OGH 10ObS65/12z

OGH10ObS65/12z26.6.2012

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden, die Hofräte Dr. Fellinger und Dr. Hoch sowie die fachkundigen Laienrichter MMag. DDr. Hubert Fuchs und Werner Rodlauer (beide aus dem Kreis der Arbeitgeber) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei I***** D*****, vertreten durch Dr. Reinhard Tögl Rechtsanwaltsgesellschaft mbH in Graz, gegen die beklagte Partei Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft, Wiedner Hauptstraße 84-86, 1051 Wien, wegen Höhe der Witwenpension, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 24. Februar 2012, GZ 7 Rs 7/12x-13, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits- und Sozialgericht vom 19. September 2011, GZ 28 Cgs 104/11w-9, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass die Entscheidung zu lauten hat wie folgt:

„1. Das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der Klägerin eine Witwenpension im gesetzlichen Ausmaß seit 15. 7. 2010 zu bezahlen, besteht dem Grunde nach zu Recht.

2. Der beklagten Partei wird aufgetragen, der Klägerin ab 1. 8. 2010 bis zur Erlassung des die Höhe der Leistung festsetzenden Bescheides eine vorläufige Zahlung von 620 EUR monatlich, abzüglich bereits geleisteter Zahlungen zu erbringen, und zwar die bis zur Zustellung des Urteils fälligen, über die bisherigen Pensionszahlungen hinausgehenden Beträge binnen 14 Tagen, die weiteren jeweils im Nachhinein am Ersten des Folgemonats.“

Die beklagte Partei ist weiters schuldig, der Klägerin zu Handen des Klagevertreters die mit 1.685,36 EUR (darin enthalten 280,88 EUR USt und 1,80 EUR Barauslagen) bestimmten Verfahrenskosten binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die am 23. 10. 1984 zwischen der Klägerin und Erich D***** geschlossene Ehe wurde mit Beschluss des Bezirksgerichts D***** vom 14. 5. 2008, 6 C 55/08i gemäß § 55a EheG im Einvernehmen geschieden. Im Scheidungsfolgenvergleich verpflichtete sich Erich D*****, an die Klägerin einen Unterhalt von monatlich 500 EUR zu zahlen. Die Klägerin und Erich D***** sind je zur Hälfte Miteigentümer der Liegenschaft EZ ***** KG ***** bestehend aus dem Grundstück Nr 537/2 mit dem darauf errichteten Einfamilienhaus .24/1, O***** 29, *****, das die gemeinsame Ehewohnung war. Im Scheidungsfolgenvergleich trafen sie betreffend diese Ehewohnung folgende Vereinbarung:

„... Die Antragsteller sind je zur Hälfte ideelle Miteigentümer der Liegenschaft EZ *****, KG *****, betreffend aus dem Grundstück 537/2 mit dem darauf errichteten Einfamilienhaus .24/1, O***** 29,*****, welches auch die Ehewohnung darstellt. Die Antragsteller vereinbaren, dass diese weiterhin gemeinsam die Ehewohnung mit der Anschrift O***** 29, ***** bewohnen werden. ...“

Bereits vor der Scheidung, im Zusammenhang mit dem Scheidungsvergleich, vereinbarte Erich D***** mit der Klägerin außergerichtlich, dass er, so lange die Klägerin im Haus O***** 29 wohnt, weiterhin zur Gänze für alle Betriebskosten für das Haus aufkommt. Diese Vereinbarung traf er, weil ihm daran lag, dass die Klägerin seine Bedingungen für die einvernehmliche Scheidung akzeptiert.

