OGH 13Os147/11h

OGH13Os147/11h15.12.2011

Der Oberste Gerichtshof hat am 15. Dezember 2011 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Ratz als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kirchbacher und Dr. Lässig, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Ludwig als Schriftführer in der Strafsache gegen Arbnor M***** wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 dritter Fall StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 24. August 2011, GZ 22 S Hv 68/11w‑69, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung werden zurückgewiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Arbnor M***** von der Anklage gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen, er habe am 1. Jänner 2011 in Wien

(I) Nadja C***** dadurch, dass er ihr und deren Lebensgefährten Herbert R***** jeweils mit einer Glasflasche gegen deren Kopf schlug und sodann die Geldbörse samt Inhalt aus ihrer Handtasche nahm, sohin mit Gewalt gegen diese Personen, fremde bewegliche Sachen, nämlich eine Geldbörse im Wert von 75 Euro mit Bargeld in Höhe von 95 Euro, mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, wobei die Gewaltanwendung jeweils eine an sich schwere Körperverletzung, nämlich eine mit einer längere Zeit dauernden Bewusstlosigkeit verbundene Gehirnerschütterung der Nadja C***** und des Herbert R*****, zur Folge hatte;

(II) anlässlich der zu I genannten Straftat unbare Zahlungsmittel, über die er nicht verfügen darf, mit dem Vorsatz unterdrückt, deren Verwendung im Rechtsverkehr zu verhindern, und zwar je eine Bankomatkarte der Nadja C***** und der Giuliana C*****;

(III) anlässlich der zu I genannten Straftat eine E‑Card der Nadja C*****, sohin eine Urkunde, über die er nicht verfügen darf, mit dem Vorsatz unterdrückt, um zu verhindern, dass diese im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechts, eines Rechtsverhältnisses oder einer Tatsache gebraucht werde.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus Z 5 des § 281 Abs 1 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft geht ‑ wie die Generalprokuratur in ihrer Stellungnahme zutreffend darlegt ‑ fehl.

Der Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) zuwider haben sich die Tatrichter mit allen erheblichen für und gegen die Täterschaft des Arbnor M***** sprechenden Umständen auseinandergesetzt. Dabei gingen sie ‑ entgegen der Behauptung im Rechtsmittel ‑ auch auf die Frage ein, auf welche andere Weise als durch Involvierung des Angeklagten in den Tathergang dessen DNA‑Spuren auf im Bereich des Tatorts sichergestellten Gegenstände (wie ua Glasscherben) gelangt sein können (US 5 und US 8). Angesichts dieser Überlegungen, die den wesentlichen Inhalt der Aussagen des Opfers Nadja C***** zum Ausschluss der Täterschaft des Angeklagten aufgrund verschiedener Merkmale mitberücksichtigen (US 6 f), bedurften deren Angabe, wonach sie vom Täter mit einer Cointreau‑Flasche niedergeschlagen worden sei, sowie der Umstand, dass die im Tatortbereich sichergestellten, mit DNA des Angeklagten verunreinigten Glasscherben von einer Contreau‑Flasche stammten, keiner näheren Erörterung.

Im Ergebnis bekämpft die Staatsanwaltschaft die Beweiswürdigung des Erstgerichts nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen Schuldberufung.

Gründet das Gericht ‑ wie hier ‑ den Freispruch auf die Verneinung der Täterschaft des Angeklagten im Zweifel zu dessen Gunsten, ohne eine Aussage zu sämtlichen Tatbestandselementen zu treffen, reicht es für den Erfolg der Nichtigkeitsbeschwerde nicht hin, einen Begründungsmangel bloß in Ansehung der getroffenen Urteilsannahme (der Negativfeststellung zur Täterschaft) aufzuzeigen.

Vielmehr ist hinsichtlich jener Tatbestandsmerkmale, zu denen das Urteil keine Konstatierungen enthält, unter Berufung auf derartige Feststellungen indizierende und in der Hauptverhandlung vorgekommene Verfahrensergebnisse ein Feststellungsmangel (Z 9 lit a) geltend zu machen; fehlen die dafür nötigen Indizien, bedarf es der Geltendmachung darauf bezogener Anträge aus Z 4, wurden die fehlenden Tatbestandsmerkmale verneint, ist insoweit ein Begründungsmangel geltend zu machen (vgl 13 Os 18/10m, EvBl‑LS 2010/137, 830; 13 Os 137/10m; RIS‑Justiz RS0118580).

Eine begründete Nichtigkeitsbeschwerde (§ 288 Abs 2 StPO) hätte vorliegend daher (selbst bei erfolgreicher Mängelrüge) ein ‑ unter konkretem Hinweis auf in der Hauptverhandlung vorgekommene Verfahrensergebnisse erstattetes ‑ Vorbringen vorausgesetzt, dass auf Grundlage dieser Indizien Feststellungen zu den objektiven und subjektiven Tatbestandsmerkmalen zu treffen gewesen wären.

Dies verabsäumte die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft, die bloß Begründungsmängel in Betreff der Negativfeststellung zur Täterschaft des Angeklagten behauptet, ohne jedoch unter Hinweis auf konkrete in der Hauptverhandlung hervorgekommene Verfahrensergebnisse einen Feststellungsmangel (Z 9 lit a) zu den vom Erstgericht nicht festgestellten Tatbestandsmerkmalen geltend zu machen.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d StPO). Die von der Staatsanwaltschaft angemeldete (ON 68 S 65) Berufung war als unzulässig zurückzuweisen (§ 283 Abs 1 StPO; RIS-Justiz RS0100484).

Stichworte