BVwG W196 1424981-3

BVwGW196 1424981-325.6.2014

AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §75 Abs20
AsylG 2005 §8 Abs1
B-VG Art.133 Abs4
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §75 Abs20
AsylG 2005 §8 Abs1
B-VG Art.133 Abs4

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2014:W196.1424981.3.00

 

Spruch:

W196 1424981-3/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag.a Ursula SAHLING als Einzelrichterin über die Beschwerde der XXXX, StA. Russische Föderation, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 12.11.2013, Zl. 11 05.083/2 - BAE, zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerde wird gemäß §§ 3, 8 Abs 1 Z 1 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.

II. Gemäß § 75 Abs 20 AsylG 2005 wird das Verfahren insoweit zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

Die Beschwerdeführerin reiste am 25.05.2011 illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte an demselben Tag den dem gegenständlichen Beschwerdeverfahren zugrundeliegenden Antrag auf internationalen Schutz. Anlässlich der Erstbefragung vor der Polizeiinspektion Traiskirchen EAST, am 25.05.2011, gab die Beschwerdeführerin nach ihren Fluchtgründen befragt an, ihre Heimat verlassen zu haben, weil sie von den russischen Behörden keine Ruhe gehabt hätte, seit ihr Ehemann dem Bojovicy geholfen habe.

Am 05.07.2011 wurde die Beschwerdeführerin vor dem Bundesasylamt in Anwesenheit einer Dolmetscherin der russischen Sprache niederschriftlich einvernommen. Sie führte aus, vor ihrer Ausreise bei ihrer Mutter gelebt zu haben. Ihre Schwester sei am 09.03.2011 bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen. Nach dem Begräbnis sei die Beschwerdeführerin dann bei ihrer Mutter geblieben. Davor habe sie seit 2002 in der Siedlung XXXX gewohnt. Ihr Mann sei oft nicht zu Hause gewesen, da er ständig Probleme wegen seines Bruders gehabt habe. Er habe am Bau gearbeitet und sei alle zwei bis drei Monate nach Hause gekommen, um seiner Familie Geld zu geben. Befragt nach den Auslandsreisepässen, führte die Beschwerdeführerin aus, im Jahre 2009 eine Tasche verloren zu haben, in der sich sowohl ihr Auslandspass als auch jener ihres Mannes befunden habe. Erneut aufgefordert anzugeben, warum sie ihr Heimatland verlassen habe, gab die Beschwerdeführerin zu Protokoll, zwei Gründe für die Ausreise zu haben. Einerseits sei ihr Ehemann seit ihrer Hochzeit im Jahr 2002 immer wieder aufgesucht und nach seinem Bruder befragt worden. Andererseits habe die Beschwerdeführerin insofern Probleme, als sie im Jahr 2008 eine Beziehung mit einem Tschetschenen begonnen habe, der sie nun nach wie vor nicht in Ruhe lassen würde. Sie habe nun Angst von ihren Cousins umgebracht zu werden, weil sie Schande über die Familie gebracht habe. Den Tschetschenen namens XXXX habe sie kennengelernt, als sie an einer Bushaltestelle gewartet habe und ihr dieser angeboten habe, sie nach Hause zu bringen. Er habe ihr dann, nachdem sie ihm ihre Probleme geschildert habe, angeboten, sich auf der Rayonswache zu erkundigen, warum ihr Ehemann mitgenommen worden sei. Einen Monat später hätten sie dann eine Beziehung begonnen, die ein Jahr gedauert habe. Danach habe die Beschwerdeführerin ihre Telefonnummer gewechselt. Der Tschetschene habe sie daraufhin in der Siedlung aufgesucht und der Beschwerdeführerin mitgeteilt, dass er sich neuerlich mit ihr treffen wolle und habe sie unter Druck gesetzt, indem er gedroht habe, den Cousins der Beschwerdeführerin eine Aufnahme, wo die Beschwerdeführerin bei sexuellen Handlungen zu sehen sei, zu zeigen. In der Folge habe er die Beschwerdeführerin auch an Freunde von ihm vermittelt. Die Beschwerdeführerin habe zweimal versucht, sich das Leben zu nehmen. Beim Begräbnis ihrer Schwester, im März 2011, habe die Beschwerdeführerin mit ihrer Cousine über ihre Probleme gesprochen, wobei ihr diese dann angeboten habe, ihr zu helfen. Es sei klar gewesen, dass sie ihre Familie umbringen würde, sodass die Beschwerdeführerin gezwungen gewesen sei, ihre Heimat zu verlassen. Nachgefragt, ob die Beschwerdeführerin jemals Probleme mit der Polizei gehabt habe, führte sie aus, nur einmal von der Miliz gestoßen worden zu sein, als sie mit ihrer Tochter schwanger gewesen sei. Ihr Mann sei acht oder neunmal, zuletzt Ende 2007, mitgenommen worden. Bei der letzten Mitnahme habe er sieben Monate im Gefängnis verbracht. Ansonsten sei ihr Mann jeweils drei bis vier Tage angehalten worden.

Am 17.08.2011 wurden Konsultationen in Form von Anfragen gemäß der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates (Artikel 21) mit Polen und der Slowakei geführt. Diese Fragen erbrachten keine Zuständigkeit der genannten Mitgliedstaaten zur Führung des Asylverfahrens.

Am 02.09.2011 langte beim Bundesasylamt ein Patientenbrief von Dr. W. Johanna Dostal, Fachärztin für Psychiatrie und Neurologie und psychotherapeutische Medizin vom 24.08.2011 ein, wonach bei der Beschwerdeführerin eine Reaktion auf schwere Belastungen, Schlafstörung, Angst und Depression bestehe.

Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 10.02.2012, Zl 11 05.083-BAE, wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I), ihr gemäß § 8 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG der Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Russische Föderation nicht zuerkannt (Spruchpunkt II) und die Beschwerdeführerin gemäß § 10 Abs 1 Z 2 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Russische Föderation ausgewiesen (Spruchpunkt III).

Gegen diesen Bescheid brachte die Beschwerdeführerin Beschwerde ein und wurde mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 27.08.2012, Zl D7 424981-1/2012/4E, der bekämpfte Bescheid behoben und die Angelegenheit gemäß § 66 Abs 2 AVG zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung neuer Bescheide an das Bundesasylamt zurückverwiesen.

Am 26.09.2012 wurde die Beschwerdeführerin neuerlich einvernommen und gab zu Protokoll, dass der Sinn des Protokolls der letzten Einvernahme verfälscht sei und sie, nachdem ihr ihr erstes Interview bei der Beschwerde übersetzt worden sei, entsetzt gewesen sei, da sich daraus ergebe, dass sie nicht auf das häusliche Leben, sondern vielmehr auf Unterhaltungen verschiedener Art aus gewesen sei. Bei der letzten Einvernahme seien ihre Kinder dabei gewesen, sodass sie bei der Übersetzung nicht zugehört habe. Sie sei mit dem Tschetschenen niemals freiwillig eine Beziehung eingegangen, sondern sei von diesem vergewaltigt worden. Es sei nicht richtig, dass sie mit dem Mann, der sie vergewaltigt habe, zwei- bis dreimal pro Woche freiwillig mitgefahren sei. Er sei in das Restaurant gekommen, wo sie gearbeitet habe; dort seien auch noch andere Tschetschenen gewesen. Wenn die Beschwerdeführerin mit ihm nicht aus dem Restaurant gegangen wäre, hätte es Gerüchte gegeben. Darüber hinaus habe sie auch niemals angegeben, dass ihr Ehemann nach seiner Freilassung im Jahr 2008 nicht mehr gestört worden sei. Zu ihrem Gesundheitszustand befragt, führte sie aus, bei einem Chirurgen und einem Psychiater in Behandlung zu sein. Für November 2012 sei eine Gallenoperation geplant, darüber hinaus müsse auch ihr Magen überprüft werden. Ihre Kinder seien grundsätzlich gesund, ihre Tochter XXXX sei jedoch, seit ihr Vater im Jahr 2008 mitgenommen worden sei, traumatisiert. Ihre Kinder hätten sich aus Sicherheitsgründen anschließend fast durchgehend bei der Mutter der Beschwerdeführerin aufgehalten. Neuerlich zu der Beziehung mit dem Tschetschenen befragt, gab die Beschwerdeführerin zu Protokoll, der Tschetschene sei bei ihrem zweiten Treffen mit ihr an eine entlegene Straße gefahren und habe sie dort vergewaltigt. Danach habe er sie in dem Restaurant, in dem die Beschwerdeführerin gearbeitet habe, aufgesucht. Das erste halbe Jahr habe er sie immer wieder im Auto vergewaltigt. Erst danach habe er sie in seine Wohnung gebracht. Wann die Aufnahme entstanden sei, könne die Beschwerdeführerin nicht genau angeben. Die Beschwerdeführerin habe dann aufgehört zu arbeiten und auch ihre Telefonnummer geändert. Der Tschetschene habe sie in der Folge zu Hause aufgesucht und ihr die Aufnahme gezeigt. Gleichzeitig habe er ihr mitgeteilt, sie nun an andere Männer vermitteln zu wollen. Er habe sie obszön beschimpft und anschließend nach Hause gebracht. Die Beschwerdeführerin habe daraufhin versucht, sich mit blutdrucksenkenden Medikamenten und Schlafmitteln das Leben zu nehmen. Drei Wochen später habe sich der Tschetschene bei ihr gemeldet und habe die Beschwerdeführerin ab diesem Moment seine Freunde unterhalten müssen. Im Februar 2011 habe die Beschwerdeführerin dann neuerlich versucht, sich im Stall bei ihrer Mutter mit einem Strick das Leben zu nehmen. Ihr jüngere Schwester XXXX habe sie in letzter Minute aufgefangen, als sie den Sessel weggestoßen und bereits das Würgegefühl verspürt habe.

Die Beschwerdeführerin legte ein Schreiben von Dr. Josef Bieber, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapeutische Medizin vom 12.09.2012 über die Behandlung wegen schwerer Depression nach schwersten Traumata und eine psychotherapeutische Stellungnahme von Daniela Weixelbaum, Psychotherapeutin, vom 12.09.2012 vor, wonach die Beschwerdeführerin wegen einer Reaktion auf schwere Belastung in regelmäßiger psychotherapeutischer und psychiatrischer Behandlung stehe, vor.

Am 02.11.2012 langte beim Bundesasylamt eine Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zur medizinischen Versorgung in der Russischen Föderation ein, zu der die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 15.11.2012 eine schriftliche Stellungnahme erstattete.

Mit Bescheid des Bundesasylamtes, Außenstelle Eisenstadt, vom 04.12.2012, Zl 11 05.083/1-BAE, wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I), diese gemäß § 8 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG der Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Russische Föderation nicht zuerkannt (Spruchpunkt II) und die Beschwerdeführerin gleichzeitig gemäß § 10 Abs 1 Z 2 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Russische Föderation ausgewiesen (Spruchpunkt III).

Gegen diesen Bescheid brachte die Beschwerdeführerin Beschwerde ein.

Mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 24.05.2013, Zl D7 424981-2/2013/3E, wurde der bekämpfte Bescheid behoben und die Angelegenheit gemäß § 66 Abs 2 AVG zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung von neuen Bescheiden an das Bundesasylamt zurückverwiesen.

Aus dem psychiatrisch-neurologischen Gutachten des Dr. Georg Pakesch vom 06.08.2013 geht hervor, dass bei der Beschwerdeführerin eine chronifizierte, depressive Störung im Sinne einer mittelgradigen depressiven Episode mit somatischem Syndrom vorliege. Die depressive Symptomatik stehe im Zusammenhang mit der derzeitigen Migrationssituation, insbesondere der Angst vor einer etwaigen Rückkehrnotwendigkeit, aber auch im Zusammenhang mit Schuldgefühlen in Bezug auf den angeführten sexuellen Missbrauch und die sexuelle Gewalt, falls diese stattgefunden habe. Auch fände sich eine Teilsymptomatik einer posttraumatischen Belastungsstörung. Die Beschwerdeführerin sei insgesamt als deutlich psychisch krank zu bezeichnen. Sie bedürfe einer nervenärztlichen Behandlung, medikamentösen Einstellung sowie einer psychotherapeutischen Behandlung. Ihre Fähigkeit, gleichbleibende Angaben zu tätigen, sei nicht beeinträchtigt und könnten allfällige Widersprüche nicht auf die fassbare psychische Störung zurückgeführt werden.

Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesasylamtes vom 12.11.2013 wurde der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen, der Beschwerdeführerin gemäß § 8 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG der Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Russische Föderation nicht zuerkannt und diese gemäß § 10 Abs 1 Z 2 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Russische Föderation ausgewiesen.

Mit Beschwerde vom 14.11.2013 wurde der Bescheid des Bundesasylamtes vom 12.11.2013 wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge der Verletzung von Verfahrensvorschriften im vollen Umfang angefochten.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt)

Die Beschwerdeführerin ist Staatsangehörige der Russischen Föderation, gehört der tschetschenischen Volksgruppe an und führt den im Spruch genannten Namen.

Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 10.02.2012, Zl 11 05.083-BAE, wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I), ihr gemäß § 8 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG der Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Russische Föderation nicht zuerkannt (Spruchpunkt II) und die Beschwerdeführerin gemäß § 10 Abs 1 Z 2 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Russische Föderation ausgewiesen (Spruchpunkt III).

Mit Bescheid des Asylgerichtshofes vom 27.08.2012, Zl D7 424981-1/2012/4E, wurde der bekämpfte Bescheid behoben und die Angelegenheit gemäß § 66 Abs 2 AVG zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung neuer Bescheide an das Bundesasylamt zurückverwiesen.

Mit Bescheid des Bundesasylamtes, Außenstelle Eisenstadt, vom 04.12.2012, Zl 11 05.083/1-BAE, wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I), dieser gemäß § 8 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Russische Föderation nicht zuerkannt (Spruchpunkt II) und die Beschwerdeführerin gleichzeitig gemäß § 10 Abs 1 Z 2 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Russische Föderation ausgewiesen (Spruchpunkt III).

Mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 24.05.2013, Zl D7 424981-2/2013/3E, wurde der bekämpfte Bescheid behoben und die Angelegenheit gemäß § 66 Abs 2 AVG zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung von neuen Bescheiden an das Bundesasylamt zurückverwiesen.

Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesasylamtes vom 12.11.2013 wurde der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen, der Beschwerdeführerin gemäß § 8 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG der Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Russische Föderation nicht zuerkannt und diese gemäß § 10 Abs 1 Z 2 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Russische Föderation ausgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat mit ihrem Vorbringen keine Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention glaubhaft gemacht.

Nicht festgestellt werden konnte, dass eine Zurückweisung, Zurück- oder Abschiebung der Beschwerdeführerin in die Russische Föderation eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2 EMRK, Art 3 EMRK oder der Protokolle Nr 6 oder 13 zur Konvention bedeuten würde oder für die Beschwerdeführerin als Zivilpersonen eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts mit sich bringen würde.

In der Russischen Föderation leben die Mutter, die Schwestern und die Cousins der Beschwerdeführerin.

Die Beschwerdeführerin ist arbeitsfähig und verfügt über eine gesicherte Existenzgrundlage.

Festgestellt wird, dass bei der Beschwerdeführerin eine chronifizierte depressive Störung im Sinne einer mittelgradigen depressiven Episode mit somatischem Syndrom besteht. Weiters findet sich auch eine Teilsymptomatik einer posttraumatischen Belastungsstörung. Festgestellt wird, dass die Beschwerdeführerin als deutlich psychisch krank zu bezeichnen ist, ein hoher Leidensdruck besteht, Krankheitseinsicht und Behandlungsbereitschaft bestehen. Festgestellt wird, dass die psychische Störung nicht die Fähigkeit beeinträchtigt, gleichbleibende Angaben zu machen.

Festgestellt wird, dass die Beschwerdeführerin in Österreich mehrere Deutschkurse besuchte und bereits sehr gute Kenntnisse der deutschen Sprache erworben hat. Darüber hinaus hat die Beschwerdeführerin beim Verein Wohnen ihre Mithilfe in den Quartieren angeboten, wird fallweise für den Verein Wohnen als Übersetzerin tätig und wurde als ausübendes Mitglied des Österreichischen Roten Kreuzes, Landesverband Niederösterreich, aufgenommen.

Festgestellt wird, dass die Beschwerdeführerin nicht selbsterhaltungsfähig ist und in Grundversorgung lebt.