Nach der Scheidung verzog Erich D***** im Juni 2008 auf die Insel La Palma (Spanien). Dort begründete er eine neue private und wirtschaftliche Existenz. Die ehemalige gemeinsame Wohnung bewohnte er seit der Scheidung nicht mehr. Er verfügte in den Jahren 2004 bis 2008 über Einkünfte aus selbständiger Arbeit und Gewerbebetrieb zwischen insgesamt 60.000 und 80.000 EUR. Bis zu seinem Ableben (am 14. 7. 2010 in Spanien) war er Hauptgesellschafter und handelsrechtlicher Geschäftsführer der A***** Gesellschaft mbH in G*****, FN *****. Aufgrund seiner Geschäftsführertätigkeit war er etwa zwei bis dreimal pro Jahr in Österreich und wohnte in dieser Zeit „in der Firma“. Anlässlich dieser Aufenthalte übergab ihm der Sohn der Klägerin, Pietro K*****, der bei der genannten Gesellschaft beschäftigt ist, von der Klägerin vorbereitete Aufstellungen über von ihr ausgelegte Kosten betreffend Materialien, Reparatur- und Renovierungsarbeiten für das Haus O***** 29. Erich D***** bezahlte während seiner Aufenthalte in Österreich der Klägerin im Zeitraum 13. 7. 2009 bis 2. 6. 2010 zusätzlich zum vereinbarten Unterhalt von 500 EUR folgende Kosten, die auch die monatlichen Kontoüberweisungen umfassen:

Am 25. 6. 2009 für die Monate Juli bis September 2009: 2.795 EUR;

am 22. 2. 2010 für die Monate Oktober 2009 bis Jänner 2010: 1.878 EUR;

am 2. 6. 2010 für die Monate Februar bis Juni 2010: 4.559 EUR. Daraus errechnet sich für den Zeitraum zwischen der Scheidung und dem Ableben des Versicherten ein durchschnittlicher monatlicher Beitrag an Material-, Reparatur- und Renovierungskosten von rund 90 EUR.

Erich D***** übergab bei seinen Aufenthalten in Österreich dem Sohn der Klägerin sämtliche nicht per Überweisung gezahlten Geldbeträge (auch die monatlichen Unterhaltszahlungen von 500 EUR) in bar. Die laufenden monatlichen Ausgaben betreffend das gemeinsame Wohnhaus wurden auch nach der Scheidung weiter über die Konten des Erich D***** abgewickelt und überwiesen. Insgesamt betrugen seine durchschnittlichen regelmäßigen Geldleistungen an die Klägerin für das gemeinsame Haus 672,54 EUR monatlich, wovon 437,75 EUR auf verbrauchsabhängige und 234,79 EUR auf verbrauchsunabhängige Betriebskosten entfielen. Der auf den Hälfteanteil der Klägerin entfallende, regelmäßig von ihm geleistete monatliche Beitrag für verbrauchsunabhängige Betriebskosten errechnet sich mit 117,39 EUR.

Diesen (Betriebs-)Kostenbeitrag von 672,74 EUR pro Monat leistete der inzwischen Verstorbene Erich D***** regelmäßig ab der Scheidung (6. 5. 2008) bis zu seinem Ableben (14. 7. 2010), und zwar zusätzlich zu dem im Scheidungsvergleich festgelegten Unterhalt von 500 EUR monatlich. Dem Hälfteanteil der Klägerin entsprechend hat er den auf die verbrauchsunabhängigen Betriebskosten entfallenden Anteil von 117,39 EUR und den auf die verbrauchsabhängigen Betriebskosten entfallenden Anteil von 473,75 EUR zuzüglich der unstrittigen 500 EUR aus dem Scheidungsvergleich, also monatlich 1.055,14 EUR, bezahlt.

Die Klägerin war im Unternehmen des Erich D***** fast 20 Jahre lang angestellt. Mit ihrer Pensionierung im Jahr 2008 wurde das Beschäftigungsverhältnis aufgelöst. Seit 1. 10. 2008 bezieht sie eine Alterspension von 1.150,96 EUR netto monatlich (Stand 1. 1. 2011) von der Pensionsversicherungsanstalt.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 31. 1. 2011 stellte die beklagte Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft unter Bedachtnahme auf den Unterhaltsanspruch der Klägerin die Witwenpension ab 15. 7. 2010 mit monatlich 500 EUR fest.

