OGH 10ObS11/06z

OGH10ObS11/06z7.3.2006

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellinger und Hon. Prof. Dr. Neumayr sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Friedrich Stefan (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Ulrike Kargl (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Brigitte K*****, dipl. Heilmasseurin, *****, vor dem Obersten Gerichtshof nicht vertreten, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, Friedrich Hillegeist-Straße 1, 1021 Wien, vertreten durch Dr. Vera Kremslehner und andere Rechtsanwälte in Wien, wegen Witwenpension, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 28. September 2005, GZ 9 Rs 98/05f-11, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 5. April 2005, GZ 7 Cgs 171/04v-8, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird teilweise Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, dass es insgesamt zu lauten hat wie folgt:

„1. Das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der Klägerin eine Witwenpension im gesetzlichen Ausmaß ab 1. 7. 2004 zu bezahlen, besteht dem Grunde nach zu Recht.

2. Der beklagten Partei wird aufgetragen, der Klägerin ab 1. 7. 2004 bis zur Erlassung des die Höhe der Leistung festsetzenden Bescheides eine vorläufige Zahlung von EUR 100,-- monatlich zu erbringen, und zwar die bis zur Zustellung des Urteils fälligen Beträge binnen 14 Tagen, die weiteren jeweils im Nachhinein am Ersten des Folgemonats."

Text

Entscheidungsgründe:

Die Ehe der Klägerin mit Günter S***** wurde mit Beschluss des BG Leopoldstadt vom 4. 6. 2004 geschieden; der Scheidungsbeschluss erwuchs am 4. 6. 2004 in Rechtskraft. Für den Fall der rechtskräftigen Scheidung schlossen die Ehegatten S***** einen Vergleich, in dem sich Günter S***** verpflichtete, der Klägerin ab 1. 7. 2004 einen monatlichen Unterhaltsbetrag von EUR 100,-- zu bezahlen.

Günter S***** ist am 22. 6. 2004 verstorben.

Mit Bescheid vom 15. 8. 2004 lehnte die beklagte Pensionsversicherungsanstalt den Antrag auf Gewährung einer Witwenpension mit der Begründung ab, dass im Todeszeitpunkt keine Verpflichtung zur Unterhaltsleistung nach § 258 Abs 4 lit a - d ASVG bestanden habe.

Das Erstgericht wies die Klage ab.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin Folge und änderte das Ersturteil dahin ab, dass der Anspruch der Klägerin auf Witwenpension ab 1. 7. 2004 als dem Grunde nach zu Recht bestehend erkannt wurde. Der beklagten Partei wurde aufgetragen, der Klägerin ab 1. 7. 2004 eine vorläufige Zahlung in Höhe von monatlich EUR 500,-- zu erbringen. Zum Zeitpunkt des Todes des Versicherten sei ein rechtskräftiger Unterhaltstitel (in Form eines gerichtlichen Vergleiches nach § 258 Abs 4 lit b ASVG) vorgelegen, aufgrund dessen ein Unterhaltsanspruch bestanden habe. Dass nach diesem Titel erstmals am 1. 7. 2004 ein Unterhaltsbetrag zur Zahlung fällig gewesen sei, schade nicht, da die Fälligkeit des Anspruchs nicht ident mit seinem Entstehen sei.

Die Höhe der vorläufigen Zahlung (EUR 500,--) wurde damit begründet, dass dem verstorbenen Versicherten ab 1. 8. 1998 eine Invaliditätspension in Höhe von ATS 21.039,20 brutto zuerkannt worden sei. Im Juni 2004 sei an den Versicherten eine Eigenpension von EUR 1.609,51 brutto (= EUR 1.273,90 netto) überwiesen worden. Davon ausgehend sei die vorläufige Zahlung unter Berücksichtigung des § 264 ASVG mit rund 40 % festzusetzen gewesen.

Mangels höchstgerichtlicher Judikatur zur Frage, ob oder inwieweit die Vereinbarung der Fälligkeit eines zu leistenden Unterhalts eine Auswirkung auf die Entstehung eines Anspruchs auf Witwenpension habe könne, wurde die ordentliche Revision zugelassen.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der beklagten Partei aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung im Sinne einer Zuerkennung einer Witwenpension in Höhe von EUR 100,-- monatlich ab 1. 7. 2004. Hilfsweise wird ein Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag gestellt. Die klagende Partei hat sich am Revisionsverfahren nicht beteiligt.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, da das Berufungsgericht bei der Bemessung der Höhe der vorläufigen Zahlung die Bestimmung des § 264 Abs 8 ASVG außer Betracht gelassen hat, was im Sinne der Rechtssicherheit wahrzunehmen ist.

Die Revision ist berechtigt.

Die beklagte Partei bestreitet im Revisionsverfahren nicht mehr, dass die Klägerin bei der gegebenen Sachlage einen Anspruch auf Witwenpension hat. Ihrer Ansicht nach ist die Höhe der Witwenpension aber mit EUR 100,-- begrenzt.

Die Grundlage des Anspruchs der Klägerin auf Witwenpension kann im vorliegenden Fall allein in § 258 Abs 4 lit b ASVG begründet sein. In diesem Fall darf die Höhe der Witwenpension die (gegebenenfalls aufgewertete) Höhe des Unterhaltsanspruchs nicht übersteigen (§ 264 Abs 8 ASVG). Ein Fall des § 264 Abs 10 ASVG liegt offensichtlich nicht vor.

Da die Grundlagen für die Berechnung der genauen Höhe des Witwenpensionsanspruchs den Feststellungen nicht zu entnehmen sind, kann der Rechtsstreit iSd § 89 Abs 2 ASGG dadurch erledigt werden, dass das Klagebegehren als dem Grunde nach zu Recht bestehend erkannt und dem Versicherungsträger aufgetragen wird, der klagenden Partei bis zur Erlassung des die Höhe der Leistung festsetzenden Bescheides eine vorläufige Zahlung zu erbringen, deren Ausmaß unter sinngemäßer Anwendung des § 273 Abs 1 ZPO festzusetzen ist.

Unter Bedachtnahme auf die in § 264 Abs 8 ASVG vorgesehenen Begrenzung der Höhe der Witwenpension ist eine Festsetzung einer vorläufigen Zahlung in Höhe von EUR 100,-- monatlich angemessen. Insoweit ist der Revision der beklagten Partei Folge zu geben.

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