Weitere Ausreisegründe und/oder Rückkehrhindernisse kamen bei Berücksichtigung sämtlicher Tatsachen nicht hervor.

Zur Situation in der Russischen Föderation / Tschetschenien wird festgestellt:

Allgemeine Sicherheitslage

Die Gewalt im Nordkaukasus, angefacht von Separatismus, interethnischen Konflikten, dschihadistischen Bewegungen, Blutfehden, Kriminalität und Exzessen durch Sicherheitskräfte geht weiter. Die Gewalt in Tschetschenien ging jedoch 2011 im Vergleich zu 2010 zurück.

(U.S. Department of State: Country Report on Human Rights Practices for 2011 - Russia, 24.5.2012)

Anders als im übrigen Nordkaukasus gingen die Angriffe bewaffneter Gruppen in Tschetschenien zurück.

(Amnesty International: Jahresbericht 2012 [Beobachtungszeitraum 2011], 24.5.2012)

In Tschetschenien ist es seit Jahresbeginn 2010 zu einem spürbaren Rückgang von Rebellen-Aktivitäten gekommen. Diese werden durch Anti-Terror Operationen in den Gebirgsregionen massiv unter Druck gesetzt (teilweise bewirkte dies ein Ausweichen der Kämpfer in die Nachbarrepubliken Dagestan und Inguschetien).

(ÖB Moskau: Asylländerbericht Russische Föderation, Stand September 2012)

Derzeit gibt es gemäß Angaben von Republiksoberhaupt Kadyrow in Tschetschenien noch 28 Polizeikontrollpunkte, die nicht unter der Kontrolle tschetschenischer Behörden sind. Diese seien von Personal aus russischen Regionen außerhalb des Nordkaukasus bemannt. 17 davon sollen nach Dagestan verlegt werden. Von den übrigen 11 größeren Kontrollpunkten seien einige an den administrativen Grenzen, einige in Grosny und einige in der Gebirgsregion.

(The Jamestown Foundation: Eurasia Daily Monitor -- Volume 9, Issue 206, 9.11.2012)

2011 gab es in Tschetschenien mindestens 201 Opfer des bewaffneten Konflikts, darunter 95 Tote und 106 Verwundete. 2010 waren es noch 250 Opfer gewesen (127 Tote, 123 Verletzte). Damit liegt Tschetschenien betreffend Opferzahlen hinter Dagestan an zweiter Stelle der nordkaukasischen Republiken. Gemäß Polizeiberichten wurden 2011 in Tschetschenien 62 Mitglieder des bewaffneten Untergrunds getötet (2010: 80), weitere 159 vermeintliche Kämpfer wurden festgenommen (2010: 166). 21 Sicherheitskräfte kamen bei Schießereien und Explosionen 2011 ums leben (2010: 44), 97 wurden verletzt (2010: 93). Des Weiteren wurden 2011 bei Terrorakten, Bombardierungen und Schießereien 12 Zivilisten getötet (2010: 3) und 9 verwundet (2010: 30).

2011 kam es in Tschetschenien zu mindestens 26 Explosionen und Terrorakten, 2010 waren es noch 37 gewesen. Unter den Explosionen und Terrorakten waren sieben Selbstmordanschläge.

(Caucasian Knot: In 2011, armed conflict in Northern Caucasus killed and wounded 1378 people, 12.1.2012, http://abhazia.eng.kavkaz-uzel.ru/articles/19641/ , Zugriff 3.12.2012)

Nach Angaben von Ramsan Kadyrow im Oktober 2012 seien noch rund 35 bis 40 Rebellen in Tschetschenien aktiv. Diese Zahl (bzw. bis maximal 70) wird von ihm seit rund sieben Jahren angegeben. Jedes Jahr wird jedoch ein drei bis viermal so hohe Anzahl an getöteten und festgenommenen Rebellen angegeben.

(The Jamestown Foundation: Eurasia Daily Monitor -- Volume 9, Issue 196, 26.10.2012)

2012 wurden zwischen Jänner und Mitte Oktober nach Angaben des Innenministeriums der Republik Tschetschenien 35 Kämpfer des bewaffneten Untergrunds in Tschetschenien getötet und weitere 80 verhaftet. Im selben Zeitraum seien 9 gemeinsame große Sonderoperationen gegen die Kämpfer durchgeführt worden.

(Caucasian Knot: The Ministry of Interior Affairs: 35 gunmen killed in Chechnya since the beginning of the year, 17.10.2012, http://www.eng.kavkaz-uzel.ru/articles/22579/ , Zugriff 3.12.2012)

Gemäß Daten aus offenen Quellen wurden 2012 bei Sondereinsätzen zwischen Jänner und September 40 Soldaten getötet und 50 verletzt.

(The Jamestown Foundation: Eurasia Daily Monitor -- Volume 9, Issue 176, 27.9.2012)

Bewegungsfreiheit / Registrierung

Die Reise bzw. der Aufenthalt von Personen aus den Krisengebieten im Nordkaukasus in anderen Teilen der Russischen Föderation ist grundsätzlich möglich, wird aber durch Transportprobleme, durch fehlende Aufnahmekapazitäten und durch antikaukasische Stimmung erschwert. In großen Städten wird der Zuzug von Personen reguliert und ist erkennbar unerwünscht. Dies beschränkt die Möglichkeit zurückgeführter Tschetschenen, sich legal dort niederzulassen. Der [deutschen] Botschaft Moskau sind Fälle von Tschetschenen in Moskau bekannt, die sich gegenüber ihren Vermietern als Tataren ausgaben, weil sie sich so weniger Schwierigkeiten bei ihrer Registrierung erhofften.

Der Menschenrechtsbeauftragte der Russischen Föderation hat bereits mehrfach darauf hingewiesen, dass Tschetschenen landesweit, insbesondere in den Großstädten häufig die Registrierung verweigert wird. Die regionalen Strafverfolgungsbehörden haben grundsätzlich die Möglichkeit, auf der Grundlage von in ihrer Heimatregion erlassenen Rechtsakten auch in anderen Gebieten der Russischen Föderation Personen in Gewahrsam zu nehmen und in ihre Heimatregion zu verbringen. Kritiker, die Tschetschenien aus Sorge um ihre Sicherheit verlassen mussten, fühlen sich häufig auch in russischen Großstädten vor dem "langen Arm" des Regimes von Ramsan Kadyrow nicht sicher.

Kaukasier haben größere Probleme als Neuankömmlinge anderer Nationalität, überhaupt einen Vermieter zu finden.

Es ist grundsätzlich möglich, von und nach Tschetschenien ein- und auszureisen und sich innerhalb der Republik zu bewegen. An den Grenzen zu den russischen Nachbarrepubliken befinden sich jedoch nach wie vor Kontrollposten, die gewöhnlich eine nicht staatlich festgelegte "Ein- bzw. Ausreisegebühr" erheben.

Nach Angaben des Leiters der Pass- und Visa-Abteilung im tschetschenischen Innenministerium haben alle 770.000 Bewohner Tschetscheniens, die noch die alten sowjetischen Inlandspässe hatten, neue russische Inlandspässe erhalten. Noch nicht endgültig gelöst ist die Ausstellung von Reisepässen für die Bewohner Tschetscheniens, weil den dortigen Behörden keine Vordrucke anvertraut wurden.

Tschetschenen steht wie allen russischen Staatsbürgern das in der Verfassung verankerte Recht der freien Wahl des Wohnsitzes und des Aufenthalts in der Russischen Föderation zu. Jedoch wird der legale Zuzug an vielen Orten durch Verwaltungsvorschriften stark erschwert. (Auswärtiges Amt: Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation (Stand Juni 2012), 6.7.2012)

Die dauerhafte Registrierung wird laut FMS in den Inlandsreisepass gestempelt, eine vorübergehende Registrierung ist auf einem einzulegenden Blatt Papier vermerkt. Bis zu 90 Tage kann man sich ohne jegliche Registrierung an einem Ort aufhalten. Die Registrierung kann in der räumlich zuständigen Zweigstelle des FMS in Russland vorgenommen werden. Besitzt eine Person nicht die für die Registrierung notwendigen Dokumente, so kann der FMS die Identität der Person über Datenbanken verifizieren, und die notwendigen Dokumente ausgestellt werden.

Gemäß IOM besteht betreffend Zugang zur medizinischen Versorgung, Bildung oder sozialen Rechten, kein Unterschied zwischen dauerhafter und vorübergehender Registrierung.

Die vorübergehende Registrierung wurde erleichtert, indem sie nunmehr postalisch erledigt werden kann. Persönliches Erscheinen ist nun nicht mehr notwendig.

In St. Petersburg bevorzugen es viele Tschetschenen laut Elena Vilenskaya (House of Peace and Non-Violence) für 90 Tage unregistriert dort zu leben, und nach 90 Tagen neue Papiere zu suchen, die eine Ankunft vor kurzem bestätigt, wie etwa ein Zugticket.

Gemäß einem Anwalt der Memorial Migration & Rights Programme and Civic Assistance Committee (CAC) haben Tschetschenen bei einer Registrierung in St. Petersburg nicht mehr Probleme als andere russische Bürger. Gemäß Khamzat Gerikhanov (Chechen Social and Cultural Association) ist die Registrierung des Wohnsitzes kein Problem für Tschetschenen. (Danish Immigration Service: Chechens in the Russian Federation, Report from Danish Immigration Service's fact finding mission to Moscow and St. Petersburg, the Russian Federation, 12 to 29 June 2011, 11.10.2011)

Laut einer westlichen Botschaft ist eine Registrierung für alle Personen in Moskau und St. Petersburg im Vergleich zu anderen russischen Städten am schwierigsten zu erlangen. Auch die Korruptionszahlungen sind in Moskau höher. Ebenso ist es in Moskau schwieriger, eine Wohnung zu mieten, die Mieten sind zudem hoch. Auch UNHCR geht davon aus, dass die Registrierung in Moskau für jeden schwierig ist, nicht nur für Tschetschenen. In Mietanzeigen werden Zimmer oft nur für Slawen angeboten.

Gemäß Elena Vilenskaya (House of Peace and Non-Violence) ist es für Tschetschenen leichter, in kleineren Orten als Moskau und St. Petersburg zu leben, jedoch ist es in großen Städten leichter, unterzutauchen. Personen, die Kadyrow fürchten, würden ihren Aufenthalt nicht registrieren lassen. Auch in St. Petersburg werden in Mietanzeigen Wohnungen oft nur für Russen angeboten. Tschetschenen nutzen aber ihre Netzwerke, um Wohnungen zu finden.

Einer Internationalen Organisation zufolge ist es für jemanden, der einen Machtmissbrauch von lokalen Behörden in einem Föderationssubjekt fürchtet schwierig, einen sicheren Ort in einer anderen Region in Russland zu finden. Ist die Person registriert, ist es für die Behörden leichter, sie zu finden.

Laut Igor Kalyapin (Committee Against Torture) sind tschetschenische Familien, die in andere Regionen Russlands kommen, nicht automatisch schweren Rechtsverletzungen ausgesetzt. Öffentlich Bedienstete haben kein Recht, einem Tschetschenen die Registrierung zu verweigern, weshalb im Endeffekt jeder registriert wird. Tschetschenen könnten Diskriminierung durch die Behörden ausgesetzt sein, nicht aber Gewalt. Elena Vilenskaya und einer westlichen Botschaft zufolge könnten aber temporäre Registrierungen nur für drei Monate anstatt für ein Jahr ausgestellt werden, weshalb dann die betroffene Person öfter zum Amt kommen muss.

Svetlana Gannuschkina (Memorial) geht davon aus, dass der FMS die Polizei über die Registrierung eines Tschetschenen informieren muss. Zudem verheimlichen Tschetschenen oft ihre Volksgruppenzugehörigkeit, da Annoncen Zimmer oft nur für Russen und Slawen anbieten.

Mehrere Quellen (zwei westliche Botschaften, Svetlana Gannuschkina, ein ethnischer Tschetschene, die NRO Vainakh Congress) gaben an, dass im Zuge der Registrierung vermutlich Bestechungsgeld zu zahlen ist. Es kann vorkommen, dass Personen aus dem Nordkaukasus eine höhere Summe zu zahlen angehalten werden.

(Danish Immigration Service: Chechens in the Russian Federation - residence registration, racially motivated violence and fabricated criminal cases, August 2012)

Bewegungsfreiheit im Land, Auslandsreisen, Emigration und Repatriierung sind gesetzlich gewährleistet. Die Regierung schränkte die Bewegungsfreiheit im Land und Migration jedoch ein. Alle erwachsenen Staatsbürger müssen bei Inlandsreisen behördlich ausgestellte "Inlandspässe"

mit sich führen und müssen sich nach ihrer Ankunft bei den lokalen Behörden registrieren. Personen ohne Inlandspass oder ohne ordentliche Registrierung wurden von Behörden oft staatliche Dienste verwehrt. Viele regionale Regierungen schränken das Recht durch Regelungen für die Registrierung des Wohnsitzes, die an Sowjetzeiten erinnerten, ein. Personen mit dunklerer Hautfarbe aus dem Kaukasus oder afrikanischer oder asiatischer Herkunft wurden oft zur Überprüfung ihrer Dokumente herausgegriffen. Es gab glaubhafte Berichte, dass die Polizei nicht registrierte Personen willkürlich und über das gesetzlich vorgesehene Maß hinaus strafte oder Bestechungsgelder verlangte.

(U.S. Department of State: Country Report on Human Rights Practices for 2011 - Russia, 24.5.2012)

Es gibt einige Einschränkungen der Bewegungs- und Niederlassungsfreiheit. Erwachsene müssen Inlandspässe bei Reisen und um bestimmte staatliche Leistungen zu erhalten mitführen. Einige regionale Behörden haben Registrierungsvorschriften, die das Recht der Bürger ihren Wohnort frei zu wählen einschränken. Ziel hiervon sind meistens ethnische Minderheiten und Migranten aus dem Kaukasus und aus Zentralasien.

(Freedom House: Freedom in the World 2012 - Russia, März 2012)

Lage von Tschetschenen in der Russischen Föderation außerhalb der Republik Tschetschenien

Ethnische Tschetschenen und Angehöriger anderer nordkaukasischer Nationalitäten können der Russischen Föderation (Kernrussland) von Diskriminierung am Arbeitsmarkt, bei der Wohnungssuche sowie vor Gericht betroffen sein.

Was die Sicherheit von Tschetschenen in anderen Teilen der Russischen Föderation betrifft, so kann eine Beurteilung der Gefährdung nur im Einzelfall erfolgen. Dabei ist zu unterscheiden zwischen Tschetschenen, die in Tschetschenien keine Probleme hatten und etwa nur zur Arbeitssuche in einen anderen Teil der Russischen Föderation kommen (diese haben möglicherweise mit Diskriminierung und Anfeindungen aufgrund der weit verbreiteten Fremdenfeindlichkeit in Russland zu kämpfen) und Tschetschenen, die in Tschetschenien tatsächlich verfolgt werden (diese sind gegebenenfalls auch in anderen Teilen der Russischen Föderation nicht sicher).

(ÖB Moskau: Asylländerbericht Russische Föderation, Stand September 2012)

Sk-Strategy (Center for strategic studies and development of civil society in the North Caucasus) gab im Juni 2011 an, dass es unter Tschetschenen verbreitet ist, in andere Teile der Russischen Föderation zu ziehen, die Mehrheit tut dies aus wirtschaftlichen Gründen. Jene, die es sich leisten können, würden sich in Moskau oder St. Petersburg niederlassen, aber der durchschnittliche Tschetschene könne sich dies aufgrund der dortigen hohen Lebenshaltungskosten nicht leisten. Die meisten durchschnittlichen Tschetschenen ließen sich typischerweise in Städten mit weniger Einwohnern nieder und bevorzugten hier Hafenstädte, wie Murmansk, Arkhangelsk und Städte in der Region Leningrad. In kleineren Städten gibt es weniger Wettbewerb um Arbeitsplätze und tschetschenische Migranten fänden daher leichter Arbeit. Hafenstädte haben öfter eine heterogene Bevölkerung, das heißt, eine Migrantengemeinde. Von einem solchen kosmopolitischen Klima können tschetschenische Migranten profitieren.

Eine westliche Botschaft gab an, dass es in Moskau und St. Petersburg, aber auch in anderen Städten in ganz Russland eine große tschetschenische Bevölkerung gibt.

