European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0130OS00025.21G.0519.000
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld werden zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft gegen den Ausspruch über die Strafe werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde Christian R***** des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 2, 148 zweiter Fall StGB (I) und mehrerer Vergehen nach § 57 Abs 1 Z 1 und 8 WeinG 2009 (II) schuldig erkannt.
[2] Danach hat er
(I) vom Sommer 2014 bis zum 22. Oktober 2015 in W***** und andernorts als Geschäftsführer der C.R***** KG gewerbsmäßig (§ 70 Abs 1 Z 3 erster Fall StGB) in Bezug auf Betrugshandlungen mit einem jeweils 5.000 Euro übersteigenden Schaden und mit dem Vorsatz, durch das Verhalten der Getäuschten sich oder die C.R***** KG unrechtsmäßig zu bereichern, Verantwortliche nachstehender Unternehmen durch Täuschung über Tatsachen, nämlich durch die Vorspiegelung, nach den im Weingesetz 2009 vorgegebenen Richtlinien hergestellten Schilcherwein, Schilchersekt oder Schilcher Frizzante zu verkaufen, obwohl er die Erzeugnisse durch die Zugabe des Farb- und Geschmacksstoffs Delphinidin‑3‑Rutinosid im Sinn des § 18 Abs 1 Z 3 WeinG 2009 verfälscht und solcherart verkehrsunfähig gemacht hatte, zu nachstehenden Handlungen verleitet, welche diese Unternehmen im übersteigenden Gesamtbetrag von 217.671,22 Euro am Vermögen schädigten, und zwar
1) der B***** AG in drei Angriffen zum Ankauf von 1.620 Flaschen zu je 6,30 Euro (Gesamtbetrag 10.206 Euro),
2) der N***** KG zum Ankauf von 336 Flaschen zu je 7,26 Euro (Gesamtbetrag 2.439,36 Euro),
3) des Einzelunternehmens G***** zum Ankauf von 240 Flaschen zu je 6,60 Euro (Gesamtbetrag 1.584 Euro),
4) der K***** GmbH in zwei Angriffen zum Ankauf von 1.854 Flaschen zu je 3,75 Euro (Gesamtbetrag 6.952 Euro),
5) der W***** GmbH & Co Vertriebs KG zum Ankauf von 300 Flaschen zu je 6,60 Euro (Gesamtbetrag 1.980 Euro),
6) der L***** GmbH zum Ankauf von 12.960 Flaschen zu je 2,77 Euro (Gesamtbetrag 35.899,20 Euro),
7) verschiedener Kleinabnehmer in einer Vielzahl von Angriffen zum Ankauf von
a) 516 Flaschen um 2.552 Euro,
b) 344 Flaschen um 1.700,27 Euro und
c) 1.947 Flaschen um 6.878,39 Euro,
8) der Weingut E***** GmbH zum Ankauf von Qualitätswein um 38.500 Euro und in mehreren Angriffen zum Ankauf von Qualitätswein um 17.000 Euro, jeweils zum Preis von 3,50 Euro pro Liter, und
9) der S***** AG in einer Vielzahl von Angriffen zum Ankauf von 16.602 Flaschen (Gesamtbetrag 58.107 Euro) und von 9.553 Flaschen (Gesamtbetrag 33.372,50 Euro) zu je 3,50 Euro pro Flasche sowie
(II) vom Jänner 2014 bis zum Dezember 2014 bei Erzeugnissen gemäß § 1 WeinG 2009 wiederholt önologische Verfahren und Behandlungen angewendet, die nicht in europäischen Rechtsvorschriften oder im Weingesetz 2009 grundsätzlich zugelassen sind, indem er den im Urteil bezeichneten Weinmengen den Farb- und Geschmacksstoff Delphinidin‑3‑Rutinosid zugab, diese in seinem Weingut lagerte sowie in Flaschen und Tanks abfüllte, und die im Sinn des § 18 Abs 1 Z 3 WeinG 2009 verkehrsunfähigen Erzeugnisse in Verkehr gebracht, indem er sie an andere überließ.
