European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:010OBS00088.17I.0913.000
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
1.1 Ob die Verbindung von Rechtsstreiten zur gemeinsamen Verhandlung im Sinn des § 187 ZPO angeordnet wird, ist – vom hier nicht vorliegenden Fall einer zwingend vorgeschriebenen Prozessverbindung abgesehen – eine Ermessensentscheidung ( Höllwerth in Fasching/Konecny II/3³ § 187 ZPO Rz 28 mwH). Die Wirkung der Verbindung erschöpft sich darüber hinaus in der gemeinsamen Verhandlung und – allenfalls – gemeinsamen Entscheidung der Sache (ausführlich 3 Ob 170/08h). Durch die Verbindung wird die grundsätzliche Selbständigkeit der einzelnen Prozesse nicht beseitigt. Aus ihr resultiert keine Einheit der betreffenden Rechtssache (vgl RIS‑Justiz RS0036717; Höllwerth in Fasching/Konecny II/3³ § 187 Rz 4 mwH). Dass das Berufungsgericht sein Verfahren nicht mit dem ebenfalls die Frage des Vorliegens einer Berufskrankheit des Klägers behandelnden Berufungsverfahren AZ 7 Rs 16/17b des Berufungsgerichts (10 ObS 83/17d) verband, ist nicht anfechtbar (6 Ob 218/11v) und begründet weder eine Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens (RIS‑Justiz RS0037226), noch eine vom Revisionswerber behauptete unrichtige rechtliche Beurteilung durch das Berufungsgericht.
1.2 Eine Veranlassung für die Verbindung dieses Revisionsverfahrens mit dem Revisionsverfahren im genannten „Parallelverfahren“ (10 ObS 83/17d) besteht schon im Hinblick auf die Unzulässigkeit der außerordentlichen Revision nicht.
2. Der Kläger hat die von ihm behauptete Verletzung der Pflicht zur amtswegigen Beweisaufnahme gemäß § 87 Abs 1 ASGG in seiner Berufung nicht als primäre Mangelhaftigkeit des Verfahrens erster Instanz geltend gemacht, sodass dies in der Revision nicht nachgeholt werden kann (RIS‑Justiz RS0043111 ua).
3.1 Ein Verstoß gegen § 87 Abs 1 ASGG kann, wenn nach dem Inhalt der Prozessakten erheblich erscheinende, also entscheidungswesentliche Tatsachen nicht festgestellt wurden, zu einer im Rahmen der Rechtsrüge geltend zu machenden und in deren Erledigung wahrzunehmenden Unvollständigkeit der Sachgrundlage führen (RIS‑Justiz RS0043061 [T2]). Das Erstgericht konnte nicht feststellen, dass die beim Kläger bestehende Lungenerkrankung (chronisch‑obstruktive Atemwegs-erkrankung [COPD] Grad II/III; Lungenemphysem; weitreichende Allergisierung) durch seine berufliche Tätigkeit in einem Stahlwerk bedingt ist. Wie bereits in der Berufung rügt der Kläger auch in seiner außerordentlichen Revision eine durch eine behauptete Verletzung des § 87 Abs 1 ASGG bewirkte Unvollständigkeit der Tatsachengrundlage. Er habe bereits in dem dem Verfahren zugrunde liegenden Antrag 15 Berufskrankheiten konkret präzisiert, zu denen amtswegig Beweise aufzunehmen gewesen wären.
3.2 Nach § 177 Abs 1 ASVG gelten die in der Anlage 1 zum ASVG bezeichneten Krankheiten unter den dort angeführten Voraussetzungen nur dann als Berufskrankheiten, wenn sie durch Ausübung der die Versicherung begründenden Beschäftigung in einem in Spalte 3 der Anlage bezeichneten Unternehmen verursacht sind. Voraussetzung für die Anerkennung als Berufskrankheit ist daher, dass die Erkrankung des Versicherten mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ursächlich auf die betrieblichen Einwirkungen zurückzuführen ist (10 ObS 29/95, SSV‑NF 9/23 ua; RIS‑Justiz RS0084375). Die objektive Beweislast dafür trifft den Versicherten (RIS‑Justiz RS0043249).
3.3 Um Härten eines unzumutbaren Beweisnotstands für den Versicherten zu vermeiden, sind nach ständiger Rechtsprechung besonders im Verfahren über einen sozialversicherungsrechtlichen Anspruch aus Arbeitsunfällen oder Berufskrankheiten die Regeln des sogenannten Anscheinsbeweises modifiziert anzuwenden (RIS‑Justiz RS0110571 ua). Die Zulässigkeit des Anscheinsbeweises beruht darauf, dass bestimmte Geschehensabläufe typisch sind und es daher wahrscheinlich ist, dass auch im konkreten Fall ein derartiger gewöhnlicher und nicht ein atypischer Ablauf gegeben ist (RIS‑Justiz RS0040266 ua).
3.4 Der Oberste Gerichtshof darf im Rahmen der rechtlichen Beurteilung nur prüfen, ob in einem bestimmten Fall ein Anscheinsbeweis zulässig ist. Ob er erbracht oder erschüttert worden ist, ist hingegen eine vom Revisionsgericht nicht mehr überprüfbare Beweisfrage (RIS‑Justiz RS0086050 [T2, T11]; RS0022624). Die Entkräftung des Anscheinsbeweises geschieht durch den Beweis, dass der typisch formelhafte Geschehensablauf im konkreten Fall nicht zwingend ist, sondern, dass die ernste Möglichkeit eines anderen Geschehensablaufs besteht. In Sozialrechtssachen ist nach der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats der Anscheinsbeweis nur dann entkräftet, wenn dem atypischen Geschehensablauf zumindest die gleiche Wahrscheinlichkeit zukommt (10 ObS 146/07d, SSV‑NF 22/1, RIS‑Justiz RS0040266 [T9]), wie der Revisionswerber selbst ausführt.
3.5 Das Berufungsgericht ist hier ohnehin, wie vom Kläger begehrt, von einem Fall der Anwendbarkeit des Anscheinsbeweises ausgegangen. Seine auf die Ausführungen der vom Erstgericht beigezogenen Sachverständigen aus dem Fachgebiet der Pulmologie gestützte Beurteilung, dass dieser im konkreten Fall misslungen sei, weil die beim Kläger bestehenden Beeinträchtigungen der Atemwege auf persönlichen Faktoren beruhen (anlagebedingte Inhalationsallergie; langjähriger Nikotinabusus), während es im hohen Maße unwahrscheinlich sei, dass dieser gesundheitliche Zustand durch die Schadstoffbelastung am Arbeitsplatz verursacht worden sei, ist eine vom Obersten Gerichtshof nach den dargestellten Grundsätzen nicht mehr überprüfbare Beweiswürdigungsfrage. Mit der gegenteiligen Behauptung, ihm sei der Anscheinsbeweis gelungen, zeigt der Revisionswerber daher ebenfalls keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO auf.
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