Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch der Angeklagten Birol K***** und Franz L***** wegen des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach §§ 12 zweiter Fall, 302 Abs 1 StGB (Punkt I) und im Strafausspruch aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht verwiesen.
Mit seiner Berufung wird der Angeklagte Franz L***** auf diese Entscheidung verwiesen.
Dem Angeklagten Franz L***** fallen auch die seine Nichtigkeitsbeschwerde betreffenden Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen, auch einen Freispruch des Angeklagten Tomislav R***** und einen Teilfreispruch des Angeklagten Birol K***** enthaltenden Urteil wurden Birol K***** und Franz L***** des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB als Bestimmungstäter nach § 12 zweiter Fall StGB (I.), letzterer überdies der Vergehen des schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 (erster und vierter Fall) StGB (II.) und der Fälschung besonders geschützter Urkunden nach §§ 223 Abs 2, 224 Abs 1 StGB (III.) schuldig erkannt.
Danach haben in Wien
I. Birol K***** und Franz L***** in bewusstem und gewolltem Zusammenwirken „als Mittäter" den vorsatzlos agierenden Tomislav R***** am 2. Februar 2006 als vom Landeshauptmann zur wiederkehrenden Begutachtung von Kraftfahrzeugen gemäß § 57a Abs 2 KFG Ermächtigten, sohin als Beamten, dazu bestimmt, dass er „trotz bestehender schwerer, gravierender Mängel (zB poröse Bremsschläuche, Durchrostung der Bodenplatte, starker Motorölverlust) beim Kfz der Marke Fiat Punto, Fahrgestellnummer *****, ein Gutachten erstellte, indem er das Fahrzeug als den Erfordernissen der Umwelt und der Verkehrs- und Betriebssicherheit mit leichten Mängeln" (zu ergänzen:) entsprechend „beurteilte, und eine bis Juli 2006 gültige Begutachtungsplakette gemäß § 57a Abs 4 und 5 KFG am Fahrzeug anbrachte, wobei beide Angeklagten wussten, dass sie dadurch die Republik Österreich in ihrem Recht auf ausschließliche Zulassung von Fahrzeugen zum öffentlichen Verkehr, die der Verkehrs- und Betriebssicherheit entsprechen, schädigten und die Befugnis des Tomislav R*****, im Namen des Bundes als dessen Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen dadurch wissentlich missbrauchten";
II. Franz L***** alleine zwischen 29. Jänner 2006 und Anfang Februar 2006 mit dem Vorsatz, „durch das Verhalten der Getäuschten sich unrechtmäßig zu bereichern", Kerstin K***** durch Täuschung über Tatsachen, „nämlich der PKW Marke Fiat Punto sei in einem verkehrs- und betriebssicheren Zustand, wobei er vorgab, den PKW für seine Tochter Dagmar K***** zu verkaufen und zur Täuschung eine falsche Urkunde, nämlich einen Kaufvertrag verwendete, auf dem er die Unterschrift der Dagmar K***** nachmachte, und zur Täuschung überdies ein falsches Beweismittel, nämlich das zu Punkt I. genannte inhaltlich unrichtige § 57a Abs 4 KFG Gutachten verwendete, zu einer Handlung, nämlich zum Ankauf des Fahrzeuges und Übergabe eines Kaufpreises von 1.490 Euro verleitet, die die Genannte in diesem Betrag am Vermögen schädigte";
III. Franz L***** alleine Anfang April 2006 eine verfälschte inländische öffentliche Urkunde, „und zwar ein § 57a Abs 4 KFG-Gutachten der M***** GesmbH", in dem er das Erstellungsdatum vom 26. Jänner 2004 auf 24. Jänner 2005 und das neue Begutachtungsdatum von Februar 2005 auf Februar 2006 abänderte oder abändern ließ, im Rechtsverkehr zum Beweis einer Tatsache, nämlich der ordnungsgemäßen Überprüfung des Fahrzeuges gemäß § 57a KFG zweimal gebraucht, indem er diese Urkunden bei der Anmeldung eines Opel Vectra auf den Käufer Mong Thien H***** Angestellten der U***** vorwies und beim Verkauf des Fahrzeugs an Mong Thien H***** übergab.
