European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:0140OS00122.20B.1215.000
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.
Dem Angeklagten F***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde – soweit hier von Bedeutung – ***** F***** jeweils eines Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 4 Z 3 SMG (1), nach § 28a Abs 1 vierter Fall, Abs 4 Z 3 SMG (2) und nach § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 4 Z 3 SMG (3) schuldig erkannt.
Danach hat er in L***** und an anderen Orten vorschriftswidrig Suchtgift in einer das 25-Fache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge
1/ einem anderen überlassen, indem er am 11. April 2019 im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit zwei Mitangeklagten 998,4 Gramm Kokain (783,7 Gramm Cocain Reinsubstanz) einem verdeckten Ermittler des Bundesministeriums für Inneres zum vereinbarten Kaufpreis von 47.000 Euro übergab;
2/ einem anderen angeboten, indem er am 11. April 2019 dem verdeckten Ermittler neben der zu Punkt 1 erwähnten Suchtgiftmenge ein weiteres Kilogramm Kokain (mit einer das 25-Fache der Grenzmenge übersteigenden Reinsubstanz [vgl US 7 und 8]) um 47.000 Euro zum Kauf anbot, wobei die Lieferung wenige Tage später erfolgen sollte;
3/ am 10. April 2019 aus Deutschland aus- und nach Österreich eingeführt, indem er einen Mitangeklagten durch entsprechende Aufforderung und Versprechen eines Lohnes von 500 Euro (US 15 f) dazu bestimmte, das zu Punkt 1 genannte Kokain mit einem Pkw nach Österreich zu transportieren.
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen aus § 281 Abs 1 Z 2, 3, 5, 9 lit a und 11 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten F***** ist nicht im Recht.
Die Verfahrensrüge (Z 2) kritisiert das Vorkommen des Inhalts der Vernehmung des Beschwerdeführers durch die Kriminalpolizei (gemeint offenbar: ON 68 S 109 ff), welche „durch unerlaubte Einwirkung auf die Freiheit der Willensentschließung zustande gekommen“ sei (vgl § 166 Abs 1 Z 2 StPO), in der Hauptverhandlung (ON 95 S 3 iVm ON 132a S 3 und 17). Sie scheitert jedoch bereits daran, dass sich der Beschwerdeführer (nach dem aus Sicht des Obersten Gerichtshofs unbedenklichen [vgl Ratz , WK-StPO § 281 Rz 312] Protokoll über die Hauptverhandlung) mit dem uneingeschränkten Vortrag des gesamten Akteninhalts – also auch des erwähnten Protokolls über seine Vernehmung durch die Kriminalpolizei – einverstanden erklärte (RIS‑Justiz RS0116040).
Die weitere Verfahrensrüge (Z 3) moniert den Ausschluss der Öffentlichkeit bei der Vernehmung einer „Vertrauensperson“ und eines verdeckten Ermittlers des Bundesministeriums für Inneres als Zeugen, weil sich die prozessleitende Verfügung weder „auf bestimmte Tatsachen iSd § 162 StPO, die eine ernste Gefahr für Leben, Gesundheit, körperliche Unversehrtheit oder Freiheit der zu vernehmenden Personen befürchten lassen“, gestützt habe, noch Anhaltspunkte dafür dem Akt zu entnehmen seien. Indem das Erstgericht auf die Gründe des § 162 StPO verwies, aus denen die kritisierte Verfügung „zum Schutz der Identität der Zeugen“ erforderlich gewesen sei (ON 132a S 11), ging es – vor dem Hintergrund der führenden Rolle des Beschwerdeführers im Rahmen einer Gruppierung mit zum Teil noch auf freiem Fuß befindlichen Mitgliedern und seines (auch gegenüber den Zeugen) einschüchternden Auftretens (vgl US 2, 6, 11 und 14) – hinreichend deutlich von einer nicht bloß hypothetischen (vgl RIS-Justiz RS0053667), sondern konkreten Möglichkeit einer Gefährdung dieser Zeugen aus. Auf Basis dieser (aus Sicht des Obersten Gerichtshofs erkennbar herangezogenen) Sachverhalts-grundlage, die der Beschwerdeführer nicht nach den Kriterien der Z 5 oder 5a des § 281 Abs 1 StPO bekämpft, erweist sich die getroffene Verfügung als rechtsrichtig (RIS‑Justiz RS0118016; Ratz , WK‑StPO § 281 Rz 40 ff).
