OGH 10ObS29/95

OGH10ObS29/9528.2.1995

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kropfitsch als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier und Dr.Ehmayr als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Martin Meches (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Herbert Lohr (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Stefanie D*****, Pensionistin, ***** vertreten durch Dr.Harald Mlinar, Rechtsanwalt in St.Veit/Glan, wider die beklagte Partei Allgemeine Unfallversicherungsanstalt, 1200 Wien, Adalbert Stifter-Straße 65, wegen Versehrtenrente, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 1.Dezember 1994, GZ 7 Rs 83/94-14, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 28.März 1994, GZ 32 Cgs 99/93k-10, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Klägerin hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Rechtliche Beurteilung

Die im angefochtenen Urteil enthaltene rechtliche Beurteilung der Sache zur Frage des ursächlichen Zusammenhanges einer berufsbedingten Strahleneinwirkung mit der Erkrankung der Klägerin ist zutreffend, weshalb es ausreicht, auf deren Richtigkeit hinzuweisen (§ 48 ASGG; vgl auch SSV-NF 5/140 = JBl 1992, 469).

Ergänzend ist den Revisionsausführungen der Klägerin entgegenzuhalten:

Nach § 177 Abs 1 ASVG gelten die in der Anlage 1 zum ASVG bezeichneten Krankheiten (also auch Erkrankungen durch ionisierende Strahlen nach Lfd Nr 16 der Liste der Berufskrankheiten) unter den dort angeführten Voraussetzungen nur dann als Berufskrankheiten, wenn sie durch Ausübung der die Versicherung begründenden Beschäftigung in einem in Spalte 3 der Anlage bezeichneten Unternehmen verursacht sind. Dabei bedeutet die Bezeichnung einer bestimmten Krankheit als Berufskrankheit nur, daß sie rechtlich generell geeignet ist, eine Berufskrankheit zu sein; im Einzelfall ist sie das nur, wenn ihre Ursache im Sinne der Theorie der wesentlichen Bedingung in der versicherten Tätigkiet liegt (vgl SSV-NF 8/18). Die allgemeine berufliche Gefährdung ersetzt also nicht die Notwendigkeit des haftungsbegründenden Zusammenhanges im Einzelfall: Er muß - wie beim Arbeitsunfall - als wahrscheinlich nachgewiesen werden; die bloße Möglichkeit eines Kausalzusammenhanges genügt nicht (Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung II 58. Nachtrag 490 m II; Ricke im Kasseler Kommentar § 551 RVO 11 RZ 7; Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit5 85; ebenso B. Moser, Der Nachweis von Schädigungen durch ionisierende Strahlen, ÖJZ 1986, 65, 73, 74). Wohl gibt es hier keine subjektive Beweisführungslast, doch geht die objektive Beweislast hinsichtlich der rechtsbegründenden Tatsachen zu Ungunsten des klagenden Versicherten. Da die Tatsacheninstanzen alle Mittel zur Aufklärung des Sachverhaltens zu erschöpfen haben (§ 87 Abs 1 ASGG), fallen bei Unaufklärbarkeit eines wesentlichen Umstands die Folgen der objektiven Beweislosigkeit dem, der eine günstige Rechtsfolge geltend macht, nur dann, aber auch stets dann zur Last, wenn der genannte Nachweis nicht zu erbringen ist. Dabei kann es keinen Unterschied machen, ob die Unmöglichkeit des Nachweises in den besonderen Umständen des Einzelfalls, insbesondere in einer nicht zu behebenden Unklarheit hinsichtlich des Unfallsherganges oder in der generellen Eigenart des Leidens wurzelt, das mit der versicherten Tätigkeit in Zusammenhang gebracht wird; in dem einen wie dem anderen Fall muß der Beweisfällige eine Ablehnung seines Begehrens hinnehmen, obgleich nicht mit letzter Sicherheit ausgeschlossen werden kann, daß der Anspruch in Wahrheit doch begründet ist.

Auch die Besonderheiten einer Strahlengefährdung rechtfertigen keine andere Beurteilung. Allerdings mag eine Beschäftigung wie die der Klägerin (Röntgenassistentin) das Risiko einer Erkrankung durch ionisierende Strahlen erhöhen. Voraussetzung der Entschädigung ist aber auch hier, daß das Leiden mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ursächlich auf die betrieblichen Einwirkungen zurückzuführen ist. Kann eine solche Wahrscheinlichkeit nicht festgestellt werden, so trifft die objektive Beweislast den Kläger bzw die Klägerin; es kommt aber zu keiner Umekehrung der Beweislast (ebenso bei vergleichbarer Rechtslage das deutsche Bundessozialgericht SozR 2200 § 551 Nr 1; Brackmann aaO 490 n; Ricke aaO). Der gegenteiligen Auffassung der Revisionswerberin (ebenso ohne nähere Begründung Moser aaO 71), wonach das Listensystem der Berufskrankheiten - von der Beweislast aus gesehen - die Aufstellung einer Kausalitätsvermutung bedeute, die nur dadurch widerlegt werden könne, daß der beklagte Versicherungsträger eine andere Krankheitsursache als wahrscheinlich dartue, ist nicht zu folgen. Eine solche Beweiserleichterung wurde zwar in der Lehre diskutiert, jedoch überwiegend abgelehnt: Es würde gegen die Regeln des Zivil- und Sozailrechts wie auch gegen den Grundgedanken der Unternehmerhaftung verstoßen, wollte man die vielfältigen Gefähdungen und Risiken aus der Umwelt, aus dem privaten Umfeld mit all seinen unterschiedlichen Lebensgewohnheiten und dem beruflichen Alltag zunächst etwa im Wege einer Beweislastumkehr in die Arbeitswelt verlegen (Schönberger/Mehrtens/Valentin aaO mwN bei FN 187).

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.

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