Khamzat Gerikhanov (Chechen Social and Cultural Assosiation) gab an, dass sein Verein in 60 Regionen in Russland Zweigstellen hat. Jede Zweigstelle erfasst 10.000 bis 20.000 Tschetschenen. Die meisten tschetschenischen Einwohner gibt es in Moskau und St. Petersburg, und in vielen der diese beiden Städte umgebenden Regionen. Beträchtliche tschetschenische Gemeinschaften gibt es auch in den Städten und Regionen im südlichen Russland, darunter in Volgograd, Saratov, Samara und Astrakhan. Von den rund 100.000 Tschetschenen, die 1996 nach Moskau flohen, halten sich heutzutage noch rund 25.000 in der Region Moskau auf. Diese haben dort eine dauerhafte Registrierung. Zusätzlich lebt eine große Gruppe von Tschetschenen in Moskau und der Region Moskau, die nicht registriert ist, oder nur vorübergehend registriert ist. Ein großer Anteil der außerhalb Tschetscheniens lebenden Tschetschenen hätte keine Registrierung und arbeitet im Handel auf Märkten und in Cafes.

Gemäß Elena Vilenskaya (House of Peace and Non-Violence) umfasst die tschetschenische Gemeinde in der Region St. Petersburg 20.000 bis 30.000 Personen. Viele würden auch zu Besuchen oder um Schulen oder Universitäten zu besuchen nach St. Petersburg kommen. Obwohl Rassismus gegenüber Kaukasiern in St. Petersburg vorkomme, ist dieser "nicht unerträglich".

Ein ethnischer Tschetschene in St. Petersburg schätzte die Anzahl der Tschetschenen in St. Petersburg selbst auf 13.000. Ein anderer Tschetschene in Moskau gab an, dass die sozioökonomische Lage in Moskau zwar besser sei als in Tschetschenien, aber dass viele Tschetschenen es dennoch schwer hätten, Arbeit zu finden.

Einem Vertreter einer NRO zufolge könnte es für einen Tschetschenen schwer sein, in einen anderen Teil der Russischen Föderation zu ziehen, wenn man dort keinerlei Verwandte hat. Jedoch gibt es Tschetschenen in fast allen Regionen Russlands. Das Bestehen einer tschetschenischen Gemeinschaft in einer Region kann Neuankömmlingen zur Unterstützung oder zum Schutz gereichen, es sei denn, es handelt sich um einen Clan-Konflikt.

Laut SOVA leben viele Tschetschenen in der Region Stavropol, es gibt viele tschetschenische Studenten an der Universität der Stadt Stavropol. Dies führte bereits zu kleineren Spannungen im Süden der Region. Betreffend rassistisch motivierter Gewalt gibt es keine allein Tschetschenen betreffenden Daten, Tschetschenen gehören hier zur Gruppe der Kaukasier. Es gibt keine Hinweise, dass Tschetschenen mehr als andere ethnische Gruppen aus dem Kaukasus Hassverbrechen zum Opfer fallen. Untererfassung von Hassverbrechen ist gemäß SOVA ein Thema und dürfte im Steigen begriffen sein. Im Verlauf der letzten 10 Jahre konzentrierten sich ultranationalistische Banden bei rassistisch motivierter Gewalt immer mehr auf Zentralasiaten, nicht zuletzt weil sich Kaukasier dieser Gewalt zunehmend widersetzten.

IOM bestätigte, dass die Grenze zwischen Tschetschenien und dem restliche Russland völlig offen ist. Zudem gab IOM an, dass es in Russland einen politischen Willen zur Bekämpfung von Hassverbrechen, Diskriminierung und Korruption zu geben scheint. Einer westlichen Botschaft zufolge schenken Strafgerichte heutzutage Hassverbrechen mehr Aufmerksamkeit.

Swetlana Gannuschkina und Oleg Orlov (Memorial) gehen davon aus, dass Tschetschenen in andere Regionen Russlands ziehen können, und einige tun dies auch. Ist eine Person nicht offenkundig kritisch gegenüber Kadyrow, so kann diese überall in der Russischen Föderation leben, ohne Angst haben zu müssen getötet oder in die Republik Tschetschenien zurückgeschickt zu werden. Wird eine Person aber tatsächlich von Kadyrow gesucht, so könnte dieser die Person überall in der Welt, auch in Kopenhagen, Wien, Dubai oder Moskau finden. Laut einem Anwalt von Memorial könnten Personen in Verbindung mit Oppositionsführern mit hohem Bekanntheitsgrad, aktive Rebellenkämpfer oder bekannte und tatverdächtige Terroristen der Bedrohung einer Entführung oder Tötung durch tschetschenische Behörden ausgesetzt sein. Khamzat Gerikhanov (Chechen Social and Cultural Association) betrachtet es als unmöglich für die tschetschenischen Behörden, einen low-profile-Unterstützer der Rebellen in anderen Teilen der Russischen Föderation außerhalb Tschetscheniens zu finden.

(Danish Immigration Service: Chechens in the Russian Federation, Report from Danish Immigration Service's fact finding mission to Moscow and St. Petersburg, the Russian Federation, 12 to 29 June 2011, 11.10.2011)

Im Mai/Juni 2012 schätzte eine westliche Botschaft die Anzahl der Tschetschenen in Moskau auf Hunderttausende. Außerhalb Tschetscheniens leben die meisten Tschetschenen in Moskau und der Region Stawropol, eine größere Anzahl an Tschetschenen kann in St. Petersburg, Jaroslawl, Wolgograd und Astrachan gefunden werden. Abdullah Istamulov (SK-Strategy) schätzt die Zahl der in Moskau lebenden Tschetschenen auf 100.000 bis 200.000, rund 70.000 Tschetschenen seien in Moskau registriert, rund 50.000 in Jaroslawl. Die NRO Vainakh Congress schätzt die Zahl der Tschetschenen in der Region St. Petersburg auf 20.000 bis 30.000.

Alexander Verkhovsky von SOVA gab an, dass die Haltung gegenüber Personen aus dem Nordkaukasus negativer wird. Russen haben verschiedene Gründe, warum ihnen Personen aus dem Nordkaukasus unbehaglich seien: Diese werden als anders oder als gewalttätig betrachtet, oder man hat Angst vor terroristischen Aktivitäten. In großen Städten werden sie zudem als Konkurrenten auf dem Arbeitsmarkt betrachtet. Gemäß SOVA gab es seit 2008 einen Rückgang rassistisch motivierter Übergriffe. 2008 fielen 116 Personen rassistisch motivierten Morden zum Opfer, 2011 waren es 23. 2007 hatte es 623 Berichte über rassistisch motivierte Übergriffe gegeben, 2011 waren es 183. Die meisten Opfer stammten aus Zentralasien, Personen aus dem Kaukasus lagen bei den Opferzahlen an zweiter Stelle. Wenngleich die Berichterstattung über solche Verbrechen lückenhaft ist, kann dennoch aufgrund der von der Organisation gesammelten Information von einem tatsächlichen Rückgang von Hassverbrechen ausgegangen werden. Der Rückgang der Zahlen liegt gemäß Alexander Verkhovsky daran, dass der Druck der Behörden auf Neonazi-Gruppen erhöht wurde und dass diese Gruppen nunmehr eher auf politischer Ebene partizipieren. 2011 wurden 189 Personen für gewalttätige Hassverbrechen verurteilt (2010: 297, 2009: 130).

Gemäß Khamzat Gerikhanov (Chechen Social and Cultural Association) ist die negative Stimmung nicht nur gegen Tschetschenen, sondern gegen Personen aus dem Kaukasus insgesamt gerichtet. Eine zunehmende Anzahl von jungen Kaukasiern studiert an Universitäten in Moskau, diese würden ihre ethnische Zugehörigkeit und Kultur offen zur Schau stellen; gelegentlich käme es zu (auch physischen) Auseinandersetzungen.

Einer Internationalen Organisation zufolge sind Moskau und St. Petersburg nicht mit anderen Städten Russlands vergleichbar, da dort die Menschen mehr Vorurteile gegenüber Migranten haben. Nicht nur Tschetschenen sind in den großen Städten Diskriminierung ausgesetzt. Die Internationale Organisation geht jedoch nicht davon aus, dass im Allgemeinen diese Diskriminierung eine Verfolgung darstellt.

Laut Igor Kalyapin (Committee Against Torture) ist Diskriminierung von Tschetschenen durch Behörden (etwa Polizisten) nicht auf einen Erlass oder Befehl der Regierung zurückzuführen, sondern auf persönliche Vorurteile und das Misstrauen einzelner.

Mehrere Quellen (Khamzat Gerikhanov, Mohammed-Aref Abazovich Bekaev - ein tschetschenischer Rechtsanwalt in Moskau, zwei westliche Botschaften, Alexander Verkhovsky) gaben an, dass Tschetschenen heutzutage weniger oft für Personenkontrollen herausgegriffen werden, als etwa Zentralasiaten.

Zumindest gelegentlich kommt es nach Aussage mehrerer Quellen (Svetlana Gannuschkina - Memorial, Khamzat Gerikhanov, Mohammed-Aref Bekaev, eine westliche Botschaft, ethnische Tschetschenen) vor, dass Tschetschenen Drogen oder Waffen untergeschoben werden, um einen Strafrechtsfall zu fabrizieren. Jedoch kommen solche Fälle falscher Anschuldigungen weniger oft vor als vor einigen Jahren und sind nicht systematisch; betroffen von solchen Praktiken sind nicht nur Tschetschenen.

Nur sehr wenige Tschetschenen finden mehreren Quellen (Abdullah Istamulov, Mohammed-Aref Bekaev, Khamzat Gerikhanov, eine westliche Botschaft) zufolge außerhalb Tschetscheniens einen Arbeitsplatz im öffentlichen Dienst und bei der Polizei.

(Danish Immigration Service: Chechens in the Russian Federation - residence registration, racially motivated violence and fabricated criminal cases, August 2012)

Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass die tschetschenischen Behörden Unterstützter und Familienmitglieder einzelner Kämpfer auf dem gesamten Territorium der Russischen Föderation suchen und/oder finden würden, was aber bei einzelnen bekannten oder hochrangigen Kämpfern sehr wohl der Fall sein kann.

(BAA/Staatendokumentation: Analyse der Staatendokumentation - Russische Föderation - Unterstützer und Familienmitglieder (mutmaßlicher) Widerstandskämpfer in Tschetschenien, 20.4.2011)

Die tschetschenische Diaspora in allen russischen Großstädten ist in den letzten Jahren stark angewachsen (200.000 Tschetschenen leben allein in Moskau). Der Kontrolldruck gegenüber kaukasisch aussehenden Personen ist aus Angst vor Terroranschlägen und anderen extremistischen Straftaten erheblich. Russische Menschenrechtsorganisationen berichten von häufig willkürlichem Vorgehen der Miliz gegen Kaukasier allein wegen ihrer ethnischen Zugehörigkeit. Kaukasisch aussehende Personen stünden unter einer Art Generalverdacht. Personenkontrollen und Hausdurchsuchungen (häufig ohne Durchsuchungsbefehle) finden weiterhin statt.

(Auswärtiges Amt: Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation (Stand Juni 2012), 6.7.2012)

Grundversorgung/Wirtschaft

Dank einer hohen finanziellen Förderung durch die Russische Föderation kam der Wiederaufbau Tschetscheniens nach dem Krieg zügig voran. Die hohe Erwerbslosigkeitsrate stellte weiterhin ein Problem dar.

(Amnesty International: Jahresbericht 2012 [Beobachtungszeitraum 2011], 24.5.2012)

Der tschetschenische Präsident Ramsan Kadyrow führt die Republik weiterhin mit Hilfe umfangreicher föderaler Subventionen. Sein verschwenderischer Lebensstil und seine extravagante Geburtstagsfeier 2011 führten zu Protesten in anderen Teilen Russlands. Trotz seiner Abhängigkeit von föderalen Mitteln arbeitet Kadyrow mit größerer Autonomie als andere regionale Oberhäupter. Putin besuchte Tschetschenien im Dezember 2011 und machte klar, dass er seinen Verbündeten weiter zu unterstützen gedenkt.

(Freedom House: Nations in Transit 2012 - Russia, 6.6.2012)

Die durch den Wiederaufbau herbeigeführten Veränderungen deuten Prosperität an, aber der Anschein kann irreführend sein. Die Wirtschaft im Nordkaukasus, darunter auch Tschetschenien, ist unterentwickelt und wird weitgehend von Moskau subventioniert. Die Produktivität liegt unter dem russischen Durchschnitt, die Gehälter sind niedrig und die Arbeitslosigkeit hoch. Zudem gibt es größere Investitionshindernisse, darunter die anhaltende niederschwellige Gewalt, vermintes Land und weit verbreitete Korruption.

Trotz der Bemühungen die notwendige Infrastruktur zu verbessern, haben die meisten gewöhnlichen Bürger keinen Nutzen aus den Wiederaufbaubemühungen in Tschetschenien gezogen. Für den Wiederaufbau wurden ausländische Arbeiter und Firmen herangezogen; Fabriken und andere Initiativen, die Arbeitsplätze in größerem Umfang schaffen könnten, wurden nicht wiederhergestellt. Deshalb sind viele gewöhnliche Bürger weiterhin von Sozialbehilfen als Haupteinkommensquelle abhängig. Die Lebensqualität ist weiterhin schlecht, es besteht ein Mangel an leistbarem Wohnraum und medizinischen Einrichtungen, sowie eingeschränkter Zugang zu Wasser, Sanitäranlagen und anderen Betriebsmitteln und eine ungeeignete Transportinfrastruktur. Wo Bildung verfügbar ist, sind die Standards niedrig.

Dennoch gibt es Grund für Optimismus. Laut Aleksandr Khloponin [Bevollmächtigter Vertreter des Präsidenten im Föderationskreis Nordkaukasus] dauerte es mehr als zehn Jahre, um die Sicherheitslage in Tschetschenien zu verbessern, die Infrastruktur und Wohnraum wieder aufzubauen, vermisste Personen zu suchen, ethnische Gruppen zusammenzubringen und vieles anderes. Um diese Bemühungen weiterführen zu können, wurde 2010 eine "Strategie für die sozioökonomische Entwicklung des Föderationskreises Nordkaukasus bis 2025" beschlossen. Diese sieht für die kommenden Jahre größere Investitionen in den Bereichen Landwirtschaft, Lebensmittelverarbeitung, Baumaterialien, Tourismus, Industrieanlagen und Logistik vor. Jedoch wird es noch mehr Zeit brauchen, um die Situation für jedermann zu verbessern. Die Arbeitslosigkeit anzupacken ist sowohl für die föderale als auch die regionale Regierung die erste Priorität. In Tschetschenien ist die Arbeitslosigkeit von 45% 2010 auf 30% im August 2011 gesunken.

(Council of Europe - Parliamentary Assembly: The situation of IDPs and returnees in the North Caucasus region, 5.3.2012)

Im März 2012 wurde eine neue Entminungskampagne in Tschetschenien gestartet. Geplant ist, die Entminung bis 2015 abgeschlossen zu haben. Nach Angaben des tschetschenischen Landwirtschaftsministeriums sind rund 14.000 ha Land, nach Angaben des tschetschenischen Notfallministeriums rund 24.000 ha Land, und nach Angaben des russischen Militärs insgesamt rund 16.000 ha von Minen, Landminen und anderen Sprengkörpern zu räumen.

(Caucasian Knot: Sappers report demining 300 hectares in Chechnya, 11.6.2012, http://chechnya.eng.kavkaz-uzel.ru/articles/21275/ , Zugriff 4.12.2012 / Caucasian Knot: Demining of Chechnya to be over in 2015, local MfE asserts, 13.4.2012, http://www.eng.kavkaz-uzel.ru/articles/20736/ , Zugriff 4.12.2012 / Caucasian Knot: Over 500 hectares demined during six months in Chechnya, 22.9.2012, http://www.eng.kavkaz-uzel.ru/articles/22312/ , Zugriff 4.12.2012)

Die materiellen Lebensumstände für die Mehrheit der tschetschenischen Bevölkerung haben sich dank großer Zuschüsse aus dem russischen Föderalen Budget nach Angaben von internationalen Hilfsorganisationen seit 2007 deutlich verbessert - ausgehend von sehr niedrigem Niveau. Die Durchschnittslöhne in Tschetschenien liegen spürbar über denen in den Nachbarrepubliken. Die Staatsausgaben in Tschetschenien sind pro Einwohner doppelt so hoch wie im Durchschnitt des südlichen Föderalen Bezirks. Die ehemals zerstörte Hauptstadt Tschetscheniens Grosny ist inzwischen dank föderaler Gelder fast vollständig wieder aufgebaut. Gleichwohl bleibt Arbeitslosigkeit und daraus resultierende Armut der Bevölkerung das größte soziale Problem.