Ein tatsächliches Unterbleiben des protokollierten einverständlichen Vortrags nach § 252 Abs 2a StPO (ON 132a S 17) ist aus dem geltend gemachten Nichtigkeitsgrund der Z 3 ohne Belang. Daraus allenfalls resultierende Nichtigkeit nach Z 5 vierter Fall (infolge Verwertens in der Hauptverhandlung nicht vorgekommener Beweisergebnisse im Urteil [vgl 15 Os 4/18d]) macht der Beschwerdeführer – auch der Sache nach – nicht geltend.
Der zu Punkt 2 des Schuldspruchs ausgeführten Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) zuwider hat das Erstgericht die zeugenschaftlichen Angaben der „Vertrauensperson“ im Urteil ohnehin erörtert (US 17). Zu einer Auseinandersetzung mit sämtlichen Details der Aussage war es schon mit Blick auf das Gebot zu gedrängter Darstellung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) nicht verhalten (RIS‑Justiz RS0106642).
Die Kritik (Z 5 vierter Fall) an der zu Punkt 2 getroffenen Feststellung, der Beschwerdeführer habe dem verdeckten Ermittler am 11. April 2019 (neben dem übergebenen) „ein weiteres Kilogramm Kokain mit ähnlich guter Qualität“ zum gleichen Kaufpreis angeboten (US 7), nimmt nicht Maß an der Gesamtheit der Entscheidungsgründe (RIS‑Justiz RS0119370). Das Erstgericht geht dabei nämlich nicht bloß von „der allgemeinen Lebenserfahrung“ aus, sondern stützt sich vor allem auf Angaben eines Mitangeklagten und der „Vertrauensperson“ als Zeuge (US 14 iVm ON 12 S 5 und ON 110 S 4).
Die Konstatierung zum auf den Reinheitsgehalt des tatverfangenen Suchtgifts (mithin die jeweils das 25‑Fache der Grenzmenge übersteigenden Reinsubstanzmenge) bezogenen Vorsatz des Beschwerdeführers (US 8 f) gründet unter anderem auf dessen Aussage, er sei für den nach seiner Darstellung geplanten Suchtgiftankauf nach L***** gekommen, weil „die Qualität des Kokains in Rumänien sehr schlecht sei“ (US 12 iVm ON 132a S 4 und ON 95 S 3 ff). Die Ableitung der Annahme, der Beschwerdeführer habe deshalb eine gute Qualität des gegenständlichen (in L***** übergebenen und angebotenen) Kokains billigend in Kauf genommen, widerspricht – entgegen der weiteren Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) – nicht den Denkgesetzen oder grundlegenden Erfahrungssätzen (RIS‑Justiz RS0118317).
Gleiches gilt für die Begründung der Konstatierung des Reinheitsgehalts hinsichtlich des zu Punkt 2 angebotenen Kokains in objektiver Hinsicht (US 7) mit der Qualität des sichergestellten Suchtgifts (US 18), zumal die Tatrichter ja davon ausgingen, dass das angebotene Kokain zum gleichen Preis hätte verkauft werden sollen wie das tatsächlich übergebene (US 7).
