European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0100OB00001.23D.0425.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)
Spruch:
Der Revision wird teilweise Folge gegeben.
Das Teilurteil der Vorinstanzen, das in seinen Punkten 2., 4. und 5. bestätigt wird, wird in seinen Punkten 1. und 3. dahin abgeändert, dass die klagende Partei (anstatt von 1. Jänner 2019 bis 17. Dezember 2021) für den Zeitraum von 1. Jänner 2017 bis 17. Dezember 2021 Rechnung zu legen hat (Punkt 1.) und das Mehrbegehren, Rechnung auch für den Zeitraum 1. Jänner 2015 bis 31. Dezember 2016 (anstatt von 1. Jänner 2015 bis 31. Dezember 2018) zu legen (Punkt 3.), abgewiesen wird.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 3.281,23 EUR (darin 546,87 EUR USt) bestimmten anteiligen Kosten des Verfahrens aller drei Instanzen binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei anteilige Barauslagen von 528,50 EUR binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
[1] Die am 30. Oktober 1986 geschlossene Ehe der Streitteile wurde mit Urteil des Bezirksgerichts Mödling vom 19. März 2014, AZ 2 C 102/13h, gemäß § 55 Abs 1 EheG rechtskräftig geschieden. Gemäß § 61 Abs 3 EheG wurde ausgesprochen, dass der Beklagte die Zerrüttung der Ehe überwiegend verschuldet hat.
[2] Im ebenfalls am 19. März 2014 geschlossenen prätorischen Vergleich zu AZ 2 C 20/14a des Bezirksgerichts Mödling verpflichtete sich der Beklagte, der Klägerin einen nachehelichen Unterhalt von 80 % des ihr zustehenden gesetzlichen Unterhalts von 33 % der Bemessungsgrundlage (abzüglich jeweils 4 % für mittlerweile nicht mehr relevante Unterhaltspflichten für die gemeinsamen Kindern) zu zahlen. Als Bemessungsgrundlage wurde das Jahresnettoeinkommen des Klägers vereinbart. Weiters wurde festgehalten, dass der Unterhalt aufgrund hoher variabler Einkommensbestandteile des Klägers am 1. Jänner eines jeden Jahres auf der Grundlage des letztjährigen Nettoeinkommens angepasst und zu viel oder zu wenig bezahlter Unterhalt beim laufenden Unterhalt für den Monat Februar berücksichtigt wird.
[3] Der Beklagte ist seit 1. Mai 2000 bei der G* AG (künftig kurz: G*) Prokurist und Abteilungsleiter für Marketing. Sein dafür bezogenes Gehalt setzt sich aus einem fixen und einem variablen Teil zusammen. Die letzte Änderung seines Fixgehalts erfolgte im Mai 2018; seither verändert sich sein Gehalt nur mehr im variablen Teil. Bei Beendigung des Dienstverhältnisses erhält er die gesetzliche und zwei freiwillige Abfertigungen von je 10.000 EUR; zudem hat er Anspruch auf eine Betriebspension. Mit Ausnahme von Remunerationen (zuletzt 2016 und 2019) und Diäten als Ersatz für tatsächliche Aufwendungen erhält der Beklagte keine sonstigen Beträge von der G*. Sie stellt ihm jedoch ein Dienstfahrzeug und einen Garagenplatz am Dienstort zur Verfügung. Ob er als Teil seines Gehalts Wertpapiere oder Dividenden erhält, war nicht feststellbar. Abgesehen von einer Tätigkeit für die E* GmbH, die durch das Gehalt der G* abgegolten ist, arbeitet der Beklagte seit 2015 bei keinem anderen Unternehmen. Er ist im Besitz von Immobilienaktien und Aktien der G*, für die er seit 2015 Dividenden erhält.
