte;
A./II./ unmündige Personen dazu verleitet, eine geschlechtliche Handlung an sich selbst vorzunehmen, um sich oder einen Dritten geschlechtlich zu erregen oder zu befriedigen, indem er
1./ zwischen 2014 und 2015 den am * geborenen * B* aufforderte, Fotos von geschlechtlichen Handlungen an sich selbst anzufertigen und zu übermitteln, wobei dieser der Aufforderung nachkam und „20 Bilddateien zeigend geschlechtliche Handlungen des B* an sich selbst“ (US 17) übersendete;
2./ zwischen 2018 und 2019 den am * geborenen * Da* aufforderte, Fotos und Videos von geschlechtlichen Handlungen an sich selbst anzufertigen und zu übermitteln, wobei dieser der Aufforderung nachkam und „zehn Bilddateien seines erigierten Penis“ sowie zwei Videodateien übersendete, „in welchen zu sehen ist, wie sich Da* selbst befriedigt“(US 17);
3./ zwischen Ende 2019 und Februar 2020 den am * geborenen * P* aufforderte, Fotos und Videos von geschlechtlichen Handlungen an sich selbst anzufertigen und zu übermitteln, wobei dieser der Aufforderung nachkam und „15 Bilder seines erigierten Penis“ und fünf Videos übersendete, „in welchen zu sehen ist, wie sich P* selbst befriedigt“ (US 17);
4./ am 23. Oktober 2019 den am * geborenen * G* aufforderte, Fotos und Videos von geschlechtlichen Handlungen an sich selbst anzufertigen und zu übermitteln, wobei dieser der Aufforderung nachkam und „vier Fotos seines erigierten Penis“sowie drei Videos übersendete, „in welchen zu sehen ist, wie sich G* selbst befriedigt“ (US 17);
5./ zwischen 20. April und 12. Mai 2020 den am * geborenen * Gr* aufforderte, Fotos und Videos von geschlechtlichen Handlungen an sich selbst und von seinem erigierten Penis anzufertigen und zu übermitteln, wobei dieser der Aufforderung nachkam und mehrere „Fotos und Videos von geschlechtlichen Handlungen an sich selbst und von seinem erigierten Penis“ (US18) übersendete;
6./ zwischen Sommer 2019 und Mai 2020 den am * geborenen * Bi* aufforderte, Fotos und Videos von geschlechtlichen Handlungen an sich selbst und von seinem erigierten Penis anzufertigen und zu übermitteln, wobei dieser der Aufforderung nachkam und „zwei Bilddateien seines Penis“ und eine Videodatei übersendete, „in welcher Bi* zu sehen ist, wie er sich selbst befriedigt“ (US 18);
7./ zwischen Jänner und Februar 2020 den am * geborenen * W* aufforderte, Fotos und Videos von geschlechtlichen Handlungen an sich selbst und von seinem erigierten Penis anzufertigen und zu übermitteln, wobei dieser der Aufforderung nachkam und „mehrere solcher Bild- und Videodateien“ (US 18) übersendete;
8./ Anfang 2020 den am * geborenen * H* aufforderte, Fotos und Videos von geschlechtlichen Handlungen an sich selbst und von seinem erigierten Penis anzufertigen und zu übermitteln, wobei dieser der Aufforderung nicht nachkam und es daher beim Versuch blieb;
9./ im Herbst 2019 den am * geborenen * R* aufforderte, „Fotos seines erigierten Penis oder Videos, in welchen sich dieser selbst befriedigt, zu übermitteln“, wobei R* dieser Aufforderung nachkam und „mehrere solcher Bild- und Videodateien“ (US 18) übersendete;
10./ zwischen 2019 und Anfang 2020 den am * geborenen * S* aufforderte, Fotos und Videos von geschlechtlichen Handlungen an sich selbst und von seinem erigierten Penis anzufertigen und zu übermitteln, wobei dieser der Aufforderung nachkam und „ein Bild seines Penis“ (US 19) übersendete;