Der Schulbesuch ist grundsätzlich möglich und findet unter zunehmend günstigen materiellen Bedingungen statt. Nach Angaben der VN entspricht die Anzahl der Lehrer wieder dem Niveau vor den Tschetschenienkriegen, allerdings sei die Versorgung mit Lernmitteln häufig noch unzureichend.

Wohnraum bleibt ein großes Problem. Nach Schätzungen der VN wurden in den Tschetschenienkriegen seit Anfang der neunziger Jahre über 150.000 private Häuser sowie ca. 73.000 Wohnungen zerstört. Die Auszahlung von Kompensationsleistungen für kriegszerstörtes Eigentum ist noch nicht abgeschlossen. Problematisch ist auch in diesem Zusammenhang die Korruption (man geht davon aus, dass 30-50% gewährter Kompensationssummen gleich wieder als Schmiergelder gezahlt werden müssen).

(Auswärtiges Amt: Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation (Stand Juni 2012), 6.7.2012)

In Tschetschenien ist ein im Vergleich zu anderen Regionen der Russischen Föderation übermäßig hoher Anteil der Bevölkerung im semi-formellen und informellen Sektor tätig. Im Zeitraum zwischen 2006 und 2008 ist jedoch bereits ein Anstieg an legalen Kleinunternehmen zu beobachten. Dem föderalen Statistikamt zufolge waren zwischen Februar und November 2002 49,2% der Bevölkerung im informellen Sektor tätig, und bezogen einen Großteil ihres Einkommens aus diesen Tätigkeiten. Des Weiteren sind die so genannten "Arbeiten im Haushalt" - Produktion entweder für den Eigenverbrauch oder zum Verkauf auf dem Markt - weit verbreitet. Diese Art der Beschäftigung steht den föderalen Statistiken zufolge in Tschetschenien an dritter Stelle.

(IOM - International Organisation for Migration: Study on the Situation and Status of Russian Nationals from the Chechen Republic receiving Basic Welfare Support in Austria, 2009)

Die Arbeitslosigkeit in der Nord-Kaukasus-Region ist die höchste in Russland. Die Gesamtzahl der Arbeitslosen beträgt ca. 18% der wirtschaftlich aktiven Bevölkerung. Die Arbeitslosenquote in Tschetschenien liegt bei 42%. Die durchschnittliche Arbeitslosigkeit in Russland liegt bei 8,2%.

Das höchste monatliche Durchschnittseinkommen wird in Moskau (RUB 33.358) und in den erdöl- und erdgasfördernden autonomen Gebieten registriert. Die niedrigsten Durchschnittseinkommen werden in den südlichen Bundesdistrikten verzeichnet (RUB 13,275). Der Durchschnittsgehalt lag in Tschetschenien laut Bundesstatistikdienst Ende 2011 bei RUB 13.919 RUB und somit über jenem der nordkaukasischen Nachbarrepubliken. Durchschnittlich kostet ein Quadratmeter Wohnraum in Tschetschenien 41.489 RUB. Die Mietkosten in Grosny belaufen sich auf RUB 6.000 bis 10.000 für eine Ein- bis Dreizimmerwohnung.

(IOM: Länderinformationsblatt Russische Föderation, Juni 2012)

Die durchschnittliche monatliche Miete für eine 4-Zimmer-Wohnung in Grosny beläuft sich auf 15.000 - 20.000 RUB (ca. 380 - 506 EUR), für eine 3-Zimmer-Wohnung auf 10.000 - 15.000 RUB (ca. 253 - 380 EUR), für eine 2-Zimmer-Wohnung auf 7.000 - 10.000 RUB (ca. 177 - 253 EUR) und für eine 1-Zimmer-Wohnung auf 5.000 - 6.000 RUB (ca. 127 - 152 EUR).

Die Kosten für die Wohnungseinrichtung (inklusive Tisch, Stühle, Betten, Sofa, Kleiderschrank, Kücheneinrichtung) belaufen sich auf 80.000 - 95.000 RUB (ca. 2.025 - 2.405 EUR). Die Schulmaterialien für ein Kind (Schuluniform, Schulbücher und Schreibmaterial) kosten ungefähr 5.000 RUB (ca. 127 EUR)

(BAMF: IOM Individualanfrage ZC96, 16.5.2012)

Die durchschnittlichen monatlichen Lebenshaltungskosten in Grosny betragen laut statistischen Angaben der Russischen Föderation vom Dezember 2011 pro Person ca. 6.559 RUB (ca. 158 EUR).

Die durchschnittlichen monatlichen Mietkosten für einen kleinen Laden (ca. 15-20m²) in Grosny liegen, je nach Lage, Größe und Qualität des Ladenlokals, zwischen 7.000 und 15.000 RUB (ca. 168-360 EUR).

(BAMF: IOM Individualanfrage ZC7, 18.01.2012)

Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz ist im Nordkaukasus, darunter auch in Tschetschenien, aktiv. Seit 2005 unterstützt das IKRK mikroökonomische Projekte: Über ein Programm können Haushalte kleine Familienbetriebe in der Landwirtschaft und der Viehzucht, im Handwerk, Handel oder anderen Dienstleistungen eröffnen, und über Berufsausbildung Fertigkeiten erlernen. Zudem führt das IKRK Programme durch, um - insbesondere in abgelegenen Dörfern - die Wasserversorgung und Kanalisation zu verbessern. Des Weiteren betreibt das IKRK Spielzimmer für Kinder.

(ReliefWeb: Russian Federation/Northern Caucasus: ICRC responds to long-lasting needs, 24.4.2012, http://reliefweb.int/node/492154 , Zugriff 4.12.2012)

Heutzutage zeigt die Hauptstadt Grosny wenige Anzeichen fast 15 Jahre Krieg miterlebt zu haben. Großflächige Kampfhandlungen sind lange vorbei, das Militär ist weniger präsent und die Stadt wurde wieder aufgebaut. Firmen aus der Türkei und den Vereinigten Arabischen Emiraten bauten neue Parks, breite Alleen, mehrstöckige Wohnhausgruppen und Sportstadien. Zerstörte Infrastruktur wie Straßen, Wasserrohre, Schulen und medizinische Einrichtungen wurden wieder aufgebaut. Andere Regionen Tschetscheniens haben ebenfalls vom Wiederaufbau profitiert, wenngleich diese Pläne bescheidener waren. Dies ist eine beachtliche Leistung der tschetschenischen Regierung. Jedoch scheint es, dass viele Gelder in große Vorzeigeprojekte flossen.

(Council of Europe - Parliamentary Assembly: The situation of IDPs and returnees in the North Caucasus region, 5.3.2012)

Sozialstaatliche Leistungen

Laut einer Studie von IOM 2009 stellen sozialstaatliche Leistungen einen beträchtlichen Teil des Einkommens eines durchschnittlichen tschetschenischen Haushaltes, insbesondere bei den schwächsten sozialen Gruppen, dar. Abhängig von der Lage der Familie machten 2008 staatliche Unterstützungsleistungen bis zu einem Drittel der Haushaltseinkommen aus.

Während das Sozialversicherungssystem (Pensionen, Krankheit, Mutterschaft, Arbeitslosigkeit) föderal reguliert wird, werden die meisten der beitragsfreien Leistungen ("leistungsabhängige" Beihilfen beispielsweise für Invalide, Jugendliche, Obdachlose, Kindergeld) regional umgesetzt. Die durchschnittliche Höhe dieser Unterstützungsleistungen belief sich 2008 auf 300 Rubel. Leistungsabhängige Beihilfen wurden 2008 an insgesamt 134.647 Personen ausgezahlt, die drei größten Gruppen waren die folgenden:

68.200 Invalide, 33.350 behinderte/kranke Kinder, 28.605 Kriegsveteranen.

(IOM - International Organisation for Migration: Study on the Situation and Status of Russian Nationals from the Chechen Republic receiving Basic Welfare Support in Austria, 2009)

Medizinische Versorgung

Medizinische Grundversorgung ist in Tschetschenien flächendeckend gewährleistet. Spezialisierte Kliniken sind nur in der Hauptstadt Grosny verfügbar, was aber in Anbetracht der Größe der Republik (ungefähr der Steiermark) zu verstehen ist. Grundsätzlich ist medizinische Versorgung kostenlos, auf die allseits verbreitete Korruption muss aber auch hier hingewiesen werden. Für Behandlungen, die in Tschetschenien nicht verfügbar sind, besteht die Möglichkeit, zur Behandlung nach Stawropol (Distanz zu Grosny ca. 450 km), nach Moskau, oder in andere russische Städte zu reisen. Kriegsbedingt herrscht noch immer ein Mangel an qualifiziertem medizinischem Personal, was man jedoch durch Ausbildungsmaßnahmen, aber auch durch die Bewerbung einer Rückkehr von Fachkräften aus anderen Teilen Russlands und aus dem Ausland zu verbessern bemüht ist.

Es gibt insgesamt nach Auskunft des Gesundheitsministers ca. 368 medizinische Einrichtungen, wie (Rajon- und Republiks‑)Krankenhäuser und Polykliniken. Die Polykliniken sind Ambulanzen, in denen (Vorsorge‑)Untersuchungen und ambulante Behandlungen durchgeführt werden. Der Auskunft des Gesundheitsministeriums zufolge gibt es in jeder Siedlung der Republik medizinische Einrichtungen. Es gibt in Tschetschenien unter anderem 22 Rajons- und 32 Republikseinrichtungen für medizinische Behandlung und Prophylaxe, sowie in Grosny allein weitere 26 medizinische Einrichtungen.

Es gibt mindestens drei Krankenhäuser für psychisch Kranke, sowie weitere Krankenhäuser, die sich mit Personen, die an der Schwelle zu psychischen Krankheiten stehen, beschäftigen. Das Republikskrankenhaus für psychisch Kranke "Samaschki" beispielsweise hat 180 Betten, das Republikskrankenhaus für psychisch Kranke "Darbanchi" 250 Betten. Das "Republikszentrum für medizinisch-psychologische Rehabilitation von Kindern" hat 120 Betten. Des Weiteren gibt es eine "Republiksfürsorgestelle für Psychoneurologie" mit 80 Betten. Im "Psychoneurologischen Kinderhaus Nr. 2 der Stadt Grosny" gibt es 120 Betten, behandelt werden dort Kinder bis zu zehn Jahren mit beispielsweise Down Syndrom, Zerebralparese oder Autismus. In der Klinik arbeiten neben Kinderärzten und Krankenschwestern auch Neurologen, Psychiater, Physiotherapeuten, Logotherapeuten oder Masseure.

(BAA Staatendokumentation: Bericht zum Forschungsaufenthalt Russland 2011, Dezember 2011)

Das russische Gesundheitswesen besteht aus ärztlicher Grundversorgung, Sekundärversorgung und spezialisierten Diensten. Der Krankenhaussektor ist sehr groß. Dem Gesetz nach sollte die Gesundheitsversorgung kostenlos sein und unabhängig davon, wo eine Person seine dauerhafte Registrierung hat. Jedoch sind in der Realität inoffizielle Zahlungen für medizinische Versorgung weit verbreitet und es kann schwierig werden, außerhalb des Ortes der dauerhaften Registrierung Behandlungen zu erhalten. Das Gesundheitswesen in Tschetschenien ist mittlerweile weitgehend wieder aufgebaut. Die Krankenhäuser sind neu und die Ausstattung ist modern, jedoch wird die Qualität der Versorgung als niedrig beschrieben. Dies liegt vor allem am Mangel an medizinischem Personal.

(Landinfo: Tsjetsjenia og Ingusjetia: Helsetjenester, 26.6.2012, http://www.landinfo.no/asset/ 2219/1/2219_1.pdf, Zugriff 4.12.2012)

Die Anzahl der Ärzte pro 10.000 Einwohner in Tschetschenien entwickelte sich von 17,7 im Jahr 2004 über 22,5 im Jahr 2007 auf 28,6 im Jahr 2010. Die Anzahl der Pflegekräfte ("weiteres medizinisches Personal") pro 10.000 Einwohner entwickelte sich von 56,5 im Jahr 2004 über 66,7 im Jahr 2007 auf 74,2 im Jahr 2010. Die Anzahl der Krankenhausbetten pro 10.000 Einwohner entwickelte sich von 61,3 im Jahr 2004 über 73,2 im Jahr 2007 auf 83,5 im Jahr 2010. 2010 gab es in Tschetschenien 81 ambulante Polykliniken (2004: 68, 2007: 73)

(Rosstat Tschetschenien/??????????????? ????? ??????????? ?????? ??????????????? ?????????? ?? ????????? ??????????: ???????? ?????????? ???????????????, ohne Datum, http://chechenstat.gks.ru/digital/region13/Lists/List/AllItems.aspx?PageView=Shared , Zugriff 3.12.2012)

Gemäß IOM Moskau ist de facto eine dauerhafte oder vorübergehende Registrierung notwendig, um sich legal in einem Gebiet aufzuhalten und Zugang u. a. zum Gesundheitswesen zu haben. Russische Bürger haben die gleichen Rechte auf Zugang zu medizinischer Hilfe in allen Regionen des Landes. Ist eine Person nicht registriert, so erhält sie medizinische Notfallhilfe, für andere Behandlungen muss man in das Gebiet gehen, in dem man registriert ist. Die Faustregel lautet, dass man kostenlose medizinische Hilfe dort bekommt, wo man registriert ist. Andererseits kann eine Person, wenn sie die Kosten selbst zahlen kann, unabhängig von der Registrierung überall die notwendige Hilfe bekommen. Die ethnische Zugehörigkeit spielt im Rahmen des Zugangs zur Gesundheitsfürsorge keine Rolle. Die Registrierung einer Person ist in Zusammenhang mit der medizinischen Versorgung daher wichtig, weil Krankenhäuser die Kosten einer Behandlung nur bei registrierten Bürgern zurückerstattet bekommen.

Gemäß Elena Vilenskaya (House of Peace and Non-Violence) haben Krankenhäuser und Kliniken in Russland Quoten für bestimmte Behandlungen bei Bürgern aus anderen Regionen der Russischen Föderation. Um eine Behandlung in einem Krankenhaus oder einer Klinik außerhalb der Region, in der man dauerhaft registriert ist, zu erhalten, benötigt die betreffende Person eine Garantie der Region in der sie registriert ist, dass die regionale Gesundheitsbehörde die Kosten der Behandlung rückerstatten wird. In Tschetschenien könnten hierfür Bestechungsgelder verlangt werden. In einigen seltenen Fällen wird eine Garantie ohne Bezahlung von Bestechungsgeldern gegeben. Medizinische Grundversorgung und Notfallhilfe wird unabhängig von einer solchen Garantie oder Versicherung gewährt.

(Danish Immigration Service: Chechens in the Russian Federation, Report from Danish Immigration Service's fact finding mission to Moscow and St. Petersburg, the Russian Federation, 12 to 29 June 2011, 11.10.2011)

Korruption ist u. a. auch im Gesundheitswesen verbreitet.

(Schweizerische Flüchtlingshilfe: Nordkaukasus: Sicherheits- und Menschenrechtslage, 12.9.2011)

PTSD (PTBS) ist in Tschetschenien ambulant und stationär durch Psychiater behandelbar, beispielsweise bei der Psychoneurologischen Republiksausgabestelle in Grosny oder im Psychiatrischen Republikskrankenhaus Samashki in Atschoj-Martan.

(SOS International (via MedCOI): BMA 4433, 31.10.2012)

In Tschetschenien betreiben Ärzte ohne Grenzen (MSF) ein Programm für Psychosoziale Unterstützung für von Gewalt betroffene Einwohner und Binnenflüchtlinge. 2010 konzentrierte sich dieses Programm auf die Beratung von Personen, die in den Berggebieten wohnen, da dort gewalttätige Vorfälle häufiger sind.