Die dagegen erhobene Klage ist auf Pensionsgewährung ab 15. 7. 2010 „in gesetzlicher Höhe“ gerichtet. Der verstorbene Ex-Ehemann der Klägerin habe neben der Unterhaltsverpflichtung von 500 EUR monatlich seit der Scheidung noch zahlreiche weitere regelmäßige Zahlungen für die Klägerin im Ausmaß von rund 830 EUR pro Monat geleistet. Darin seien unter anderem Fernsehgebühren, Ölkosten, Gemeindeabgaben, Wasserkosten, Stromkosten und Versicherungskosten enthalten. Die Unterhaltszahlungen des Erich D***** an die Klägerin seien von der beklagten Partei nicht vollständig berücksichtigt worden. Auch diese Zahlungen seien als Unterhalt zu werten, weil sie regelmäßig über einen Zeitraum von mehr als zwei Jahren seit der Scheidung geleistet worden seien und andernfalls von der Klägerin hätten übernommen werden müssen. Die tatsächlichen Unterhaltsleistungen an die Klägerin hätten ca 1.330 EUR monatlich betragen, weshalb ihre Witwenpension richtigerweise mit diesem Betrag begrenzt sei.

Die beklagte Partei beantragte die Klage, soweit eine Witwenpension von mehr als 500 EUR monatlich begehrt werde, abzuweisen. Es habe ein Unterhaltsanspruch und eine Unterhaltsleistung von 500 EUR bestanden. Die von der Klägerin darüber hinaus behaupteten Zahlungen seien nicht als Unterhaltsansprüche bzw Unterhaltsleistungen zu werten.

Das Erstgericht verpflichtete die beklagte Partei, der Klägerin ab 15. 7. 2010 eine Witwenpension von monatlich 1.055,14 EUR zu zahlen. Es stellte noch fest, aus den Kontobelegen der Jahre 2008 bis 2010 gehe hervor, dass monatliche Leistungen für das gemeinsame Haus regelmäßig an die Klägerin überwiesen worden seien, welche GIS-Gebühren, Stromkosten, Gemeinde- und Wasserabgaben, Kehrgebühren, Kosten für die Hausversicherung und Heizungskosten umfasst hätten.

In rechtlicher Hinsicht vertrat das Erstgericht den Standpunkt, bei Berechnung der Höhe der Witwenpension sei gemäß § 136 Abs 4 lit d GSVG (§ 258 Abs 4 lit d ASVG) neben dem im Scheidungsvergleich vereinbarten Unterhaltsbetrag von 500 EUR monatlich auch der regelmäßig von Erich D***** seit der Scheidung (6. 5. 2008) bis zu seinem Ableben (14. 7. 2010) geleistete Kostenbeitrag von 672,54 EUR monatlich zu berücksichtigen. Die verbrauchsunabhängigen Betriebskosten (234,79 EUR) seien entsprechend den Miteigentumsanteilen der Klägerin aufzuteilen, sodass sich 117,39 EUR monatlich errechneten. Aus diesem Betrag zuzüglich der gesamten verbrauchsabhängigen Betriebskosten von 437,75 EUR monatlich (die mangels eines dem Versicherten zuzurechnenden Verbrauchs nicht iSd § 839ABGB aufzuteilen seien) und unter Einbeziehung der unstrittigen 500 EUR aus dem Scheidungsvergleich ergäbe sich eine Witwenpension von insgesamt 1.055,14 EUR.

