OGH 10ObS169/01b

OGH10ObS169/01b28.6.2001

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Steinbauer und Dr. Neumayr sowie die fachkundigen Laienrichter MR Dr. Robert Göstl (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Mag. Dagmar Armitter (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Christine H*****, Pensionistin, ***** vertreten durch Dr. Charlotte Lindenberger, Rechtsanwältin in Steyr, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten, Friedrich Hillegeist-Straße 1, 1021 Wien, vor dem Obersten Gerichtshof nicht vertreten, wegen Witwenpension, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 15. Februar 2001, GZ 11 Rs 314/00a-15, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Steyr als Arbeits- und Sozialgericht vom 16. Mai 2000, GZ 24 Cgs 240/99m-7, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die zwischen der Klägerin und Johann H***** am 15. 7. 1962 geschlossene Ehe wurde mit Beschluss des Bezirksgerichts Grünburg vom 17. 5. 1988 im Einvernehmen geschieden. Anlässlich der Scheidung schloss die Klägerin am 17. 5. 1988 mit Johann H***** einen Scheidungsvergleich gemäß § 55a Abs 2 EheG, dessen Punkt 1. folgendermaßen lautet:

"Der Zweitantragsteller Johann Karl H***** verpflichtet sich, der Erstantragstellerin Christine H***** ab Rechtskraft der Scheidung Unterhalt wie im Falle einer Scheidung wegen Verschuldens nach den §§ 66 f EheG zu leisten und anerkennt der Zweitantragsteller ausdrücklich seine diesbezügliche Unterhaltspflicht der Erstantragstellerin gegenüber.

Festgehalten wird zu diesem Punkt, dass die Frage der Unterhaltsleistung derzeit deshalb nicht aktuell ist, da die Erstantragstellerin ein eigenes Einkommen bezieht.

Hingegen verzichtet der Zweitantragsteller der Erstantragstellerin gegenüber ausdrücklich auf jede Unterhaltsleistung, dies auch für den Fall geänderter Verhältnisse, der Not oder geänderter Gesetzeslage und es nimmt die Erstantragstellerin diesen Unterhaltsverzicht des Zweitantragstellers ausdrücklich an."

Die Klägerin hat den Unterhaltsanspruch laut Punkt 1. des Scheidungsvergleichs zu Lebzeiten ihres geschiedenen Ehemannes nie gerichtlich geltend gemacht oder außergerichtlich durchgesetzt. Johann H***** leistete ihr auch faktisch keinen Unterhalt. Bis 3. 4. 1997 hatte die Klägerin in einer Lebensgemeinschaft gelebt.

Am 10. 9. 1997 verstarb Johann H*****. Zu diesem Zeitpunkt bezog die Klägerin eine Pension von der beklagten Partei in Höhe von S 11.925,60 brutto monatlich, 14 mal jährlich. Johann H***** bezog zum Zeitpunkt seines Todes auf Grund des Bescheides vom 20. 6. 1997 von der beklagten Partei eine Berufsunfähigkeitspension von S 27.254,30 brutto monatlich. Er war sorgepflichtig für seine einkommenslose Ehefrau Maria H*****, mit der er am 11. 8. 1997 die Ehe geschlossen hatte.

Mit Bescheid vom 28. September 1999 lehnte die beklagte Partei den Antrag der Klägerin vom 11. August 1999 auf Gewährung einer Witwenpension mit der Begründung ab, dass die Klägerin von ihrem geschiedenen Ehemann im Zeitpunkt seines Todes weder Unterhalt zu leisten gehabt habe oder geleistet habe.

Das Erstgericht wies das dagegen erhobene, auf Gewährung einer Witwenpension ab 11. 8. 1999 gerichtete Klagebegehren ab. Voraussetzung für einen Anspruch der geschiedenen Ehefrau auf Witwenpension sei nicht nur, dass die Unterhaltsverpflichtung des Versicherten im Zeitpunkt seines Todes auf Grund eines der taxativ aufgezählten Rechtstitel dem Grunde nach feststehe, sondern es müsse aus diesem Rechtstitel auch die Anspruchshöhe bestimmt oder zumindest ohne weiteren Verfahrensaufwand bestimmbar sein. Im konkreten Fall sei die Ausmessung der Höhe des Unterhaltsanspruchs nicht ohne weiteren Verfahrensaufwand möglich.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil. Es übernahm die erstgerichtlichen Feststellungen und verwies in rechtlicher Hinsicht auf die zutreffende rechtliche Beurteilung durch das Erstgericht.

Gegen dieses Urteil richtet sich die unbeantwortete Revision der Klägerin aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung im Sinne einer gänzlichen Klagsstattgebung. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Rechtliche Beurteilung

Die in den Urteilen der Vorinstanzen enthaltene rechtliche Beurteilung der Sache ist zutreffend, weshalb es ausreicht, auf deren Richtigkeit hinzuweisen (§ 510 Abs 3 zweiter Satz ZPO). Sie steht auch im Einklang mit der wiederholt vom Obersten Gerichtshof vertretenen Auffassung, dass § 258 Abs 4 ASVG nicht teleologisch dahin reduziert werden kann, dass ein qualifizierter Unterhaltstitel nicht erforderlich sei (SSV-NF 5/98; 10 ObS 86/93). Der Senat ist damit der mit verschiedenen Argumenten vertretenen gegenteiligen Ansicht von Rummel (ZAS 1978, 113), Kerschner (ZAS 1982, 110), Schrammel (in Tomandl, SV-System 122) und M. Binder (in Harrer/Zitta, Familie und Recht [1992], 669 ff) nicht gefolgt, im Allgemeinen (oder zumindest für den hier nicht relevanten Fall einer "qualifizierten Witwenpension" nach § 264 Abs 10 ASVG bei einer Scheidung nach § 55 EheG mit dem Ausspruch nach § 61 Abs 3 EheG) müsse eine dem Grunde nach bestehende Unterhaltsverpflichtung ausreichen.

Nach der RV zur 51. ASVG-Novelle (932 BlgNR 18. GP, 49) liegt der Zweck der formalen Erfordernisse des § 258 Abs 4 ASVG einerseits darin, dass den Sozialversicherungsträgern die materielle Prüfung des Grundes, insbesondere aber der Höhe des Unterhaltsanspruches erspart bleibt. Andererseits sollen damit Manipulationsmöglichkeiten zu Lasten der Sozialversicherungsträger verhindert werden. In diesem Sinn hat der erkennende Senat wiederholt ausgesprochen, dass die Unterhaltshöhe aus dem Titel bestimmt oder leicht bestimmbar hervorgehen muss (RIS-Justiz RS0085196). Mit der leichten Bestimmbarkeit ist der Fall angesprochen, dass die Anspruchshöhe ohne weiteren Verfahrensaufwand und insbesondere Durchführung eines Beweisverfahrens unmittelbar bestimmbar ist, wie zB bei Vorliegen eines sogenannten Bruchteilstitels gemäß § 10a EO (vgl SSV-NF 7/114). Die bloße Vereinbarung, nach der Scheidung einen Unterhalt zu leisten, ohne dass dessen Höhe feststellbar wäre, wurde in diesem Sinne nicht als ausreichend zur Erfüllung der Voraussetzungen des § 258 Abs 4 ASVG angesehen (SSV-NF 5/112 ua).

Auch wenn der dem konkreten Fall zugrunde liegende Vergleich den zu leistenden Unterhalt so determiniert, dass er "wie im Falle einer Scheidung wegen Verschuldens nach den §§ 66 f EheG zu leisten" ist, wird der Vergleich den von § 258 Abs 4 lit b ASVG geforderten Voraussetzungen nicht gerecht. Im Vergleich wird letztlich festgehalten, dass der Anspruch der Klägerin auf Unterhalt entsprechend einem abstrakten Tatbestand des Ehegesetzes festgelegt ist. Gerade für diese Fälle eines abstrakt im Ehegesetz begründeten Anspruchs wurde vom Obersten Gerichtshof bereits mehrmals zum Ausdruck gebracht, dass solcherart allein ein Witwenpensionsanspruch nach § 258 Abs 4 ASVG nicht erworben werden kann. Dadurch würde nämlich weder den Sozialversicherungsträgern die materielle Prüfung der Höhe des Unterhaltsanspruchs erspart bleiben noch würden damit Manipulationsmöglichkeiten zu Lasten der Sozialversicherungsträger verhindert werden (10 ObS 45/99m = ARD 5066/10/99). Vielmehr würde gerade durch die von der Revisionswerberin angesprochene "40 %-Formel" erneut ein Rückgriff auf das materielle Unterhaltsrecht des Ehegesetzes erforderlich, den der Gesetzgeber in allen vier Alternativen des § 258 Abs 4 ASVG vermeiden wollte (SSV-NF 11/93; SZ 67/75).

Die Revisionswerberin macht dem gegenüber keine neuen Gesichtspunkte geltend, wenn sie weiterhin meint, mittels Anwendung der "40 %-Prozent-Methode" könne auf sehr effiziente Weise die Höhe des Unterhaltsbeitrags bemessen werden, ohne dass dadurch die Gefahr einer Manipulation zu Lasten des Sozialversicherungsträgers bestehe.

Der Revision ist daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Gründe für einen Kostenzuspruch aus Billigkeit wurden nicht dargetan und sind nach der Aktenlage auch nicht ersichtlich.

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