Seit 2005 betreibt MSF gynäkologische und pädiatrische Kliniken in zwei Bezirken von Grosny. Diese konzentrieren sich auf die Fürsorge von besonders schutzbedürftigen Gruppen, wie etwa Mütter von großen Familien mit niedrigem Einkommen. Zudem stiftete MSF Medikamente und medizinische Vorräte an das Mutter-Kind-Zentrum in Grosny und an medizinische Einrichtungen in Schatoi, Scharoi und Itum-Kale. Im August 2010 eröffnete MSF gynäkologische und pädiatrische Kliniken in zwei ländlichen Orten im Norden Tschetscheniens (Bezirke Naur und Schelkow).

2010 spielte MSF eine starke Rolle dabei, die Entwicklung von Kapazitäten im tschetschenischen Tuberkuloseprogramm zu unterstützen. Der Fokus lag darauf, die Qualität der TB-Arzneiausgaben und -Laboratorien zu verbessern. 2010 entdeckte MSF unter seinen Patienten einen bedeutenden Anteil von multiresistenter TBC, weshalb 2011 das Programm auch auf die Behandlung dieser MDR-TB ausgeweitet werden sollte.

(Médecins Sans Frontières: IAR 2010 - Russian Federation, 2.8.2011, http://www.msf.org/msf/articles/ 2011/08/iar-2010---russian-federation.cfm, Zugriff 3.12.2012)

Ende 2010 begann MSF aufgrund der Unzulänglichkeit der diesbezüglichen Gesundheitsversorgung in einer Intensivstation im Notfallkrankenhaus in Grosny ein Kardiologie- und Intensivprogramm zur Behandlung von Herznotfällen in Grosny, und behandelte bereits in den ersten Monaten fast 700 Patienten. (Médecins Sans Frontières:

Chechnya: MSF treats cardiac emergencies, 25.1.2012, http://www.msf.org/msf/articles/2012/01/chechnya-msf-treats-cardiac-emergencies.cfm ,

Zugriff 3.12.2012)

Behandlung nach Rückkehr

Zur Lage von ethnischen Tschetschenen in der Russischen Föderation außerhalb der Republik Tschetschenien

Es liegen keine gesicherten Erkenntnisse vor, ob Russen mit tschetschenischer Volkszugehörigkeit nach ihrer Rückführung besonderen Repressionen ausgesetzt sind. Solange die Konflikte im Nordkaukasus, einschließlich der Lage in Tschetschenien, nicht endgültig gelöst sind, ist davon auszugehen, dass abgeschobene Tschetschenen besondere Aufmerksamkeit durch russische Behörden erfahren. Dies gilt insbesondere für solche Personen, die sich gegen die gegenwärtigen Machthaber engagiert haben bzw. denen ein solches Engagement unterstellt wird, oder die im Verdacht stehen, einen fundamentalistischen Islam zu propagieren.

(Auswärtiges Amt: Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation (Stand Juni 2012), 6.7.2012)

Laut einem Vertreter der Internetzeitschrift "Kaukasischer Knoten" können Rückkehrer nach Tschetschenien mit verschiedenen Problemen konfrontiert sein. Einerseits stehen Rückkehrer, ebenso wie die restliche Bevölkerung vor den alltäglichen Problemen der Region. Dies betrifft in erster Linie die hohe Arbeitslosigkeit, die Wohnungsfrage und die Beschaffung von Dokumenten sowie die Registrierung. Viele Häuser wurden für den Neubau von Grosny abgerissen und der Kauf einer Wohnung ist für viele (auch im Fall von Kompensationszahlungen) unerschwinglich, die Arbeitslosigkeit ist um einiges höher als in den offiziellen Statistiken angegeben und bei der Beschaffung von Dokumenten werden oft Schmiergeldzahlungen erwartet. Darüber hinaus stellen Rückkehrer eine besonders verwundbare Gruppe dar, da sie ein leichtes Opfer im Antiterrorkampf darstellen. Um die Statistiken zur Verbrechensbekämpfung aufzubessern, werden zum Teil Strafverfahren fabriziert und ehemaligen Flüchtlingen angelastet. Andererseits können Rückkehrer auch ins Visier staatlicher Behörden kommen, weil vermutet wird, dass sie tatsächlich einen Grund zur Flucht aus Tschetschenien hatten, d.h. Widerstandskämpfer waren oder welche kennen. Manchmal werden Rückkehrer gezwungen, für staatliche Behörden zu spionieren. Eine allgemein gültige Aussage über die Gefährdung von Personen nach ihrer Rückkehr nach Tschetschenien kann nicht getroffen werden, da dies stark vom Einzelfall und von der individuellen Situation des Rückkehrers abhängt.

(ÖB Moskau: Asylländerbericht Russische Föderation, Stand September 2012)

IOM Wien führt von 1.7.2010 bis 30.6.2013 (mit Verlängerungsmöglichkeit) das Projekt "Unterstützung der Freiwilligen Rückkehr und Reintegration von Rückkehrenden in die Russische Föderation/Republik Tschetschenien" durch. Im Rahmen des Projekts werden Russische Staatsangehörige aus der Republik Tschetschenien, die freiwillig in ihre Heimat zurückkehren möchten, nicht nur bei der Rückkehr, sondern auch bei ihrer Reintegration im Herkunftsland unterstützt. Sie erhalten nach ihrer Rückkehr Unterstützung von einer lokalen Partnerorganisation (NGO Vesta), die sie rechtlich und sozial berät und gemeinsam mit ihnen individuelle Reintegrationsmaßnahmen (z.B. Weiterbildungskurse, Geschäftsgründung, Erwerb von Werkzeug oder Materialien, etc.) auswählt. Diese Reintegrationsmaßnahmen werden in Form von Sachleistungen im Wert von bis zu max. EUR 2.000 unterstützt (pro Familie kann nur eine Person - in der Regel der Haushaltsvorstand - teilnehmen). Zusätzlich werden die Rückkehrer/innen bei der Deckung der Lebenserhaltungskosten während der ersten sechs Monate nach der Rückkehr mit EUR 500,- pro Fall unterstützt.

Die Reintegrationsunterstützung kann z.B. für die folgenden Maßnahmen genutzt werden: Berufsausbildung; Ankauf von für die Ausübung eines Berufes benötigtem Werkzeug und geeigneter Ausrüstung; Unterstützung bei der Gründung eines Kleinunternehmens (in Sachleistungen); Organisation von Kinderbetreuung und medizinischer Versorgung für Rückkehrer mit besonderen Bedürfnissen.

Zielgruppe des Projekts sind Asylwerber/innen, Asylberechtigte, subsidiär Schutzberechtigte sowie nicht oder nicht mehr aufenthaltsberechtigte Personen, die freiwillig aus Österreich in die Russische Föderation / Republik Tschetschenien zurückkehren möchten. Im Rahmen des Projekts werden im Zeitraum von 1. Juli 2012 bis 30. Juni 2013 bis zu 95 Teilnehmer/innen (pro Familie ist nur eine Person teilnahmeberechtigt) mit den benötigten Mitteln und Know-how ausgestattet, um sich in der Republik Tschetschenien eine neue wirtschaftliche Existenz aufzubauen.

(IOM Wien: Unterstützung der Freiwilligen Rückkehr und Reintegration von Rückkehrenden in die Russische Föderation/Republik Tschetschenien, ohne Datum, http://www.iomvienna.at/ index.php?option=com_content&view=article&id=545%3Aunterstuetzung-der-freiwilligen-rueckkehr-und-reintegration-von-rueckkehrenden-in-die-russische-foederation-republik-tschetschenien&catid=92%3Aunterstuetzte-freiwillige-rueckkehr-aus-oesterreich&Itemid=143&lang=de, Zugriff 4.12.2012)

2. Beweiswürdigung

Die Identität der Beschwerdeführerin ergibt sich aus dem vorgelegten russischen Inlandsreisepass.

Bei den Feststellungen zur gesundheitlichen Verfassung der Beschwerdeführerin folgte das erkennende Gericht einerseits ihren diesbezüglich glaubwürdigen Angaben und andererseits dem eingeholten psychiatrisch-neurologischen Gutachten des Univ. Prof. Dr. med. Georg Pakesch vom 06.08.2013. Das Gutachten ist ausführlich, widerspruchsfrei, schlüssig sowie nachvollziehbar aufgebaut und legt, auch in Zusammenschau mit den vorgelegten ärztlichen Befunden und Krankenhausberichten, ein übereinstimmendes Bild der gesundheitlichen Verfassung der Beschwerdeführerin dar. Dem Einwand der Beschwerdeführerin, wonach das Gutachten nicht objektiv sei und der Sachverständige unsachliche wertende Ausdrucksweisen verwendet habe, kann nicht gefolgt werden. Das erkennende Gericht hat keinerlei Anlass, die Angaben im gerichtsmedizinischen Gutachten in Zweifel zu ziehen. Diese sind von einem unabhängigen Sachverständigen erstellt worden, der den zu beurteilenden Fragen mit keinem persönlichen Interesse entgegengetreten ist.

Das Datum der Antragstellungen und die Ausführungen zum bisherigen Verfahrensgang ergeben sich aus dem Akteninhalt.

Die Feststellungen zur Integration der Beschwerdeführerin ergeben sich einerseits aus ihren diesbezüglich glaubwürdigen Angaben und andererseits aus den im Verfahren vorgelegten Dokumenten und Abfragen aus entsprechenden amtlichen österreichischen Registern.

Die Feststellungen zur Russischen Föderation / Tschetschenien ergeben sich aus dem angefochtenen Bescheid vom 12.11.2013. Sie gründen sich auf die oben angeführten, unbedenklichen, seriösen und aktuellen Quellen, deren Inhalt schlüssig und widerspruchsfrei ist. Wenn die Beschwerdeführerin in der Beschwerde vorbringt, die Länderfeststellungen seien nicht geeignet, weil sie nicht auf die Situation von Frauen eingehen würden, so ist dazu festzuhalten, dass das Vorbringen der Beschwerdeführerin aufgrund ihrer massiv widersprüchlichen Angaben als nicht glaubhaft gewertet werden kann und daher auch das erkennende Gericht keine Notwendigkeit sieht, seiner Entscheidung ergänzende Länderberichte zur Situation von Frauen in der Russischen Föderation zugrunde zu legen.

Die Feststellung, wonach das Fluchtvorbringen der Beschwerdeführerin nicht glaubwürdig ist, beruht auf folgenden Erwägungen:

Gemäß der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist es Aufgabe des Asylwerbers durch ein in sich stimmiges und widerspruchsfreies Vorbringen, allenfalls durch entsprechende Bescheinigungsmittel, einen asylrelevanten Sachverhalt glaubhaft zu machen (vgl VwGH 25.03.1999, 98/20/0559).

Der Verwaltungsgerichtshof hat in mehreren Erkenntnissen betont, dass die Aussage des Asylwerbers die zentrale Erkenntnisquelle darstellt und daher der persönliche Eindruck des Asylwerbers für die Bewertung der Glaubwürdigkeit seiner Angaben von Wichtigkeit ist (vgl VwGH 24.06.1999, 98/20/0453; 25.11.1999, 98/20/0357).

Bereits das Bundesasylamt hat in seiner Beweiswürdigung dargelegt, dass die von der Beschwerdeführerin präsentierte Fluchtgeschichte bzw Bedrohungssituation aufgrund zahlreicher Widersprüche nicht glaubhaft sei und somit als nicht den Tatsachen entsprechend gewertet werden müsse. Dem Beschwerdevorbringen, wonach die belangte Behörde die Angaben der Beschwerdeführer nicht als Gesamtes gewürdigt, sondern lediglich nach Widersprüchen und Ungereimtheiten in den Aussagen der Beschwerdeführer zueinander und zu den vorangegangenen Einvernahmen gesucht habe, kann nicht gefolgt werden, handelt es sich dabei um bloße unsubstantiierte, nicht nachvollziehbare Behauptungen und Unterstellungen, für die sich keine begründeten Hinweise finden lassen. Die vom Bundesasylamt vorgenommene Beweiswürdigung ist im Sinne der allgemeinen Denklogik und der Denkgesetze in sich schlüssig und stimmig. Sie steht auch im Einklang mit der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, wonach die Behörden einen Sachverhalt grundsätzlich nur dann als glaubwürdig anerkennen, wenn der Asylwerber während des Verfahrens im Wesentlichen gleich bleibende Angaben macht, wenn diese Angaben wahrscheinlich und damit einleuchtend erscheinen und wenn erst sehr spät gemachte Angaben nicht den Schluss aufdrängten, dass sie nur der Asylerlangung um jeden Preis dienen sollten, der Wirklichkeit aber nicht entsprechen. Als glaubhaft können Fluchtgründe im Allgemeinen nicht angesehen werden, wenn der Asylwerber die nach seiner Meinung einen Asyltatbestand begründenden Tatsachen im Laufe des Verfahrens unterschiedlich oder sogar widersprüchlich darstellt, wenn seine Angaben mit den der Erfahrung entsprechenden Geschehnisabläufen nicht vereinbar und daher unwahrscheinlich erscheinen oder wenn er maßgebliche Tatsachen erst sehr spät im Laufe des Asylverfahrens vorbringt (vgl VwGH, 06.03.1996, 95/20/0650). Das Bundesasylamt hat die Beschwerdeführer im gegenständlichen Asylverfahren ausführlich befragt und ihnen immer wieder die Möglichkeit geboten, ihre Angaben zu ergänzen bzw sonstige Aussagen zu tätigen. Betrachtet man die Protokolle der Einvernahmen, so ergibt sich daraus, dass die Beschwerdeführer in sämtlichen Einvernahmen die Gelegenheit hatten, frei und ohne Zwischenfragen, ihre Fluchtgründe darzustellen. Widersprüche in ihren Angaben wurden den Beschwerdeführern zwecks Parteiengehör ordnungsgemäß vorgehalten und sind zahlreiche Nachfragen zur Klärung des Sachverhaltes getätigt worden. Es konnten somit im vorliegenden Fall diesbezüglich keine Versäumnisse der belangten Behörde festgestellt werden und kommt auch das erkennende Gericht nach gesamtheitlicher Würdigung zu dem Ergebnis, dass der von der Beschwerdeführerin angegebene Fluchtgrund wegen mangelnder Plausibilität nicht den Tatsachen entspricht. Auch kamen im Verfahren zahlreiche Ungereimtheiten und Widersprüche zustande, die die Beschwerdeführerin trotz expliziten Nachfragens nicht nachvollziehbar aufzuklären vermochte.

Zuzustimmen ist zunächst den Ausführungen der belangten Behörde, wonach es keineswegs nachvollziehbar erscheint, dass die Beschwerdeführerin in der Erstbefragung lediglich davon sprach, von den russischen Behörden keine Ruhe gehabt zu haben, seit ihr Ehemann dem Bojovicy geholfen habe. Abgesehen davon, dass die Beschwerdeführerin "Bojovicy" in den weiteren Einvernahmen in keinem Wort mehr erwähnte, sondern angab, dass ihr Ehemann aufgrund seines Bruders XXXX Probleme habe, ist es für das erkennende Gericht völlig unverständlich, dass die angeblichen Vergewaltigungen der Beschwerdeführerin in ihrer Ersteinvernahme gänzlich unerwähnt blieben. Wenn auch die Angaben in der Erstbefragung, die sich gemäß § 19 Abs 1 AsylG 2005 nicht auf die näheren Fluchtgründe zu beziehen haben, nicht überbewertet werden sollten (vgl idS auch VfGH 27.06.2012, U 98/12), so ist im vorliegenden Fall dennoch unübersehbar, dass die Beschwerdeführerin in wesentlichen Aspekten unvollständige Angaben machte, die nicht nachvollziehbar erscheinen. Daran vermag auch der Erklärungsversuch der Beschwerdeführerin, wonach ihr bei der Erstbefragung von der Dolmetscherin gesagt worden sei, sie solle nur kurz die Reiseroute schildern, nichts zu ändern, ergibt sich doch aus der Niederschrift klar und deutlich, dass die Beschwerdeführerin auch in der Erstbefragung zu ihren Fluchtgründen befragt wurde.

