Spruch:
In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Ing. Udo W***** wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch (dieses Angeklagten) und demzufolge auch im Strafausspruch sowie im Adhäsionserkenntnis aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Innsbruck verwiesen.
Hierauf werden die Staatsanwaltschaft mit ihrer auf den Schuldspruch bezogenen Nichtigkeitsbeschwerde sowie beide Rechtsmittelwerber mit ihren Berufungen verwiesen.
Im Übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft zurückgewiesen.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Ing. Udo W***** des Vergehens des schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 2 StGB schuldig erkannt.
Danach hat er am 14. Juli 2005 mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz Verfügungsberechtigte der H***** GmbH durch die Vorgabe, es würden rechtskräftige Benützungsbewilligungen vorliegen und auch alle sonstigen behördlichen Auflagen sowie Aufträge erfüllt sein, zum Kauf der Liegenschaft EZ 432 GB ***** samt Wohngebäude verleitet und dadurch der genannten Gesellschaft einen Schaden von rund 12.800 Euro zugefügt.
Darüber hinaus erging - soweit im Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerden von Bedeutung - ein Freispruch vom Vorwurf, Ing. Udo W***** habe vom März 2010 bis zum Juni 2010 als Geschäftsführer der R***** GmbH Beiträge von Dienstnehmern dieses Unternehmens zur Sozialversicherung in der Höhe von insgesamt ca 118.000 Euro der T***** vorsätzlich vorenthalten.
Rechtliche Beurteilung
Den Schuldspruch bekämpfen der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft mit Nichtigkeitsbeschwerden, jener aus Z 5, 9 lit a, (richtig) 10a und 11, diese (zu Lasten des Angeklagten) aus Z 5 und 10 des § 281 Abs 1 StPO.
Letztere wendet sich überdies aus dem Grund des § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO gegen den bezeichneten Freispruch.
Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Ing. Udo W*****:
Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) zeigt zutreffend auf, dass die Feststellungen des Erstgerichts die Annahme, der H***** GmbH sei durch das dem Beschwerdeführer angelastete Verhalten ein Schaden entstanden, nicht tragen:
In Bezug auf den Tatbestand des Betrugs erfolgt die Schadensermittlung durch Gesamtsaldierung, indem der wirtschaftliche Wert des Vermögens des präsumtiv Geschädigten vor der Vermögensverfügung mit jenem nach dieser verglichen wird (12 Os 136/85, SSt 57/34; RIS-Justiz RS0094376, zuletzt 13 Os 109/11w; Kirchbacher in WK² StGB § 146 Rz 66; Kert SbgK § 146 Rz 238).
Da die Tatrichter zwar den Kaufpreis (1.260.000 Euro [US 15]), nicht jedoch den Wert der damit bezahlten Liegenschaft (samt Wohngebäude) feststellen, fehlt die Basis für den - wie dargelegt - gebotenen Vermögensvergleich. Die bloße Auflistung von Einschätzungen verschiedener Gutachter über den Liegenschaftswert (US 16) lässt den - insoweit maßgebenden (RIS-Justiz RS0117228) - Willen des Erstgerichts, die erforderlichen Konstatierungen zu treffen, nicht erkennen.
Ebensowenig trägt die Feststellung, der H***** GmbH seien nach dem Erwerb der Liegenschaft zwecks Erlangung einer Benützungsbewilligung Aufwendungen von rund 12.800 Euro an Gebühren, Abgaben und sonstigen Kosten entstanden (US 14), die Annahme eines im dargelegten Sinn relevanten Schadens, weil bloß mittelbar herbeigeführte Folgeschäden insoweit unbeachtlich sind (12 Os 175/80, SSt 52/20; RIS-Justiz RS0094410; Kirchbacher in WK² StGB § 146 Rz 71; Kert SbgK § 146 Rz 265).
Der Schuldspruch war daher - in Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten sowie in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur - gemäß § 285e StPO schon bei der nichtöffentlichen Beratung sofort aufzuheben.
Demgemäß war auf die weiteren Argumente der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten nicht einzugehen und die Staatsanwaltschaft mit dem auf den Schuldspruch bezogenen Teil ihrer Nichtigkeitsbeschwerde auf die Aufhebung zu verweisen.
Entsprechendes gilt mit Blick auf die aus der Behebung des Schuldspruchs resultierende Aufhebung des Strafausspruchs für die Berufungen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft.
Zur Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft:
Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) weist zwar zunächst zutreffend darauf hin, dass die Urteilsfeststellungen die Annahme, der Angeklagte Ing. Udo W***** sei für die Weiterleitung der Dienstnehmerbeiträge der R***** GmbH an die T***** nicht verantwortlich im Sinn des § 153c Abs 2 StGB gewesen, nicht tragen:
Nach den Konstatierungen der Tatrichter war der Angeklagte zur präsumtiven Tatzeit (de iure) Geschäftsführer der R***** GmbH und übertrug er in dieser Funktion die Aufgabe des Abführens der Beiträge der Dienstnehmer dieses Unternehmens zur Sozialversicherung an den Rechtsanwalt Dr. Wolfgang Wa***** (US 18 f).