Das Berufungsgericht änderte das Ersturteil dahin ab, dass es die Beklagte schuldig erkannte, der Klägerin ab 15. 7. 2010 die bereits bescheidmäßig zuerkannte Witwenpension von 500 EUR monatlich zu zahlen. Das Mehrbegehren, die Beklagte zu einer höheren Witwenpension zu verpflichten, wies es ab und sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei. Es übernahm den vom Erstgericht festgestellten Sachverhalt, erkannte jedoch der Rechtsrüge insoweit Berechtigung zu, als eine kumulative Anwendung der Bestimmungen des § 136 Abs 4 lit b und lit d GSVG nicht in Betracht komme. Nach den getroffenen Feststellungen hätten die Klägerin und Erich D***** im Zusammenhang mit dem Scheidungsvergleich vor der Scheidung vereinbart, dass Erich D***** weiterhin zur Gänze für alle Betriebskosten für das Haus O***** 29 aufkomme, solange die Klägerin dieses bewohne. In diesem Zusammenhang sei zu berücksichtigen, dass nach ständiger Rechtsprechung nur eine vertragliche Unterhaltsverpflichtung, die auf eine Unterhaltsleistung bestimmter oder bestimmbarer Höhe laute, den Tatbestand des § 136 Abs 4 GSVG (§ 258 Abs 4 ASVG) erfülle, weil der vereinbarte Unterhalt für die Höhe der Witwenpension maßgebend sei (SSV-NF 4/75 ua). Um Manipulationsmöglichkeiten zu Lasten der Sozialversicherungsträger zu verhindern, müsse unter anderem die Unterhaltshöhe aus dem Titel bestimmt oder leicht bestimmbar hervorgehen (RIS-Justiz RS0085196). Mit der leichten Bestimmbarkeit sei der Fall angesprochen, dass die Anspruchshöhe ohne weiteren Verfahrensaufwand und insbesondere ohne Durchführung eines Beweisverfahrens unmittelbar bestimmbar sei (10 ObS 169/01b). Die hier zu beurteilende Vereinbarung der Klägerin mit Erich D***** entspreche diesen Voraussetzungen nicht. Die pauschale Vereinbarung, weiterhin die Betriebskosten für das Haus zu zahlen, sage nämlich noch nichts darüber aus, welche konkreten Belastungen in welcher Höhe damit gemeint seien. Dies umso mehr, als die Klägerin beispielsweise auch GIS-Gebühren und diverse Material- und Renovierungskosten unter den Titel Betriebskosten subsumiere. Schon aus diesem Grund könne sie die Höhe ihrer Witwenpension nicht auf diese Vereinbarung gründen. Dementsprechend komme auch eine Zusammenrechnung des aufgrund des Scheidungsvergleichs geschuldeten Unterhaltsbetrags mit jenem aus der vertraglichen Verpflichtung vor Auflösung der Ehe nicht in Betracht.

Auch auf § 136 Abs 4 lit d GSVG könne kein weiterer Anspruch der Klägerin auf Witwenpension gestützt werden. Mit dieser durch die 19. Novelle zum GSVG (BGBl 336/1993) eingefügten Erweiterung habe der Gesetzgeber, um Härtefälle zu vermeiden, unter den genannten Voraussetzungen von den Erfordernissen eines gerichtlichen Unterhaltstitels bzw einer Unterhaltsvereinbarung absehen wollen und die tatsächliche Unterhaltsleistung des Versicherten den sonst für den Anspruch auf Witwenpension erforderlichen Unterhaltstiteln gleichsetzen wollen. Schon deshalb, weil diese Bestimmung eingeführt worden sei, um Härtefälle bei Nichtvorliegen eines Unterhaltstitels bei gleichzeitiger Unterhaltsleistung zu vermeiden, könne eine Zusammenrechnung der aufgrund des Titels geleisteten Zahlungen mit den tatsächlichen Zahlungen nicht in Betracht kommen. Um Manipulationen zu Lasten der Sozialversicherungen hintanzuhalten erscheine es geboten, bei Vorliegen eines Titels (hier: Scheidungsfolgenvergleich) allein diesen für die Bemessung der Höhe der Witwenpension heranzuziehen, nicht hingegen den nur für den Fall des Nichtvorliegens eines Titels gedachten faktischen Unterhalt und schon gar nicht eine Kombination beider Anspruchsgründe. Zu berücksichtigen sei auch noch, dass ein gerichtlicher Unterhaltsvergleich so lange in Kraft bleibe, bis er durch eine andere gerichtliche Entscheidung abgeändert oder außer Kraft gesetzt werde. Für die Feststellung des Anspruchs auf Witwenpension dem Grunde und der Höhe nach seien eventuell geänderte Umstände, die nicht zu einer Änderung bzw Beseitigung des Unterhaltstitels geführt hätten, daher unbeachtlich (10 ObS 34/09m). Es sei von dem im Scheidungsfolgenvergleich vereinbarten Unterhaltsbetrag von 500 EUR monatlich auszugehen, sodass es der in der Berufung vermissten zusätzlichen Feststellungen zur Pension des Versicherten, um die Witwenpension der Klägerin nach § 145 GSVG berechnen zu können, nicht bedürfe.

Die Revision sei zulässig, weil zur Frage, inwieweit Unterhaltszahlungen, die auf unterschiedlichen Tatbeständen des § 136 Abs 4 GSVG (§ 258 Abs 4 ASVG) beruhten, bei der Bemessung der Witwenpension nebeneinander zu berücksichtigen seien, keine Rechtsprechung bestehe.