Rechtliche Beurteilung
[3] Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5, 9 (richtig) lit a, 10, 10a und 11 StPO gestützte – verfehlt als Berufung wegen Nichtigkeit bezeichnete – Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.
[4] Nach den Feststellungen des Erstgerichts entschloss sich der Angeklagte, den von ihm selbst hergestellten und den von ihm zugekauften Wein im Rahmen seines Betriebs durch die Beigabe des Farb- und Geschmacksstoffs Delphinidin‑3‑Rutinosid zu behandeln, obwohl er wusste, dass diese Behandlung ein nach den Vorschriften der Europäischen Gemeinschaft und nach dem Weingesetz nicht vorgesehenes önologisches Verfahren und somit verboten und unzulässig ist. Ebenso wusste er, dass die solcherart behandelten Schilcherweine zu verkehrsunfähigen Weinen wurden und daher keinen Marktwert hatten (US 8).
[5] Die Feststellungen zur Schadenshöhe gründete das Erstgericht auf die Ermittlungen des Landeskriminalamts Steiermark und die Aussagen der Zeugen Mag. L*****, W***** und P***** (US 17 und 18).
[6] Der Vorwurf fehlender Begründung (Z 5 vierter Fall) orientiert sich nicht an diesen Entscheidungsgründen. Solcherart ist die Mängelrüge nicht gesetzmäßig ausgeführt (RIS-Justiz RS0119370).
[7] Die Konstatierungen zum täuschungsbedingten Irrtum leitete das Erstgericht aus den Angaben der informierten Vertreter der geschädigten Unternehmen ab, wonach sie die Erzeugnisse bei Kenntnis des wahren Sachverhalts nicht erworben hätten (US 18). Unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit ist diese Ableitung mängelfrei.
[8] Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) der Entscheidungsgründe, weil sich das Erstgericht bei den Feststellungen zum Vermögensschaden der Unternehmen (US 15) nicht mit den Ausführungen des Sachverständigen zur allfälligen Verwertbarkeit nach dem Weingesetz wertloser Erzeugnisse (ON 107 S 23 ff) auseinandergesetzt habe, liegt entgegen der Beschwerde nicht vor. Ein Schaden in voller Höhe der irrtumsbedingten Leistung ist nämlich nicht nur dann eingetreten, wenn das als Gegenleistung Erhaltene generell wirtschaftlich wertlos ist, sondern auch dann, wenn es unter Beachtung opferbezogener Faktoren auf zumutbare Weise nicht verwertbar und daher objektiv betrachtet für den Bezieher wertlos ist (RIS‑Justiz RS0119371; Kirchbacher/Sadoghi in WK 2 StGB § 146 Rz 82). Zum Weiterverkauf bestimmte Waren, welche aufgrund ihrer Beschaffenheit im Übergabezeitpunkt nicht in Verkehr gebracht werden dürfen (§ 18 Abs 1 Z 3 WeinG), haben aus unternehmensbezogener Sicht keinen Wert. Es kommt auch nicht darauf an, ob der Vermögensschaden letztlich bei dem eintritt, dem er nach dem Tatplan zugedacht war. Eine allfällige Schadensüberwälzung spielt somit für den Betrugstatbestand keine Rolle (RIS‑Justiz RS0094522 [T5]; Kirchbacher/Sadoghi in WK 2 StGB § 146 Rz 59 und 60).
[9] Weshalb die Nichtaufdeckung der Manipulationen des Angeklagten bei der Untersuchung und Prüfnummernvergabe durch die Bundeskellereiinspektion der Beurteilung der Waren als verkehrsunfähig entgegenstehen sollte, macht die Rüge nicht klar. Übergangen wurde dieser Umstand – wie die Rüge selbst einräumt – vom Erstgericht keineswegs (vgl US 9).