Rechtliche Beurteilung
Der Angeklagte Franz L***** ficht das Urteil mit einer auf Z 9 lit a und 9 lit b des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde an, die ihr Ziel verfehlt. Sie gab jedoch - auch hinsichtlich des Angeklagten Birol K*****, der das Urteil nicht bekämpft hat - Anlass zu amtswegigem Vorgehen nach § 290 Abs 1 StPO.
Zur Nichtigkeitsbeschwerde
Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) unternimmt zu Schuldspruch Punkt I nicht den nach der Prozessordnung gebotenen Vergleich des festgestellten Sachverhalts mit dem darauf angewendeten Gesetz (RIS-Justiz RS0099810), sondern widmet sich der rechtlichen Beurteilung eigener, urteilsfremder Annahmen. Solcherart wird eine der Verfahrensordnung entsprechende Urteilskritik verfehlt.
Zu Punkt II wird nicht aus dem Gesetz abgeleitet, warum es für die Subsumtion unter Abs 2 des § 223 StGB (hier iVm der Qualifikation nach § 224 StGB) darauf ankommen soll, ob der Angeklagte „persönlich das Gutachten gefälscht" hat, und zudem auch der zu diesem Schuldspruch festgestellte Sachverhalt negiert (BS 4 oben). Was für die Rechtsrüge aus dem Umstand zu gewinnen sein soll, dass der Beschwerdeführer „seit Wochen täglich die K***** gelesen" hat, „um allenfalls ein neuerliches Inserat von Herrn P***** zu finden", bleibt unerfindlich, ist doch - wie erwähnt - die rechtliche Beurteilung des im Urteil erster Instanz konstatierten Tatsachensubstrats Gegenstand des in Anspruch genommenen Nichtigkeitsgrundes.
Dem gegen Schuldspruch Punkt II erstatteten Vorbringen, es mangle mit Blick auf § 167 StGB an Urteilsannahmen über die Schadensgutmachung durch den Angeklagten (Z 9 lit b), geht die zur prozessförmigen Geltendmachung eines Feststellungsmangels - abgesehen vom hier nicht gegebenen Fall notorischer Tatsachen in Betreff eines zugunsten des Angeklagten wahrzunehmenden Feststellungsmangels (RIS-Justiz RS0116735) - erforderliche Bezugnahme auf konkrete Ergebnisse der Hauptverhandlung ab, die Anlass zu Konstatierungen in der angesprochen Richtung geboten hätten (RIS-Justiz RS0118580). Im Übrigen weist der in der Hauptverhandlung vorgekommene Akteninhalt (vgl S 403/I) darauf hin, dass der Angeklagte, wie er selbst aussagte, der Geschädigten „das Geld" erst nach seiner polizeilichen Vernehmung als Beschuldigter zurückgab (S 17/I), womit das Vorliegen eines als tätige Reue nach § 167 StGB zu beurteilenden Sachverhalts gerade nicht indiziert war.
Offen lässt die Beschwerde, warum sich das Erstgericht zu diesem Punkt des Schuldspruchs mit der Frage hätte befassen sollen, ob eine Ermächtigung der Geschädigten zur Strafverfolgung gegen ihn vorlag.