Dagegen richtet sich die Revision der Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung, mit dem Antrag, das angefochtene Urteil aufzuheben und dem Erst- bzw Berufungsgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufzutragen; hilfsweise wird beantragt, das Ersturteil wiederherzustellen.

Die beklagte Partei hat keine Revisionsbeantwortung erstattet.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, weil das Berufungsgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abgewichen ist; sie ist auch berechtigt.

Die Klägerin weist darauf hin, im vorliegenden Fall sei zu klären, ob die zusätzlich zum Unterhaltsbetrag von 500 EUR (laut Scheidungsvergleich) geleisteten Zahlungen, die zweifellos Unterhaltscharakter hätten, Einfluss auf die Witwenpension zukomme. Nach dem festgestellten Sachverhalt sei ein Teil des Unterhalts im Scheidungsvergleich festgelegt worden, ein anderer Teil in einer zusätzlichen vertraglichen Verpflichtung, die vor Auflösung der Ehe eingegangen worden sei (§ 136 Abs 4 lit b und lit c GSVG). Hätte man Zweifel, ob dies allein genüge, so ergäben die Feststellungen, dass (auch) tatsächlich zur Deckung des Unterhaltsbedarfs diese Zahlungen von der Scheidung bis zum Tod des unterhaltspflichtigen Ehegatten geleistet worden seien, sodass auch § 136 Abs 4 lit d GSVG erfüllt sei. Die Gegenargumente des Berufungsgerichts seien nicht überzeugend, weil die Betriebskosten eines Hauses bestimmbar seien und sich aufgrund der Bestimmungen des Mietrechtsgesetzes ergäben. Es treffe daher nicht zu, dass der Begriff „Betriebskosten“ völlig unbestimmbar sei. Dass der Witwenpensionsanspruch gemäß § 136 Abs 4 lit d GSVG nur als Ersatz für einen fehlenden Unterhaltstitel anzusehen sei, weshalb die Ergänzung eines vorhandenen Titels um solche Zahlungen nicht möglich sei, finde im Gesetz keine Deckung. Nach der zitierten Gesetzesstelle spreche nichts dagegen, es für zulässig zu erachten, den Unterhalt teils in einem gerichtlichen Vergleich und teils in einer Zusatzvereinbarung vor dem Scheidungsvergleich zu vereinbaren, noch dazu wenn feststehe, dass diese außergerichtliche Vereinbarung hinsichtlich der Betriebskosten der Grund gewesen sei, warum es überhaupt zu einem Scheidungsvergleich nach den Wünschen des verstorbenen Ehegatten gekommen sei. Die Argumentation des Berufungsgerichts, wonach ausschließlich die Unterhaltszahlung entweder aufgrund eines Urteils, eines gerichtlichen Vergleichs oder einer vor der Auflösung der Ehe eingegangenen vertraglichen Verpflichtung oder die tatsächliche Leistung maßgebend sei, eine Kombination dieser Anspruchsgrundlagen aber nicht, könne nicht gefolgt werden. Daher sei die Pensionshöhe falsch errechnet worden und primär das bekämpfte Urteil aufzuheben.

Diesen Ausführungen kommt im Ergebnis Berechtigung zu.

1. Der Witwenpensionsanspruch der Klägerin gründet sich hinsichtlich der im Scheidungsfolgenvergleich vereinbarten monatlichen Unterhaltszahlung von 500 EUR auf § 136 Abs 4 lit b GSVG. Insoweit kommt es nur darauf an, dass der verstorbene Ehegatte diesen Unterhalt aufgrund eines gerichtlichen Vergleichs zu leisten hatte. Maßgeblich für den Anspruch der geschiedenen Ehefrau auf Witwenpension nach § 136 Abs 4 lit a bis c GSVG ist ausschließlich der Rechtsanspruch auf Unterhalt. Ob der Unterhaltsschuldner diesen Unterhalt tatsächlich auch geleistet hat, ist nicht entscheidend (vgl 10 ObS 34/09m, SSV-NF 23/21; Kreil, OGH zur Witwenpension nach Scheidung, RdW 2010/388, 353).