11./ zwischen Ende 2019 und Anfang 2020 den am * geborenen * Pl* aufforderte, Fotos und Videos von geschlechtlichen Handlungen an sich selbst und von seinem erigierten Penis anzufertigen, wobei er ihm „Bilder seines Penis sowie Videos seiner Selbstbefriedigung übermittelte“ und Pl* immer wieder „ersuchte, ebenfalls derartige Bilder und Videos zu übermitteln“ (US 19), dieser jedoch den Aufforderungen nicht nachkam und es daher beim Versuch blieb;
12./ zwischen Ende 2019 und Anfang 2020 den am * geborenen * A* aufforderte, Fotos und Videos von geschlechtlichen Handlungen an sich selbst und von seinem erigierten Penis anzufertigen und zu übermitteln, wobei dieser der Aufforderung nicht nachkam und es daher beim Versuch blieb;
13./ zwischen Ende 2019 und Anfang 2020 den am * geborenen * Ro* aufforderte, Fotos und Videos von geschlechtlichen Handlungen an sich selbst und von seinem erigierten Penis anzufertigen und zu übermitteln, wobei dieser der Aufforderung nicht nachkam und es daher beim Versuch blieb;
A./III./ durch die zu II./1./ bis 13./ angeführten Taten wirklichkeitsnahe Abbildungen einer geschlechtlichen Handlung einer unmündigen Person an sich selbst, sohin pornographische Darstellungen minderjähriger Personen besessen und die zu II./1./ bis 13./ Genannten dazu bestimmt, derartige Darstellungen herzustellen;
A./IV./1./ bis 9./ von 2016 bis Mai 2020 die im Urteil genannten neun Personen, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hatten, jeweils unmittelbar durch ein Entgelt, nämlich gegen Bezahlung teils nicht festgestellter, teils zwischen 50 und 150 Euro liegender Geldbeträge oder gegen Übergabe von Zigaretten, in zahlreichen Angriffen dazu verleitet, Oralverkehr und teilweise auch Handverkehr an sich vornehmen zu lassen sowie zum Teil auch Oral- und Handverkehr an ihm vorzunehmen;
B./ zwischen Sommer 2019 und April 2020 im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit * T*
I./ gegen * Z* eine längere Zeit hindurch fortgesetzt Gewalt ausgeübt, wobei sie durch die Tat eine umfassende Kontrolle des Verhaltens des Genannten herstellten und eine erhebliche Einschränkung der autonomen Lebensführung desselben bewirkten sowie (gemeint [US 7, 23 und 33]:) im Rahmen der fortgesetzten Gewaltausübung nach § 107b Abs 3 StGB wiederholt Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung und Integrität begingen, indem sie über den gesamten Zeitraum
1./ ihm zumindest zwei bis vier Mal pro Woche Schläge mit der flachen Hand und mit der Faust gegen den Oberkörper und gegen die Beine versetzten, wodurch er Hämatome am Oberkörper und an den Beinen erlitt;
2./ ihn zumindest drei bis vier Mal zwangen, sich bis auf die Unterhose auszuziehen, ihm mit Kabelbindern die Hände am Rücken sowie die Füße fesselten, ihn mit der Faust, mit einem Kochlöffel, mit einem Schuhlöffel und mit einer Fliegenklatsche am gesamten Körper schlugen, dabei auslachten und ihn als „Hurensohn“ und „Arschloch“ beschimpften, wodurch dieser Schmerzen am gesamten Körper erlitt;
3./ in mehreren Angriffen mit dem Ellbogen voran mit dem ganzen Körper auf den auf einer Couch liegenden Genannten sprangen, wodurch dieser Hämatome am Oberkörper erlitt;
4./ ihn durch Drohungen mit körperlichen Misshandlungen dazu nötigten,
a./ zumindest acht oder neun Mal deren Urin aus einer Flasche zu trinken, in die sie kurz davor uriniert hatten;