[10] Das Motiv des Angeklagten für die Tatbegehung (US 21) ist hier weder für die Schuld- noch für die Subsumtionsfrage von Bedeutung und daher nicht entscheidend (RIS‑Justiz RS0117264). Somit versagt der darauf bezogene Einwand der Unvollständigkeit (RIS‑Justiz RS0106268).
[11] Die Feststellungen zur Verfälschung der verfahrensgegenständlichen Erzeugnisse mit weinfremden Stoffen gründete das Erstgericht auf die Aussagen der Zeugen Sch***** und Dr. W*****, auf das Ergebnis der von den Zeugen durchgeführten Standarduntersuchung und die Ausführungen des Sachverständigen Univ.‑Prof. Dr. D***** in Bezug auf das angewandte Prüfungsverfahren (US 20 f). Unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit ist diese Ableitung nicht zu beanstanden.
[12] Die Behauptung der Rüge, das Erstgericht habe sich weder mit den Angaben des Zeugen Dr. W***** noch mit den Ausführungen des Sachverständigen auseinandergesetzt, trifft nicht zu. Dass es aus den Angaben nicht die von der Beschwerde gewünschten Schlüsse zog, begründet keine Nichtigkeit (RIS‑Justiz RS0098400 [insb T8, T11 und T12]). Ein Eingehen auf sämtliche Details dieser Aussagen hätte gegen das Gebot zur gedrängten Darstellung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) verstoßen (RIS‑Justiz RS0106642). Mit eigenständigen Erwägungen zu den genannten Aussagen bekämpft die Rüge bloß die tatrichterliche Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO) nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen (§ 283 Abs 1 StPO) Schuldberufung.
[13] Die Feststellungen zum Wissen des Angeklagten um die fehlende Verkehrsfähigkeit des von ihm verfälschten Weines leitete das Erstgericht aus der Ausbildung des Angeklagten, aus seiner langjährigen Tätigkeit als Weinbauer und aus seiner Verantwortung gegenüber dem einschreitenden Kriminalbeamten ab (US 31). Diese Ableitung widerspricht weder den Denkgesetzen noch grundlegenden Erfahrungssätzen und ist solcherart aus dem Blickwinkel des § 281 Abs 1 Z 5 vierter Fall StPO mängelfrei (RIS‑Justiz RS0118317).
[14] Die Tatsache der Vergabe von Prüfnummern für die verfälschten Weine und der Umstand der allfälligen Verwertbarkeit auch der verkehrsunfähigen Weine stehen den Feststellungen zur inneren Tatseite des Angeklagten nicht entgegen. Der insoweit erhobene Einwand der Unvollständigkeit trifft somit nicht zu.
[15] Widersprüchlich im Sinn der Z 5 dritter Fall des § 281 Abs 1 StPO sind zwei Urteilsaussagen dann, wenn sie nach den Denkgesetzen oder grundlegenden Erfahrungssätzen nicht nebeneinander bestehen können (RIS‑Justiz RS0117402 [T12]).
[16] Mit Hinweisen auf die Feststellungen zum Bereicherungsvorsatz des Angeklagten (US 8) und zur Überwälzung des Schadens auf Dritte (US 16) zeigt die Rüge keinen solchen inneren Widerspruch auf.
[17] Gleiches gilt für den Vorwurf, das Gericht sei bei den Feststellungen zur subjektiven Tatseite zum Schuldspruch II einmal von „Vorsatz“ (US 10) einmal von „bedingtem Vorsatz“ (US 11) ausgegangen.
[18] Weshalb eine durch teilweisen Weiterverkauf der verkehrsunfähigen Waren eingetretene Überwälzung des Schadens auf Dritte der Strafbarkeit nach § 146 StGB entgegenstehen sollte, macht die Rechtsrüge (Z 9 lit a) nicht klar. Warum es zur Strafbarkeit nach §§ 146 ff StGB über die getroffenen Konstatierungen (US 7 bis 17) hinaus weiterer Feststellungen, nämlich zu den Absatzzahlen, zu früheren Verkaufpreisen und zur Frage des Eintritts von Qualitätsveränderungen bedurft hätte, entbehrt ebenso der geboten Ableitung aus dem Gesetz (RIS‑Justiz RS0116569).
