B-VG Art.133 Abs4
AsylG 2005 §3 Abs1
B-VG Art.133 Abs4
European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2014:W119.1432743.1.00
Spruch:
W119 1432743-1/8E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag.a Claudia EIGELSBERGER als Einzelrichterin über die Beschwerde von xxx, StA. Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 25.01.2013, Zl. 12 10.860-BAT, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 08.05.2014 zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt I. gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang
Der Beschwerdeführer wurde am 18.08.2012 im österreichischen Bundesgebiet aufgegriffen und stellte am selben Tag vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.
Anlässlich der am 18.08.2012 durchgeführten Erstbefragung beim Landespolizeikommando Wien, Abteilung für fremdenpolizeiliche Maßnahmen und Anhalteverzug, gab der Beschwerdeführer zunächst an, am xxx in der Provinz Laghman geboren zu sein, der Volksgruppe der Tadschiken anzugehören und Moslem zu sein. Er habe von 1954 bis 1966 die Grundschule in Laghman und von 1966 bis 1970 die Universität für Bodenkultur in Kabul besucht. Zuletzt habe er die Grundstücke seiner Familie verwaltet. Seine Ehefrau, zwei Töchter (13 und 15 Jahre) und vier Söhne (9, 12, 14, 16 Jahre) seien noch in Afghanistan. In Österreich habe er keine Verwandten. Er habe immer in Laghman gelebt, außer während seiner Studienzeit in Kabul und zur Zeit des Taliban-Regimes in Pakistan. Befragt zu seinen Fluchtgründen gab der Beschwerdeführer an, dass vor etwa einem Monat bewaffnete Personen nachts zu ihm gekommen seien, ihn geschlagen und entführt hätten. Sie hätten ihn für eine Woche eingesperrt und verprügelt. Sie hätten wissen wollen, wo sein Bruder sei, ansonsten hätten sie ihn getötet. Dann hätten die Entführer in woanders hinbringen wollen. Es habe aber einen Autounfall gegeben und er habe die Situation genutzt um zu fliehen. Als er nach Hause gekommen sei, sei seine Familie nicht mehr anwesend gewesen. Sein Bruder sei vor 20 Jahren General gewesen und habe beim Innenministerium gearbeitet. Sein Bruder sei damals wegen dem Krieg geflüchtet, seither habe er keinen Kontakt mehr zu ihm. Im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan werde er von den Entführern getötet.
In der am 16.11.2012 beim Bundesasylamt durchgeführten niederschriftlichen Einvernahme gab der Beschwerdeführer zunächst an, dass er auf der rechten Seite seit seiner Geburt behindert sei. Er könne mit der Hand nicht greifen und das Gehen falle ihm schwer. Zudem habe er hohen Blutdruck. Er habe mit seiner Ehefrau und den Kindern in einem Eigentumshaus gelebt. Er wisse nicht, wo seine Familie jetzt lebe. Seinen Bruder und seine Schwester habe er seit 20 Jahren nicht mehr gesehen, sonst habe er keine Verwandten mehr. Er besitze 60 Jirib Land und zwei Obstgärten. Zu seinen Fluchtgründen führte der Beschwerdeführer aus, dass bewaffnete Männer ihn entführt hätten. Sie hätten wissen wollen, wo sein Bruder sei, ansonsten töte man ihn. Eine Woche sei er festgehalten worden, wobei sie ihn immer wieder gefragt und geschlagen hätten. Dann hätten sie ihn weggebracht. Er habe geglaubt, er werde umgebracht. Sie hätten jedoch einen Unfall gehabt. Als alle beteiligten Personen aus den Autos gestiegen seien, sei er geflüchtet. Er sei durch Reisfelder gelaufen und habe sich dann dort versteckt und gewartet. Dann sei er nach Hause gegangen. Seine Familie sei aber nicht mehr da gewesen, auch die Nachbarn hätten nicht gewusst, wo sie seien. Sein Bruder sei zur Zeit Najibullahs General im Innenministerium gewesen. Er wisse nicht, ob sein Bruder jemandem etwas getan habe. Er glaube, sein Bruder sei im Kampf gegen Regierungsgegner tätig gewesen. Er wisse auch nicht, wer die Entführer gewesen seien. Auf Nachfrage, warum diese Männer nach 20 Jahren zu ihm kommen würden, gab er an, vielleicht habe ihnen jemand gesagt, dass er der Bruder sei. Er habe kein Vertrauen in die Polizei, da die Polizisten Mujaheddin seien. Bei einer Rückkehr würden sie ihn überall finden und töten.
Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 25.01.2014, Zl. 12 10.860-BAT, wurde der gegenständliche Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.). Dem Beschwerdeführer wurde gemäß § 8 Abs. 1 AsylG der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.) und ihm gemäß § 8 Abs. 4 AsylG eine befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt (Spruchpunkt III.).
Begründend führte das Bundesasylamt aus, dass der Kern des Fluchtvorbringens gleich geblieben sei, jedoch auf Grund des oberflächlichen Inhalts nicht glaubhaft gemacht habe werden können. Es sei zudem in keinster Weise nachvollziehbar, dass er nach 20 Jahren wegen seinem Bruder aufgesucht worden sei. Es habe daher weder eine Verfolgung im Sinne der GFK glaubhaft gemacht werden können, noch stelle das Vorbringen unter der Annahme der Glaubwürdigkeit eine Furcht vor Verfolgung aus asylrelevanten Gründen dar.