b./ im Winter 2019/2020 jeweils bei Temperaturen knapp über dem Gefrierpunkt ein Mal in den Y* und ein anderes Mal in die E* zu springen und dort zu schwimmen;
c./ davon Abstand zu nehmen, jemandem von den Misshandlungen zu erzählen oder Anzeige zu erstatten;
5./ ihn durch Drohung mit Schlägen dazu nötigten, D* vor den Augen des T* oral zu befriedigen;
6./ ihn zumindest drei Mal nach vorheriger Einschüchterung durch die Tathandlungen zu 5./ zur Duldung der oralen Befriedigung durch D* vor den Augen des T* veranlassten;
7./ ihn aufforderten, sich regelmäßig telefonisch zu melden und bei Zuwiderhandeln diesem mit dem Auto auflauerten und ihn nötigten, einzusteigen und mitzufahren und ihn in der Folge durch das Versetzen von Schlägen „bestraften“;
II./ Z* mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten des Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, durch Täuschung über Tatsachen zur Überweisung von Geldbeträgen verleitet, nämlich
1./ in zwei Teilbeträgen insgesamt 500 Euro an D* als „Schutzgeld“, unter Vorgabe, dass dieser „auf ihn aufpassen werde, falls ihm jemand etwas antun wollte“;
2./ in mehreren Teilbeträgen insgesamt 1.300 Euro an T* als Darlehen unter Vorgabe der Rückzahlungsfähigkeit und -willigkeit;
III./ im Jänner 2020 Z* zur Falschaussage als Zeuge bei seiner förmlichen Vernehmung vor der Polizei bestimmt, indem er nach Anzeigeerstattung durch dessen Tante seine „blauen Flecken“ damit erklären sollte, dass er auf einer Parkbank schlafend von einem Unbekannten geschlagen worden sei.
Rechtliche Beurteilung
[3] Der dagegen erhobenen, auf § 281 Abs 1 Z 4 und 11 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten D* kommt keine Berechtigung zu.
[4] Entgegen der Verfahrensrüge (Z 4) wurden durch die Abweisung (ON 67 S 17) des in der Hauptverhandlung gestellten Antrags (ON 67 S 16) auf Einholung eines „Obergutachtens“, das „sagt, was wirklich Sache ist“, weil „zwei Sachverständige auf Basis der gleichen Krankengeschichte unterschiedliche Schlussfolgerungen ziehen“, Verteidigungsrechte des Angeklagten nicht verletzt. Zunächst ließ der Antrag schon ein konkretes Beweisthema vermissen (RIS‑Justiz RS0099301, RS0099219). Darüber hinaus wurde Dr. J* im gegenständlichen Verfahren gar nicht als Sachverständiger bestellt, sondern stammt sein Gutachten aus einem früheren Strafverfahren gegen den Beschwerdeführer. Abweichungen in den Befunden oder Schlussfolgerungen iSd § 127 Abs 3 erster Satz vierter Fall StPO stehen daher gar nicht in Rede. Ein Antrag auf Einholung eines weiteren Gutachtens wäre gegenständlich nur aussichtsreich gewesen, wenn ein Mangel iSd § 127 Abs 3 erster Satz erster bis dritter Fall StPO im Befund oder Gutachten (vgl dazu RIS‑Justiz RS0127941; Hinterhofer, WK‑StPO § 127 Rz 35 ff) des beigezogenen Sachverständigen Prim. Dr. Br* unter substanziierter Auseinandersetzung mit den von diesem vorgenommenen Modifikationen und Ergänzungen schlüssig aufgezeigt worden wäre (RIS‑Justiz RS0117263; Hinterhofer, WK‑StPO § 127 Rz 30 ff). Da solche Mängel im Beweisantrag nicht fundiert dargelegt wurden, lief das Begehren im Ergebnis auf eine im Hauptverfahren nicht vorgesehene Erkundungsbeweisführung hinaus (vgl RIS‑Justiz RS0117263 [T2, T10, T17]).
[5] Die zur Antragsfundierung im Rechtsmittel nachgetragenen Ausführungen unterliegen dem sich aus dem Wesen des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes ergebenden Neuerungsverbot und sind daher unbeachtlich (RIS-Justiz RS0099618).