[19] Indem die Rechtsrüge die Feststellungen zur Täuschung (US 11 bis 16) übergeht, die Konstatierungen zum Vermögensschaden (US 12 ff) und zum Bereicherungsvorsatz bestreitet (US 8) und einwendet, dass die Kunden ein geprüftes, wohlschmeckendes Produkt erstanden hätten, geht sie nicht vom Urteilssachverhalt aus und verfehlt solcherart die prozessordnungsgemäße Darstellung materiell-rechtlicher Nichtigkeit (RIS‑Justiz RS0099810).
[20] Auch die Subsumtionsrüge (Z 10) leitet ihre Argumentation, wonach die vom Schuldspruch I umfassten Taten bloß den Tatbestand des schweren gewerbsmäßigen Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 2, 148 erster Fall StGB verwirklichen würden, nicht aus dem Urteilssachverhalt ab (vgl insbesondere US 8 und 11 bis 17).
[21] Die Diversionsrüge (Z 10a) bestreitet den Eintritt eines Vermögensschadens. Solcherart entwickelt sie die Behauptung des Vorliegens der Voraussetzungen für ein diversionelles Vorgehen nicht auf der Basis des Urteilssachverhalts, womit sie sich einer inhaltlichen Erwiderung entzieht (RIS-Justiz RS0124801).
[22] Gegen den Ausspruch des Verfalls von 100.000 Euro richtet sich die Sanktionsrüge (Z 11).
[23] Nach § 20 Abs 1 StGB hat das Gericht Vermögenswerte, die für die Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung oder durch sie erlangt wurden, für verfallen zu erklären. In concreto liegt dem Angeklagten zur Last, betrügerisch verkehrsunfähige Erzeugnisse verkauft und dadurch 217.671,22 Euro lukriert zu haben, wobei das Erstgericht von diesem Betrag zu Gunsten des Angeklagten 89.374,84 Euro als Schadensgutmachung in Abzug brachte (US 41). Der Ausspruch des Verfalls eines Geldbetrags von 100.000 Euro (§ 20 Abs 3 StGB) ist durch die dargestellten Konstatierungen jedenfalls gedeckt.
[24] Dass sich der Beschwerdeführer durch das Erlangen der Vermögenswerte auch unrechtmäßig bereichert hat, ist für den Verfallsausspruch, wie die Beschwerde selbst einräumt, nicht erforderlich ( Leukauf/Steininger/Stricker , StGB 4 § 20 Rz 8).
[25] Indem die Sanktionsrüge die Herkunft des Erlöses aus einer strafbaren Handlung, insbesondere auch die Wertlosigkeit des vom Angeklagten verfälschten – und solcherart nach den Bestimmungen des Weingesetzes 2009 verkehrsunfähig gemachten – Weines bestreitet, wendet sie sich der Sache nach gegen den Schuldspruch, ohne aber an den diesbezüglichen Konstatierungen festzuhalten.
[26] Die Entscheidung des Gerichts über die Verwertung der eingezogenen Erzeugnisse obliegt keiner weiteren Überprüfung (§ 59 Abs 1 WeinG 2009).
[27] Ebenso wenig ist angebliche Verfassungswidrigkeit vom Erstgericht angewandter Gesetzesbestimmungen (hier: § 59 Abs 1 und 3 WeinG 2009) Gegenstand zulässiger Anfechtung mit Nichtigkeitsbeschwerde (RIS-Justiz RS0053859).
[28] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher ebenso bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO) wie die im schöffengerichtlichen Verfahren nicht vorgesehene (§ 283 Abs 1 StPO) Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld (§ 296 Abs 2 iVm § 294 Abs 4 StPO).
[29] Die Entscheidung über die Berufungen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft gegen den Ausspruch über die Strafe kommt dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO).
[30] Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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