Überdies erwog das Bundesasylamt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung auf Grund des Gesundheitszustandes des Beschwerdeführers nicht zulässig sei.
Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 13.02.2013, Zl. 12 10.860-BAT, wurde der Bescheid des Bundesasylamtes vom 25.01.2014, Zl. 12 10.860-BAT, dahingehend berichtigt, dass das das Bescheiddatum anstelle von 25.01.2014 richtigerweise 25.01.2013 zu lauten hat.
Mit Schriftsatz vom 08.02.2013 erstattete der Beschwerdeführer Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des Bescheides. Begründend führte er aus, dass die von der Behörde aufgezeigte Unglaubwürdigkeit einer Aufklärung im Ermittlungsverfahren zugänglich gewesen wäre. Die Behörde unterschätze die Gefahr für seine Person und verharmlose die Entführung. Weiters werde ignoriert, dass die Familie verschwunden und der Beschwerdeführer körperlich beeinträchtigt sei. Das Vorbringen des Beschwerdeführers sei hinreichend substantiiert und in sich schlüssig. Die bereits erfolgten Übergriffe seien ein Indiz für eine bestehende pro futuro Gefährdung. Der Beschwerdeführer beantragte die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten, eine mündliche Verhandlung sowie die Bestellung eines länderkundigen Sachverständigen. Zudem findet sich beiliegend ein handschriftlich verfasstes Schreiben des Beschwerdeführers, in dem der Beschwerdeführer darauf hinwies, dass sein Leben in Afghanistan in Gefahr sei. Er sei nämlich von den Taliban bedroht worden, weil er seinen Bruder nicht verraten habe.
Das Bundesverwaltungsgericht führte am 08.05.2014 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an der das nunmehrige Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (vormals Bundesasylamt) entschuldigt nicht teilnahm. Der Beschwerdeführer gab zunächst an, dass er gemeinsam mit seiner Ehefrau und seinen Kindern im Dorf xxx, Provinz Laghman gewohnt habe. Er habe etwa sechs Jahre - bis zum Sturz der Taliban - in Pakistan gelebt. Er habe einen Bruder Namens xxx. Dieser habe die Polizeiakademie in Kabul abgeschlossen und sei Stellvertretender Beamter von xxx und dann Direktor für Verkehrsangelegenheiten in xxx gewesen. Etwa zwei Jahre, nachdem Najibullah die Präsidentschaft übernommen habe, sei er General geworden. Sein Bruder sei bis vor dem Sturz der Najibullah-Regierung im Innenministerium tätig gewesen und habe in Kabul gelebt. Der Beschwerdeführer wisse nicht, in welcher Abteilung sein Bruder als General tätig gewesen sei, da er in dieser Zeit kaum Kontakt zu seinen Bruder gehabt habe. Nach dem Sturz der Najibullah-Regierung habe sein Bruder samt Familie das Land verlassen, er wisse aber nicht wohin und habe auch keinen Kontakt mehr. Seit der Beschwerdeführer in Österreich sei, habe er auch keinen Kontakt mehr zu seiner Familie und wisse nicht, wo sie sich aufhalten würden. Niemand im Dorf habe gewusst, wohin seine Frau und Kinder gegangen seien. Die Situation in seinem Dorf damals sei beängstigend gewesen, vor seinen Augen sei jemand "geschlachtet" worden. Da die ausländischen Truppen demnächst abziehen würden, werde sich die Situation verschlechtern. Auf Nachfrage, was ihm die Entführer bezüglich seines Bruders vorgeworfen hätten, gab der Beschwerdeführer an, dass sie ihn geschlagen und wissen hätten wollen, wo sein Bruder sei. Seine Brille sei dabei zerbrochen, er habe seine Tazkira verloren und sein Bein sei verletzt worden. Er wisse nicht, was sein Bruder getan habe und weshalb er gesucht werde. Er vermute, dass die Entführer Dokumente aus dem Innenministerium erhalten hätten. Vielleich habe sein Bruder eine besonders wichtige Position innegehabt oder er habe jemanden getötet. Er wisse nicht, woher die Entführer gewusst hätten, dass er der Bruder sei. Den Dorfbewohnern sei immer bekannt gewesen, dass er der Bruder sei. Die bewaffneten Gruppierungen würden ihre Informationen aus den Dörfern erhalten. Er wisse nicht, warum diese Personen nicht schon früher seinen Bruder gesucht hätten. Er sei kein Mitglied der VDPA gewesen. Er habe noch keinen Suchauftrag hinsichtlich seiner Familie gestellt.
Der dem Verfahren beigezogene länderkundige Sachverständige Dr. Sarajuddin Rasuly erstattete ihm Rahmen dieser Verhandlung zum Vorbringen des Beschwerdeführer ein mündliches Gutachten, das in den Länderfeststellungen seinen Niederschlag findet.