[6] Die Sanktionsrüge (Z 11 zweiter Fall) behauptet, die erschwerende Wertung zweier einschlägiger Vorstrafen sowie des raschen Rückfalls (US 35) verstoße aufgrund der Anwendung des § 39 Abs 1a StGB gegen das Doppelverwertungsverbot. Sie übersieht, dass sich das in § 32 Abs 2 erster Satz StGB enthaltene Gebot, Erschwerungs- und Milderungsgründe nur soweit bei der Bemessung der Strafe zu berücksichtigen („gegeneinander abzuwägen“), als sie „nicht schon die Strafdrohung bestimmen“, nur auf subsumtionsrelevante Umstände bezieht (RIS-Justiz RS0130193; mit eingehender Begründung Ratz, WK-StPO § 281 Rz 668/4 und 711; vgl auch 11 Os 87/10v = EvBl‑LS 2011/8, 43; RIS‑Justiz RS0091003, RS0090977). Da § 39 StGB idF BGBl I 2019/105 aber eine reine – den Strafsatz nicht bestimmende – Strafrahmenvorschrift ist (13 Os 39/21s; vgl auch 13 Os 28/20x, 15 Os 8/21x; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 666), begründet die Heranziehung der einschlägigen Vorstrafen (wobei die Verurteilung des Landesgerichts St. Pölten vom 10. Dezember 2015 zu AZ 9 Hv 129/15a im Übrigen mehrere der in § 39 Abs 1a StGB angeführten strafbaren Handlungen umfasste [US 11]) sowie des raschen Rückfalls (die letzte Verurteilung [wegen des sexuellen Missbrauchs von Jugendlichen nach §§ 15, 207b Abs 3 StGB] erfolgte am 24. Juli 2018 [US 14]) als aggravierend keine Nichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 11 zweiter Fall StPO (11 Os 73/21a; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 714; RIS‑Justiz RS0091527; gegenteilig 12 Os 134/18z [mit ablehnender Glosse von Ratz, EvBl‑LS 2019/64, 375], 12 Os 131/13a; 12 Os 33/19y; vgl auch RIS‑Justiz RS0091438).
[7] Kritik an der Gewichtung herangezogener Strafbemessungsgründe ist wiederum im Rahmen der Berufung vorzubringen (RIS‑Justiz RS0099892 [T3], RS0099954).
[8] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits in nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde folgt (§§ 285i, 498 Abs 3 letzter Satz StPO).
[9] Mit Blick auf § 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO wird folgendes angemerkt:
[10] Bezugspunkt des § 207 Abs 2 StGB ist eine „geschlechtliche Handlung“. Dieser Begriff umfasst jede nach ihrem äußeren Erscheinungsbild sexualbezogene Handlung, die sowohl nach ihrer Bedeutung als auch nach ihrer Intensität und Dauer von einiger Erheblichkeit ist. Im Fall geschlechtlicher Handlungen einer unmündigen Person an sich selbst schließt der Begriff jedenfalls Handlungen ein, bei denen zur Geschlechtssphäre gehörige Körperpartien derselben durch die unmündige Person nicht bloß flüchtig sexualbezogen (etwa zur Selbstbefriedigung) berührt werden. Bei Übermittlung einer Abbildung eines entblößten Genitals ohne sexualbezogene (hier:) Selbstberührung liegt hingegen keine geschlechtliche Handlung vor (vgl zum Ganzen RIS‑Justiz RS0078135 [T1, T4 und T7], RS0095733 [T4, T5]; Philipp in WK² StGB § 202 Rz 9 ff [iVm § 207 Rz 7 ff]; Hinterhofer, SbgK § 207 Rz 21).