[4] Mit Schreiben vom 3. April 2017 forderte die Klägerin (ihr Vertreter) den Beklagten (dessen Vertreter) aufgrund ihrer Ansicht nach bestehender Rückstände auf, den Unterhalt für die letzten drei Monate neu zu berechnen, den sich daraus ergebenden Rückstand zur Gänze sowie für die Jahre 2015 und 2016 pauschal 5.280 EUR nachzuzahlen und in der Zukunft ordnungsgemäß Unterhalt zu leisten. Zudem forderte sie ihn auf, ihr Kopien der Steuerbescheide der Jahre 2014 bis 2016 zu übersenden (Beilage ./18; dazu RIS‑Justiz RS0121557 [T2, T3]). Mit Schreiben vom 14. Dezember 2017 kam der Beklagte dieser Aufforderung nach, indem er Daten seines Steuerakts für 2014 und 2015 sowie für das Jahr 2016 den Einkommensteuerbescheid samt Steuererklärung übermittelte.
[5] Ende Dezember 2017 übermittelte der Beklagte der Klägerin von sich aus seine Gehaltsauszüge für das Jahr 2017 und Anfang 2019 seine Gehaltsabrechnung für das Jahr 2018.
[6] Am 17. April 2019 ersuchte die Klägerin den Beklagten im Zusammenhalt mit ihrem Unterhaltsanspruch, ihr seine „Jahresauszüge“ zu übermitteln. Mit Schreiben ihres Vertreters vom 28. Oktober 2019 forderte sie ihn auf, seine Einkommenssituation ab 2015 (Einkommensteuerbescheide, Lohnzettel, relevante Passagen der Dienstverträge, Nachweise hinsichtlich Umbuchungen auf Abfertigungen udgl) bis längstens 11. November 2019 offenzulegen.
[7] In der Folge übermittelte der Beklagte der Klägerin eine Abrechnung (Berechnung) für das Jahr 2019, die Einkommensteuerbescheide 2019 und 2020 sowie die Gehaltsabrechnung, die Lohnzettel und den Jahreslohnzettel für das Jahr 2020.
[8] Im erstinstanzlichen Verfahren legte der Beklagte zusätzlich die Lohnzettel der Jahre 2015 bis 2020, die Gehaltsabrechnungen für die Jahre 2015 bis Juli 2020, seinen Dienstvertrag samt Nachträgen, die Vereinbarung über die Gewährung einer Betriebspension, die Zusage für zwei Abfertigungen sowie Bestätigungen der von ihm erhaltenen Remunerationen vor.
[9] Mit ihrer am 27. März 2020 eingelangten, in der Folge modifizierten (Stufen‑)Klage begehrt die Klägerin, den Beklagten schuldig zu erkennen, sein Einkommen im Zeitraum von 1. Jänner 2015 bis Schluss der Verhandlung erster Instanz offenzulegen sowie einen Eid dahin zu leisten, dass seine Angaben richtig und vollständig sind, und ihr für die Zeit von 1. März 2017 bis 31. Dezember 2021 neben 12.860,06 EUR noch den darüber hinausgehenden, sich aus der Rechnungslegung für die Zeit von 1. März 2017 bis 31. August 2021 ergebenden Unterhaltsrückstand zu zahlen. Soweit für die hier interessierende Rechnungslegung relevant brachte sie vor, es sei unwahrscheinlich, dass sich das Einkommen des Beklagten in den letzten rund sieben Jahren faktisch nicht verändert haben solle. Es sei vielmehr davon auszugehen dass er durch Boni, Adaptierungen des Dienstvertrags, freiwillige Abfertigungen, Naturalleistungen, Sachbezüge und dergleichen mehr einerseits ein wesentlich höheres Einkommen als das von ihm bekannt gegebene erzielt und andererseits Remunerationen etc durch Vereinbarungen mit seinem Dienstgeber in die Zukunft „vorgetragen“ habe. Zudem sei der Beklagtenicht nur für die G*, sondern auch andere Unternehmen tätig (gewesen). Selbst wenn man vom Einkommen ausgehe, das der Beklagte selbst behaupte, bestehe ein Unterhaltsrückstand. Sie habe daher Anspruch auf Offenlegung des vom Beklagten ab 1. Jänner 2015 erzielten unterhaltsrechtlichen Einkommens, vor allem aus seiner Tätigkeit für die G* und andere Unternehmen, aber auch aus sonstigen Einkünften wie Beteiligungen, Wertpapieren etc sowie Zahlung des schon bezifferbaren und des sich aus der Rechnungslegung ergebenden weiteren Unterhaltsrückstands.
