OGH 14Os149/99

OGH14Os149/9914.12.1999

Der Oberste Gerichtshof hat am 14. Dezember 1999 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Massauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Mayrhofer, Dr. Holzweber, Dr. Ratz und Dr. Philipp als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Mezera als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Manfred Ferdinand R***** wegen des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 7. Juni 1999, GZ 22 Vr 2.735/98-20, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Generalprokurators Dr. Strasser und seines Vertreters, Generalanwalt Dr. Seidl, des Angeklagten und seines Verteidigers Dr. Kortschak zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird Folge gegeben und über den Angeklagten eine Freiheitsstrafe von 3 (drei) Monaten verhängt, die für eine Probezeit von 3 (drei) Jahren bedingt nachgesehen wird.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Manfred Ferdinand R***** wurde des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

Darnach hat er zumindest seit Oktober 1991 bis Oktober 1997 in Gnas als Bürgermeister dieser Gemeinde, sohin als Beamter, mit dem Vorsatz, das Land Steiermark und die Gemeinde Gnas in ihren Rechten auf Einhaltung der Verfahrensvorschriften, insbesondere des Grundsatzes der Raschheit im Ermittlungsverfahren und der Verpflichtung zur Erlassung von Bescheiden über Anträge von Parteien ohne unnötigen Aufschub, spätestens aber sechs Monate nach Einlangen (insbesondere nach §§ 39 Abs 2, 73 Abs 1 AVG), sowie auf Einhaltung der Bestimmungen der Stmk. Bauordnung, des Stmk. Baugesetzes und des Stmk. Raumordnungsgesetzes zu schädigen, seine Befugnis, im Namen der Gemeinde als deren Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, dadurch wissentlich missbraucht, dass er im Verfahren GZ 3125/1990 betreffend das Widmungs- und Bauansuchen von Alois und Rosa H***** bezüglich der Grundstücke Nr 805/1 der EZ 587 und 806/14 der EZ 657, jeweils der KG Gnas, hinsichtlich der Errichtung und Erweiterung eines Schweinestalls nach dem 21. November 1990 keine weitere Widmungs- und Bauverhandlung anberaumte, nach Einholung des Gutachtens der Agrarbezirksbehörde vom 27.(richtig: 25.) Juli 1991 untätig blieb, über das Ansuchen nicht entschied und die konsenslose Nutzung des Schweinestalles zuließ sowie nach Inkrafttreten des Stmk. BauG am 1. September 1995 es unterließ, zusätzlich im Sinne des § 40 leg. cit. festzustellen, wann das Gebäude tatsächlich errichtet wurde, ob es bewilligt wurde oder als bewilligt anzusehen ist und das Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen für eine Entscheidung über das Ansuchen bzw für eine Beseitigung des Gebäudes nicht ermittelte.

Die vom Angeklagten dagegen aus § 281 Abs 1 Z 5 und 9 lit a StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde geht fehl.

Rechtliche Beurteilung

Der Rechtsrüge (Z 9 lit a) ist zunächst dahin beizupflichten, dass ein durch Unterlassung begangener Amtsmissbrauch nur dann strafbar im Sinne des § 302 StGB ist, wenn das Untätigbleiben des Beamten der missbräuchlichen Vornahme eines Hoheitsaktes gleichwertig ist (Mayerhofer/Rieder StGB4 § 2 E 34, § 302 E 34 ff).

Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers hat jedoch das Erstgericht alle zur Beurteilung dieser Frage erforderlichen Feststellungen getroffen und davon ausgehend zu Recht die Gleichwertigkeit der dem Angeklagten vorgeworfenen Unterlassung mit einem aktiven Tun angenommen (§ 2 StGB).

Indem es der Rechtsmittelwerber als Bürgermeister der Gemeinde Gnas Jahre hindurch wissentlich pflichtwidrig unterließ, als Baubehörde erster Instanz den betreffenden Landesgesetzen entsprechende Hoheitsakte in Ansehung des konsenslos errichteten und genutzten Schweinestalles des Ehepaares H***** sowie der beantragten Erweiterung desselben zu setzen, stellt sein Verhalten eine missbräuchliche Amtsausübung im Sinne des § 302 StGB dar (vgl JBl 1992, 56), wobei sich die Gleichwertigkeit der Unterlassung im Sinne des § 2 StGB nach Lage des Falles daraus ergibt, dass die aus politischen Erwägungen gezielt gewählte Vorgangsweise (Untätigkeit) des Angeklagten im Ergebnis der missbräuchlichen Erteilung einer Widmungs- bzw Baubewilligung hinsichtlich des bereits konsenslos errichteten und genutzten Schweinestalles bzw einer missbräuchlichen Ablehnung der geplanten und beantragten Erweiterung des Schweinestalles gleichkommt.