[11] Gegenständlich lässt das Urteil hinreichend deutlich erkennen (vgl US 17 ff [wonach die Unmündigen der Aufforderung des Angeklagten – teils explizit zur Anfertigung von Bildmaterial zur Masturbation – teilweise nachkamen und Bilder sowie Videos ihrer Selbstbefriedigung übermittelten] sowie US 30 [„Aufforderung zur Selbstbefriedigung“, „Manipulation an ihrem Geschlechtsteil“]), dass die Tatrichter zu A./II./ mit der an Unmündige gerichteten Aufforderung, Fotos und/oder Videos „von geschlechtlichen Handlungen an sich selbst“ anzufertigen und zu übermitteln, (jedenfalls auch) die Aufforderung zur Selbstbefriedigung durch Manipulationen an deren Geschlechtsteil feststellen wollten (RIS‑Justiz RS0117228; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 19). Damit weisen die lediglich am Rechtsbegriff der „geschlechtlichen Handlung“ orientierten Konstatierungen zur subjektiven Tatseite, wonach der Angeklagte die Opfer jeweils dazu verleiten wollte, „eine geschlechtliche Handlung an sich selbst vorzunehmen“ (US 19), (auch) in Betreff des Schuldspruchs zu A./II./1./, 5./, 7./, 8./, 10./ 12./ und 13./ einen ausreichenden Sachverhaltsbezug (vgl dazu RIS‑Justiz RS0119090; 14 Os 147/18a) auf.
[12] Da nach den Feststellungen zu A./II./10./ das Opfer lediglich ein Bild seines Penis übermittelte (US 19) und Feststellungen dazu, dass sich der Unmündige durch die Aufforderung des Angeklagten zu (konkret umschriebenen) geschlechtlichen Handlungen verleiten ließ, fehlen, liegt zu diesem Faktum bloß Versuch vor.
[13] Das zum Begriff geschlechtliche Handlung Gesagte gilt auch für das Schuldspruchfaktum A./III./, sodass auch hier die Feststellungen zur inneren Tatseite, wonach der Angeklagte „wusste und wollte, dass er durch die zu A./II./ beschriebenen Tathandlungen wirklichkeitsnahe Abbildungen einer geschlechtlichen Handlung einer unmündigen Person an sich selbst besaß“ und die zu A./II./ genannten Personen dazu bestimmen wollte, „pornographische Darstellungen herzustellen“ (US 19), einen ausreichenden Sachverhaltsbezug herstellen.
[14] Im Übrigen sindauch wirklichkeitsnahe Abbildungen der Genitalien oder der Schamgegend Minderjähriger als pornografische Darstellung derselben erfasst, soweit es sich um reißerisch verzerrte, auf sich selbst reduzierte und von anderen Lebensäußerungen losgelöste Abbildungen handelt, die der sexuellen Erregung des Betrachters dienen (§ 207a Abs 4 Z 3 lit b StGB). Da die jeweils festgestellte (US 17 ff) – und ersichtlich vom Vorsatz umfasste (US 19) – Aufforderung des Angeklagten auch die Herstellung und Übersendung von Bildern oder Videos jeweils vom erigierten Penis des Unmündigen umfasste, ist der Tatbestand einerseits des § 207a Abs 1 Z 1 StGB andererseits des § 207a Abs 3 zweiter Satz StGB (zu A./III./ iVm A./II./8./, 11./ bis 13./ im Stadium des Versuchs) schon aus diesem Grund verwirklicht.
[15] Jedoch hat das Erstgericht die (teils versuchte) Verschaffung und den Besitz pornografischer Darstellungen verfehlt sowohl dem ersten als auch dem zweiten Satz (im Urteil als „Fall“ bezeichnet) des § 207a Abs 3 StGB subsumiert (vgl US 8 iVm US 31), obwohl ausschließlich Darstellungen unmündiger Personen in Rede standen und letztere strafbare Handlung erstere als lex specialis verdrängt. Anlass für eine amtswegige Maßnahme nach § 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO besteht gegenständlich nicht, weil sich der Subsumtionsfehler bei der Strafrahmenbildung (nach § 206 Abs 1 StGB) nicht ausgewirkt hat und die verfehlte Mehrfachqualifikation nicht erschwerend gewertet wurde.
[16] Das Oberlandesgericht ist im Rahmen des Berufungsverfahrens an die fehlerhafte Subsumtion nicht gebunden (RIS‑Justiz RS0118870).
[17] Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)