[10] Der Beklagte hielt dem, soweit für das Revisionsverfahren noch relevant, Verjährung des Unterhaltsanspruchs und § 72 EheG entgegen. Zwar habe ihn die Klägerin durch das Schreiben vom 3. April 2017 in Verzug gesetzt. Der Verzug habe mit seiner Antwort Ende Dezember 2017 aber wieder geendet. In der Folge habe er der Klägerin von sich aus alle Unterlagen übermittelt, ohne dass sie weitereAuskünfte begehrt oder ihre Ansprüche zeitnah bzw binnen angemessener Frist (gerichtlich) geltend gemacht habe. Der Unterhaltsanspruch bestehe daher zumindest für die Jahre 2017 bis 2019 nicht.
[11] Die Vorinstanzen verpflichteten den Beklagten, für den Zeitraum 1. Jänner 2019 bis 17. Dezember 2021 (Schluss der Verhandlung erster Instanz) durch Vorlage von Unterlagen und/oder Auskunftserteilung über Einkünfte aus Dividenden aus Immobilienaktien und Aktien der G* sowie Vorlage sämtlicher noch nicht vorgelegter Nachträge zu seinem Dienstvertrag Rechnung zu legen (Spruchpunkt 1.) und deren Vollständigkeit zu beeiden (Spruchpunkt 2.). Das darüber zeitlich (Spruchpunkt 3.) und inhaltlich (Spruchpunkt 4.) hinausgehende Begehren auf Rechnungslegung wiesen sie ebenso ab, wie das darüber hinausgehende Begehren auf Eidesleistung (Spruchpunkt 5.). Die Abweisung begründeten sie damit, dass der notwendige zeitliche Konnex zwischen der Mahnung iSd § 72 EheG und dem eingeklagten Anspruch zwar noch gegeben sei. Der Beklagte habe den Aufforderungen der Klägerin im April 2017 aber entsprochen und in den Jahren 2018 und 2019 von sich aus Unterlagen übermittelt, ohne dass die Klägerin ihre Vollständigkeit bemängelt habe. Angesichts dessen habe er nicht damit rechnen müssen, weitere Unterlagen vorlegen zu müssen. Vielmehr wäre die Klägerin verpflichtet gewesen, auf die Vorlage der Unterlagen zeitnah zu reagieren und dem Beklagten iSd § 72 EheG mitzuteilen, dass diese nicht ausreichen würden. In Verzug sei der Beklagte daher erst mit dem Schreiben der Klägerin vom 17. April 2019 gekommen, sodass sie auch nur ab diesem Zeitpunkt Unterhalt begehren könne. Der Beklagte müsse dementsprechend auch nur über sein Einkommen ab 1. Jänner 2019 Rechnung legen. Was den Umfang dieser Pflicht anlange, lägen keine Hinweise vor, dass der Beklagte andere Einkünfte als aus der Tätigkeit für die G* und aus seinem Aktienbesitz beziehe. Er habe daher nur dazu Unterlagen vorzulegen, wobei hinsichtlich seiner Tätigkeit bei der G* lediglich Nachträge zum Dienstvertrag fehlten.
[12] Die Revision ließ das Berufungsgericht nachträglich zu, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage fehle, ob ein Rechnungslegungsbegehren hinsichtlich einzelner Einkunftsarten abgewiesen werden könne, wenn feststehe, dass der Beklagte über solche Einkünfte tatsächlich nicht verfügt.