Das Vorbringen schließlich, „dass das Faktum 2 hinsichtlich Urkundenfälschung nach § 223 StGB nicht als eigener Tatbestand zu bestrafen ist, sondern aufgrund des engen inhaltlichen Zusammenhangs mit Faktum 1 sohin unter das Delikt des Amtsmissbrauchs zu subsumieren ist", wendet sich gegen einen gar nicht ergangenen Schuldspruch. Mit seiner nicht aus dem Gesetz abgeleiteten Annahme eines Scheinkonkurrenzverhältnisses, das ersichtlich die der Sache nach angesprochene Qualifikation des Betrugs nach § 147 Abs 1 Z 1 erster Fall StGB betreffen soll, ist der Angeklagte im Übrigen auf das der rechtlichen Fehlbeurteilung des zu Punkt I konstatierten Geschehens nach §§ 12 zweiter Fall, 302 Abs 1 StGB entsprechende amtswegige Vorgehen (§ 290 Abs 1 StPO) zu verweisen.
Urteilsfremd ist schließlich die Beschwerdeargumentation, die Urkundenfälschung sei „in keinster Weise kausal für den Kauf" des Pkw durch Kerstin K***** gewesen (vgl dagegen US 10 Mitte).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).
Zur amtswegigen Maßnahme
Aus Anlass der Beschwerde überzeugte sich der Oberste Gerichtshof davon, dass dem Schuldspruch Punkt I eine dem Angeklagten Franz L*****, der diesen Umstand nicht geltend gemacht hat, und dem Angeklagten Birol K*****, der keine Nichtigkeitsbeschwerde ergriffen hat, zum Nachteil gereichende, gemäß § 290 Abs 1 StPO von Amts wegen aufzugreifende Nichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO anhaftet.
Versteht man im Sinn ständiger Rechtsprechung unter „Missbrauch" der Befugnis nach § 302 Abs 1 StGB (wie auch nach § 153 Abs 1 StGB) aus dem Blickwinkel der Beteiligung (§ 14 Abs 1 zweiter Satz [zweiter Fall] StGB) zumindest bedingt vorsätzlichen Fehlgebrauch, ist nicht nach § 302 Abs 1 StGB als Bestimmungstäter strafbar, wer auf gutgläubige Befugnisausübung durch einen (über die wahre Sachlage getäuschten) Beamten hinwirkt (idS schon 10 Os 76/85 = SSt 57/45; RIS-Justiz RS0108964, RS0103984; vgl auch RIS-Justiz RS0090558; Fabrizy in WK² § 14 Rz 15 und 17, Leukauf/Steininger, Komm³ § 14 Rz 11).
Das Erstgericht legte dem Schuldspruch Punkt I die Feststellungen zu Grunde, dass Birol K***** und Franz L***** vereinbarten, dem zur Erstellung von Prüfgutachten für Kfz ermächtigten (§ 57a Abs 2 KFG) Tomislav R***** den Pkw „entgegen den Tatsachen als frei von ein positives Gutachten ausschließenden Mängeln zu präsentieren", worauf K***** „nach getroffener Vereinbarung mit Franz L***** tatsächlich den besagten Pkw" Tomislav R***** vorführte, die dem Wagen anhaftenden gravierenden Mängel verschwieg und den Wagen als tauglich für ein positives Gutachten nach § 57a Abs 4 KFG darstellte. Tomislav R***** vertraute auf die Angaben des Birol K***** und stellte am 2. Februar 2006 das inkriminierte Gutachten trotz der bestehenden gravierenden Mängel aus (US 8). Damit ist jedoch über einen vorsätzlichen Fehlgebrauch seiner Befugnis durch Tomislav R***** nichts gesagt, weshalb das Urteil im Schuldspruch der Angeklagten Birol K***** und Franz L***** wegen des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB als Bestimmungstäter nach § 12 zweiter Fall StGB (I.) und im Strafausspruch aufzuheben war.