Massive Zweifel an der Richtigkeit ihrer Angaben rief die Beschwerdeführerin auch mit ihren divergierenden Angaben zu dem Tschetschenen namens XXXX hervor:

In der Einvernahme vom 05.07.2011 gab sie zu Protokoll, mit diesem freiwillig eine Beziehung begonnen zu haben:

"A: Nach einem Monat begannen wir eine Beziehung. Ich fühlte mich ihm verpflichtet, weil er mir half und wollte ich die Beziehung dann auch selbst aufrecht erhalten. Die Beziehung dauerte etwa ein Jahr. Es war mir klar, dass dies nach unseren Bräuchen verboten ist, jedoch konnte ich mich nicht stoppen. Ich beendete dann nach einem Jahr die Beziehung und wechselte auch die Telefonnummer. Es tat mir auch mein Mann leid."

In der Befragung vom 26.09.2012 änderte sie ihr diesbezügliches Vorbringen dann gänzlich ab, indem sie ausführte, von Anfang an vergewaltigt worden zu sein:

" A: Bei der Berufung wurde mir mein erstes Interview übersetzt. Ich war entsetzt. Der Sinn war verfälscht. Es ist so heraus gekommen, dass ich keine gute Frau gewesen wäre, also eine die nicht auf das häusliche Leben aus wäre sondern vielmehr auf Unterhaltungen verschiedener Art. ...

F: Was ist falsch in der Niederschrift vom 05.07.2011?

A: Falsch ist, dass ich freiwillig mit diesem Mann, der mich vergewaltigte, zwei bis drei Mal in der Woche mitfuhr. Er kam in das Restaurant, wo ich arbeitete. Dort waren noch andere Tschetschenen. Wenn ich mit ihm nicht aus dem Restaurant gegangen wäre, hätte es Gerüchte gegeben...Wir lernten uns auf der Bushaltestelle kennen. Ich war auf dem Heimweg von der Arbeit zur Mutter. Er blieb stehen und bot mir an einzusteigen... Etwa eineinhalb Monate später rief er mich an.. Ich stieg zu ihm in das Auto ein bei dieser Haltestelle. Während der Fahrt verwickelte er mich in ein Gespräch, wer meinen Mann abholte. Ich begann zu erzählen. Ich bemerkte nicht rechtzeitig, dass er auf einer anderen Straße fuhr, die nicht zu meiner Arbeit fährt. Es war eine entlegene Straße, wo wenige Autos fahren. Ich sagte zu ihm, dass er umdrehen soll. Ich war in Panik. Er drehte nicht um sondern brachte mich vielmehr zu einer Stelle wo keine Leute waren. Er setzte sich zu mir auf den Rücksitz, berührte und vergewaltigte mich. Dann brachte er mich nach Hause."

Mit diesen Angaben wird nicht nur ein gravierender Widerspruch im Vorbringen der Beschwerdeführerin evident, sondern ergibt sich daraus auch eine Steigerung des Vorbringens, was nicht für die Glaubwürdigkeit der Beschwerdeführerin zu sprechen vermag. Soweit die Beschwerdeführerin diese Divergenzen als Missverständnis abzutun versucht und meint, dass der Sinn ihres Vorbringens verfälscht worden sei, sind ihre Erklärungsversuche als bloße Schutzbehauptung zu werten. Auch die neuerliche Berufung auf das Missverständnis in der Beschwerde vermag nicht zu überzeugen, wenn man bedenkt, dass sich die Aussage der Beschwerdeführerin ("Nach einem Monat begannen wir eine Beziehung. Ich fühlte mich ihm verpflichtet, weil er mir half und wolle ich die Beziehung dann auch selbst aufrecht erhalten. Es war mir klar, dass dies nach unseren Bräuchen verboten ist, jedoch konnte ich mich nicht stoppen. Ich beendete dann nach einem Jahr die Beziehung und wechselte auch die Telefonnummer. Es tat mir auch mein Mann leid.") als eindeutig und unmissverständlich gestaltet und die Beschwerdeführerin selbst darauf angesprochen, dass diese verbotene Beziehung dem tschetschenischen Kulturkreis widerspreche, nochmals davon sprach, sich auf die Beziehung eingelassen zu haben: "V: Es ist unglaubwürdig, dass Sie diese verbotene Beziehung hatten, zumal Sie drei kleine Kinder haben und diese verbotene Beziehung dem tschetschenischen Kulturkreis widerspricht.

A: Ich kann es mir selbst nicht erklären, dass ich mich auf diese Beziehung eingelassen habe." Wie bereits das Bundesasylamt zutreffend ausführte, hätte die Antwort auf diese Frage, selbst wenn man davon ausginge, dass die Beschwerdeführerin zuvor missverstanden worden sei, anders aussehen müssen. Darüber hinaus ist festzuhalten, dass die Beschwerdeführerin die Richtigkeit des Protokolls, welches ihr der Niederschrift zufolge rückübersetzt worden war, ausdrücklich bestätigte und unterfertigte. Anzumerken ist weiters, dass die Beschwerdeführerin auch bei der Psychologin (Befundbericht vom 12.09.2012) davon sprach, eine Beziehung zu einem tschetschenischen Polizisten eingegangen zu sein und in keiner Weise angab, vergewaltigt worden zu sein. Insofern die Beschwerdeführerin diese widersprüchlichen Angaben mit der Anwesenheit ihrer Kinder zu erklären versucht, so kann dies lediglich als Schutzbehauptung gewertet werden. Diesbezüglich hat bereits das Bundesasylamt klargestellt, dass die Beschwerdeführerin in der Einvernahme vom 05.07.2011, trotz Anwesenheit ihrer Kinder, nicht davor zurückschreckte, anzugeben, dass sie dieser XXXX dazu gezwungen habe, auch mit seinen Freunden sexuelle Handlungen vorzunehmen, sodass sie demgemäß auch hätte angeben hätte können, von XXXX selbst vergewaltigt worden zu sein. Auch das Beschwerdevorbringen, wonach die Beschwerdeführerin bei der Erstbefragung und ihrer Einvernahme vom 05.07.2011 noch sehr große Scham gehabt habe über das Ereignete zu sprechen, ist damit in keiner Weise in Einklang zu bringen und vermochte das erkennende Gericht nicht zu überzeugen.

Divergierend waren die Angaben der Beschwerdeführerin auch insofern, als sie in ihrer Einvernahme vom 05.07.2011 noch angab, an drei oder vier Freunde des XXXX vermittelt worden zu sein, in der Einvernahme vom 26.09.2012 dann hingegen nur noch von zwei Freunden sprach, wobei es immer dieselben gewesen seien. Bei der Psychologin änderte sie ihre Ausführungen erneut ab, indem sie angab von drei Freunden des XXXX vergewaltigt worden zu sein. Wenn die Beschwerdeführerin diesen Widerspruch auf entsprechenden Vorhalt damit zu erklären versucht, dass sie der Psychologin nur eine Kurzfassung erzählt habe, weil sie diese eigentlich mehr zu ihrer Familie befragt habe, so ist der Schluss der Behörde, dass es sich bei diesem Vorbringen um einen misslungenen Erklärungsversuch dieser Divergenzen handelt, auch für das Bundesverwaltungsgericht zutreffend.

Völlig widersprüchlich gestalteten sich darüber hinaus die Angaben der Beschwerdeführerin zu den Einzelheiten der Treffen: Gab sie in der Einvernahme vom 05.07.2011 noch an, sich mit XXXX stets in seiner Wohnung getroffen zu haben, machte sie in der Befragung vom 26.09.2012 gänzlich divergierende Angaben, indem sie zu Protokoll gab: "Wir machten es immer im Auto. Erst ein halbes Jahr später brachte er mich in eine Wohnung.".

Wie bereits das Bundesasylamt zutreffend ausführte, ist zudem auffallend, dass die Angaben der Beschwerdeführerin zu dem Zeitraum zwischen dem ersten Gespräch mit XXXX und der Information, dass gegen ihren Mann nichts vorliege, nicht stringent blieben: So sprach sie in der Befragung vom 05.07.2011 noch von einer Woche, in der Einvernahme vom 26.09.2012 hingegen von eineinhalb Monaten.

Bezeichnenderweise war es der Beschwerdeführerin auch nicht möglich, die Adresse der Wohnung des XXXX anzugeben. Würde man davon ausgehen, dass es sich um real erlebte Situationen handelt, so wäre nach menschlichem Ermessen davon auszugehen gewesen, dass die Beschwerdeführerin, zumindest ungefähre Ortsangaben zur Wohnung des XXXX hätte machen können, zumal sie angab, über ein Jahr zwei- bis dreimal wöchentlich dort gewesen zu sein. Dass die Wohnung im Stadtteil Berjozka liege, wurde während des Verfahrens von der Beschwerdeführerin trotz expliziten Nachfragens nicht angegeben, sondern findet sich diese Information erstmals im Beschwerdevorbringen.

Unverständlich ist zudem, warum die Beschwerdeführerin bei der Konsultation von Dr. W. Johanna Dostal, am 12.09.2011 davon sprach, dass ihre Tochter zu früh geboren worden sei, nachdem die Beschwerdeführerin von einem Bus gestoßen worden sei, sie im Rahmen ihrer Einvernahmen vor dem Bundesasylamt jedoch stets ausführte, von der Miliz gestoßen worden zu sein, woraufhin ihre Tochter zu früh auf die Welt gekommen sei.

Festzuhalten ist weiters, dass eklatante Widersprüche zwischen den Angaben der Beschwerdeführerin und jenen ihres Ehegatten zu Tage traten:

Zunächst tätigten die Beschwerdeführer divergierende Angaben hinsichtlich der Festnahmen des Erstbeschwerdeführers: Während der Erstbeschwerdeführer in seiner Einvernahme vom 26.09.2012 auf die Frage, ob er immer zu Hause festgenommen worden sei, zu Protokoll gab, immer in der Wohnung, wo er gewohnt habe, von maskierten uniformierten Männern festgenommen worden zu sein, behauptete die Beschwerdeführerin, dass ihr Ehegatte auch auf der Straße oder bei der Arbeit festgenommen worden sei.

Unterschiedliche Angaben machten die Beschwerdeführer zunächst auch in Bezug die Festnahmen des Erstbeschwerdeführers: Während die Beschwerdeführerin in ihrer Einvernahme vom 05.07.2011 angab, dass ihr Ehegatte etwa acht oder neun Mal mitgenommen worden sei, wobei die letzte Mitnahme Ende 2007 erfolgt sei und er von 2003 bis 2007 in Ruhe gelassen worden sei, sprach der Erstbeschwerdeführer von fünfzehn bis zwanzig Festnahmen. Wenn die Beschwerdeführerin in ihrer Einvernahme vom 26.09.2012 ebenfalls von fünfzehn Mitnahmen spricht, so drängt sich der Schluss auf, dass sich die Beschwerdeführerin vor der neuerlichen Einvernahme mit ihrem, mittlerweile ebenfalls ins Bundesgebiet eingereisten Ehegatten abgesprochen und den Inhalt der vorgetragenen Fluchtgründe aufeinander abgestimmt hat. Dass sich die Beschwerdeführer gemeinsam auf die Einvernahme vorbereiteten, gaben sie in der Beschwerde vom 11.12.2012 auch selbst zu.

Auch der Zeitpunkt des Krankenhausaufenthaltes wurde im Verfahrenslauf von den Beschwerdeführern massiv widersprüchlich dargestellt: Behauptete der Erstbeschwerdeführer, dass sich seine Frau 2005 oder 2006 wegen ihrer Steine in der Galle oder Niere im Krankenhaus befunden habe und er sie einige Male besucht habe, sprach die Beschwerdeführerin hingegen davon, ungefähr im November 2010 im Krankenhaus gewesen zu sein. Darüber hinaus verneinte sie die Frage, ob sie ihr Ehegatte während ihres Krankenhausaufenthaltes besucht habe. Wenn in der Beschwerde vorgebracht wird, dass das Bundesasylamt den Erstbeschwerdeführer konkret hätte darauf ansprechen müssen, ob er sich erinnern könne, dass ihm seine Frau im November 2010 telefonisch mitgeteilt habe, wegen Gallensteinen im Krankenhaus gewesen zu sein, weil es ihm dann möglicherweise eingefallen wäre, so ist dem entgegenzuhalten, dass der Erstbeschwerdeführer vom einvernehmenden Organwalter der belangten Behörde konkret gefragt wurde, ob seine Frau jemals im Krankenhaus gewesen sei, sodass der belangten Behörde insofern keine Versäumnisse vorzuwerfen sind.

Insgesamt gelang es der Beschwerdeführerin nicht, individuelle und konkrete Verfolgungsgründe glaubhaft zu machen, zumal sie keine schlüssige oder nachvollziehbare Verfolgungssituation schildern konnte und sich im Vorbringen überdies zahlreiche beträchtliche Widersprüche ergaben, die in ihrer Summe jedenfalls zur Annahme der Unglaubwürdigkeit des Fluchtvorbringens zwingen. Die mangelnde Plausibilität der Angaben sowie die aufgezeigten massiven Unstimmigkeiten in ihren Angaben erscheinen in hohem Maße unverständlich und bekräftigen das erkennende Gericht in der Annahme, dass es sich beim Fluchtvorbringen lediglich um ein gedankliches Konstrukt zwecks Asylerlangung handelt. Es ist daher nicht glaubhaft, dass die Beschwerdeführerin in ihrem Heimatland wohlbegründete Furcht im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention zu gewärtigen hatte bzw sich solche pro futuro ergibt.

Was das in der Beschwerde zitierte Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 13.09.2013, U 1685/2012, betrifft, so ist dazu anzumerken, dass die belangte Behörde im vorliegenden Fall auch auf das eigentliche Fluchtvorbringen und nicht bloß auf Nebenumstände eingegangen ist, sodass aus der zitierten Entscheidung für den gegenständlichen Fall nichts zu gewinnen ist.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

Gemäß § 75 Abs 19 AsylG 2005 sind alle mit Ablauf des 31.12.2013 beim Asylgerichtshof anhängigen Beschwerdeverfahren vom Bundesverwaltungsgericht zu Ende zu führen.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 i.d.F. BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg cit). Gemäß § 58 Abs 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Artikel 130 Abs 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

§ 1 BFA-VG, BGBl I 2012/87 idgF bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und FPG bleiben unberührt.

Ad I.)

Gemäß § 3 Abs 1 AsylG hat die Behörde einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß § 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, den Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.

Zentrales Element des Flüchtlingsbegriffes ist die "begründete Furcht vor Verfolgung". Die begründete Furcht vor Verfolgung liegt dann vor, wenn objektiver Weise eine Person in der individuellen Situation des Asylwerbers Grund hat, eine Verfolgung zu fürchten. Verlangt wird eine "Verfolgungsgefahr", wobei unter Verfolgung ein Eingriff von erheblicher Intensität in die vom Staat zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen ist, welcher geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen haben und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatlandes bzw. des Landes ihres vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein. Zurechenbarkeit bedeutet nicht nur ein Verursachen, sondern bezeichnet eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr. Die Verfolgungsgefahr muss aktuell sein, was bedeutet, dass sie zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung vorliegen muss. Bereits gesetzte vergangene Verfolgungshandlungen stellen im Beweisverfahren ein wesentliches Indiz für eine bestehende Verfolgungsgefahr dar, wobei hierfür dem Wesen nach einer Prognose zu erstellen ist. Besteht für den Asylwerber die Möglichkeit, in einem Gebiet seines Heimatstaates, in dem er keine Verfolgung zu befürchten hat, Aufenthalt zu nehmen, so liegt eine so genannte inländische Fluchtalternative vor, welche die Asylgewährung ausschließt (vgl VwGH E 24.03.1999, Zl. 98/01/0352).

Wie im Rahmen der Beweiswürdigung umfassend dargestellt wurde, kommt dem Vorbringen der Beschwerdeführerin, wonach diese asylrelevant verfolgt wurde, keine Glaubwürdigkeit zu und ist es der Beschwerdeführerin somit nicht gelungen, eine konkret und gezielt gegen ihre Person gerichtete aktuelle Verfolgung maßgeblicher Intensität, welche ihre Ursache in einem der in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe hätte, glaubhaft zu machen. Es haben sich im gesamten Verfahren keine Hinweise darauf ergeben, dass die Beschwerdeführerin in ihrem Heimatland einer relevanten Verfolgung von staatlicher Seite oder von Privaten ausgesetzt gewesen wäre bzw dass die Gefahr im Falle einer Rückkehr in die Russische Föderation, Opfer einer derartigen Verfolgung zu werden, im konkreten Fall mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit bestünde.

Die Beschwerde war somit aus den dargelegten Gründen gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 abzuweisen.

