Spruch:
Den Nichtigkeitsbeschwerden wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und
1. in Ansehung der Punkte I/ und III/ des Schuldspruchs gemäß § 288 Abs. 2 Z 3 StPO in der Sache selbst erkannt:
Mag.Gertraud B*** und Dr.Roman S*** werden von der Anklage, es haben
I. Mag.Gertraud B*** in Klagenfurt und St.Veit an der Glan wiederholt mit dem Vorsatz, sich oder dritte Personen durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, Angestellte von Sozialversicherungsträgern, und zwar der Kärntner Gebietskrankenkasse für Arbeiter und Angestellte, der Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter, der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft sowie der Sozialversicherungsanstalt der Bauern, durch Täuschung über deren Leistungsverpflichtung zur Übernahme der Kosten für nicht zu bezahlende Arznei- und Heilmittel, somit zu Handlungen verleitet, welche die Sozialversicherungsträger an deren Vermögen in einem insgesamt 100.000 S übersteigenden Betrag schädigten, und zwar in der Zeit von Ende 1973 bis Ende 1983 dadurch, daß sie an Stelle von Originalpackungen nicht zum Verkauf bestimmte Muster pharmazeutischer Spezialitäten ("Ärztemuster") an die Patienten abgab, auf den eingereichten Rezepten jedoch die ordnungsgemäße Expedition der verordneten Originalpackungen bestätigte und diese Rezepte im Wege der pharmazeutischen Gehaltskasse den genannten Versicherungsträgern zur Bezahlung vorlegte;
II. Dr.Roman S*** in der Zeit von Ende 1973 bis Ende 1983 in Dornbirn und St.Veit an der Glan dadurch, daß er regelmäßig Pakete mit ihm zugekommenen Mustern pharmazeutischer Spezialitäten an Mag.Gertraud B*** zum Verkauf in deren Apotheke abschickte, zur Ausführung dieser strafbaren Handlungen beigetragen, und es haben hiedurch Mag.Gertraud B*** und Dr.Roman S*** das Verbrechen des schweren gewerbsmäßigen Betruges nach §§ 146, 147 Abs. 3, 148 erster Fall StGB, Letztgenannter als Beteiligter gemäß § 12 (dritter Fall) StGB, begangen,
gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen;
2. im übrigen (nämlich in Ansehung des Punktes II/ des Schuldspruchs) die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Mit ihren Berufungen werden die Angeklagten Mag.Gertraud B*** und Dr.Roman S*** auf diese Entscheidung verwiesen.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurden die Apothekerin Mag.Gertraud B*** (zu I/ des Urteilssatzes) des Vergehens des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs. 2 StGB sowie (zu II/ des Urteilssatzes) des Vergehens der Täuschung nach § 108 Abs. 1 StGB und der Facharzt Dr.Roman S*** (zu III/ des Urteilssatzes) des Vergehens des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs. 2 StGB als Beteiligter im Sinne des § 12 StGB schuldig erkannt.