2. Soweit der frühere Ehegatte der Klägerin darüber hinaus ohne titelmäßige Verpflichtung Zahlungen mit Unterhaltscharakter an die Klägerin geleistet hat, kann der Anspruch der Klägerin auf Witwenpension mit Erfolg auf die Bestimmung des § 136 Abs 4 lit d GSVG, die der gleichartigen Regelung des § 258 Abs 4 lit d ASVG (nach den Erweiterungen durch die 19. Novelle zum GSVG bzw 51. Novelle zum ASVG [Teschner/Widlar, MGA GSVG 95. Erg-Lfg Anm 14 zu § 136]) entspricht, gestützt werden (vgl in diesem Sinne auch VwGH 2010/12/0027 zur insoweit vergleichbaren Bestimmung des § 19 PG).

3. Das entspricht auch der Entstehungsgeschichte des § 136 Abs 4 lit d GSVG (§ 258 Abs 4 lit d ASVG), der die Witwenpension dem früheren Ehepartner des Versicherten, nunmehr auch dann gewährt, wenn ihm dieser zur Zeit seines Todes Unterhalt (einen Unterhaltsbeitrag) geleistet hat, und zwar regelmäßig zur Deckung des Unterhaltsbedarfs ab einem Zeitpunkt nach der Rechtskraft der Scheidung bis zu seinem Tod, mindestens während der Dauer des letzten Jahres vor seinem Tod, wenn die Ehe mindestens 10 Jahre gedauert hat.

4. Diese Bestimmung soll dann, wenn die Voraussetzungen nach § 136 Abs 4 lit a bis c GSVG nicht erfüllt sind, Härtefälle vermeiden, indem unter den genannten Voraussetzungen von den Erfordernissen eines gerichtlichen Unterhaltstitels bzw einer Unterhaltsvereinbarung abgesehen und die tatsächliche Unterhaltsleistung des Versicherten den sonst für den Anspruch auf Witwenpension erforderlichen Unterhaltstiteln gleichgesetzt wird (vgl 10 ObS 2/06a, SSV-NF 20/8 mwN; Sonntag in Sonntag ASVG³ § 258 Rz 26 f).

5. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts kommt die Anwendung des § 136 Abs 4 lit d GSVG auch bei Vorliegen eines Titels nach § 136 Abs 4 lit b GSVG in Betracht (vgl VwGH 95/12/0263, 99/12/0203; 99/12/0349 ua zur insoweit vergleichbaren Bestimmung des § 19 PG):

5.1. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ist der Begriff des Unterhaltsbedarfs in § 136 Abs 4 lit d GSVG (bzw § 258 Abs 4 lit d ASVG) nämlich nicht gleichsinnig mit jenem des Unterhaltsanspruchs (RIS-Justiz RS0108428). Er ist vielmehr einschränkend dahin auszulegen, dass es nur auf den faktischen (also auf den tatsächlichen) Leistungsbetrag, nicht aber auf einen - gar nicht weiter zu prüfenden - rechtlichen Anspruch auf Unterhalt ankommt, sofern nur ein Unterhaltsbedarf besteht (10 ObS 2/06a, SSV-NF 20/8 mwN; RIS-Justiz RS0108427). Sowohl der Gesetzeswortlaut des § 258 Abs 4 lit d ASVG als auch die Gesetzesmaterialien stellen darauf ab, dass die erbrachten Leistungen einen Unterhaltsbedarf decken müssen. Unterhalt dient nach der Rechtsprechung der Befriedigung der notwendigen und üblichen materiellen menschlichen Bedürfnisse, insbesondere jener nach Nahrung, Kleidung und Wohnung, Heizung und Stromversorgung, Hygiene, medizinische Betreuung und der übrigen Bedürfnisse wie etwa nach Erholung, Religionsausübung, Kultur- und Freizeitgestaltung, Benützung von Kommunikations- und Massenmedien uä (10 ObS 2/06a, SSV-NF 20/8 mwN).