Gemäß § 8 Abs 1 AsylG 2005 hat die Behörde einem Fremden den Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn er in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird oder dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist (Z1), wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2 EMRK (Recht auf Leben), Art 3 EMRK (Verbot der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung) oder der Protokolle Nr 6 oder Nr 13 (Abschaffung der Todesstrafe) zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs 1 ist mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 oder der Aberkennung nach § 7 zu verbinden (Abs 2 leg cit). Anträge auf internationalen Schutz sind bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offen steht (Abs 3 leg cit).

Unter "realer Gefahr" ist eine ausreichend reale, nicht nur auf Spekulationen gegründete Gefahr möglicher Konsequenzen für den Betroffenen im Zielstaat zu verstehen (vgl VwGH 99/20/0573, 19.02.2004).

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Antragsteller das Bestehen einer aktuellen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten oder nicht effektiv verhinderbaren Bedrohung der relevanten Rechtsgüter glaubhaft zu machen, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun ist (vgl VwGH 26.06.1997, Zl. 95/18/1293 und 17.07.1997, Zl. 97/18/0336).

Gemäß Art 2 EMRK wird das Recht jedes Menschen auf das Leben gesetzlich geschützt.

Gemäß Art 3 EMRK darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden.

Für die Gewährung von Abschiebeschutz ist die maßgebliche Wahrscheinlichkeit des Eintritts der Verletzung der Menschenrechte gefordert. Es müssen stichhaltige Gründe für die Annahme sprechen, dass eine Person einem realen Risiko einer unmenschlichen Behandlung ausgesetzt wäre, konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade die betroffene Person einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde. Die bloße Möglichkeit eines realen Risikos oder Vermutungen genügen hingegen nicht.

Weder aus den Angaben der Beschwerdeführerin noch aus den Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens ist im konkreten Fall ersichtlich, dass jene gemäß der Judikatur des EGMR geforderte Exzeptionalität der Umstände vorliegen würde, um die Außerlandesschaffung eines Fremden im Hinblick auf außerhalb staatlicher Verantwortlichkeit liegende Gegebenheiten im Zielstaat im Widerspruch zu Art 3 EMRK erscheinen zu lassen (VwGH vom 21.08.2001, Zl. 2000/01/0443).

Für die Russische Föderation kann nicht festgestellt werden, dass in diesem Herkunftsstaat eine dermaßen schlechte wirtschaftliche Lage bzw allgemeine Situation herrschen würde, die für sich genommen bereits die Zulässigkeit der Rückbringung in den Herkunftsstaat iSd § 8 Abs 1 AsylG 2005 als unrechtmäßig erscheinen ließe. Auch ist kein kennzeichnender Grad willkürlicher Gewalt aufgrund eines bewaffneten Konflikts gegeben, der ein so hohes Niveau erreicht, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass die Beschwerdeführerin bei einer Rückkehr allein durch ihre Anwesenheit tatsächlich Gefahr laufen würden, einer individuellen Bedrohung des Lebens ausgesetzt zu sein. Die Abschiebung der Beschwerdeführerin würde sie jedenfalls nicht in eine "unmenschliche Lage" wie etwa Hungertod, unzureichende oder gar keine medizinische Versorgung, massive Beeinträchtigung der Gesundheit oder gar Verlust des Lebens, versetzen.

Es ist auch nicht davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerin nach ihrer Rückkehr in die Russische Föderation in eine ausweglose Lebenssituation geraten könnte, zumal bei der Beschwerdeführerin keine Einschränkung der Erwerbsfähigkeit festgestellt werden konnte. Wie festgestellt, leidet die Beschwerdeführerin zwar unter einer chronifizierten depressiven Störung im Sinne einer mittelgradigen depressiven Episode mit somatischem Syndrom und unter Teilsymptomatik einer posttraumatischen Belastungsstörung, führte jedoch aus, in der Russischen Föderation in einem Restaurant und einem Geschäft tätig gewesen zu sein und legte mehrere Bestätigungen des Roten Kreuzes vor, wonach sie als ausübendes Mitglied des Landesverbandes Niederösterreich aufgenommen worden sei und dort im Bereich Gesundheits- und soziale Dienste als freiwillige Mitarbeiterin bei der Seniorenbetreuung helfe. Darüber hinaus gab sie an, sich beim Verein Wohnen zu engagieren, sodass trotz ihrer psychischen Erkrankung von einer Erwerbsfähigkeit der Beschwerdeführerin auszugehen ist.

Weiters gilt es zu bedenken, dass die Beschwerdeführerin bis zum Alter von 34 Jahren in ihrem Heimatland aufhältig war, dort also den überwiegenden Teil ihres Lebens verbracht hat, die russische Sprache beherrscht und mit den dort herrschenden Gepflogenheiten vertraut ist. Der Beschwerdeführerin kann es daher zugemutet werden, das für sich zum Überleben Notwendige durch eigene Arbeit zu bestreiten. Sollte die Beschwerdeführerin nicht dazu in der Lage sein, das zum Überleben Notwendige zu verdienen und auch keine Unterstützung von ihrem ebenfalls in die Russische Föderation zurückkehrenden Ehegatten erhalten, ist davon auszugehen, dass für die Beschwerdeführerin die Möglichkeit bestünde auf staatliche Sozialleistungen zurückzugreifen. Eine völlige Perspektivenlosigkeit für die Beschwerdeführerin kann somit nicht erkannt werden. Ziel des Refoulementschutzes ist es nicht Menschen vor unangenehmen Lebenssituationen zu beschützen, sondern einzig und allein Schutz vor exzeptionellen Lebenssituationen zu geben.

Die Beschwerdeführerin gab zu Protokoll, dass ihre Mutter, ihre Schwestern sowie ihre Cousins nach wie vor in der Russischen Föderation leben, verfügt also nach wie vor über zahlreiche familiäre Anknüpfungspunkte, sodass davon auszugehen ist, dass die Familienangehörigen bzw Verwandten der Beschwerdeführerin dieser im Falle der Rückkehr, zumindest anfänglich, unterstützend zur Seite stehen und ihr die Wiedereingliederung in das vorhandene familiäre und soziale Umfeld erleichtern werden. Darüber hinaus ist festzuhalten, dass die Beschwerdeführerin nicht alleine, sondern gemeinsam mit ihrem Ehegatten und den drei minderjährigen Kindern in die Russische Föderation zurückkehren wird.

Was den Gesundheitszustand der Beschwerdeführerin betrifft, so ist festzuhalten, dass bei dieser eine chronifizierte depressive Störung im Sinne einer mittelgradigen depressiven Episode mit somatischem Syndrom besteht, sich auch eine Teilsymptomatik einer posttraumatischen Belastungsstörung bei ihr findet und sie als deutlich psychisch krank zu bezeichnen ist. Das erkennende Gericht vermag doch auch unter Berücksichtigung ihres Gesundheitszustandes entscheidungsgegenwärtig nicht zu erkennen, warum dieser einer Überstellung in die Russische Föderation entgegenstehen sollte. Aus den Länderfeststellungen ergibt sich, dass es in der Russischen Föderation mindestens drei Krankenhäuser für psychisch Kranke, sowie weitere Krankenhäuser, die sich mit Personen, die an der Schwelle zu psychischen Krankheiten stehen, beschäftigen, gibt. Auch ergibt sich aus der Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 02.11.2012, dass Escitalopran (Cipralex), Mirtazapine, alternative Antidepressiva wie Fluoxetine, Paroxetine, Sertraline, Venlafaxine, Duloxetine, Clomipramine sowie Olanzapine (Zyprexa) und alternative atypische Neuroleptika wie Risperidone und Quetiapine in Tschetschenien verfügbar sind.

Die Beurteilungskriterien des VfGH und EGMR bei Vorliegen von Krankheiten im Zusammenhang mit Art 3 EMRK gestalten sich wie folgt:

Der EGMR hat in Bensaid v. Vereinigtes Königreich, 6.2.2001, der Abschiebung einer an Schizophrenie leidenden Person als zulässig erklärt. Der EGMR sprach dabei aus, dass bei der Prüfung von außerhalb staatlicher Verantwortlichkeit liegender Gegebenheiten nur dann in der Außerlandesschaffung eine Verletzung des Art 3 EMRK liegen kann, wenn außergewöhnliche, exzeptionelle Umstände glaubhaft gemacht sind.

In Hukic v. Schweden, 27.9.2005, stellt der Gerichtshof fest, dass es betreffend das Down Syndrom Behandlungsmöglichkeiten in Bosnien-Herzegowina gebe. Dass diese nicht denselben Standard hätten als in Schweden und kostenintensiv seien, könne nicht als Verletzung von Art 3 EMRK angesehen werden. Das Down Syndrom könne auch von der Schwere her nicht mit dem Fall D. v. Vereinigtes Königreich verglichen werden. Betreffend eine mit AIDS infizierte Person sprach der Gerichtshof in Ndangova v. Schweden am 22.6.2004 aus, dass die Krankheit noch gar nicht ausgebrochen sei und damit mit dem Fall D.

v. Vereinigtes Königreich nicht zu vergleichen sei. Außerdem habe der Antragsteller familiäre Beziehungen im Heimatland, eine adäquate Behandlungsmöglichkeit sei gegeben. Dass diese mit erheblichen Kosten verbunden sei und dass es für den Betreffenden Schwierigkeiten geben werde, vom Land aus zur Behandlung zu gelangen und die Umstände schwieriger als in Schweden seien, führe nicht zu einer Verletzung von Art 2 oder 3 der Konvention.

Dem Umstand schließlich, dass die Beschwerdeführerin auch unter medizinischen Gesichtspunkten im Heimatland schwierigere Verhältnisse vorfinden würde als in Österreich, kommt unter dem Blickwinkel des Art 3 MRK keine entscheidende Bedeutung zu (vgl insbesondere das Urteil des EGMR vom 6.2.2001, Beschwerde Nr. 44599/98, Case of Bensaid v. The United Kingdom) (VwGH 07.10.2003, 2002/01/0379).

Das erkennende Gericht verweist in diesem Zusammenhang auch auf das Erkenntnis des VfGH v. 06.03.2008, Zl. B 2400/07-9, wo das Höchstgericht eine "hohe Schwelle" des Art 3 EMRK konstatiert, d.h. nur bei Vorliegen von außergewöhnlichen Umständen führt die Abschiebung zu einer Verletzung des Art 3 EMRK, etwa wenn ein lebensbedrohlich Erkrankter durch die Abschiebung einem realen Risiko ausgesetzt wird unter qualvollen Umständen zu sterben.

In der Beschwerdesache AMEGNIGAN gg. Niederlande, 25.11.2004, Rs 25629/04, stellte der EGMR fest, dass in Togo eine grundsätzliche adäquate Behandlung der noch nicht ausgebrochenen AIDS-Erkrankung gegeben ist und erklärte die Abschiebung des Beschwerdeführers für zulässig.

In der Entscheidung RAMADAN & AHJREDINI gg. Niederlande vom 10.11.2005, Rs 35989/03 wurde die Abschiebung der Beschwerdeführer nach Mazedonien für zulässig erklärt, da Psychotherapie eine gängige Behandlungsform in Mazedonien ist und auch verschiedene therapeutische Medizin verfügbar ist, auch wenn sie nicht dem Standard in den Niederlanden entsprechen möge.

In der Beschwerdesache NDANGOYA gg. Schweden, 22.06.2004, Rs 17868/03, sprach der EGMR aus, dass in Tansania Behandlungsmöglichkeiten auch unter erheblichen Kosten für die in 1-2 Jahren ausbrechende AIDS-Erkrankung des Beschwerdeführers gegeben seien; es lagen auch familiäre Bezüge vor, weshalb die Abschiebung für zulässig erklärt wurde.

Dass sich der Gesundheitszustand durch die Abschiebung verschlechtert ("mentaler Stress" ist nicht entscheidend), ist vom Antragsteller konkret nachzuweisen, bloße Spekulationen über die Möglichkeit sind nicht ausreichend. In der Beschwerdesache OVDIENKO gg. Finnland vom 31.05.2005, Nr. 1383/04, wurde die Abschiebung des Beschwerdeführers, der seit 2002 in psychiatrischer Behandlung war und der selbstmordgefährdet ist, für zulässig erklärt; mentaler Stress durch eine Abschiebungsdrohung in die Ukraine ist kein ausreichendes "real risk".

Auch Abschiebungen psychisch kranker Personen nach mehreren Jahren des Aufenthalts im Aufenthaltsstaat können in Einzelfällen aus öffentlichen Interessen zulässig sein (vgl PARAMSOTHY gg. Niederlande, 10.11.2005, Rs 14492/05; mit diesem Judikat des EGMR wurde präzisiert, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach neunjährigem Aufenthalt in den Niederlanden, welcher unter posttraumatischem Stresssyndrom leidet und bereits einen Selbstmordversuch hinter sich hat, zulässig ist, da spezielle Programme für Behandlungen von traumatisierten Personen und verschiedene therapeutische Medizin in Sri Lanka verfügbar sind, auch wenn sie nicht den selben Standard haben sollten wie in den Niederlanden).

Die dargestellten Entscheidungen zeigen deutlich, dass bei Vorliegen von Erkrankungen im Allgemeinen nur solche relevant sind, die bekanntermaßen zu einem lebensbedrohlichen Zustand führen und grundsätzlich keine Behandlungsmöglichkeiten im Zielstaat bestehen (Behandlungsmöglichkeiten beispielsweise für AIDS in Tansania sowie Togo, für Down-Syndrom in Bosnien-Herzegowina, für psychische Erkrankungen im Iran und in Russland bejaht).

Aus dieser Rechtsprechung ergeben sich folgende Judikaturlinien:

Zusammenfassend ist nochmals festzuhalten, dass sich aus den erwähnten Entscheidungen des EGMR ergibt, dass im Allgemeinen kein Fremder ein Recht hat, in einem fremden Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden und zwar selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leidet oder selbstmordgefährdet ist. Dass die Behandlung im Zielland nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver ist, ist unerheblich, solange es grundsätzlich Behandlungsmöglichkeiten im Zielstaat bzw in einem bestimmten Teil des Zielstaates gibt. Nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände führt die Abschiebung zu einer Verletzung von Art 3 EMRK.

Auf Grundlage der oben dargestellten Frage der Vereinbarkeit der Abschiebung Kranker in einen anderen Staat mit der zu Art 3 EMRK ergangenen Rechtsprechung des EGMR und des damit einhergehenden Beurteilungsmaßstabes gelangt das Bundesverwaltungsgericht zu dem Schluss, dass der gegenständliche Fall nicht mit dem Fall D. v. the United Kingdom - in welchem die unmenschliche Behandlung nicht bloß darin zu sehen war, dass sich der Beschwerdeführer in den letzten Stadien einer tödlich verlaufenden Krankheit befand, sondern in den besonderen Umständen, mit denen der Beschwerdeführer im Fall der Abschiebung konfrontiert gewesen wäre, nämlich im Risiko eines Todes unter qualvollen Umständen ohne jegliche Aussicht auf medizinische Behandlung oder familiäre Begleitung - vergleichbar ist.

Unter Zugrundelegung der obigen Ausführungen, wonach die psychische Erkrankung der Beschwerdeführerin auch im Herkunftsland behandelt werden kann, handelt es sich im Lichte der dargestellten Judikatur bei der Erkrankung der Beschwerdeführerin jedenfalls nicht um dermaßen schwere, akut lebensbedrohliche und zudem im Herkunftsstaat nicht behandelbare Erkrankung, die zu einer Überschreitung der hohen Eingriffsschwelle des Art 3 EMRK führen könnten. Dass die Behandlung in der Russischen Föderation nicht dem österreichischen Niveau entspricht und nicht so leicht erhältlich ist oder die Umstände einer Behandlung im Herkunftsstaat ungünstiger sind, wie in Österreich, vermag zur Gewährung des subsidiären Schutzes nicht auszureichen. Schlechtere Behandlungsmöglichkeiten und weniger günstige Verhältnisse im Herkunftsstaat als jene, die die Beschwerdeführerin in Österreich genießt, sind kein Abschiebehinderns. Die Beschwerdeführerin, die bis zu ihrem fünfunddreißigsten Lebensjahr in der Russischen Föderation aufhältig war, leidet an keiner die hohe Schwelle des Art 3 EMRK überschreitenden, lebensbedrohlichen Krankheit und ist nicht davon auszugehen, dass ihr Gesundheitszustand wegen ihrer Überstellung in die Russische Föderation lebensbedrohend beeinträchtigt werden würde oder sie durch die Abschiebung einem realen Risiko ausgesetzt würde, unter qualvollen Umständen zu sterben.