[13] Dagegen richtet sich die Revision der Klägerin mit dem Begehren, dem Manifestationsbegehren zur Gänze stattzugeben. Hilfsweise stellt sie auch Aufhebungsanträge.
[14] Der Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise, ihr nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
[15] Die Revision ist zulässig, weil die Vorinstanzen von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu § 72 EheG abgewichen sind. Sie ist teilweise auch berechtigt.
[16] 1. Im Revisionsverfahren ist nicht strittig, dass die Stufenklage nach Art XLII EGZPO auch bei Unterhaltsansprüchen zwischen geschiedenen Ehegatten zulässig ist (RS0035020 [T1]) und unter anderem voraussetzt, dass der Anspruch auf Unterhalt dem Grunde nach zu Recht besteht (RS0122058). Die Parteien ziehen auch nicht in Zweifel, dass es sich beim Unterhaltsanspruch der Klägerin trotz seiner Vereinbarung mittels (prätorischen) Vergleichs (vgl RS0042549; RS0042623 [T6]) um einen solchen nach § 69 Abs 2 EheG handelt und demgemäß die Bestimmung des § 72 EheG anwendbar ist (10 Ob 47/07w; RS0057266 ua). Die von den Vorinstanzen (implizit) bejahte Voraussetzung, dass sich die von den Streitteilen getroffene Regelung (noch) im Rahmen der gesetzlichen Unterhaltsbestimmungen bewegt (RS0042490 [insb T2, T3]; RS0042623 [T3]), bekämpfen die Parteien (ebenfalls) nicht.
[17] Gegenstand des Revisionsverfahrens ist angesichts dessen nur mehr die Frage der Verfristung nach § 72 EheG sowie der Umfang der Rechnungslegungspflicht.
2. Zu § 72 EheG
[18] 2.1. Das Begehren eines geschiedenen Ehegatten auf Bezahlung von Unterhalt für die Vergangenheit setzt – als Anspruchsvoraussetzung (RS0033341 [T4]; RS0114142) – den Verzug des Unterhaltspflichtigen voraus (RS0106452). Ohne Verzug kann Unterhalt daher erst ab Rechtshängigkeit gefordert werden (10 Ob 42/17z; Gitschthaler inGitschthaler/Höllwerth, EuPR2 § 72 EheG Rz 1 ua).
[19] 2.2. Verzug iSd § 72 EheG liegt vor, wenn der Schuldner seine durch eine vertragliche Regelung betrags- und fälligkeitsmäßig genau bestimmte Unterhaltspflicht nicht vollständig erfüllt hat. Einer Mahnung bedarf es in diesem Fall nicht (RS0120230). Ist der Unterhalt nicht betragsmäßig bestimmt, ist hingegen eine Zahlungsaufforderung an den Unterhaltspflichtigen in Form einer außergerichtlichen, inhaltlich bestimmten Mahnung notwendig (RS0057365). Wie schon die Vorinstanzen zutreffend ausgeführt haben, kann der Unterhaltsschuldner nach Treu und Glauben aber keine Vorteile daraus ziehen, dass der Unterhaltsberechtigte ohne Auskunft nicht in der Lage ist, den Unterhaltsanspruch seriös zu beziffern und bestimmt – also nicht „ins Blaue“ hinein – einzumahnen. Nach ständiger Rechtsprechung kommt daher in diesem Fall eine berechtigte Aufforderung zur Auskunftserteilung in ihren Wirkungen dem durch eine Mahnung eingetretenen Verzug gleich, weil der Unterhaltsschuldner von diesem Zeitpunkt an in gleicher Weise wie bei einer Mahnung damit rechnen muss, auf Unterhalt in Anspruch genommen zu werden, und er daher (allenfalls) Rücklagen bilden muss (RS0122059).