5.2. Wesentlich ist dabei, dass einer der beiden (geschiedenen) Ehegatten dem anderen geldwerte Leistungen erbringt, um die Erfüllung dessen genannter Bedürfnisse zu gewährleisten (10 ObS 370/01m, SSV-NF 16/41). Die Maßgeblichkeit der „Deckung des Unterhaltsbedarfes“ laut § 258 Abs 4 lit d ASVG berührt daher diejenigen Fälle, in denen Leistungen erbracht werden, die nicht Unterhaltscharakter haben, sondern anderen Zwecken dienen (10 ObS 2/06a, SSV-NF 20/8; 10 ObS 111/02z, SSV-NF 16/37; 10 ObS 370/01m, SSV-NF 16/41).

5.3. Da die Hinterbliebenenpension an einen geschiedenen Ehepartner Ersatz für den Entfall der Unterhaltsleistungen des früheren Ehepartners sein soll, können auch nur Leistungen, die Unterhaltscharakter haben, zur Begründung eines Witwenpensionsanspruchs führen (10 ObS 252/02k, SSV-NF 16/111 = SZ 2002/139 mwN). Dabei betrifft die Frage, ob der verstorbene Versicherte mindestens während der Dauer des letzten Jahres vor seinem Tod tatsächlich regelmäßige Zahlungen an seinen geschiedenen Ehegatten geleistet hat, eine vom Revisionsgericht nicht mehr überprüfbare Beweisfrage. In diesem Sinne sind auch die Ausführungen in der Entscheidung 10 ObS 70/02w (SSV-NF 16/22) zu verstehen. Dem gegenüber stellt die Frage, ob vom verstorbenen Versicherten zur Deckung des Unterhaltsbedarfs des geschiedenen Ehegatten regelmäßig „Unterhalt“ geleistet wurde, eine Rechtsfrage dar, die auch vom Obersten Gerichtshof im Revisionsverfahren überprüft werden kann (10 ObS 2/06a, SSV-NF 20/8).

5.4. Im vorliegenden Fall ist nach den nicht mehr angreifbaren Feststellungen der Tatsacheninstanzen davon auszugehen, dass der verstorbene, fast 24 Jahre mit der Klägerin verheiratete, seit 14. 5. 2008 von ihr geschiedene Versicherte während des letzten Jahres vor seinem Tod (14. 7. 2010) tatsächlich regelmäßig die vom Erstgericht detailliert ermittelten Beiträge zur Deckung des Unterhaltsbedarfs der Klägerin geleistet hat. Die Witwenpension steht daher unabhängig davon zu, ob (auch) nach zivilrechtlichen Grundsätzen ein Anspruch auf Unterhalt bestand, der die im Scheidungsvergleich vereinbarten 500 EUR monatlich übersteigt.

5.5. Die beklagte Partei bestreitet auch gar nicht, dass die Klägerin bei der gegebenen Sachlage einen Anspruch auf Witwenpension hat. Ihrer Ansicht nach ist jedoch, selbst wenn man einen höheren [tatsächlich geleisteten] Unterhalt als 500 EUR monatlich in Ansatz brächte, das Ausmaß der Witwenpension (die sich gemäß § 145 GSVG aus einem Hundertsatz der Pension des Versicherten ergebe) jedenfalls mit 621,84 EUR monatlich (= 39,01972 % der Leistung des Verstorbenen) begrenzt (ON 10 AS 67). Die Grundlagen für diese Berechnung der Höhe der Witwenpension sind - wie auch die Klägerin einräumt (ON 11, AS 79; ON 14, AS 103) - den Feststellungen nicht zu entnehmen. Der Rechtsstreit kann daher iSd § 89 Abs 2 ASGG dadurch erledigt werden, dass das Klagebegehren als dem Grunde nach zu Recht bestehend erkannt und dem Versicherungsträger aufgetragen wird, der klagenden Partei bis zur Erlassung des die Höhe der Leistung festsetzenden Bescheids eine vorläufige Zahlung zu erbringen, deren Ausmaß unter sinngemäßer Anwendung des § 273 Abs 1 ZPO festzusetzen ist. Unter Bedachtnahme auf die in § 145 GSVG vorgesehene Berechnung des Ausmaßes der Witwenpension und die diesbezüglichen Ausführungen in der Berufung der beklagten Partei ist eine Festsetzung einer vorläufigen Zahlung in Höhe von 620 EUR monatlich angemessen (vgl 10 ObS 11/06z, SSV-NF 20/15).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit a ASGG.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte