European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0110OS00013.17X.0321.000
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde D***** P***** des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB schuldig erkannt.
Danach hat er am 25. September 2016 in W***** R***** H***** mit Gewalt und „gefährlicher Drohung“ (richtig: Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben) zur Vornahme des Oralverkehrs, sohin einer dem Beischlaf gleichzusetzenden Handlung genötigt, indem er sie an den Haaren packte, gegen eine Wand und auf das Bett schleuderte, aufforderte, seinen Penis in die Hand und in den Mund zu nehmen, ihr einen Polster auf das Gesicht drückte und sie mit dem Umbringen bedrohte.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richtet sich die aus Z 4, 5, 5a, 9 lit a und 11 des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.
Die Entscheidung folgt in der Beantwortung der Einwände nicht dem unorthodox gewählten Aufbau im Rechtsmittel, sondern der in § 281 Abs 1 StPO vorgesehenen Reihenfolge.
Der Verfahrensrüge (Z 4) zuwider wurde der Angeklagte durch die Abweisung von Anträgen (ON 26 S 37) nicht in seinen Verteidigungsrechten verletzt.
Die zum Nachweis der Richtigkeit der Zeitangaben des Angeklagten begehrte (ON 26 S 34 ff) Vernehmung der Zeugin K***** zielte auf keinen für die Schuld- oder die Subsumtionsfrage entscheidenden Aspekt. Zudem ließ der Antrag offen, weshalb die Kellnerin des Lokals D***** in der Lage sein sollte, Auskunft darüber zu geben, wann der Angeklagte mit H***** die im Nahbereich des Lokals gelegene Wohnung betreten habe. Dass der Schöffensenat die Schuldfrage auch im Fall des vom Beschwerdeführer behaupteten früheren Verlassens des Lokals, früheren Betretens der Wohnung, selbständigen Entkleidens der R***** H***** sowie einer nicht sofortigen Bekanntgabe des Einschreitens als Polizeibeamte bei deren Anklopfen an die Wohnungstüre keiner anderen Lösung zugeführt hätte, sprach er unmissverständlich aus (ON 26 S 37; US 5, 8). In der Nichtdurchführung darauf abzielender Beweisaufnahmen liegt schon deshalb kein Verfahrensmangel (RIS‑Justiz RS0099135 [T8]).
Welche für die Lösung der Schuld- oder der Subsumtionsfrage entscheidenden Erkenntnisse daraus sonst gewonnen werden hätten können, ließ der Antrag nicht erkennen.
Angesichts der durch Lichtbildmaterial objektivierten Verletzungsspuren der R***** H***** im Bereich des Gesichts, des Halses und der Brust (US 6) betraf die zur Abklärung einer weiteren Wunde am Hinterkopf begehrte Einholung eines Gutachtens zum Beweis dafür, dass diese „von einem Sturz und Aufhauen auf den Hinterkopf,“ und – im Sinne der Verantwortung des Angeklagten – gerade nicht durch einen Stoß mit nachfolgendem Anschlagen des Kopfes der Frau an der Wand hervorgerufen wurde (ON 26 S 36), keinen entscheidenden Aspekt.
Nach dem Inhalt des Protokolls über die Hauptverhandlung sprach sich der Verteidiger ausdrücklich gegen die Verlesung der Aussage der Zeugin K***** und die Verlesung des Aktenvermerks vom 25. September 2016 aus. In der Folge wurde vom Vorsitzenden „einverständlich der wesentliche Akteninhalt zusammenfassend dargetan“. Klargestellt wurde dabei, dass die Aktenstücke, deren Verlesung sich der Verteidiger widersetzt hatte, weder verlesen wurden noch vom Vortrag des wesentlichen Akteninhalts umfasst waren (ON 26 S 38).
Mit der Kritik der Mängelrüge, das Protokoll lasse nicht erkennen, welche Aktenteile tatsächlich verlesen und vorgetragen worden seien, wird der geltend gemachte Nichtigkeitsgrund (Z 5 vierter Fall) nicht deutlich und bestimmt bezeichnet (vgl RIS‑Justiz RS0110681 [T1]).
Der Einwand der Rüge, aus dem Widerspruch des Verteidigers könne keine Zustimmung des Angeklagten zur Verlesung anderer Aktenstücke abgeleitet werden, entzieht sich, weil er nicht vom (ungerügt) protokollierten Einverständnis (ON 26 S 38) zum Vortrag des wesentlichen Akteninhalts ausgeht, einer inhaltlichen Erwiderung.
Weshalb weder der erhebliche Inhalt der Protokolle über frühere Aussagen des Angeklagten noch die Verletzungsdokumentation vom Vortrag des Vorsitzenden umfasst gewesen sein sollen (ON 26 S 38), erklärt die Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) mit dem Hinweis auf die unklare Protokollierung nicht.
Klargestellt sei aber, dass das Vorkommen früherer Aussagen des Angeklagten (ON 7 S 5; ON 2 S 55 ff) von § 245 StPO geregelt wird. Einer Zustimmung zur Verlesung bedarf es im Fall des Abweichens des Angeklagten von früheren Aussagen gerade nicht (§ 245 Abs 1 letzter Satz StPO). Die Verletzungsdokumentation (ON 4 S 76 ff) musste vom Vorsitzenden als gemäß § 252 Abs 2 StPO für die Sache bedeutsames Schriftstück vorgelesen werden. Eines Einverständnisses bedurfte es auch hierfür nicht.
Die Feststellungen zur Willensbeugung (also zur fehlenden Freiwilligkeit) leitete das Erstgericht aus den für glaubwürdig befundenen Angaben der von den Tathandlungen betroffenen R***** H***** ab, die sowohl mit den durch Lichtbilder dokumentierten Verletzungen als auch mit der Aussage des aus der Nachbarwohnung Hilferufe wahrnehmenden Zeugen M***** J***** in Einklang stehen (US 6, 7, 8). Dass sich R***** H***** (aus Angst) zunächst passiv verhielt, blieb vom Schöffensenat nicht unberücksichtigt (US 5).
Der Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) zuwider ist die aus dem äußeren Geschehen, insbesondere aus der Anwendung von Gewalt erfolgte Ableitung der Feststellungen zur inneren Tatseite (US 10) unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit nicht zu beanstanden (RIS‑Justiz RS0116882, RS0098671). Indem der Beschwerdeführer aus dem zunächst passiven Verhalten der H***** in Bezug auf den Oralverkehr für sich günstige Schlüsse zieht, zeigt er keinen Begründungsmangel auf, sondern bekämpft die tatrichterliche Beweiswürdigung nach Art einer im schöffengerichtlichen Verfahren gesetzlich nicht vorgesehenen Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld.
Die leugnende Einlassung des Angeklagten wurde vom Schöffensenat entgegen dem Beschwerdevorbringen keineswegs übergangen (Z 5 zweiter Fall), sondern als unglaubwürdig verworfen (US 7). Einer Auseinandersetzung mit all ihren von der Mängelrüge relevierten Details bedurfte es dabei nicht (RIS-Justiz RS0098642 [T1]).
Mit dem Verweis auf das Vorbringen der– wesensmäßig verschiedenen – Mängelrüge macht die Tatsachenrüge (Z 5a) den Nichtigkeitsgrund nicht deutlich und bestimmt geltend (RIS-Justiz RS0115902; vgl auch RS0116733).
Erhebliche Bedenken (RIS-Justiz RS0119583) gegen die Richtigkeit des Ausspruchs über entscheidende Tatsachen (Z 5a) weckt die Tatsachenrüge beim Obersten Gerichtshof weder mit der Bezugnahme auf den zunächst fehlenden aktiven Widerstand der R***** H***** noch mit dem Hinweis auf die leugnende Verantwortung des Angeklagten, der „lediglich härtere Sexualpraktiken an den Tag gelegt haben will“.
Eine Verurteilung wegen Vollendung statt des angeklagten Versuchs (ON 17) verändert den rechtlichen Charakter der Tat nicht. Inwiefern die Verteidigung des weder Oral- noch Vaginalverkehr in Abrede stellenden (ON 2 S 57 iVm ON 26 S 4) Angeklagten bei entsprechender Information darüber eine andere gewesen wäre, macht die Rüge (Z 8) nicht klar.
Weshalb es zur anklagedifformen Annahme der Vollendung der Tat einer Ausdehnung der Anklage bedurft hätte, obwohl das Gericht bei der Urteilsfällung an den unter Anklage gestellten Lebenssachverhalt, nicht aber an die rechtliche Beurteilung der Tat durch den Ankläger gebunden und diese Erscheinungsform der Tat für die Lösung der Schuld- und der Subsumtionsfrage nicht von Bedeutung ist (vgl RIS-Justiz RS0097725, RS0122137, RS0122138), erklärt das Vorbringen nicht.
Indem die Rechtsrüge (Z 9 lit a) nicht auf Basis der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO), sondern des Referats der entscheidenden Tatsachen (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) argumentiert und Feststellungen bestreitet, verfehlt sie den gesetzlichen Bezugspunkt der Anfechtung (vgl Ratz , WK‑StPO § 281 Rz 584). Das nicht an der Gesamtheit der Entscheidungsgründe orientierte Vorbringen entzieht sich zur Gänze einer meritorischen Erwiderung (RIS‑Justiz RS0099810). Weshalb die Feststellungen, wonach der Angeklagte darauf zielte, R***** H***** gewaltsam und durch Drohung mit dem Umbringen zunächst zu einem Hand‑ und Oralverkehr und in der Folge auch zu einem Vaginalverkehr gegen ihren Willen zu nötigen (US 6), die rechtliche Annahme der subjektiven Tatseite des § 201 Abs 1 StGB nicht tragen sollten, entbehrt der gebotenen Ableitung aus dem Gesetz. Die weitere Behauptung, das Erstgericht habe durch Verwendung der Worte „gegen den Willen“ „verba legalia“ verwendet, verabsäumt den gebotenen Vergleich mit dem Gesetz.
Klargestellt sei, dass der festgestellte Wille des Angeklagten, R***** H***** durch Gewalt und durch Drohung mit dem Tod gegen ihren Willen sowohl zum Oral- als auch zum Vaginalverkehr zu zwingen, was ihm lediglich in Bezug auf die dem Beischlaf gleichzusetzende Handlung gelang (US 5, 6), in formeller und materieller Hinsicht nur eine Tat begründen. Im Fall einer einzigen Tat ist die Anklage mit dem Schuldspruch erledigt. Der Versuch des Beschwerdeführers, einzelne vom Erstgericht festgestellte, aber im Referat der entscheidenden Tatsachen nicht erwähnte Aspekte der Tat als vom „Schuldspruch“ (§ 260 Abs 1 Z 2 StPO) nicht umfasst zu sehen, geht damit bereits im Ansatz fehl. Im Übrigen sei auch darauf hingewiesen, dass es zur Annahme von Kausalität zwischen dem Einsatz von Gewalt und der Erreichung des Nötigungsziels genügt, wenn das Opfer aus Furcht vor (weiterer) Gewalt von Gegenwehr absieht oder seinen Widerstand aufgibt, weil es diesen für nutzlos oder für gefährlich hält ( Philipp in WK² StGB § 201 Rz 17, Leukauf/Steininger/Tipold StGB 4 § 201 Rz 17; RIS‑Justiz RS0095240 [T2]).
Indem die Sanktionsrüge (Z 11 zweiter Fall) die Annahme von Versuch anstrebt, dabei aber die in Bezug auf den Oralverkehr festgestellte Erreichung des Nötigungsziels übergeht (US 5), verfehlt sie die prozessförmige Darstellung des geltend gemachten materiell-rechtlichen Nichtigkeitsgrundes.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde folgt (§§ 285i, 498 Abs 3 StPO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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