European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0100OB00016.16Z.0413.000
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Der Antrag auf Zuspruch der Kosten der Revisionsbeantwortung wird gemäß § 508a Abs 2 Satz 2 ZPO abgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
1. In dritter Instanz ist ausschließlich der Kündigungsgrund nach § 30 Abs 2 Z 4 erster Fall MRG zu prüfen. Dieser ist gegeben, wenn der Mieter den Mietgegenstand mit oder ohne Beistellung von Einrichtungsgegenständen ganz (oder teilweise unter bestimmten Voraussetzungen) weitergegeben hat und ihn offenbar in nächster Zeit nicht für sich oder eintrittsberechtigte Personen iSd § 14 Abs 3 MRG dringend benötigt. Die Erfüllung des Kündigungstatbestands setzt also das Vorliegen zweier Tatbestandsmerkmale voraus, nämlich einerseits die gänzliche ‑ entgeltliche oder unentgeltliche (RIS‑Justiz RS0070718; RS0070650) ‑ Weitergabe und andererseits den Nichtbedarf. Fehlt es an einem dieser Tatbestandsmerkmale, so ist der Kündigungsgrund nicht erfüllt (7 Ob 709/89; 3 Ob 129/13m).
Das Berufungsgericht hat unter Beachtung dieser Rechtsprechung das Vorliegen des geltend gemachten Kündigungsgrundes nach den maßgeblichen Umständen des konkreten Einzelfalls bejaht. Eine die Revision dennoch rechtfertigende Unvertretbarkeit der Rechtsansicht des Berufungsgerichts zeigt der Revisionswerber nicht auf.
2. Bei der Weitergabe geht es um die Überlassung des Mietgegenstands an Dritte, also um den tatsächlichen Vorgang des Verlassens der Wohnung durch den Mieter und deren Übernahme durch einen Dritten. Dieser Vorgang muss vom Willen der Parteien, vor allem des die Wohnung verlassenden Mieters, umfasst sein (3 Ob 129/13m; RIS‑Justiz RS0068541). Dazu hat das Berufungsgericht ausgeführt, dass das Vorbehalten der Verfügungsbefugnis über die aufgekündigte Wohnung durch den Beklagten ihrer Weitergabe ‑ hier: an einen dem Beklagten nicht bekannten und mit ihm auch nicht verwandten Asylwerber ‑ nicht entgegenstehe. Nach der Rechtsprechung stelle auch die prekaristische Überlassung einer Wohnung eine Weitergabe dar (8 Ob 541/91 mwH; Würth/Zingher/Kovanyi, Miet‑ und Wohnrecht I23 § 30 MRG Rz 32 mwH) und auch diese könne vom Mieter jederzeit widerrufen werden. Das Argument des Revisionswerbers, das Berufungsgericht habe ausschließlich geprüft, ob der Beklagte die aufgekündigte Wohnung weiterhin zur Befriedigung seines Wohnbedürfnisses verwende, trifft daher nicht zu.
3. Es trifft zu, dass keine gänzliche Überlassung des Mietgegenstands vorliegt, solange der Mieter die Wohnung weiterhin selbst regelmäßig (wenn auch nicht immer) benützt, auch wenn er dem Dritten die Benützung der ganzen Wohnung gestattet (4 Ob 75/97a; RIS‑Justiz RS0070718 [T4]). Dieser Fall liegt hier aber nach den den Obersten Gerichtshof bindenden Feststellungen nicht vor, weil der Beklagte ‑ entgegen den Ausführungen des Revisionswerbers ‑ die aufgekündigte Wohnung nicht regelmäßig zu Wohnzwecken verwendet, sondern lediglich sporadisch, als Absteigequartier. Die Revision weicht auch mit ihren weiteren Behauptungen, dass der Lebensschwerpunkt des Beklagten zumindest noch zum Teil in der aufgekündigten Wohnung liege und diese mit der von der Mutter des Kindes des Beklagten bewohnten Nachbarwohnung „faktisch eine Wohneinheit“ bilde, vom festgestellten Sachverhalt ab, sodass auch damit keine erhebliche Rechtsfrage aufgezeigt wird.
4. Hat der Vermieter ‑ wie hier ‑ die nicht regelmäßige Benützung der Wohnung nachgewiesen, so ist es Sache des Mieters zu beweisen, dass er in nächster Zukunft in die Wohnung zurückkehren wird, die Nichtbenützung der Wohnung daher eine absehbare, nur vorübergehende Unterbrechung darstellt (RIS‑Justiz RS0079350). Der Mieter muss dazu ‑ wenn auch nicht in allen Einzelheiten ‑ konkrete Behauptungen aufstellen, aus welchen Gründen ‑ trotz der fehlenden regelmäßigen Benützung ‑ sein schutzwürdiges Interesse besteht (5 Ob 77/15g ua). Das Berufungsgericht hat das dahingehende Vorbringen des Beklagten, er wohne in der aufgekündigten Wohnung und benötige diese für sich, als nicht ausreichend angesehen. Eine Korrekturbedürftigkeit der Auslegung dieses Vorbringens durch die Vorinstanzen im Einzelfall (RIS‑Justiz RS0042828) zeigt der Revisionswerber schon deshalb nicht auf, weil der Beklagte die aufgekündigte Wohnung bereits nach der ersten Zeit nach deren Anmietung nicht mehr im ursprünglichen Ausmaß bewohnte, sie schließlich an einen Dritten überließ und ‑ wenn er in Wien ist ‑ hauptsächlich in der ‑ benachbarten und größeren ‑ Wohnung der Mutter seines Kindes nächtigt.
Mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO war die Revision daher zurückzuweisen.
Ein Kostenersatz für die ohne Freistellung durch den Obersten Gerichtshof eingebrachte Revisionsbeantwortung steht der Klägerin nach § 508a Abs 2 Satz 2 ZPO nicht zu (RIS‑Justiz RS0043690 [T6, T7]).
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