Darnach haben
(zu I/) Mag.Gertraud B*** in Klagenfurt und St.Veit an der Glan in der Zeit von Ende 1973 bis Ende 1983 wiederholt mit dem Vorsatz, sich oder dritte Personen durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, Angestellte der im Urteilsspruch im einzelnen angeführten Sozialversicherungsträger durch Täuschung über deren Leistungsverpflichtung zur Übernahme der Kosten für nicht zu bezahlende Arznei- und Heilmittel, somit zu Handlungen verleitet, welche die Sozialversicherungsträger an deren Vermögen in einem 5.000 S, nicht jedoch 100.000 S übersteigenden Betrag schädigten, indem sie an Stelle von Originalpackungen nicht zum Verkauf bestimmte Muster pharmazeutischer Spezialitäten (Ärztemuster) an die Patienten abgab, auf den eingereichten Rezepten jedoch eine ordnungsgemäße Expedition der verordneten Originalpackungen bestätigte und diese Rezepte im Wege der pharmazeutischen Gehaltskasse den genannten Versicherungsträgern zur Bezahlung vorlegte;
(zu II/) Mag.Gertraud B*** in Klagenfurt und St.Veit an der Glan in der Zeit zwischen 1975 bis Ende 1983 die Kärntner Gebietskrankenkasse für Arbeiter und Angestellte in ihrem Recht, die Bezahlung nicht verschreibbarer Arznei- und Heilmittel abzulehnen, dadurch einen Schaden zugefügt, daß sie im bewußten und gemeinsamen Zusammenwirken mit dem abgesondert verfolgten Dr.Ludwig E*** an Stelle der in den eingereichten Rezepten aufscheinenden verschreibbaren Arznei- und Heilmittel solche an die Patienten abgab, die nicht zur Verschreibung zugelassen waren, auf den Rezepten jedoch die Expedition der verordneten Mittel bestätigte, sohin Organe der Kärntner Gebietskrankenkasse für Arbeiter und Angestellte durch Täuschung über Tatsachen zu einer Handlung, und zwar zur Bezahlung der im Wege der pharmazeutischen Gehaltskasse eingereichten Rezepte verleitet;
(zu III/) Dr.Roman S*** in der Zeit von Ende 1973 bis Ende 1983 in Dornbirn und St.Veit an der Glan dadurch, daß er regelmäßig Pakete mit ihm zugekommenen Mustern pharmazeutischer Spezialitäten an Mag.Gertraud B*** zum Verkauf in deren Apotheke abschickte, zur Ausführung der unter I/ angeführten strafbaren Handlung beigetragen.
Rechtliche Beurteilung
Beide Angeklagten bekämpfen die gegen sie ergangenen Schuldsprüche mit (getrennt ausgeführten) Nichtigkeitsbeschwerden, wobei Mag.Gertraud B*** die Z 3, 5, 9 lit a und 9 lit b des § 281 Abs. 1 StPO geltend macht, während Dr.Roman S*** seine Beschwerde auf die Z 5 und 9 lit a der zitierten Gesetzesstelle stützt. Beiden Beschwerden kommt im Ergebnis Berechtigung zu.
Zu den Schuldspruchfakten I/ und III/:
Nach den zu diesen Punkten des Schuldspruchs getroffenen Feststellungen ist der aus Ägypten stammende und nunmehr als Facharzt im Krankenhaus der Stadt Dornbirn tätige Angeklagte Dr.Roman S*** schon seit längerer Zeit in der koptisch-orthodoxen Kirche in Ägypten caritativ tätig, wobei er den Angehörigen dieser Glaubensgemeinschaft (unter anderem) Medikamente zukommen läßt. Er bemühte sich daher bei zahlreichen ihm bekannten Vertretern von pharmazeutischen Produkten um die kostenlose Überlassung von Medikamenten, darunter auch von sogenannten "Ärztemustern". Der Großteil der ihm (kostenlos) zur Verfügung gestellten Arzneien leitete er direkt nach Ägypten weiter. Soweit ihm die überlassenen Medikamente (Ärztemuster, aber auch Originalpackungen) für den vorgesehenen caritativen Zweck nicht geeignet erscheinen, sandte er sie auf Grund einer mit der ihm bekannten Angeklagten Mag.Gertraud B***, der verantwortlichen Leiterin der V***-Apotheke in St.Veit an der Glan, getroffenen Vereinbarung an die Genannte, damit sie diese gegen andere, in Ägypten benötigte Medikamente bzw gegen Kindernahrungsmittel austausche. Mag.B*** behielt sich von den ihr (teils in Originalpackungen, teils als Ärztemuster) übermittelten Arzneien jene, die für einen Weiterverkauf in ihrer Apotheke in Betracht kamen und stellte hiefür Dr.S*** vereinbarungsgemäß andere, gleichwertige Arzneimittel sowie Kindernahrungsmittel zur Verfügung, die Dr.S*** sodann (gleichfalls) an die koptisch-orthodoxe Kirche in Ägypten weiterleitete. Die übrigen ihr übermittelten, für einen Weiterverkauf nicht geeigneten Medikamente sandte Mag.B*** entweder an Dr.S*** zurück oder stellte sie dem Medikamentengroßhandel zur Verfügung. Die zum Weiterverkauf in der V***-Apotheke für geeignet befundenen Medikamente wurden in der Folge in der Apotheke an Kunden abgegeben, darunter überwiegend (aber nicht ausschließlich) an Kassenpatienten auf Grund der von diesen vorgelegten ärztlichen Rezepte. Auf Grund dieser Rezepte verrechnete Mag.B*** sodann über die pharmazeutische Gehaltskasse mit den in Betracht kommenden Sozialversicherungsträgern (der Kärntner Gebietskrankenkasse für Arbeiter und Angestellte, der Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter, der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft und der Sozialversicherungsanstalt der Bauern), sodaß sie auf diese Weise (auch) den Wert der ihr von Dr.S*** übermittelten (und - jeweils nach Entfernen oder Überkleben des auf der Verpackung des Medikamentes angebrachten Hinweises - an Kassenpatienten weiterverkauften) Ärztemuster von den Sozialversicherungsträgern refundiert erhielt. Diese Ärztemuster waren in der Qualität den orignalverpackten Medikamenten gleichwertig; quantitätsmäßige Unterschiede glich Mag.B*** dadurch aus, daß sie aus mehreren Kleinpackungen (Ärztemuster) eine Großackung herstellte. Die geschilderte Vorgangsweise wurde von Ende 1973 bis Ende 1983 eingehalten. Nähere Feststellungen über Ausmaß und Wert der von Dr.S*** an Mag.B*** zum Zweck des Austausches übermittelten und sodann zum Teil von letzterer in der V***-Apotheke weiterverkauften Arzneien konnte das Erstgericht nicht treffen, weil Aufzeichnungen oder Abrechnungen nicht vorhanden waren; desgleichen konnte nicht festgestellt werden, in welchem Wert Ärztemuster auf die geschilderte Weise mit den Sozialversicherungsträgern abgerechnet wurden. Das Gericht nahm aber an, daß die hiefür von den Sozialversicherungsträgern refundierten Geldbeträge insgesamt den Betrag von 5.000 S zweifellos überschritten haben (S 499/Bd I). In rechtlicher Hinsicht beurteilte das Erstgericht den Sachverhalt bei der Angeklagten Mag.B*** als schweren Betrug nach §§ 146, 147 Abs. 2 StGB und beim Angeklagten Dr.S***, der sich nach Überzeugung des Gerichtes (auch) bezüglich der an Mag.B*** übersandten Ärztemuster bewußt war, daß diese in der V***-Apotheke (auch an Kassenpatienten) weiterveräußert werden (S 499/Bd I), als Beteiligung an diesem Betrug im Sinn des § 12 StGB (wobei das Urteil offenläßt, ob Bestimmungs- oder Beitragstäterschaft angenommen wurde). Dabei ging das Gericht davon aus, daß eine entgeltliche Abgabe von Ärztemustern auf Kosten der Sozialversicherungsträger deshalb unzulässig sei, weil dadurch die schon bei der Preisgestaltung der pharmazeutischen Produkte mitberücksichtigten Kosten der Ärztemuster von den Sozialversicherungsträgern ein zweites Mal getragen würden, während demjenigen, der ein Ärztemuster weitergibt, keine Beschaffungskosten erwachsen seien; durch die (infolge des Vortäuschens, Originalpackungen der betreffenden Arznei verkauft zu haben, bewirkten) Refundierung des Wertes der abgegebenen Ärztemuster seien daher die Sozialversicherungsträger an ihrem Vermögen geschädigt worden (S 500, 501/Bd I). Den dagegen von den Beschwerdeführern erhobenen Einwänden, wonach bei der gegebenen Sachlage eine Vermögensschädigung auf Seiten der Sozialversicherungsträger in Wahrheit nicht eingetreten sei, kann - wie auch die Generalprokuratur in ihrer Stellungnahme zutreffend darlegt - Berechtigung nicht abgesprochen werden:
Fest steht, daß die von der Angeklagten Mag.B*** an Kassenpatienten auf Rezept abgegebenen und mit dem betreffenden Sozialversicherungsträger sodann abgerechneten, ihr von Dr.S*** überlassenen Ärztemuster qualitäts-(und quantitäts-)mäßig den betreffenden Arzneien in Originalpackung entsprochen haben (S 496/Bd I), sodaß den Patienten das durch Rezept verordnete (verschreibbare) Medikament, wenn auch nicht in der Originalpackung, sondern in Form eines Ärztemusters, abgegeben wurde. Solcherart haben die Patienten das ihnen (im Rahmen der Krankenbehandlung) rezeptierte Heilmittel (§ 136 Abs. 1 ASVG; § 92 Abs. 2 GSVG; § 86 Abs. 1 BSVG; § 64 Abs. 1 B-KUVG) erhalten, dessen Kosten (grundsätzlich) von dem betreffenden Sozialversicherungsträger durch Abrechnung mit den Apotheken übernommen werden (§ 136 Abs. 2 ASVG; § 92 Abs. 1 iVm § 85 Abs. 3 GSVG; § 86 Abs. 2 BSVG; § 64 Abs. 2 B-KUVG). Die daraus folgende Verpflichtung des Sozialversicherungsträgers zur Übernahme der Kosten des verordneten Heilmittels wurde aber jedenfalls im hier maßgebenden Tatzeitraum (von Ende 1973 bis Ende 1983, mithin vor Inkrafttreten des Arzneimittelgesetzes BGBl 1983/185 am 1.April 1984) nicht dadurch ausgeschlossen, daß das von der Apotheke an den Kassenpatienten rezeptkonform abgegebene Medikament nicht in der für den Arzneimittelhandel vorgesehenen Originalpackung vom Apotheker erworben worden war, sondern in Form eines (an sich nur für Ärzte bestimmten) Ärztemusters gemäß § 2 Abs. 1 der (bis zum 31.März 1984 geltenden) Spezialitätenordnung BGBl 1947/99. Denn es bestand im Tatzeitraum keine Rechtsvorschrift, die es Apothekern unter allen Umständen untersagte, Ärztemuster von Ärzten zu übernehmen und diese im Rahmen ihres Apothekenbetriebes an (Kassen-)Patienten (gegen Verrechnung mit dem betreffenden Sozialversicherungsträger) abzugeben, zumal nach der Spezialitätenordnung kein generelles Verkaufsverbot für Ärztemuster statuiert gewesen ist (vgl in diesem Sinn auch das Schreiben des Bundesministeriums für Gesundheit und Umweltschutz vom 17.Mai 1983, Zl II-51.420/5-8/83, erliegend S 305 ff/Bd I, sowie Krejci, Zur sozialversicherungs- und zivilrechtlichen Unzulässigkeit der Abgabe von Ärztemustern, richtlinienwidrigen Arzneimitteln oder sonstigen Waren auf Kassenkosten, in Ärztemuster auf Kassenkosten? 23 ff, insb 26, weiters 36 f). Daß es sich bei den von der Angeklagten Mag.B*** mit den Sozialversicherungsträgern (im Wege der pharmazeutischen Gehaltskasse) abgerechneten, an Kassenpatienten rezeptkonform abgegebenen Arzneimittel (ursprünglich) um Ärztemuster gehandelt hat, die dem Mitangeklagten Dr.S*** (zu caritativen Zwecken) von pharmazeutischen Erzeugern (unentgeltlich) überlassen worden waren und die sie vom Genannten (im übrigen im Austauschverhältnis 1 : 1 gegen andere Arzneimittel) erworben hatte, schloß deren Verrechnung mit den betreffenden Sozialversicherungsträgern (im Sinn der §§ 126 Abs. 2 ASVG usw) nicht aus, weil die Verpflichtung des Sozialversicherungsträgers zur Kostenübernahme nicht davon abhängig gemacht werden kann, auf welche Weise der Apotheker - sofern dieser nicht einem normierten Verbot zuwiderhandelt, was vorliegend für den Tatzeitraum nicht der Fall ist - die Arzneimittel sich beschafft hat, ebensowenig wie der Sozialversicherungsträger etwa einen Rechtsanspruch darauf hat, daß die Apotheke einen Marktvorteil oder sonstige Vergünstigungen (zB in Form eines Mengenrabattes bei Großeinkäufen) ihm im Rahmen der Verrechnung (rezeptkonform) abgegebener Arzneimittel weitergibt (Krejci aaO 39). So gesehen bestand aber in den inkriminierten Fällen die rechtliche Verpflichtung des Sozialversicherungsträgers zur Übernahme der Kosten des für seine Rechnung an den Versicherten, wenn auch in Form eines (ursprünglich) ein Ärztemuster darstellenden abgegebenen Arzneimittels, womit aber dessen Verrechnung zu keiner vermögensrechtlichen Schädigung des Versicherungsträgers im Sinn des § 146 StGB führen konnte. Fehlt es solcherart beim unmittelbaren Täter (Mag.B***) an einem Tatbestandsmerkmal des Betruges, so kommt in Ansehung des Beteiligten (Dr.S***) eine strafbare Tatbeteiligung im Sinn des § 12 StGB nicht in Betracht. Eine irrtumsbedingte relevante Vermögensschädigung der Sozialversicherungsträger kann aber - entgegen der vom Erstgericht vertretenen Auffassung - auch nicht mit dem Argument begründet werden, daß im Falle der Abgabe von Ärztemustern die Sozialversicherungsträger die Kosten für dieses Medikament ein zweites Mal zu tragen hätten, weil in dem für jedes Arzneimittel festgesetzten Höchstpreis unter anderem auch der Werbe- und Informationsaufwand, mithin auch die Kosten der Ärztemuster, bereits mitberücksichtigt seien (S 500, 501/Bd I). Die vom Erstgericht unterstellte zweifache Bezahlung würde zunächst schon voraussetzen, daß der Sozialversicherungsträger auch die Kosten der Herstellung des Medikaments (zur Gänze oder zumindest zum Teil) trägt, was aber nicht der Fall ist, weil die Kosten der Arzneimittelproduktion den (vom Sozialversicherungsträger verschiedenen) Arzneimittelhersteller treffen. Im übrigen werden pharmazeutische Spezialitäten nicht ausschließlich an Kassenpatienten auf Rechnung der Sozialversicherungsträger abgegeben. Aus der (bloßen) Preiskalkulation für ein bestimmtes, wenn auch der Preisregelung unterliegendes, aber auf dem Markt grundsätzlich für jedermann (gegen ärztliche Verschreibung) frei verkäufliches Medikament kann aber ein unter dem Gesichtspunkt des Betruges erheblicher (unmittelbarer) Vermögensschaden für eine bestimmte Käuferschicht bzw Institution (hier Sozialversicherungsträger), die den amtlich festgesetzten Preis für eine bestimmte pharmazeutische Spezialität (im Wege der Verrechnung mit der dieses Arzneimittel an den Versicherten abgebenden Apotheke) letztlich bezahlt, nicht abgeleitet werden. Von einer unentgeltlichen Abgabe der Medikamente an Kassenpatienten hinwieder, worauf das Erstgericht im gegebenen Zusammenhang Bezug nimmt, kann nach den Urteilsfeststellungen nicht gesprochen werden.
Eine Beurteilung des inkriminierten Sachverhaltes unter dem Gesichtspunkt der Täuschung nach § 108 StGB kommt vorliegend schon deshalb nicht in Betracht, weil ein - über die (gegebenenfalls schon) durch das Täuschen über Tatsachen beeinträchtigte Wahrheitspflicht der Apothekerin Mag.B*** gegenüber dem jeweiligen Sozialversicherungsträger hinausgehendes - konkretes Recht des Sozialversicherungsträgers nicht geschädigt werden konnte. Setzte ein solches doch die Erschleichung einer materiellen Rechtsposition voraus, die in Wahrheit nicht vorliegt, wovon aber nach dem Gesagten bei der vorliegenden Fallkonstellation nicht gesprochen werden kann. So gesehen erfüllt demnach der von den Punkten I/ und III/ des Schuldspruchs erfaßte Sachverhalt weder den Tatbestand des Betruges noch jenen einer anderen gerichtlich strafbaren Handlung, weshalb die betreffenden Schuldsprüche zu kassieren und mit dem Freispruch der Angeklagten von der bezüglichen Anklage vorzugehen war.
Zum Schuldspruchfaktum II/:
Zum Schuldspruch der Angeklagten Mag.Gertraud B*** wegen Vergehens der Täuschung nach § 108 Abs. 1 StGB stellte das Schöffengericht fest, daß die genannte Angeklagte auf Grund einer zwischen ihr und dem (abgesondert verfolgten) Facharzt für innere Medizin Dr.Ludwig E*** getroffenen (und von letzterem initiierten) Absprache in der Zeit ab 1975 bis Ende 1983 nicht die auf den von ihm ausgestellten Rezepten angeführten (durch die Sozialversicherungsträger refundierbaren) Medikamente, sondern andere, auf einem dem Rezept jeweils angehefteten Zettel näher bezeichnete, auf Kosten der Sozialversicherungsträger aber nicht verschreibbare Arzneimittel gleichen Wertes (wie die im Rezept angeführten) an Kassenpatienten, darunter auch an Personen, die bei der Kärntner Gebietskrankenkasse für Arbeiter und Angestellte krankenversichert waren, abgegeben hat. Gegenüber den Sozialversicherungsträgern verrechnete die Angeklagte Mag.B*** das im Rezept angeführte (in Wahrheit aber nicht dem Kassenpatienten ausgefolgte) Arzneimittel und erhielt auf diese Weise die Kosten eines Medikamentes ersetzt, das sie tatsächlich nicht an den Kassenpatienten abgegeben hatte. Für das tatsächlich abgegebene Arzneimittel bestand nach den bestehenden Vorschriften bzw Richtlinien keine Honorierungspflicht der Sozialversicherungsträger. In rechtlicher Hinsicht wertete das Gericht das geschilderte Tatverhalten der Angeklagten Mag.B*** als Täuschung von Organen des Sozialversicherungsträgers über dessen Leistungspflicht, die zur Bezahlung von Medikamenten durch den Sozialversicherungsträger führte, zu welcher dieser tatsächlich nicht verpflichtet war; es verneinte jedoch im Hinblick darauf, daß Mag.B*** den Kassenpatienten an Stelle der in den der Kärntner Gebietskrankenkasse für Arbeiter und Angestellte zur Bezahlung vorgelegten Rezepten angeführten Medikamenten andere gleichwertige Arzneien ausgefolgt hatte, eine Bereicherung der Genannten und überdies den Eintritt eines Vermögensschadens beim betreffenden Sozialversicherungsträger (S 505/Bd I), weshalb es - abweichend von der auch in diesem Faktum auf Betrug lautenden Anklage - lediglich einen Schuldspruch wegen Täuschung gemäß § 108 Abs. 1 StGB fällte. Daß die Angeklagte Mag.B*** in den von Punkt II/ des Schuldspruchs erfaßten Fällen die Organe der Kärntner Gebietskrankenkasse für Arbeiter und Angestellte über Tatsachen getäuscht hat, ist evident, hat sie doch bei der Verrechnung der auf den eingereichten Rezepten aufscheinenden (verschreibbaren) Medikamente vorgegeben, diese auch den Kassenpatienten ausgefolgt zu haben, während sie in Wahrheit andere (zur Verschreibung und damit zur Verrechnung nicht zugelassene) Arzneimittel abgegeben hat, wobei allerdings nach den Urteilsfeststellungen (S 502/Bd I) die abgegebenen Medikamente wertmäßig vollkommen entsprachen. Unter der - vom Erstgericht unterstellten - Annahme, daß durch diese Vorgangsweise der die Kosten der rezeptierten Arzneien ersetzende Sozialversicherungsträger keinen Vermögensschaden erlitten habe, könnte der Schuldspruch wegen § 108 Abs. 1 StGB nur dann Bestand haben, wenn durch die geschehene Täuschungshandlung ein konkretes Recht des Sozialversicherungsträgers geschädigt worden wäre. Das ist aber dann nicht der Fall, wenn die abgerechneten (rezeptierten und verschreibbaren) Arzneimittel in concreto (an sich) vom Sozialversicherungsträger (als notwendige Heilmittel) zu ersetzen wären und die an deren Stelle dem Kassenpatienten ausgefolgten anderen (gleichfalls ärztlich verordneten, aber nach den Richtlinien des Sozialversicherungsträgers nicht verschreibbaren) Medikamente als solche, wieder in concreto, für den Heilungszweck (§ 133 Abs. 2 ASVG) gleichermaßen notwendige Heilmittel darstellen; denn § 108 StGB stellt (in Ansehung des geschützten Rechts) nicht auf die Erfüllung (bloß) formaler Prüfungskriterien ab, sondern auf die Erschleichung einer materiellen Rechtsposition, die in Wahrheit nicht zusteht (vgl hiezu die in anderem Zusammenhang in diesem Sinn entwickelte Judikatur zu § 108 StGB, zit zB in Leukauf-Steininger Komm 2 § 108 RN 9). Andernfalls aber wären alle Merkmale des Betruges verwirklicht und § 108 StGB deshalb nicht anwendbar. Für den Fall, daß das an den Patienten tatsächlich
(über - interne - ärztliche Verordnung) abgegebene Arzneimittel in concreto gleichermaßen ein zur Beseitigung oder Linderung der Krankheit oder zur Sicherung des Heilerfolges dienendes, mithin notwendiges Heilmittel darstellt wie die rezeptierte, mit dem Sozialversicherungsträger abgerechnete Arznei, läge - wirtschaftlich betrachtet - keine strafrechtlich relevante vermögensrechtliche Schädigung des Sozialversicherungsträgers (im Sinne eines effektiven Verlustes an Vermögenssubstanz, der durch einen Vergleich der Vermögenslage vor und nach der Verfügung im Wege der Gesamtsaldierung unter Berücksichtigung allfälliger unmittelbarer Schadenskompensation zu ermitteln ist) vor, womit weder Betrug nach §§ 146 ff StGB noch Täuschung nach § 108 Abs. 1 StGB anzunehmen wäre; die gesetzten Täuschungshandlungen gegenüber dem Sozialversicherungsträger, die jedenfalls Verstöße gegen formelle Vorschriften darstellen, wären allerdings als vertragswidriges und gegebenenfalls auch standesbehördlich zu ahndendes Fehlverhalten zu werten. Ist dagegen - unter dem Gesichtspunkt des anzustrebenden Heilerfolges und damit des sozialversicherungsrechtlichen Zwecks der Heilbehandlung - eine solche Gleichwertigkeit der Arzneimittel (Heilmittel) nicht gegeben, oder wurden Heilmittel verordnet, die der Patient zu Heilzwecken gar nicht benötigt, weil etwa die Krankheit nur fingiert ist, oder wurden überhaupt (an Stelle eines Heilmittels) andere Waren abgegeben, dann hat dies zu der für den Betrug essentiellen irrtumsbedingten Schädigung des Vermögens des Sozialversicherungsträgers geführt.
Das Erstgericht hat zwar konstatiert, daß die Angeklagte Mag.B*** (anstatt der rezeptierten und verrechneten Medikamente) stets (andere) Medikamente im gleichen Wert abgegeben hat; ob allerdings diese Medikamente gleichermaßen in concreto notwendige Heilmittel zur Erzielung des Heilerfolges waren, blieb ungeklärt, sodaß eine endgültige rechtliche Beurteilung (§§ 262, 267 StPO) der Sache nicht möglich ist.
Es war daher in Stattgebung der - im Kern
berechtigten - Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten Mag.Gertraud B*** auch Punkt II/ des Schuldspruchs aufzuheben, insoweit aber - da eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofes in der Sache selbst nicht erfolgen kann - die Erneuerung des Verfahrens in erster Instanz anzuordnen.
Über die Rechtsmittel der beiden Angeklagten war sohin insgesamt spruchgemäß zu erkennen.
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