Gemäß § 153c Abs 2 erster Satz StGB ist § 153c Abs 1 StGB auf alle natürlichen Personen anzuwenden, die dem zur Vertretung befugten Organ (soweit hier von Interesse) einer juristischen Person angehören, wenn diese die Pflicht zur Einzahlung der Beiträge eines Dienstnehmers zur Sozialversicherung trifft.
Eine Einschränkung dieser grundsätzlichen Verantwortlichkeit sieht § 153c Abs 2 zweiter Satz StGB nur für den Fall vor, dass das zur Vertretung befugte Organ die Verantwortung für die Einzahlung der Beiträge eines Dienstnehmers zur Sozialversicherung einzelnen oder mehreren Organmitgliedern auferlegt hat; ist dies der Fall, findet § 153c Abs 1 StGB nur auf diese Anwendung.
Ausgehend von den Feststellungen des Erstgerichts war der Angeklagte im Sinn des § 153c Abs 2 erster Satz StGB verantwortlich für die Weiterleitung der Dienstnehmerbeiträge zur Sozialversicherung der R***** GmbH an die T*****. Eine Ausnahme von dieser Verantwortlichkeit im Sinn des zweiten Satzes des § 153c Abs 2 StGB wäre nur dann gegeben gewesen, wenn die R***** GmbH über mehrere organschaftliche Vertreter verfügt hätte und diese die gegenständliche Verpflichtung an einen davon (nicht jedoch an den Angeklagten) übertragen hätten. Diesbezügliche Konstatierungen enthält die angefochtene Entscheidung aber nicht. Insbesondere wird nicht festgestellt, dass der Rechtsanwalt Dr. Wolfgang Wa***** organschaftlicher Vertreter der R***** GmbH gewesen sei.
Trifft das Gericht - wie hier - hinsichtlich einer von einem Freispruch umfassten Tat nicht zu sämtlichen Tatbestandselementen eine Aussage, reicht es für den Erfolg der gegen diesen Freispruch erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde aber nicht hin, einen Rechtsfehler bloß in Ansehung der getroffenen Urteilsannahme, also der Negativfeststellung zur Täterschaft, aufzuzeigen. Vielmehr ist hinsichtlich jener Tatbestandsmerkmale, zu denen das Urteil keine Konstatierungen enthält, unter Berufung auf derartige Feststellungen indizierende und in der Hauptverhandlung vorgekommene Verfahrensergebnisse (§ 258 Abs 1 StPO) ein Feststellungsmangel geltend zu machen; fehlen die dafür nötigen Indizien, bedarf es der Geltendmachung darauf bezogener Anträge aus Z 4, wurden die fehlenden Tatbestandsmerkmale verneint, ist insoweit ein Begründungsmangel (Z 5) geltend zu machen (13 Os 147/11h, RZ-EÜ 2012/91; RIS-Justiz RS0127315). Diesen Kriterien entspricht die Beschwerde mit Blick auf fehlende Feststellungen zur subjektiven Tatseite nicht.
Der auf den Freispruch vom Vorwurf im Sinn des § 153c Abs 1 und Abs 2 StGB bezogene Teil der Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft war daher - ebenfalls in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur - schon bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).
In Bezug auf den dem aufgehobenen Schuldspruch zu Grunde liegenden Vorwurf wird im zweiten Rechtsgang - allenfalls mittels Beiziehung eines Sachverständigen - unter Zugrundelegung des wirtschaftlichen Vermögensbegriffs sowie unter Anlegung eines objektiv-individuellen Maßstabs der Wert der gegenständlichen Liegenschaft im Zeitpunkt des Erwerbs durch die H***** GmbH zu ermitteln (RIS-Justiz RS0094263; RS0094374 und RS0094420; Kirchbacher in WK² StGB § 146 Rz 61 f, 67 und 70; Kert SbgK § 146 Rz 219 bis 222 und 245) und dem bezahlten Kaufpreis gegenüberzustellen sein.
Dabei wird auch zu berücksichtigen sein, in welchem Ausmaß das Nichtvorliegen der zugesagten Bewilligungen sowie das Nichterfüllen der sonstigen behördlichen Vorgaben eine Wertminderung bedeutet haben.
Ein im Sinn des Betrugstatbestands relevanter Schaden wird nur dann zu bejahen sein, wenn der solcherart ermittelte Liegenschaftswert geringer ist als der von der H***** GmbH bezahlte Kaufpreis.
Da die Staatsanwaltschaft den Schuldspruch zum Nachteil des Angeklagten bekämpft hat, ist im Fall neuerlicher Verurteilung das Verbot der reformatio in peius (§ 293 Abs 3 StPO iVm § 290 Abs 2 StPO) hier nicht von Bedeutung.
Zumal das angefochtene Urteil in seinem gesamten schuldigsprechenden Teil aufgehoben wurde, ist auch die Grundlage der Kostenersatzpflicht (hier nach § 389 StPO) beseitigt, womit eine Kostenentscheidung des Obersten Gerichtshofs zu entfallen hatte (Lendl, WK-StPO § 390a Rz 7).
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