OGH 7Ob709/89

OGH7Ob709/8930.11.1989

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz, Dr. Warta, Dr. Egermann und Dr. Niederreiter als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Emma P***, Pensionistin, Wien 14., Missindorfstraße 11/8, vertreten durch Dr. Manfred Hintersteininger, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Hermann M***, Hauswart, Wien 6., Mariahilferstraße 51/4/1/21, vertreten durch Dr. Alois Leyrer, Rechtsanwalt in Wien, wegen Aufkündigung infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgerichtes vom 12. Juli 1989, GZ 41 R 381/89-36, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Hietzing vom 24. März 1989, GZ 4 C 1691/86 v-31, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Klägerin ist schuldig, dem Beklagten die mit S 1.977,60 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 329,60 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin, Eigentümerin des Hauses Wien 14., Missindorfstraße 11, kündigte die vom Beklagten in diesem Haus gemietete Wohnung Nr. 4/5 mit der Begründung, der Beklagte habe die Wohnung verlassen und sie zur Gänze an nicht eintrittsberechtigte Personen überlassen. Es mangle ihm ein schutzwürdiges Interesse an der Aufrechterhaltung des Mietverhältnisses.

Die Vorinstanzen haben im zweiten Rechtsgang die Kündigung aufgehoben, wobei sie im wesentlichen von folgenden Feststellungen ausgingen:

Am 1. April 1981 hat der Beklagte einen Hausbesorgerposten im

6. Bezirk angenommen und eine Dienstwohnung im Haus Mariahilferstraße 51 bezogen. Nach dem Hausbesorgerdienstvertrag ist er verpflichtet, 24 Stunden am Tag in der Dienstwohnung anwesend zu sein, allfällige Abwesenheiten der Hausverwaltung zu melden und für eine Vertretung zu sorgen. Tatsächlich hat der Beklagte bis zum Jahre 1986 die gemietete Wohnung nicht benützt. Darüber hat er die Klägerin auch informiert. Nachdem er jedoch Adaptierungsarbeiten in der Wohnung vorgenommen hatte, benützt er seit 1986, ebenso wie seine Lebensgefährtin und deren gemeinsames Kind, die Wohnung fallweise. Mit der Lebensgefährtin, nächtigt er häufig zusammen, meist jedoch in seiner Dienstwohnung, ungefähr zweimal in der Woche auch in der aufgekündigten Wohnung. Er hat nie die Absicht gehabt, die Wohnung seiner Lebensgefährtin zu überlassen und sie selbst aufzugeben.

Die Vorinstanzen erachteten den Kündigungsgrund des § 30 Abs. 2 Z 4 erster Fall MRG als nicht gegeben, weil die Wohnung nicht zur Gänze an einen Dritten überlassen worden sei und eine regelmäßige Benützung durch den Beklagten stattfinde.

Das Berufungsgericht hat die Revision mit der Begründung für zulässig erklärt, bezüglich seiner Rechtsansicht der Begriff der regelmäßigen Benützung im § 30 Abs. 2 Z 4 MRG decke sich nicht mit dem gleichen Begriff im § 30 Abs. 2 Z 6 MRG, sei in der Judikatur bisher noch nicht entsprechend behandelt worden.

Rechtliche Beurteilung

Die von der Klägerin gegen die Entscheidung des Berufungsgerichtes wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobene Revision ist nicht gerechtfertigt.