Ein Beamter (§ 74 Abs 1 Z 4 StGB) missbraucht seine Befugnis auch dann im Sinn des § 302 Abs 1 StGB, wenn er in unvertretbarer Weise Verfahrensvorschriften missachtet (RIS-Justiz RS0096031, RS0097040; Bertel in WK² § 302 [2008] Rz 28). Die Ausstellung eines Prüfgutachtens (§ 57a Abs 4 KFG) ohne entsprechende Begutachtung - die durch den Ermächtigten oder das im Sinn des § 57a Abs 2 KFG geeignete Personal selbst, wenn auch allenfalls unter Mitwirkung anderer im Betrieb beschäftigter Personen zu erfolgen hat (VwGH 89/11/0080, VwSlg 13154 A/1990) - stellt eine solche Missachtung von Verfahrensvorschriften (§ 57a Abs 1 KFG) dar. Daher ist wegen des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB auch strafbar, wer im Wissen, dass keine entsprechende Begutachtung stattgefunden hat, ein Prüfgutachten (§ 57a Abs 4 KFG) als Beamter (§ 74 Abs 1 Z 4 StGB) ausstellt (§ 12 erster Fall StGB) oder zur Ausstellung des Gutachtens durch einen Beamten, der dabei zumindest ernstlich für möglich hält und sich damit abfindet, dass eine entsprechende Begutachtung nicht stattgefunden hat, Anstoß gibt (§§ 12 zweiter Fall, 14 Abs 1 zweiter Satz StGB; vgl Fabrizy in WK² § 12 Rz 50) oder eine solche Ausstellung sonst fördert (§§ 12 dritter Fall, 14 Abs 1 zweiter Satz StGB) und dabei den von § 302 Abs 1 StGB verlangten Schädigungsvorsatz hat (in Fällen wie dem hier in Rede stehenden: auf Schädigung des Bundes in seinem Recht, Kraftfahrzeuge wiederkehrend zu begutachten). Darauf, ob bei vorschriftsmäßiger Vorgangsweise ein anderes Resultat erzielt worden wäre, kommt es nicht an (zB 14 Os 149/99).
Feststellungen, die insoweit eine abschließende rechtliche Beurteilung zuließen, enthält das Urteil jedoch nicht, was zur Verweisung der Sache an das Erstgericht zu neuer Verhandlung und Entscheidung führt (§ 288 Abs 2 Z 3 zweiter Satz StPO).
Im zweiten Rechtsgang werden die dargelegten Voraussetzungen der Strafbarkeit der Angeklagten Birol K***** und Franz L***** nach §§ 302 Abs 1, 12 zweiter Fall, 14 Abs 1 zweiter Satz StGB zu prüfen und durch entsprechende Feststellungen zu klären sein.
Sollte sich kein zu einer solchen Strafbarkeit führendes Tatsachensubstrat ergeben, ist weiters zu beachten:
Ein Verhalten wie das zu Schuldspruch Punkt I vom Erstgericht festgestellte des Angeklagten K***** erfüllt zwar den äußeren Tatbestand des Vergehens der mittelbaren unrichtigen Beurkundung oder Beglaubigung nach § 228 Abs 1 StGB (das Gutachten stellt zufolge § 57a Abs 4 zweiter Teilsatz KFG eine öffentliche Urkunde dar), doch bedarf es zur Heranziehung jener Bestimmung auch ausreichender Feststellungen zum Tatbestandsvorsatz und zu dem von § 228 Abs 1 StGB geforderten erweiterten Vorsatz.
Nichts anderes träfe auf den Angeklagten Franz L***** zu, doch wird ein von diesem allenfalls verwirklichten Vergehen nach § 228 Abs 1 StGB infolge des späteren Gebrauchs des unrichtigen Gutachtens von jenem nach § 228 Abs 2 StGB und dieses wiederum von jenem des schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 vierter Fall StGB (vgl Schuldspruch Punkt II.) verdrängt (9 Os 112/80 = SSt 52/60). Daher wäre hinsichtlich dieses Angeklagten, falls die Tatbestandsmerkmale der Beteiligung am Missbrauch der Amtsgewalt nicht erfüllt sein sollten, der entsprechende Anklagevorwurf (s ON 11 Punkt II iVm Punkt I) mit Freispruch zu erledigen.
Die Kostenersatzpflicht des Angeklagten Franz L***** hinsichtlich des die Nichtigkeitsbeschwerde betreffenden Verfahrens beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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