An sich zutreffend hält die Rechtsrüge (Z 9 lit a) fest, dass Strafbarkeit wegen Suchtgifthandels auch einen auf das Tatbildelement der Vorschriftswidrigkeit gerichteten Vorsatz voraussetzt (vgl RIS-Justiz RS0087860 [T2]; Schwaighofer in WK 2 SMG § 27 Rz 95; Hinterhofer in Hinterhofer [Hrsg] SMG 2 § 28a Rz 44). Soweit sie allerdings einen Rechtsfehler mangels Feststellungen zu diesem Merkmal moniert, orientiert sie sich nicht am Urteilssachverhalt (RIS-Justiz RS0099810). Eine vernetzte Betrachtung der Entscheidungsgründe insgesamt, lässt – unter verdeutlichender Heranziehung des Referats der entscheidenden Tatsachen im Urteilstenor („vorschriftswidrig Suchtgift […] in Verkehr gesetzt […] zum Kauf angeboten […] aus Deutschland aus- und nach Österreich eingeführt“; RIS-Justiz RS0114639) – mit hinreichender Deutlichkeit erkennen, dass die Tatrichter Feststellungen zu einem (auch) auf Vorschriftswidrigkeit der Suchtgiftmanipulationen gerichteten Vorsatz des Beschwerdeführers treffen wollten, zumal das Vorliegen eines der als Ausnahme konzipierten Erlaubnistatbestände (des 1. Abschnitts des 2. Hauptstücks des SMG) hier nicht in Rede steht (RIS-Justiz RS0117228; Ratz , WK-StPO § 281 Rz 19). Im Rahmen der rechtlichen Beurteilung führt das Erstgericht zusammenfassend aus, dass der Beschwerdeführer „die ihm vorgeworfenen und im Spruch genannten Taten“ (ersichtlich gemeint: dadurch jeweils den Tatbestand des Suchtgifthandels) „in objektiver und subjektiver Hinsicht verwirklicht“ hat (US 19). Der notwendige Sachverhaltsbezug dieser Konstatierung (vgl RIS‑Justiz RS0119090) ergibt sich aus den Urteilsannahmen, der in Deutschland „wegen der unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln“ vorbestrafte Beschwerdeführer (US 4) sei als „Boss“ (US 5, 13 und 17) einer Gruppierung, „welche sowohl über größere Mengen Kokain als auch über mehrere Abnehmer in Österreich verfüge“ (US 6), verantwortlich für die inkriminierten Suchtgiftmanipulationen gewesen (US 7), habe die Verhandlungen über den Kokainverkauf nach dem Ausstieg eines anderen Mitglieds der Gruppierung, weil es diesem „zu heiß“ geworden sei, übernommen und diese mit den an die „Vertrauensperson“ und den verdeckten Ermittler gerichteten Worten, „okay ihr seid nicht von der Polizei“, abgeschlossen (US 13). Weiters führten die Tatrichter aus, (selbst) der vom Beschwerdeführer, der „sich als Verantwortlicher mit Suchtgift auskennt“ (US 13), gegen ein Entgelt von 500 Euro mit dem Kokaintransport von Deutschland nach Österreich beauftragte Mitangeklagte habe sich gedacht, „dass es sich dabei mit Sicherheit um etwas Illegales“ handle (US 15 und 16). Die Überzeugung von der Erfüllung der subjektiven Tatbestandserfordernisse leitete das Erstgericht zudem „aus dem objektiven Tatgeschehen“ ab (US 12), welches unter anderem dadurch charakterisiert war, dass der Beschwerdeführer in überwachter Messenger‑Kommunikation ein Codewort für „Kokain“ verwendete (US 12), und das versteckt angelieferte Suchtgift (US 16) auf einem Parkplatz erst übergeben wurde, als der Beschwerdeführer darauf vertraute, es handle sich bei den Abnehmern nicht um Polizeibeamte (US 6 ff).
Die Sanktionsrüge kritisiert eine offenbar unrichtige Beurteilung einer für die Strafbemessung maßgebenden entscheidenden Tatsache (Z 11 zweiter Fall), weil das Erstgericht unter anderem „das Zusammentreffen von mehreren Verbrechen (darunter § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall SMG)“ erschwerend gewertet habe (vgl US 19), obwohl bei (hier festgestellter) Aus- und Einfuhr derselben Suchtgiftmenge zufolge Vorliegens eines alternativen Mischtatbestands (RIS-Justiz RS0114037 [T1]) nur eine strafbare Handlung vorliege. Abgesehen davon, dass das Urteil weder im Schuldspruch (vgl US 2 [„das Verbrechen des Suchtgifthandels“]) noch im Rahmen der Strafbemessung einen Hinweis darauf enthält, die Tatrichter seien zu Punkt 3 zu Unrecht von mehreren strafbaren Handlungen ausgegangen, betrifft das Vorbringen bloß das Gewicht des zutreffend angenommenen Erschwerungsgrundes nach § 33 Abs 1 Z 1 StGB und spricht damit keine Nichtigkeit an (RIS-Justiz RS0116878 [T2]).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).
Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen (§ 285i StPO).
Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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