[20] 2.3. Die Vorinstanzen sind zutreffend davon ausgegangen, dass im vorliegenden Fall eine Mahnung iSd § 72 EheG erforderlich war, die durch die Aufforderung zur Urkundenvorlage vom – soweit hier relevant – 3. April 2017 auch erfolgte. Die Klägerin macht im Ergebnis aber zu Recht geltend, dass die Ansicht der Vorinstanzen, das Schreiben vom 3. April 2017 stelle aufgrund ihres anschließenden Verhaltens keine verzugauslösende Mahnung (mehr) dar, einer rechtlichen Prüfung nicht standhält.
[21] 2.3.1. Auf die Ausführungen der Klägerin zum vermeintlich fehlenden zeitlichen Konnex zwischen der Mahnung (Aufforderung) und dem Klageanspruch ist nicht weiter einzugehen, weil die Vorinstanzen einen solchen nicht angenommen haben. Sie haben der Klägerin vielmehr zum Vorwurf gemacht, nach der Mahnung (Aufforderung) vom 3. April 2017 auf die Urkundenvorlagen des Beklagten ab Dezember 2017 nicht zeitnah und beharrlich genug reagiert (Erstgericht) sowie dem Beklagten nicht mitgeteilt zu haben, die von ihm vorgelegten Urkunden würden nicht ausreichen (Berufungsgericht). Es kann daher mit dem Hinweis sein Bewenden finden, dass der zeitliche Konnex hier gegeben ist. Da die Klägerin den Beklagten – wovon dieser im Übrigen selbst ausgeht – mit ihrem Schreiben vom 3. April 2017 in Verzug setzte und nunmehr Unterhalt ab März 2017 begehrt, beginnt der eingeklagte Zeitraum annähernd mit dem Datum der Mahnung; dass diese nicht zurückwirkt (vgl Gitschthaler, EuPR2 § 72 EheG Rz 4 ua), ändert daran nichts und spielt für die Prüfung des Rechnungslegungsbegehrens auch keine entscheidende Rolle (vgl 2.4.). Eine Konstellation, die mit jenen vergleichbar ist, in denen der Oberste Gerichtshof den zeitlichen Konnex verneinte, weil zwischen der Mahnung und dem dann klagsgegenständlichen Zeitraum mehrere Jahre lagen, liegt hier nicht vor.
[22] 2.3.2. Wenn die Vorinstanzen davon ausgehen, die Klägerin wäre nach der Mahnung verpflichtet gewesen, ihre Ansprüche zeitnah geltend zu machen, sprechen sie die Frage des (schlüssigen) Verzichts auf die Geltendmachung des gemahnten Anspruchs an. Ihnen ist dabei zwar zuzustimmen, dass durchaus gewichtige Argumente für ihre – nicht näher begründete – Auffassung sprechen. Denn § 72 EheG dient primär dem Schuldnerschutz (vgl 3 Ob 136/16w). Der Unterhaltsberechtigte ist in der Regel auch auf den Unterhalt angewiesen, weshalb davon ausgegangen werden kann, dass er Rückstände zeitnah geltend macht und diese nicht auf eine für den Unterhaltspflichtigen allenfalls nicht oder nur schwer bedienbare Höhe anwachsen lässt (zur vergleichbaren deutschen Rechtslage etwa B. Heiß/H. Heiß in Heiß/Born, Unterhaltsrecht, Kap 7 Rz 58 und Kap 9 Rz 342; Langheine in MüKomm zum BGB8, § 1613 Rz 50). Die Vorinstanzen lassen jedoch außer Acht, dass Sinn und Zweck des § 72 EheG darin besteht, den Schuldner nur vor solchen Unterhaltsrückständen zu schützen, mit denen er nicht rechnen musste (5 Ob 113/17d; 3 Ob 139/13g ua). Das ist bei eingemahnten Rückständen aber nicht der Fall, weil der Unterhaltsschuldner davon ausgehen muss, deswegen innerhalb eines Zeitraums von bis zu drei Jahren (§ 1480 ABGB) in Anspruch genommen zu werden. Das hindert zwar nicht, das Unterlassen der weiteren Verfolgung als schlüssigen Verzicht auf ihre Geltendmachung zu werten, wenn sich der Unterhaltsschuldner berechtigterweise darauf eingerichtet hat, dass sie nicht (mehr) begehrt werden (vgl RS0014186). Allerdings kennt das österreichische Recht keine allgemeine Verwirkung (RS0014221; vgl auch 6 Ob 544/87 [verstärkter Senat]). Ein stillschweigender Verzicht darf demgemäß nur angenommen werden, wenn besondere Umstände darauf hinweisen, dass er auch ernstlich gewollt ist (RS0014190; RS0014229; RS0014146 [T5, T7] ua). Solche Umstände sind hier nicht zu sehen. Dem Vorbringen des Beklagten lässt sich auch nicht entnehmen, was abgesehen von der Untätigkeit der Klägerin dafür spricht, sie sei mit dem gezahlten Unterhalt letztlich einverstanden gewesen. Das bloße Unterlassen der Geltendmachung ihres Unterhaltsanspruchs reicht für sich allein nicht aus, um einen schlüssigen Verzicht annehmen zu können (RS0009502; RS0015906 ua; allg RS0014213).
