European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0120OS00134.18Z.1206.000
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.
Dem Angeklagten Shqiperim G***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil, das auch einen unbekämpft gebliebenen Schuldspruch sowie einen Freispruch des Mitangeklagten Aleksandar S***** enthält, wurde Shqiperim G***** des Verbrechens der schweren Körperverletzung nach §§ 15 Abs 1, 84 Abs 4 und Abs 5 Z 2 StGB (I./1./), des Vergehens des Hausfriedensbruchs nach §§ 15 Abs 1, 109 Abs 3 Z 1 bis Z 3 StGB (I./2./), des Verbrechens der schweren Nötigung nach §§ 15 Abs 1, 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 (erster Fall) StGB (II./1./), des Vergehens der Sachbeschädigung nach § 125 StGB (II./2./) sowie des Verbrechens der vorsätzlichen Gemeingefährdung nach § 176 Abs 1 StGB (II./3./) schuldig erkannt.
Danach hat er am 10. Dezember 2017 in W*****
I./ gemeinsam mit Aleksandar S***** und den abgesondert verfolgten Aleksandar N***** und Uros M*****
1./ in einem Angriff mehrerer Zeco Ma***** und Arif I***** am Körper zu verletzen versucht, indem Aleksandar S***** und Uros M***** jeweils Abgrenzungsständer auf sie warfen, wobei sich Shqiperim G***** mit vorgehaltener Faustfeuerwaffe und Aleksandar N***** zum Eingreifen in die tätliche Auseinandersetzung bereit hielten und sie es ernsthaft für möglich hielten und (sich) damit abfanden, Zeco Ma***** und Arif I***** jeweils eine an sich schwere Körperverletzung zuzufügen;
2./ durch die unter I./1./ beschriebene Tat sich mit Gewalt den Eintritt in das Lokal „Sp*****“ und demnach in einen geschlossenen Raum, der zur Ausübung eines Gewerbes dient, in der Absicht, gegen eine dort befindliche Person oder Sache Gewalt zu üben, den Eintritt mehrerer Personen unter Verwendung einer Waffe [um den Widerstand einer Person zu überwinden; US 6] zu erzwingen versucht;
II./
1./ im Zuge der unter I./ beschriebenen Tat zumindest Zeco Ma***** und Arif I***** durch Vorhalt einer Schreckschusspistole Walter P22, Kaliber 9 mm, und Abgabe von Schüssen aus derselben mit dem Erschießen und demnach durch Drohung mit dem Tod zu einer Handlung, nämlich den Zutritt in das Lokal „Sp*****“ freizugeben, zu nötigen versucht;
2./ im Anschluss an die unter I./ beschriebene Tat gemeinsam mit dem abgesondert verfolgten Uros M***** und zwei weiteren bislang unbekannten Mittätern durch Einschlagen der Glasscheiben der Eingangstür zum Lokal „Sp*****“ mit einem Abgrenzungsständer eine fremde Sache beschädigt;
3./ im Anschluss an die unter II./2./ beschriebene Tat durch Abgabe mehrerer Schüsse aus der Schreckschusspistole in das Innere des Lokals und die dadurch ausgelöste Panik unter den ca 100 Lokalbesuchern, welche versuchten, aus dem Lokal zu flüchten, anders als durch eine der in den §§ 169, 171 und 173 StGB mit Strafe bedrohte Handlungen ein Gefahr für Leib oder Leben (§ 89 StGB) einer größeren Zahl von Menschen herbeigeführt, wobei Manuela D***** und Denis K***** tatsächlich Schnittverletzungen erlitten.
Rechtliche Beurteilung
Inhaltlich nur gegen den Schuldspruch II./3./ richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Shqiperim G*****, der keine Berechtigung zukommt:
Dem Einwand offenbar unzureichender Begründung (Z 5 vierter Fall) zuwider ist der vom Erstgericht vorgenommene Schluss aus äußeren Umständen – vorliegend aus dem Abgeben von mehreren Schüssen in ein von ca 100 Lokalgästen besuchtes, dem Angeklagten von den räumlichen Verhältnissen her bekanntes Nachtlokal – auf dessen innere Intention, es dabei ernsthaft für möglich gehalten und sich damit abgefunden zu haben, eine Massenpanik und solcherart eine Gefahr für Leib oder Leben einer größeren Zahl von Menschen herbeizuführen (US 8 und 14 f), keineswegs unstatthaft (RIS-Justiz RS0098671, RS0116882).
Die Kritik, das Erstgericht habe die (ohne Fundstellenbezeichnung ins Treffen geführte [RIS-Justiz RS0124172]) Verantwortung des Nichtigkeitswerbers „nicht verwertet“ (Z 5 zweiter Fall), wonach er „nur die Türsteher einschüchtern und erreichen“ wollte, dass „die Freunde herauskommen“, bzw er „aus Angst vor den mit Stehern auf ihn zielenden Personen“ und überdies „nur in den Vorraum der Diskothek schoss, wo sich aber kein Mensch befunden hat“, übersieht, dass die Tatrichter die Einlassung des Nichtigkeitswerbers durchaus einer Würdigung unterzogen, jedoch als Schutzbehauptung einstuften (US 10 ff, 15). Dass aus Beschwerdesicht auch andere, für den Angeklagten günstigere Schlüsse aus den Verfahrensresultaten denkbar gewesen wären, bildet kein Begründungsdefizit (RIS-Justiz RS0098362, RS0116732 [T3, T6]; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 449 ff).
Zu den Schuldsprüchen I./1./, I./2./, II./1./ und II./2./ wurde – trotz des das gesamte Urteil umfassenden Aufhebungsantrags – kein Vorbringen erstattet, weshalb die Beschwerde in diesem Umfang zurückzuweisen war (§§ 285 Abs 1, 285a Z 2 StPO).
Nicht nachvollziehbar ist der weitere (gemäß § 288a StPO formulierte) Rechtsmittelantrag, „die Hauptverhandlung zu vernichten und die Sache zur nochmaligen Verhandlung an das zuständige Gericht erster Instanz zu verweisen“; kann vorliegend doch der Nichtigkeitsgrund des § 281a StPO, auf den das Vorgehen gemäß § 288a StPO abstellt, schon mangels Anrufung des Oberlandesgerichts nicht verwirklicht worden sein.
Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Shqiperim G***** war daher in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Erledigung der Berufung und der implizierten Beschwerde folgt (§§ 285i, 498 Abs 3 StPO).
Dabei wäre dem – von der Nichtigkeitsbeschwerde nicht gerügten – Umstand Rechnung zu tragen (RIS-Justiz RS0122140), dass die vom Schöffengericht vorgenommene erschwerende Gewichtung von „fünf einschlägigen Vorstrafen (§ 33 Abs 1 Z 2 StGB), welche durch das Vorliegen der Voraussetzungen der Strafschärfung bei Rückfall aggraviert werden“ (US 18), eine dem Angeklagten zum Nachteil gereichende unrichtige Gesetzesanwendung (§ 281 Abs 1 Z 11 zweiter Fall StPO) zufolge Doppelverwertung (§ 32 Abs 2 erster Satz StGB) der für die Anwendung des § 39 StGB erforderlichen letzten beiden einschlägigen Vorstrafen (vgl US 5) begründet, weil bei der Ausmessung der Strafe ausdrücklich von einem „nach § 176 Abs 1 StGB in Verbindung mit § 39 StGB zu bildenden Strafrahmen von 15 Jahren“ (US 18) ausgegangen wurde (RIS-Justiz RS0091438 [T9]; zuletzt: 12 Os 131/13a).
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)