Was die Lösung jener Rechtsfrage, deretwegen das Berufungsgericht die Revision zugelassen hat, anlangt, kann der Oberste Gerichtshof dem Berufungsgericht allerdings nicht folgen. Es ist kein vernünftiger Grund ersichtlich, warum der Gesetzgeber ein und derselben Wendung ("......regelmäßig verwendet.....") in einer gesetzlichen Bestimmung verschiedene Bedeutungen beilegen sollte. Auch das Berufungsgericht führt hier keinen Grund an. Verwendet der Gesetzgeber in einer gesetzlichen Bestimmung einen Ausdruck zweimal, so wird man im Zweifel davon ausgehen müssen, daß dieser Ausdruck jeweils dasselbe bedeutet. Demnach ist der Ausdruck "regelmäßig verwendet" im § 30 Abs. 2 Z 4 MRG gleichbedeutend mit demselben Ausdruck im § 30 Abs. 2 Z 6 MRG (Würth in Rummel Rz 25 zu § 30 MRG). Damit ist für die Klägerin im vorliegenden Fall jedoch nichts gewonnen. Sie macht nämlich als Kündigungsgrund ausschließlich § 30 Abs. 2 Z 4 erster Fall MRG geltend (siehe auch ihre Erklärung S. 109 des Aktes). Dieser Kündigungsgrund ist gegeben, wenn der Mieter den Mietgegenstand mit oder ohne Beistellung von Einrichtungsgegenständen ganz weitergegeben hat und ihn offenbar in nächster Zeit nicht für sich oder die eintrittsberechtigten Personen dringend benötigt. Die Erfüllung des Kündigungstatbestandes setzt also das Vorliegen zweier Tatbestandsmerkmale voraus, nämlich einerseits die gänzliche Weitergabe und andererseits den Nichtbedarf. Fehlt es an einem dieser Tatbestandsmerkmale, so ist der Kündigungsgrund nicht erfüllt. Wenn daher die Wohnung nicht zur Gänze weitergegeben wurde, bedarf es keiner Prüfung der Frage des dringenden Bedarfes, weil diesfalls der Kündigungsgrund des § 30 Abs. 2 Z 4 erster Fall MRG nicht vorliegen kann. Im vorliegenden Fall steht für den Obersten Gerichtshof bindend fest, daß der Beklagte die Wohnung nicht zur Gänze an seine Lebensgefährtin (eine weitere Person kommt nicht in Frage) weitergegeben hat. Der Kündigungsgrund des § 30 Abs. 2 Z 4 erster Fall MRG entspricht § 19 Abs. 2 Z 10 MG. Aus diesem Grunde kann die zu der letztgenannten Gesetzesbestimmung ergangene Judikatur auch zur Auslegung des § 30 Abs. 2 Z 4 MRG herangezogen werden (MietSlg. 37.419 ua). Nach der Judikatur zu den beiden gleichlautenden Gesetzesbestimmungen ist unter dem Begriff der "Weitergabe" jede entgeltliche oder unentgeltliche Gebrauchsüberlassung zu verstehen (MietSlg. 37.419, 30.393, 26.267 ua). Es muß sich also um eine Überlassung zum regelmäßigen Gebrauch handeln. Daß eine dritte Person zusammen mit dem Mieter die Wohnung unregelmäßig mitbenützt oder sich fallweise mit Erlaubnis des Mieters allein dort aufhält, kann nicht als eine "Weitergabe" an diese Person verstanden werden.

Nach den getroffenen Feststellungen wurde die Wohnung vom Beklagten nie in diesem Sinne an seine Lebensgefährtin weitergegeben. Die Lebensgefährtin führt weitgehend einen gemeinsamen Haushalt mit dem Beklagten, was zu einer fallweisen Benützung der aufgekündigten Wohnung zusammen mit dem Beklagten führt. Daß sich die Lebensgefährtin in dieser Wohnung gelegentlich auch allein aufhält, kann nicht zur Annahme einer Weitergabe der Wohnung an sie führen. Ob ein entsprechender Wille vorhanden war, ist eine Tatfrage, die von den Vorinstanzen dahin gelöst wurde, daß dieser Wille fehlt. Demnach kann von einem solchen Willen nicht ausgegangen werden zumal die festgestellten Umstände für sein Vorhandensein nicht zwingend sprechen. Vielmehr ergibt sich aus dem festgestellten Sachverhalt, daß der Beklagte, wenn auch in sehr eingeschränktem Umfang, die Wohnung nach wie vor selbst benützt und daß seine Lebensgefährtin ihm bei dieser Benützung folgt. Wie dies auch bei anderen, im gemeinsamen Haushalt mit einem Mieter wohnenden Personen der Fall ist, führt dies dazu, daß die Lebensgefährtin sich fallweise auch allein in der Wohnung aufhält. Daraus kann noch nicht zwingend eine Überlassung der Wohnung an sie abgeleitet werden. Was die in der Revision angeführte Judikatur anlangt, bezieht sich diese nur auf die Frage, inwieweit in der fallweisen Benützung der Wohnung durch den Mieter eine regelmäßige Verwendung im Sinne des § 30 Abs. 2 Z 4 (eventuell auch Z 6) MRG zu erblicken ist. Es ist der Revision zugegeben, daß die diesbezügliche Rechtsansicht der Vorinstanzen mit der Judikatur nicht zur Gänze übereinstimmt. Da jedoch die Frage der regelmäßigen Benützung bei ausschließlicher Geltendmachung des Kündigungsgrundes nach § 30 Abs. 2 Z 4 erster Fall dann keine Rolle spielt, wenn eine gänzliche Weitergabe fehlt, muß auf die Richtigkeit der vorinstanzlichen Rechtsansicht zu diesem Punkt nicht eingegangen werden. Es könnte zwar allenfalls aus einem Fehlen der regelmäßigen Benützung durch den Mieter auf den Willen zur Weitergabe geschlossen werden. Wird jedoch konkret das Fehlen eines solchen Willens festgestellt, so scheidet eine gegenteilige tatsächliche Schlußfolgerung aus. Dies ist hier der Fall. Es erweist sich sohin, daß im Hinblick auf die ausdrückliche Feststellung der Nichtweitergabe die Ausführungen der Revision zur der Frage der Regelmäßigkeit der Benützung der Wohnung durch den Beklagten an der Sache vorbeigehen. Auch das Fehlen einer solchen regelmäßigen Benützung ersetzt das Fehlen des weiteren notwendigen Tatbestandselementes des Kündigungsgrundes des § 30 Abs. 2 Z 4 erster Fall MRG nicht.

Im Ergebnis erweisen sich demnach die Entscheidungen der Vorinstanzen als richtig.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

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