[23] 2.3.3. Durch die Vorlage von Unterlagen (ab dem Schreiben vom Dezember 2017) wurde auch nicht – wovon das Berufungsgericht ausgeht – der Verzug beendet oder die Mahnung (Aufforderung) vom 3. April 2017 obsolet. Das Berufungsgericht übersieht, dass Mahnungen Willenserklärungen sind (vgl RS0014059), die nicht in der Disposition des Schuldners stehen und von den daran anknüpfenden Folgen zu trennen sind. Weder die Forderung des Unterhaltsberechtigten, der Unterhaltspflichtige möge den (vermeintlich) geschuldeten Unterhalt leisten bzw sein Einkommen offenlegen, noch die damit verbundenen Verzugswirkungen (oben 2.2.) fallen allein deshalb weg, weil dem Berechtigten die von ihm subjektiv als relevant eingestuften Unterlagen ausgehändigt werden. Dafür ist vielmehr (sieht man von der Erfüllung des Unterhaltsanspruchs ab) eine entsprechende Vereinbarung wie etwa die nachträgliche Einigung über die Unterhaltshöhe erforderlich (so auch 5 Ob 113/17d [ErwG 7.5.]; Langheine in MüKomm zum BGB8, § 1613 Rz 38; Reinken in BeckOK BGB, § 1613 Rz 19). Eine solche wurde vom Beklagten weder behauptet, noch von den Vorinstanzen festgestellt.
[24] 2.4. Entgegen der Ansicht der Vorinstanzen ist der Beklagte daher durch das Schreiben der Klägerin vom 3. April 2017 iSd § 72 EheG in Verzug gekommen (und auch geblieben). Da der Unterhalt nach dem Inhalt des prätorischen Vergleichs zwar zunächst anhand des Vorjahreseinkommens des Klägers zu ermitteln ist, sich nach der Verrechnungsanordnung (für Februar eines jeden Jahres) letzten Endes aber nach dem Einkommen des jeweiligen Kalenderjahres richtet, besteht das Rechnungslegungsbegehren ab 1. Jänner 2017 zu Recht. Warum den Beklagten vor dem Hintergrund der genannten Regelung eine Aufklärungspflicht auch für sein Einkommen der Jahre 2015 und 2016 treffen sollte, obwohl aus dieser Periode gar kein Unterhalt begehrt wird, legt die Klägerin nicht dar. Die Revision ist daher insoweit berechtigt, als der Beklagte auch für die Jahre 2017 und 2018 Rechnung zu legen hat.
