European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0110OS00073.21A.0727.000
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.
Aus deren Anlass wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Konfiskationserkenntnis in Ansehung aller Angeklagter aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht für Strafsachen Graz verwiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerden werden die Akten vorerst dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.
Den Angeklagten Yanko Z***** und Kain Z***** fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
[1] Mit den angefochtenen, auch unbekämpft in Rechtskraft erwachsenen Schuldsprüchen der Angeklagten Sergey I***** und Sergey T***** enthaltenden Urteil wurden – soweit für das Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerden relevant – Yanko Z***** und Kain Z***** je des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs 1 StGB (I./), der Zweitgenannte darüber hinaus des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB (II./) und des Vergehens des schweren gewerbsmäßigen Betruges nach §§ 146, 147 Abs 2, 148 erster Fall, 15 StGB (III./) schuldig erkannt.
Rechtliche Beurteilung
[2] Der Angeklagte Yanko Z***** hat zwar rechtzeitig Nichtigkeitsbeschwerde angemeldet (ON 263), deren (schriftliche) Ausführung jedoch unterlassen, ohne dieses Rechtsmittel ausdrücklich zurückzuziehen (ON 298). Mangels – auch bei der Anmeldung unterbliebener – deutlicher und bestimmter Bezeichnung eines in § 281 Abs 1 Z 1 bis 11 StPO angegebenen Nichtigkeitsgrundes war die Nichtigkeitsbeschwerde daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 Z 1 iVm § 285a Z 2 StPO).
[3] Die demgegenüber rechtzeitig angemeldete und ausgeführte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Kain Z***** stützt sich auf § 281 Abs 1 Z 11 StPO.
[4] Die Sanktionsrüge (Z 11 erster Fall) zeigt an sich zutreffend auf, dass die Rückfallsvoraussetzungen nach § 39 Abs 1 StGB auf Basis der festgestellten Vorstrafen (US 6 und 10 iVm ON 240) des Beschwerdeführers nicht vorliegen (vgl aber US 24 f), legt jedoch nicht dar, weshalb das Erstgericht– mit Blick auf die mit den Urteilen des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom 5. April 2017, AZ 222 Hv 23/17w, und vom 8. Februar 2019, AZ 182 Hv 40/17a, bereits zweimal wegen vorsätzlicher strafbarer Handlungen gegen Leib und Leben sowie gegen die Freiheit erfolgten Verurteilungen des Angeklagten zu (teils bedingt nachgesehenen; vgl Leukauf/Steininger/Tipold, StGB Update 2020 § 39 Rz 9c) Freiheitsstrafen (US 6) und die zu Schuldspruch I./ gegenständliche Anlasstat – im Ergebnis zu Unrecht von einem Strafrahmen von einem bis zu 15 Jahren Freiheitsstrafe ausgegangen wäre (§ 39 Abs 1a StGB; vgl dazu Flora in WK2 StGB § 39 Rz 29/1 ff).
[5] Bleibt der Vollständigkeit halber anzumerken, dass § 39 StGB idF BGBl I 2019/105 eine (reine, den Strafsatz nicht bestimmende) Strafrahmenvorschrift ist (Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 668; vgl auch 11 Os 87/10v, 13 Os 28/20x, 15 Os 8/21x, 11 Os 26/21i, 13 Os 39/21s) und § 32 Abs 2 erster Satz StGB kein Verbot von Doppelverwertung im Verhältnis einer solchen gegenüber den Vorschriften der Strafbemessung normiert (RIS‑Justiz RS0130193; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 668/4 mwN). Die erschwerende Wertung von allen als einschlägig erachteten Vorstrafen des Angeklagten (US 25) begründet daher keine Nichtigkeit gemäß § 281 Abs 1 Z 11 zweiter Fall StPO (RIS‑Justiz RS0091527; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 714 gegenteilig 12 Os 134/18z mit ablehnender Glosse von Ratz, EvBl‑LS 2019/64, 375).
[6] Die Nichtigkeitsbeschwerde auch des Kain Z***** war demgemäß in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen, woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Erledigung der Berufungen und der Beschwerden folgt (§§ 285i, 498 Abs 3 StPO).
[7] Aus deren Anlass überzeugte sich der Oberste Gerichtshof jedoch, dass das angefochtene Urteil in Bezug auf die Konfiskation nicht geltend gemachte Nichtigkeit zum Nachteil der Angeklagten aufweist, die von Amts wegen aufzugreifen war (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO).
[8] Das Erstgericht verfügte gemäß § 19a Abs 1 StGB die Konfiskation der „im Eigentum der Angeklagten stehenden und von diesen zur Begehung ihrer Straftat begangenen, sichergestellten Gegenstände“ (US 4 und 25 f). Es sprach solcherart nicht aus, welcher der Angeklagten welche konkreten, in seinem Eigentum stehenden Gegenstände zur Begehung auch nur einer der konstatierten Taten verwendet hat, noch – dem Gebot, das Erkenntnis (§ 260 Abs 1 Z 3 StPO) so klar und bestimmt zu fassen, dass über die Zuordnung der Sanktion zu den Sanktionierten und deren Vollzug kein Zweifel entstehen kann, entsprechend – über welchen der vier Angeklagten (jeweils) die Strafe der Konfiskation verhängt wurde (vgl RIS‑Justiz RS0129178).
[9] Da das – in Überschreitung der Strafbefugnis ergangene (Z 11 erster Fall) – Konfiskationserkenntnis von keinem der Angeklagten angefochten wurde (vgl RIS‑Justiz RS0130617), war es ebenfalls in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur bei nichtöffentlicher Beratung sofort aufzuheben (§§ 285e, 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO) und die Sache in diesem Umfang an das Landesgericht für Strafsachen Graz zu neuerlicher Verhandlung und Entscheidung zu verweisen (zur Zuständigkeit des Einzelrichters RIS‑Justiz RS0100271 [T16, T17]).
[10] Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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