Sonstige außergewöhnliche Umstände, die eine Abschiebung unzulässig machen könnten, sind im gegenständlichen Verfahren weder hervorgetreten, noch wurde ein derartiges Abschiebehindernis vorgebracht.

Es ergibt sich somit kein reales Risiko, dass es durch die Rückführung der Beschwerdeführer in die Russische Föderation zu einer Verletzung von Art 2 EMRK, Art 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe kommen würde.

Ad II.)

§ 75 Abs 20 AsylG lautet:

Bestätigt das Bundesverwaltungsgericht in den Fällen des Abs 18 und 19 in Bezug auf Anträge auf internationalen Schutz

1. den abweisenden Bescheid des Bundesasylamtes,

2. jeden weiteren einer abweisenden Entscheidung folgenden zurückweisenden Bescheid gemäß § 68 Abs 1 AVG des Bundesasylamtes,

3. den zurückweisenden Bescheid gemäß § 4 des Bundesasylamtes,

4. jeden weiteren einer zurückweisenden Entscheidung gemäß § 4 folgenden zurückweisenden Bescheid gemäß § 68 Abs 1 AVG des Bundesasylamtes,

5. den Bescheid des Bundesasylamtes, mit dem der Status des Asylberechtigten gemäß § 7

aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten

kommt, oder

6. den Bescheid des Bundesasylamtes, mit dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 aberkannt wird,

so hat das Bundesverwaltungsgericht in jedem Verfahren zu entscheiden, ob in diesem Verfahren die Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig ist oder das Verfahren zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung an das Bundesamt zurückverwiesen wird. Wird das Verfahren zurückverwiesen, so sind die Abwägungen des Bundesverwaltungsgerichtes hinsichtlich des Nichtvorliegens der dauerhaften Unzulässigkeit der Rückkehrentscheidung für das Bundesamt nicht bindend. In den Fällen der Z 5 und 6 darf kein Fall der §§ 8 Abs 3a oder 9 Abs 2 vorliegen.

§ 9 Abs 1 bis 3 BFA-VG lautet:

Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art 8 Abs 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

der Grad der Integration,

die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.

Gemäß Art 8 Abs 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Art 8 Abs 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig und in diesem Sinne auch verhältnismäßig ist.

Das Recht auf Achtung des Familienlebens im Sinne des Art 8 EMRK schützt das Zusammenleben der Familie. Es umfasst jedenfalls alle durch Blutsverwandtschaft, Eheschließung oder Adoption verbundene Familienmitglieder, die effektiv zusammenleben; das Verhältnis zwischen Eltern und minderjährigen Kindern auch dann, wenn es kein Zusammenleben gibt (EGMR 27.10.1994, Kroon u.a. gg. die Niederlande, ÖJZ 1995, 296; siehe auch VfGH 28.06.2003, G 78/00).

Nach der Rechtsprechung des EGMR garantiert die Konvention Fremden kein Recht auf Einreise und Aufenthalt in einem Staat. Unter gewissen Umständen können von den Staaten getroffene Entscheidungen auf dem Gebiet des Aufenthaltsrechts (z.B. eine Ausweisungsentscheidung) aber in das Privatleben eines Fremden eingreifen. Dies beispielsweise dann, wenn ein Fremder den größten Teil seines Lebens in dem Gastland zugebracht oder besonders ausgeprägte soziale oder wirtschaftliche Bindungen im Aufenthaltsstaat vorliegen, die sogar jene zum eigentlichen Herkunftsstaat an Intensität deutlich übersteigen (vgl EGMR 08.04.2008, Nnyanzi gg. das Vereinigte Königreich, Appl. 21.878/06; 04.10.2001, Fall Adam, Appl. 43.359/98, EuGRZ 2002, 582; 09.10.2003, Fall Slivenko, Appl. 48.321/99, EuGRZ 2006, 560; 16.06.2005, Fall Sisojeva, Appl. 60.654/00, EuGRZ 2006, 554).

Zur Gewichtung der öffentlichen Interessen ist insbesondere das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 17.03.2005, G 78/04, zu erwähnen. Demnach ist das Gewicht der öffentlichen Interessen im Verhältnis zu den privaten Interessen bei der Ausweisung von Fremden, die sich etwa jahrelang legal in Österreich aufgehalten haben, und Asylwerbern/ Asylwerberinnen, die an sich über keinen Aufenthaltstitel verfügen und denen bloß während des Verfahrens Abschiebeschutz zukommt, unterschiedlich zu beurteilen.

Im Falle einer bloß auf die Stellung eines Asylantrags gestützten Aufenthalts wurde in einer rezenten Entscheidung des EGMR (N. gegen United Kingdom vom 27.05.2008, Nr. 26565/05) auch ein Aufenthalt in der Dauer von zehn Jahren nicht als allfälliger Hinderungsgrund gegen eine Ausweisung unter dem Aspekt einer Verletzung von Art. 8 EMRK thematisiert.

In seiner davor erfolgten Entscheidung Nnyanzi gegen United Kingdom vom 08.04.2008 (Nr. 21878/06) kommt der EGMR zu dem Ergebnis, dass bei der vorzunehmenden Interessensabwägung zwischen dem Privatleben des Asylwerbers und dem staatlichen Interesse eine unterschiedliche Behandlung von Asylwerbern, denen der Aufenthalt bloß aufgrund ihres Status als Asylwerber zukommt, und Personen mit rechtmäßigem Aufenthalt gerechtfertigt sei, da der Aufenthalt eines Asylwerbers auch während eines jahrelangen Asylverfahrens nie sicher ist. So spricht der EGMR in dieser Entscheidung ausdrücklich davon, dass ein Asylwerber nicht das garantierte Recht hat, in ein Land einzureisen und sich dort niederzulassen. Eine Abschiebung ist daher immer dann gerechtfertigt, wenn diese im Einklang mit dem Gesetz steht und auf einem in Art 8 Abs 2 EMRK angeführten Grund beruht. Insbesondere ist nach Ansicht des EGMR das öffentliche Interesse jedes Staates an einer effektiven Einwanderungskontrolle jedenfalls höher als das Privatleben eines Asylwerbers; auch dann, wenn der Asylwerber im Aufnahmestaat ein Studium betreibt, sozial integriert ist und schon 10 Jahre im Aufnahmestaat lebte.

Beim Topos des Privatlebens spielt die zeitliche Komponente eine zentrale Rolle, da abseits familiärer Umstände erst nach einigen Jahren eine Integration im Aufenthaltsstaat anzunehmen sein wird, die von Art 8 EMRK geschützt ist (Vgl Thym, EuGRZ, 2006, 541 ff).

Wie schon erwähnt, mindert die Tatsache, dass der Aufenthalt nur aufgrund einer vorläufigen Aufenthaltsberechtigung rechtmäßig ist, das Gewicht der privaten Interessen, die aus einer in dieser Zeit vollzogenen Integration resultieren. Mit Zunahme der Aufenthaltsdauer tritt aber auch der Aspekt des aufenthaltsrechtlichen Status zunehmend in den Hintergrund, sodass in diesem Zeitraum entstandene persönliche oder gar familiäre Bindungen sich auf die Interessenabwägung mitunter entscheidend zugunsten einer Abstandnahme von der Ausweisung auswirken können. Dies setzt naturgemäß voraus, dass keine besonderen Umstände zulasten des/der Asylwerbers/Asylwerberin hinzukommen, wie z.B. strafgerichtliche Verurteilungen.

Private Interessen am Verbleib im Bundesgebiet können facettenreich sein. Tendenziell ist eine (regelmäßige) Erwerbstätigkeit und vor allem die damit verbundene Selbsterhaltungsfähigkeit ein wichtiger Aspekt. Im Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 20.04.2006, 2005/18/0560, dürfte mitentscheidend gewesen sein, dass der Beschwerdeführer seit fast fünf Jahren ununterbrochen, noch dazu beim selben Dienstgeber, legal beschäftigt war. Für die wirtschaftliche Integration ist nicht maßgeblich, ob es sich um eine qualifizierte Tätigkeit handelt. Hingegen erachtet der Verwaltungsgerichtshof die Integration als stark gemindert, wenn Unterstützungszahlungen karitativer Einrichtungen oder bloße Gelegenheitsarbeiten den Unterhalt gewährleisten oder erst gegen Ende des mehrjährigen Aufenthalts die Tätigkeit als landwirtschaftlicher Hilfsarbeiter ins Treffen geführt werden kann und bis dahin Sozialhilfe bezogen wurde (vgl VwGH 11.10.2005, 2002/21/0124; VwGH 22.06.2006, 2006/21/0109; VwGH 05.07.2005, 2004/21/0124 ua).

Als eine berufliche und soziale Verfestigung, die eine "gelungene Integration" erkennen lässt, wertete der Verwaltungsgerichtshof den Fall eines als Fliesenleger tätigen (ehemaligen) Asylwerbers, der über gute Deutsch-Kenntnisse, einen großen Freundes- und Kollegenkreis verfügte und mit einer Österreicherin im gemeinsamen Haushalt wohnte, wobei auch seine Schwester, eine österreichische Staatsbürgerin, mit ihrer Familie im Bundesgebiet lebte. Aspekte zugunsten des/der Fremden können daher neben Verwandten und Freunden im Inland auch Sprachkenntnisse und ausreichender Wohnraum sein. In Anbetracht der meistens nicht sehr langen Aufenthaltsdauer und des "abgeschwächten" Aufenthaltsrechts werden strafgerichtliche Verurteilungen die Interessenabwägung erheblich zu ungunsten der privaten Interessen verschieben. Weitgehende Unbescholtenheit gilt hingegen als wichtiges Element für die Annahme sozialer Integration (vgl VwGH 05.07.2005, 2004/21/0124 u. a.; sowie Marx, Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs 5 AufenthG wegen Verwurzelung, ZAR, 2006, 261 ff).

Der Aspekt der Bindungen zum Heimatstaat steht in direkter Beziehung zur Integration im Bundesgebiet: Je länger der Aufenthalt im Gastland, desto stärker wird der Verlust an Bindungen zum Heimatland sein. Mit der Abnahme von Bindungen zum Herkunftsstaat wird in der Regel auch der Integrationsgrad im Bundesgebiet zunehmen. Das Fehlen jeglicher Verwandter und sonstiger Bezugspersonen im Heimatland wird ebenso wie der zwischenzeitlich eingetretene Verlust der Sprache des Heimatlandes für die Frage der Zumutbarkeit einer Reintegration maßgebliche Bedeutung erlangen (Chvosta, Die Ausweisung von Asylwerbern und Art 8 MRK, ÖJZ 2007/74, 858 f.).

Vor dem Hintergrund der in § 9 Abs 3 BFA-VG normierten Integrationstatbestände, die zur Beurteilung eines schützenswerten Privat- und Familienlebens iSd Art 8 EMRK zu berücksichtigen sind, ist in der gegenständlichen Rechtssache der Eingriff in das Privat- und Familienleben der Beschwerdeführerin durch die in Art 8 Abs 2 EMRK angeführten öffentlichen Interessen gerechtfertigt:

Hinsichtlich des Familienlebens ist auszuführen, dass die Beschwerdeführerin im Verfahren angab, in Österreich neben ihrem Ehemann und ihren drei minderjährigen Kindern, keine familiären Beziehungen oder verwandtschaftlichen Bindungen zu haben. Da die Beschwerdeführerin gemeinsam mit ihrem sich ebenfalls in Österreich befindlichen Ehegatten und den drei gemeinsamen minderjährigen Kindern, deren Rückführung ebenfalls mit heutigem Tage als zulässig erachtet wird, in die Russische Föderation zurückkehren wird, ist ein Eingriff in ihr Familienleben jedenfalls zu verneinen.

Es bleibt also zu prüfen, ob mit der Abschiebung der Beschwerdeführerin ein unzulässiger Eingriff in ihr Privatleben erfolgt. Hierzu ist festzuhalten, dass sich die Beschwerdeführerin seit Mai 2011 im Bundesgebiet befindet. Sie hat ohne Zweifel diese Zeit genutzt, mehrfach Sprachkurse zu besuchen, hat sehr gute Kenntnisse der deutschen Sprache erworben und konnte ihre Arbeitsfähigkeit und -willigkeit durch ihre Hilfsbereitschaft beim Verein Wohnen sowie durch ihre Tätigkeit als Rotkreuz-Helferin (Bereich Seniorenbetreuung) unter Beweis stellen und damit insgesamt eine in Relation zu ihrem Aufenthalt äußerst gute Integration dartun. Alleine aus diesem Umstand kann jedoch nicht auf das Vorliegen einer hinreichenden Integration geschlossen werden. Die bisherige Aufenthaltsdauer der Beschwerdeführerin beträgt zum gegenwärtigen Zeitpunkt drei Jahre und ein Monat und ist somit zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch zu kurz, um bereits jetzt von einer außergewöhnlichen schützenswerten dauernden Integration zu sprechen. Insbesondere ist in diesem Zusammenhang festzuhalten, dass die Beschwerdeführerin keiner geregelten Arbeit nachgeht, zum gegenwärtigen Zeitpunkt also nicht selbsterhaltungsfähig, sondern auf staatliche Unterstützungsleistungen angewiesen ist. In Anbetracht des Umstandes, dass der Antrag auf internationalen Schutz unbegründet ist und die Beschwerdeführerin zur Antragstellung illegal in das Bundesgebiet einreiste, sind gravierende öffentliche Interessen festzustellen, die für eine Rückkehrentscheidung sprechen. Diese überwiegen in ihrer Gesamtheit das private Interesse der Beschwerdeführerin am weiteren Verbleib, selbst wenn sie unbescholten ist und mittlerweile sehr gute Deutschkenntnisse erworben hat.

Private Interessen von Fremden am Verbleib im Gastland sind jedenfalls weniger stark zu gewichten, wenn diese während eines noch nicht abgeschlossenen Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz begründet werden, da der Antragsteller zu diesem Zeitpunkt nicht von vornherein von einem positiven Ausgang des Verfahrens ausgehen konnte und sein Status bis zum Abschluss des Verfahrens ungewiss ist. Aus all diesen Gründen kann vom Bundesverwaltungsgericht die Rückkehrentscheidung nicht für auf Dauer unzulässig entschieden werden.

Gemäß § 21 Abs 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

Der Sachverhalt ist zusammengefasst, wie dargestellt, aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde als geklärt anzusehen. Es ergab sich sohin auch kein Hinweis auf die Notwendigkeit, den maßgeblichen Sachverhalt mit der Beschwerdeführerin zu erörtern (vgl VwGH 23.01.2003, 2002/20/0533, VwGH 01.04.2004, 2001/20/0291).

Was das Vorbringen der Beschwerdeführerin in der Beschwerde betrifft, so findet sich in diesem kein Tatsachenvorbringen, welches zu einem anderen Verfahrensausgang führen könnte. Es hat sich daher aus Sicht des erkennenden Gerichtes keine Notwendigkeit ergeben, den als geklärt erscheinenden Sachverhalt mit der Beschwerdeführerin näher zu erörtern.

Zu B)

Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Im vorliegenden Fall erweist sich die ordentliche Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG insofern als nicht zulässig, als der gegenständliche Fall ausschließlich tatsachenlastig ist, sodass dieser keinerlei Rechtsfragen - schon gar nicht von grundsätzlicher Bedeutung - aufwirft. Wie der rechtlichen Beurteilung unzweifelhaft zu entnehmen ist, weicht die gegenständliche Entscheidung, insbesondere zum Vorliegen einer asylrelevanten Verfolgung, zu Art 8 EMRK, zur Frage der Integration sowie zum Erfordernis einer mündlichen Verhandlung, weder von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungs- und Verfassungsgerichtshofes ab, noch fehlt es zu irgendeinem Sachverhaltsaspekt des gegenständlichen Falles an einer Rechtsprechung und kann auch nicht davon gesprochen werden, dass die Rechtsprechung in Bezug auf den gegenständlichen Fall als uneinheitlich zu beurteilen wäre. Es liegen auch keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der im vorliegenden Fall zu lösenden Rechtsfragen vor.

Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH und VfGH ist zwar zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

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