Die Position der anzuwendenden baurechtlichen Vorschriften im Gesamtzusammenhang der Rechtsordnung hat für die Prüfung der Gleichwertigkeit ebensowenig Bedeutung, wie der Umstand, dass die Parteien im Verwaltungsverfahren die Möglichkeit haben, bei Säumnis einer Behörde einen Devolutionsantrag nach § 73 Abs 2 AVG zu stellen, wurde doch im Übrigen vorliegend ein solcher dem mit Sorge um die politische Laufbahn motivierten Gesamtplan des Angeklagten entsprechend (US 11) über seine Initiative vom Ehepaar H***** zurückgezogen (US 7).

Soweit der Beschwerdeführer weiters Feststellungen darüber vermisst, dass er wegen der äußerst unklaren und komplexen Rechtslage überfordert gewesen sei, so übersieht er, dass sich das Erstgericht mit dieser Verantwortung ohnehin ausreichend auseinandergesetzt hat, dabei aber zu dem Ergebnis gelangt ist, dass der Beschwerdeführer, der ein routinierter Gemeindepolitiker war, die mit der konsenslosen Errichtung und Benützung des Schweinestalls verbundene rechtliche Problematik erkannt und sich mit Rücksicht auf seine politische Karriere zur Untätigkeit entschlossen hat (US 10 f). Die Rechtsrüge erweist sich daher insofern bloß als unzulässige und demnach unbeachtliche Bekämpfung der erstrichterlichen Beweiswürdigung.

Gleiches gilt für die in der Beschwerde erhobene Forderung nach der Feststellung, der Schweinestall sei im Rahmen des Gesamtprojekts (Hühnerstallungen, Kottrocknungsanlage) nur von untergeordneter Bedeutung gewesen, ergibt sich doch aus den erstgerichtlichen Konstatierungen unzweifelhaft, dass die mit dem Schweinestall des Ehepaares H***** verbundene Problematik für den Angeklagten derart bedeutsam war, dass er in der Gemeinde einer Konfrontation darüber wegen erwarteter politischer Nachteile entgehen wollte (US 7, 11).

Feststellungen (Z 9 lit a) bzw Erörterungen (Z 5) darüber, ob sich auch bei pflichtgemäßer Vornahme der unterlassenen Amtshandlungen am Istzustand nichts geändert hätte bzw der Schweinestall ohnehin (möglicherweise) rechtmäßig bestehe und daher durch die Untätigkeit des Bürgermeisters kein Schaden entstanden sei, waren entbehrlich, weil sie keine entscheidungswesentlichen Umstände betreffen:

Die Gebietskörperschaft ist nämlich bereits dann in einem konkreten Recht geschädigt, wenn (wie hier) Verfahrensvorschriften, die dazu dienen, die materielle Berechtigung eines Anspruches zu beurteilen, jahrelang rundweg übergangen werden und dem Rechtsträger vorweg die Möglichkeit genommen wird, ein Projekt oder einen Antrag auf ihre Genehmigungsvoraussetzungen hin zu prüfen (Mayerhofer/Rieder aaO § 302 E 44a; JBl 1989, 263; JBl 1990, 807).

Darauf, ob bei vorschriftsmäßiger Vorgangsweise ein anderes Resultat erzielt worden wäre oder das Gebäude auf Grund der materiellen Rechtslage allenfalls rechtmäßig besteht, kommt es nicht an. Es genügt, dass die Prüfungs- und Genehmigungsinstanzen durch Übergehen von Verfahrensvorschriften völlig ausgeschaltet wurden (Mayerhofer/Rieder aaO § 302 E 44b).

Die schließlich im Rahmen der Mängelrüge (Z 5) aufgeworfene Frage, seit wann der Schweinestall tatsächlich bestand, ist für die Frage der Gleichwertigkeit der Unterlassung gleichfalls ohne Bedeutung und bedurfte daher keiner Erörterung im Urteil.

Die nicht berechtigte Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Schöffengericht verhängte über Manfred Ferdinand R***** nach § 302 Abs 1 StGB unter Anwendung des § 43a Abs 2 StGB eine Geldstrafe von 180 Tagessätzen zu je 600 S sowie eine unter Bestimmung dreijähriger Probezeit bedingt nachgesehene Freiheitsstrafe in der Dauer von vier Monaten.

Dabei wertete es den langen Tatzeitraum als erschwerend, als mildernd hingegen den bisher ordentlichen Lebenswandel des Angeklagten.

In Stattgebung der von diesem ergriffenen Berufung sah sich der Oberste Gerichtshof zu einer Herabsetzung der Strafe unter außerordentlicher Strafmilderung nach § 41 Abs 1 Z 5 StGB bestimmt, weil der Berufungswerber das Amt des Bürgermeisters nicht mehr bekleidet und sich in dieser Position mit aggressiven Methoden eines großen Betriebes sowie Anliegen der Bevölkerung und Umweltschutzgruppen konfrontiert gesehen hatte (US 16).

Rücksichten der Generalprävention verwehrten jedoch die Anwendung des § 37 StGB.

Die Kostenentscheidung ist in § 390a StPO begründet.

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