3. Zum Umfang der Rechnungslegung
[25] 3.1. Die Klägerin erkennt richtig, dass der auf Art XLII EGZPO gestützte Auskunftsanspruch auf die Offenlegung der Unterhaltsbemessungsgrundlage – als Basis für die Berechnung des Unterhaltsanspruchs – abzielt (RS0019529 [T14]; 3 Ob 7/20f ua). Es trifft ebenfalls zu, dass dieses durch das Einkommen des Unterhaltspflichtigen gebildet wird (RS0013386 [T1]; 9 Ob 71/22i ua) und darunter alle Einkünfte aus Erwerbstätigkeit und Erträgnisse aus Vermögen fallen (RS0013386 [T4]; 5 Ob 85/21t ua).
[26] 3.2. Wenn sie aber meint, es sei angesichts dessen verfehlt, einen Auskunftsanspruch zu bejahen, diesen aber auf gewisse Einkunftsarten zu beschränken, missinterpretiert sie die Ausführungen der Vorinstanzen. Die teilweise Abweisung des Rechnungslegungsbegehrens stützt sich nicht darauf, dass einzelne Einkunftsarten nicht in die Unterhaltsbemessung einzubeziehen wären, sondern schlicht auf den Umstand, dass der Beklagte über keine weiteren als die festgestellten Einkünfte verfügt. Der Oberste Gerichtshof hat auch schon ausgesprochen, dass ein Anspruch nach Art XLII Abs 1 erster Fall EGZPO nicht besteht, wenn feststeht, dass das Vermögen, über das Auskunft gegeben werden soll, tatsächlich nicht existiert (2 Ob 186/10g [ErwG III.2.2.]). Eine Fehlbeurteilung der Vorinstanzen zeigt die Klägerin insofern daher nicht auf.
[27] 3.3. Zur Ansicht der Vorinstanzen, der Beklagte habe mit Ausnahme der Nachträge zum Dienstvertrag seine Rechnungslegungspflicht hinsichtlich der Einkünfte aus seiner Tätigkeit bei der G* bereits erfüllt (vgl dazu etwa 2 Ob 261/12i), enthält die Revision keine Ausführungen.
[28] 4. Insgesamt ist die Revision daher hinsichtlich des Zeitraums der Rechnungslegung teilweise berechtigt, sodass die Urteile der Vorinstanzen in ihren stattgebenden und – korrespondierend dazu – abweisenden Teilen entsprechend abzuändern sind.
[29] 5. Da das Teilurteil über den Anspruch auf Rechnungslegung insoweit einem Endurteil entspricht (vgl RS0121609), ist darin über die bisherigen Verfahrenskosten auf Basis der Bewertung des Rechnungslegungsbegehrens durch den Kläger zu entscheiden (7 Ob 40/23t; Obermaier, Kostenhandbuch3 Rz 1.200; Konecny in Fasching/Konecny 3 Art XLII EGZPO Rz 129 je mwN).
[30] Die Kostenentscheidung aller drei Instanzen stützt sich auf § 43 Abs 1 ZPO, für das Rechtsmittelverfahren iVm § 50 ZPO. Das hier zu beurteilende Begehren auf Rechnungslegung erfasst annähernd sieben Kalenderjahre (Rechnungslegungsperioden), von denen die Klägerin mit fünf (ab 2017) durchgedrungen ist. Hinsichtlich des Umfangs der als berechtigt erkannten Rechnungslegung ist sie jedoch weitgehend unterlegen, sodass insgesamt von einem Obsiegen von rund 25 % auszugehen ist.
[31] Auf dieser Grundlage hat der Beklagte Anspruch auf Ersatz der Hälfte seiner Kosten. Entsprechend den Einwendungen der Klägerin stehen diese jedoch nur auf Basis eines Streitwerts von 5.000 EUR zu. Zudem ist als offenbare Unrichtigkeit aufzugreifen, dass die Tagsatzung vom 14. September 2020 nur 2/2 Stunden und jene vom 22. November 2021 nur 5/2 Stunden gedauert haben. Die Kosten aller drei Instanzen wurden saldiert. Die Klägerin hat ihrerseits Anspruch auf Ersatz von 25 % der in der ersten bis dritten Instanz angefallenen Pauschalgebühren (§ 43 Abs 1 Satz 3 ZPO).
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