Der Beschwerdeführer begehrte zur Abgabe einer Stellungnahme hinsichtlich der Situation in Afghanistan eine zweiwöchige Frist, in der jedoch keine solche Stellungnahme eingelangt ist.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen (Sachverhalt):
Der Beschwerdeführer besitzt die afghanische Staatsangehörigkeit, ist Angehöriger der Volksgruppe der Tadschiken und bekennt sich zum muslimischen Glauben. Er stammt aus dem Dorf xxx in der Provinz Laghman, wo er - bis auf seine Studienzeit in Kabul und seinem Aufenthalt in Pakistan während des Bürgerkriegs - lebte. Der Beschwerdeführer bewirtschaftete bis zu seiner Ausreise in Laghman seine Grundstücke.
Der Aufenthaltsort der Ehefrau und der Kinder des Beschwerdeführers ist nicht bekannt.
Es kann nicht festgestellt werden, dass der Bruder des Beschwerdeführers bis zum Sturz des kommunistischen Regimes 1992 im Innenministerium als General tätig war und im Rahmen seiner Tätigkeit Menschenrechtsverletzungen begangen hat.
Weiters kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer von bewaffneten Personen entführt wurde, um den Aufenthaltsort seines Bruders preiszugeben.
Somit kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer wegen der von ihm behaupteten Entführung in weiterer Folge geflüchtet ist.
Dass der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr nach Afghanistan einer wie immer gearteten Verfolgung ausgesetzt wäre, kann ebenfalls nicht festgestellt werden.
Zur Situation in Afghanistan:
Allgemeines:
Die afghanische Geschichte der letzten Jahrzehnte ist geprägt von der Besatzung durch die UdSSR von 1979 bis 1989, vom Bürgerkrieg zwischen den Mudjaheddin-Gruppen von 1992 bis 1996 und von der Gewaltherrschaft der Taliban von 1996 bis 2001. Hinzu kommt, dass Blutrache und Fehden zwischen Familien, Clans und Ethnien, insbesondere in der paschtunischen Stammesgesellschaft im Süden und Osten des Landes, seit jeher gängige Formen der Auseinandersetzung darstellen. Eine Kultur des politischen Diskurses und der friedlichen Beilegung von Konflikten ist daher auf politischer wie auch auf persönlicher Ebene nur schwach ausgeprägt (Bericht des Deutschen Auswärtigen Amtes vom 10.01.2012).
Nach dem Sturz der Taliban infolge der im Oktober 2001 gestarteten Intervention einer U.S.-geführten Koalition, die die afghanische Nordallianz unterstützte, wurden auf der Grundlage des im Dezember 2001 abgeschlossenen Petersberger Abkommens Schritte zum Wiederaufbau staatlicher Strukturen unternommen, wie die Einberufung einer Sonderversammlung von "Räten" ("Emergency Loya Jirga"), die Einsetzung einer Übergangsregierung, die Durchführung von Wahlen und die Verabschiedung einer Verfassung (Bericht des Deutschen Auswärtigen Amtes vom 10.01.2012).
Die Ergebnisse der Präsidentschaftswahlen von 2004 sowie der Parlamentswahlen von 2005 fanden allgemein breite Akzeptanz in der afghanischen Bevölkerung und der internationalen Gemeinschaft - trotz Vorwürfe hinsichtlich Einschüchterungsversuche, Parteilichkeit innerhalb der Wahlkommission und anderer Unregelmäßigkeiten. Die Präsidentschaftswahlen 2009 und die Parlamentswahlen von 2010 waren indes von schwerem Wahlbetrug und anderen Problemen überschattet. Staatliche Institutionen versagten, den Wahlprozess effektiv zu steuern und Transparenz zu gewährleisten (Bericht von Freedom House vom 01.05.2011).
Am Nato-Gipfeltreffen im Mai 2012 in Chicago wurden der schrittweise Abzug der Truppen bis 2014 sowie die Grundzüge des Nachfolgeeinsatzes diskutiert. An der Geberkonferenz in Tokio vom 08.07.2012 verpflichtete sich die internationale Staatengemeinschaft, für den zivilen Wiederaufbau in den nächsten vier Jahren 16 Milliarden US-Dollar bereitzustellen. Im Gegenzug dazu werden von der afghanischen Regierung deutliche Fortschritte im Bereich der guten Regierungsführung und im Kampf gegen die Korruption sowie transparente Wahlen erwartet. Neben den Abzugsplänen versuchen vor allem die USA, die Friedensverhandlungen mit den Taliban voranzutreiben. Im Januar 2012 erklärten sich die Taliban bereit, mit der afghanischen Regierung und den USA Vorgespräche zu Friedensverhandlungen aufzunehmen, die sie nach Gesprächen im Februar 2012 jedoch wieder im März 2012 abbrachen (Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom 03.09.2012).
Der afghanische Versöhnungsprozess einschließlich der Wiedereingliederung von Aufständischen in die Gesellschaft bleibt eine zentrale Voraussetzung für eine Friedenslösung in Afghanistan. Gespräche mit führenden Vertretern des bewaffneten Aufstandes sollen den Weg zu einer Aussöhnung mit den Taliban und anderen regierungsfeindlichen Kräften bereiten, während gleichzeitig den einfachen Kämpfern und der mittleren Führungsebene eine legale zivile wirtschaftliche Perspektive und eine Reintegration in die Gesellschaft angeboten werden sollen. Im Rahmen des Friedens- und Reintegrationsprogramms sollen Aufständische in Staat und Gesellschaft zurückgeholt werden. Nach anfänglichen Verzögerungen ist das Reintegrationsprogramm inzwischen erfolgreich angelaufen (Bericht des Deutschen Auswärtigen Amtes vom 10.01.2012). Bis April 2012 wurden nach Angaben des afghanischen Verteidigungsministers etwa 4000 Kämpfer reintegriert (Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom 03.09.2012).
Die Ermordung des Vorsitzenden des Hohen Friedensrates, der für den politischen Dialog mit der Führung der Aufständischen zuständig war, Burhanuddin Rabbani, im September 2011 war jedoch ein schwerer Rückschlag für diesen Prozess. Aussöhnung und Reintegration werden in der afghanischen Öffentlichkeit kontrovers diskutiert. Zwar wird das Ziel einer Wiedereingliederung feindlicher Kämpfer von kaum jemandem in Frage gestellt, doch befürchten viele Afghanen weitreichende Zugeständnisse an die Taliban, die die seit 2001 erzielten Fortschritte, insbesondere im Menschenrechtsbereich, zunichtemachen könnten (Bericht des Deutschen Auswärtigen Amtes vom 10.01.2012).
Mittlerweile reklamieren die Taliban mit der systematischen Einrichtung parallelstaatlicher Strukturen in immer weiter nördlich gelegenen Gebieten den Anspruch für sich, als legitime Regierung Afghanistans betrachtet zu werden. Die regierungsähnlichen Strukturen in den von den Taliban kontrollierten Gebieten (mit Schattengouverneuren und in wichtigeren Gebieten mit verschiedenen Kommissionen z.B. für Justiz, Besteuerung, Gesundheit oder Bildung) sind relativ gut etabliert (Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom 03.09.2012).
Afghanistan ist eine islamische Republik und hat schätzungsweise 24 bis 33 Millionen Einwohner. Die afghanische Verfassung sieht ein starkes Präsidialsystem mit einem Parlament vor, das aus einem Unterhaus und einem Oberhaus, deren Mitglieder von den Provinz- und Distriktsräten sowie vom Präsidenten bestellt werden, besteht.
(Country Report des U.S. Department of State vom 19. April 2013)
Der Präsident wird direkt gewählt. Die letzten Präsidentschafts- und Provinzratswahlen fanden im August 2009 statt. Präsident Karzai ging abermals als Sieger aus den Wahlen hervor. Laut afghanischer Verfassung ist es Präsident Karzai nicht erlaubt, für eine dritte Amtszeit zu kandidieren. Die nächsten Präsidentschaftswahlen finden am 5. April 2014 statt, die endgültige Kandidatenliste wurde im November 2013 veröffentlicht. An die Wahlen wird sich eine Phase der Regierungsbildung anschließen, die angesichts der noch ungefestigten Verfahren längere Zeit in Anspruch nehmen kann.
Die afghanische Nationalversammlung ("Shuraye Melli") besteht aus dem Unterhaus (Volksvertretung, "Wolesi Jirga") und dem Oberhaus (Ältestenrat/Senat, "Meshrano Jirga"), die nach dem Modell eines klassischen Zweikammersystems gleichberechtigt an der Gesetzgebung beteiligt sind. Die letzten Parlamentswahlen fanden am 18. September 2010 statt. Die Auseinandersetzung um die Ergebnisse bei den Parlamentswahlen hielt Monate an.
(Deutsches Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, vom 10. Jänner 2012, S. 7; United States, Country on Human Rights Practices 2012 - Afghanistan, vom 19. April 2013, S. 1, Deutsches Auswärtiges Amt, Innenpolitik, vom April 2013; derstandard.at, "Afghanische Wahlkommission bestätigt Liste für Präsidentschaftswahl", vom 20. November 2013; Deutsche Bundesregierung, Fortschrittsbericht Afghanistan vom Januar 2014, S.
4)
Sicherheitslage
Sicherheitslage allgemein:
Die Zahl der im Afghanistan-Konflikt getöteten oder verletzten Zivilisten ist nach Angaben der Vereinten Nationen im ersten Halbjahr 2013 deutlich gestiegen. Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum sind 23 Prozent mehr Opfer gezählt worden. Nach einem zwischenzeitlichen Rückgang im Jahr 2012 gibt es nun eine Rückkehr zu den hohen Zahlen von getöteten und verletzten Zivilisten des Jahres 2011. Von Jänner bis Oktober 2013 wurden insgesamt 2.568 Zivilisten getötet und 4.826 Zivilisten verletzt. Das entspricht einer Erhöhung um 13 Prozent im Vergleich zum selben Zeitraum im Jahr 2012.
Laut UNAMA sind 75 Prozent der Opfer durch Angriffe von Aufständischen getötet oder verletzt worden. In 10 Prozent der Fälle seien Regierungstruppen verantwortlich, weitere 13 Prozent seien bei Kämpfen zwischen beiden Seiten getötet oder verletzt worden. Die verbleibenden 4 Prozent der Fälle waren demnach keiner Konfliktpartei zuzuordnen und wurden in erster Linie durch Blindgänger verursacht.
(General Assembly/Security Council United Nations, "The situation in Afghanistan and its implications for international peace and security" Rn. 24 vom 6. Dezember 2013; Richtlinien des UNHCR zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfes afghanischer Asylsuchender vom 6. August 2013, S. 15)
Die Zahlen unterstreichen die schwierige Sicherheitslage in Afghanistan vor dem Ende des internationalen Kampfeinsatzes. Die USA und ihre NATO-Verbündeten wollen bis zum Ende 2014 alle Kampftruppen aus dem Land abziehen. Die Internationale Sicherheits-Unterstützungstruppe (ISAF) wird wie bisher bis zum Ende der Übergangsphase (31. Dezember 2014) die Afghan National Security Forces (ANSF) ausbilden, beraten und unterstützen, jedoch wenn erforderlich auch Kampfunterstützung liefern.
Auf die Abzugspläne der deutschen Bundeswehr haben die veränderten Daten zur Sicherheitslage keine Auswirkungen. Es bleibt bislang auch bei den Absichten, von Ende 2014 an für eine Ausbildungs- und Trainingsmission der NATO zwischen 600 und 800 Bundeswehrsoldaten zur Verfügung zu stellen.
(ORF-online: "Afghanistan: 2013 bereits über 1.300 zivile Opfer" vom 31. Juli 2013; NATO "International Security Assistance Force" vom 1. August 2013; Frankfurter Allgemeine Zeitung: "Bundeswehr korrigiert Statistik über Sicherheit in Afghanistan" vom 31. Mai 2013)
Karzai versucht, Afghanistan vor der Präsidentenwahl und dem Abzug der NATO-Truppen in diesem Jahr zu stabilisieren. Die ausländischen Soldaten übertragen immer mehr der Verantwortung für die Sicherheit in Afghanistan auf die 350.000 Mitglieder der einheimischen Sicherheitskräfte.
(APA: "Afghanisches Parlament feuert Innenminister wegen Gewaltwelle" vom 22. Juli 2013)
Im Juni 2013, eineinhalb Jahre vor Ende des Nato-Kampfeinsatzes, haben die afghanischen Sicherheitskräfte offiziell im ganzen Land die Verantwortung übernommen.
(TAZ: "Afghanen tragen jetzt die volle Verantwortung" vom 19. Juni 2013)
Der Konflikt in Afghanistan beeinflusst nun auch Provinzen, die bisher als die stabilsten im Land betrachtet wurden, wie etwa die Provinz Panjshir. Die Gewalt ist nicht auf Kabul oder allgemein auf städtische Zentren beschränkt. Die Aufständischen in ländlichen Gebieten gehen oft extrem gewalttätig vor.
Die Verbreitung von lokalen Milizen und bewaffneten Gruppen - sowohl pro- und anti-Regierung - im Norden, Nordosten und in zentralen Hochland-Regionen haben eine weitere negative Auswirkung auf die Sicherheitslage für Zivilisten.
(Richtlinien des UNHCR zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfes afghanischer Asylsuchender vom 6. August 2013, S. 14)
Die Opfer unter den ISAF-Angehörigen gingen insbesondere aufgrund der Verringerung der Kräfte als auch des gewandelten militärischen Auftrages in den ersten fünf Monaten des Jahres 2013 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum von 121 auf 60 zurück. Infolge des nahezu abgeschlossenen Aufwuchs der ANSF, der hohen Operationslast als Folge der Übernahme der aktiven Sicherheitsverantwortung und der damit einhergehenden Zielauswahl durch die regierungsfeindlichen Kräfte stiegen die personellen Verluste der ANSF von 499 auf 1.070 in den ersten vier Monaten 2013 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum deutlich an. Auch in Zukunft ist infolge der weiter fortschreitenden Transition mit hohen Verlustzahlen unter ANSF-Angehörigen zu rechnen. Die Hauptursachen für den Anstieg der zivilen Opfer in der ersten Jahreshälfte 2013 waren die vermehrte willkürliche Verwendung von Spreng- und Brandvorrichtungen durch regierungsfeindliche Elemente sowie Selbstmordanschläge und komplexe Angriffe an Orten, an denen sich Zivilisten aufhalten, darunter auch zivile Regierungsgebäude. Wie UNAMA weiters ausführt, hat eine sich verändernde politische und sicherheitsrelevante Dynamik in der ersten Jahreshälfte 2013 den Schutz von Zivilisten behindert und den Zugang zu Menschenrechten beschränkt. Auf die Übertragung der Sicherheitsverantwortung von den internationalen Truppen an die afghanischen Sicherheitskräfte und die Schließung von internationalen Militärbasen haben regierungsfeindliche Elemente mit zunehmenden Angriffen auf die afghanischen Sicherheitskräfte, hauptsächlich an Checkpoints, auf strategisch wichtigen Highways, in einigen Gebieten, die an die afghanischen Sicherheitskräfte übergeben wurden, und in Distrikten, die an Afghanistans Nachbarländer grenzen, reagiert.
(UNAMA, Mid-Year Report 2013, vom Juli 2013, S. 1f)
Die Planungen der NATO für den ISAF Folgeeinsatz Resolute Support Mission schreiten voran. Die konditionierte Zusage Deutschlands für seinen Beitrag zu Resolute Support vom 18. April 2013 bildet den Rahmen für die weiteren Planungen. Deutschland ist - vorbehaltlich der auch künftig jährlich einzuholenden Zustimmung des Deutschen Bundestages - zur Übernahme der Verantwortung als Rahmennation für den Norden von Afghanistan, Bereich Masar-e Scharif, für zunächst zwei Jahre bereit und will mit seinen multinationalen Partnern die Arbeit fortsetzen. Daneben wird ein deutscher Truppen-Beitrag im Großraum Kabul eingesetzt werden.
Aufbauend auf dem im Juni 2013 durch die NATO-Verteidigungsminister gebilligten Operationskonzept für Resolute Support wurde im Oktober mit der Verabschiedung des sog. Strategic Planning Assessment (SPA) eine weitere Weichenstellung für die Planung der ISAF-Folgemission vorgenommen. Das im November 2013 zwischen Afghanistan und den USA verhandelte, aber noch nicht unterzeichnete Bilaterale Sicherheitsabkommen dient als Grundlage für die bereits laufenden Verhandlungen zu einem umfassenden Stationierungsabkommen für die NATO und alle Partnernationen. Letzteres bildet auch eine wesentliche rechtliche Voraussetzung für die neue deutsche Mission.
(Deutsche Bundesregierung, Fortschrittsbericht Afghanistan, vom Januar 2014, S. 16 f.)
Der afghanische Innenminister Umer Daudzai hat laut einem Anfang September 2013 veröffentlichten Artikel bekannt gegeben, dass seit März 2013 insgesamt 1.792 Polizisten getötet wurden - die meisten durch am Straßenrand platzierte Bomben.
(AlertNet: "Afghan police deaths double as foreign troops withdraw" vom 2. September 2013)
Der UNO-Generalsekretär erwähnt in einem Bericht vom März 2013, dass im Zeitraum vom 16. November 2012 bis 15. Februar 2013 insgesamt
3.783 sicherheitsrelevante Vorfälle verzeichnet wurden. Dies stellt einen 4-prozentigen Rückgang gegenüber dem gleichen Zeitraum ein Jahr zuvor dar. Die Zahl der zwischen 1. Jänner und 15. Februar 2013 verzeichneten Sicherheitsvorfälle lag allerdings um 6 Prozent höher als im Vorjahr. Wie der UNO-Generalsekretär berichtet, ereigneten sich die meisten der zwischen 16. November 2012 und 15. Februar 2013 verzeichneten Vorfälle auch weiterhin in den Provinzen im Süden, Südosten und Osten des Landes. Die größte Zahl wurde in der Provinz Nangarhar verzeichnet.
(UN-General Assembly Security Council: "The Situation in Afghanistan and its implications for international peace and security" vom 5. März 2013)
In einem Bericht vom Juni 2013 erwähnt der UNO-Generalsekretär, dass im Zeitraum vom 16. Februar bis 15. Mai 2013 insgesamt 4.267 sicherheitsrelevante Vorfälle verzeichnet wurden. Dies stellt einen 10-prozentigen Anstieg gegenüber dem Vorjahreszeitraum dar. 70 Prozent der Vorfälle ereigneten sich im Süden, Südosten und Osten des Landes. Im Osten des Landes ist es zu einem Zustrom von Aufständischen in die Provinzen Nuristan und Badachschan und einem 18-prozentigen Anstieg der Anzahl der Vorfälle gekommen. Bewaffnete Auseinandersetzungen und Spreng- und Brandvorrichtungen machten weiterhin die Mehrzahl der Vorfälle aus.
(UN-General Assembly Security Council: "The Situation in Afghanistan and its implications for international peace and security" vom 13. Juni 2013)
In einem im September 2013 erschienenen Bericht des UNO-Generalsekretärs wird erwähnt, dass die afghanischen Sicherheitskräfte die meisten Operationen durchführen und ihre Opferzahl deutlich angestiegen ist. Berichten zufolge wurden im zweiten Quartal des Jahres 2013 mehr als 3.500 Angehörige der afghanischen Sicherheitskräfte bei Kampfhandlungen verletzt oder getötet. Am 1. Juli 2013 hat der afghanische Innenminister bekannt gegeben, dass zwischen Mitte Mai und Mitte Juni 2013 insgesamt 299 Polizisten getötet wurden. Dabei handelt es sich um einen 22-prozentigen Anstieg im Vergleich zum Vorjahreszeitraum.
Im selben Bericht wird angeführt, dass im Zeitraum vom 16. Mai bis 15. August 2013 insgesamt 5.922 sicherheitsrelevante Vorfälle verzeichnet wurden. Dies stellt einen 11-prozentigen Anstieg im Vergleich zum Vorjahreszeitraum und einen 21-prozentigen Rückgang im Vergleich zum gleichen Zeitraum im Jahr 2011 dar. Laut Bericht haben die Aufständischen ihren Schwerpunkt unter anderem auf Angriffe auf Sicherheitskontrollpunkte und Stützpunkte gelegt, die von den internationalen Truppen an die afghanischen Sicherheitskräfte übergeben wurden. Generell wirkungsvoller Widerstand durch die afghanischen Sicherheitskräfte hat sich auf den Schutz von wichtigen städtischen Zentren, Verwaltungszentren von Distrikten und strategisch wichtigen Transportrouten fokussiert. Die Mehrheit der sicherheitsrelevanten Vorfälle (69 Prozent) ereignete sich weiterhin in den Provinzen im Süden, Südosten und Osten des Landes.
(UN-General Assembly Security Council: "The Situation in Afghanistan and its implications for international peace and security" vom 6. September 2013)
Gemäß ANSO gelingt es den afghanischen Sicherheitskräften nicht, die sich aus dem Abzug der internationalen Truppen ergebenden Lücken zu füllen. Dies zeigt sich insbesondere in den nordwestlichen Provinzen Faryab und Badghis, im gesamten Nordosten und in der südlichen Provinz Paktika. In einigen Gebieten, in welchen die Übergabe in Phase drei erfolgt ist, sind zunehmende Aktivitäten regierungsfeindlicher Gruppierungen zu verzeichnen, während die Aktivitäten der afghanischen Sicherheitskräfte in diesen Gebieten zeitgleich zurückgegangen sind. Mit dem voranschreitenden Abzug der internationalen Truppen haben die regierungsfeindlichen Gruppierungen ihre Angriffe kontinuierlich von den internationalen Zielen weg auf afghanische Ziele fokussiert, d.h. auf die afghanischen Sicherheitskräfte sowie auf afghanische Regierungsangehörige. Dies widerspricht der erwarteten Logik, dass die sinkende internationale Präsenz zu einem Rückgang der militärischen Aktivitäten der regierungsfeindlichen Gruppierungen führen würde.
Die Führung der Taliban ist weiterhin in der Lage, die militärischen Operationen der Bewegung von Pakistan aus strategisch zu lenken sowie die notwendigen Ressourcen zur Unterstützung der operationellen Prioritäten zu beschaffen. Seit 2009 lassen sich drei Entwicklungen erkennen: Erstens wurden auf der strategischen Ebene beträchtliche Anstrengungen hin zu einer stärkeren Zentralisierung der Kommando- und Kontrollstrukturen unternommen, um einer Fragmentierung der Bewegung entgegenzuwirken. Zweitens zeichnet sich eine Militarisierung der Administration ab. Der militärische Druck seitens der ISAF zwang zahlreiche Schattengouverneure in den Untergrund oder zur Flucht nach Pakistan und führte dadurch zu einem verminderten Einfluss dieser. In der Konsequenz ist die Macht der Militärkommissionen gestiegen, die vor Ort präsent sind. Drittens lässt sich auf der taktischen Ebene eine Professionalisierung der Bewegung feststellen.
(Bericht der Schweizer Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update vom 30. September 2013, S. 5 f; ANSO, Quarterly Data Report Q1 2013, S. 12 und 17; ANSO, Quarterly Data Report Q1 2013, S. 11)
Menschenrechte:
Trotz beachtlicher Erfolge während der vergangenen elf Jahre bleibt die gesellschaftliche Verankerung der Menschenrechte, insbesondere der Frauenrechte, eine große Herausforderung in Afghanistan. Das liegt zum einen an der Schwäche der afghanischen Institutionen und mangelnder Rechtskenntnis bei Bevölkerung und Behörden, zum anderen an der mangelnden Akzeptanz von Menschen- und Frauenrechten innerhalb der Gesellschaft. Nicht zuletzt spielt die fehlende Bereitschaft von Justiz und Strafverfolgungsbehörden, geltende Gesetze zum Schutz von Menschen- und Frauenrechten umzusetzen, eine Rolle. In Umsetzung der Tokio-Verpflichtungen muss die afghanische Regierung weitere Anstrengungen zur Stärkung der Rechtsstaatlichkeit und Verbesserung der Situation der Menschenrechte vorweisen. Mittlerweile haben sich die afghanische Regierung und die Staatengemeinschaft auf zwei messbare Hard Deliverables im Bereich der Menschenrechte geeinigt, anhand derer die internationale Gemeinschaft eine erste Bilanz der Reformfortschritte ziehen will:
1. Bericht aller beteiligten Regierungsinstitutionen zur landesweiten Umsetzung des Gesetzes zur Eliminierung von Gewalt gegen Frauen [EVAW] und 2. inklusiver Nominierungsprozess für die Kommissare der Unabhängigen Afghanischen Menschenrechtskommission (Afghan Independent Human Rights Commission [AIHRC]).
Neben der afghanischen Verfassung selbst, in der die Gleichberechtigung von Männern und Frauen festgeschrieben ist, bedeutet insbesondere das per Präsidialdekret erlassene EVAW-Gesetz vom August 2009 eine signifikante Stärkung der Frauenrechte. Sowohl ein UNAMA-Bericht vom 11. November 2012 als auch die AIHRC bestätigen, dass im Vergleich zum Vorjahr deutlich mehr Fälle von Gewalt registriert und damit öffentlich geworden sind. Damit sind die Voraussetzungen für eine Strafverfolgung der Schuldigen erheblich besser geworden. Von einer effektiven Umsetzung des Gesetzes sind die Behörden jedoch noch weit entfernt.
Dies bestätigt auch der jüngste Bericht von Human Rights Watch zur Situation weiblicher Insassen afghanischer Hafteinrichtungen, denen sogenannte "Sittenverbrechen" nach der islamischen Scharia vorgeworfen werden. Derzeit seien rund 600 Frauen - also die Hälfte aller weiblichen Insassen - wegen solcher "moralischer Vergehen" inhaftiert. Den meisten dieser Frauen werde Flucht aus dem Elternhaus oder dem Haus des Ehemannes angelastet. Dies sei auch nach afghanischem Recht keine Straftat. Vielmehr seien gerade diese Frauen oft Opfer von häuslicher Gewalt, die nach dem EVAW-Gesetz unter besonderem Schutz der Behörden stehen müssten.
Mangelnde Kenntnis und Akzeptanz des EVAW-Gesetzes führen jedoch dazu, dass viele Fälle von Gewalt gegen Frauen nach wie vor an traditionelle Streitschlichtungsgremien überwiesen werden. Zudem haben auch Menschenrechtsorganisationen festgestellt, dass es der afghanischen Polizei und Justiz weiterhin nicht selten noch an hinreichender Qualifikation fehlt, um Mindeststandards der Rechtspflege konsequent einzuhalten.
Der UNAMA-Folgebericht zu Folter in afghanischen Haftanstalten vom Januar 2013 bestätigt ebenfalls, dass Defizite bei den Sicherheits- und Strafverfolgungsbehörden die Durchsetzung der Menschenrechte in Afghanistan erschweren. Der Bericht konzentriert sich auf Inhaftierte, die im Zusammenhang mit dem bewaffneten Konflikt in Afghanistan festgenommen oder verurteilt wurden. Darin werden den Sicherheitskräften erneut Rechtsverstöße, vor allem Folter, vorgeworfen. Die Gebergemeinschaft, vor allem die EU und die UN, hat nach Veröffentlichung des UNAMA-Berichts die afghanische Regierung nachdrücklich aufgefordert, die Menschenrechte einzuhalten und die Haftbedingungen zu verbessern.
Die afghanische Regierung zog die Ergebnisse des UNAMA-Berichts zunächst in Zweifel. Präsident Karzai beauftragte noch im Januar 2013 eine afghanische Untersuchungskommission, die Vorwürfe zu prüfen. Diese bestätigte die Feststellungen des UNAMA-Berichts. Die Kommission gab elf Handlungsempfehlungen an die Regierung, darunter eine minimale Gesundheitsversorgung für Inhaftierte und Videoaufzeichnungen bei Verhören. Der Präsident ordnete am 11. Februar 2013 die Umsetzung der Empfehlungen per Dekret an. Die AIHRC ist inzwischen wieder voll besetzt.
(Deutsches Auswärtiges Amt, Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, vom 4. Juni 2013, S. 4f; Deutsche Bundesregierung, Fortschrittsbericht Afghanistan, vom Juni 2013, S.17ff; Deutsche Bundesregierung, Fortschrittsbericht Afghanistan, vom Januar 2014, S. 27ff.)
Allerdings hat die Ernennung der neuen Mitglieder der Menschenrechtskommission im Juni 2013 Unmut unter Menschenrechtsorganisationen sowohl in Afghanistan, als auch im Ausland hervorgerufen.
(RFE-Radio Free Europe: "Human Rights Appointments Draw Fire In Afghanistan", vom 3. Juli 2013)
So beförderte Staatspräsident Karzai, unter anderem, einen früheren Talibanführer zum Kommissionär der AIHRC. Es gab auch andere kontroverse KandidatInnen.
(Afghan Analyst: AIHRC Commissioners Finally Announced, vom 16. Juni 2013; vgl. Revolutionary Association of the Women of Afghanistan:
"Human Rights Commission Appointments Draw Fire In Afghanistan" vom 3. Juli 2013)
Zivilisten, die der Zusammenarbeit oder der sonstigen Unterstützung von bewaffneten regierungsfeindlichen Gruppen verdächtigt werden, können willkürlichen Festnahmen (inklusive Inhaftierung ohne Anklage) sowie Misshandlungen durch internationale Truppen oder durch afghanische Behörden ausgesetzt sein. UNHCR ist der Auffassung, dass Zivilisten, die der Unterstützung bewaffneter Gruppen verdächtigt werden, einer Verfolgungsgefahr auf Grund der (ihnen unterstellten) politischen Überzeugung ausgesetzt sein können, - abhängig von ihrem Profil und den Umständen des Falles. Personen, welche die Regierung und die internationale Gemeinschaft sowie deren Streitkräfte tatsächlich oder vermeintlich unterstützen, einschließlich Regierungsfunktionäre, regierungstreue Stammesführer und religiöse Führer, Richter, Lehrer und Mitarbeiter von Wiederaufbau-/Entwicklungshilfsprojekten, können nach Ansicht des UNHCR ebenfalls - abhängig von den individuellen Umständen des Einzelfalls - einer Verfolgungsgefahr auf Grund der (ihnen unterstellten) politischen Überzeugung ausgesetzt sein, insbesondere in Gebieten, in denen bewaffnete regierungsfeindliche Gruppen tätig sind (Zusammenfassung der UNHCR-Richtlinien vom 24.03.2011).
Was Repressionen Dritter anbelangt, geht die größte Bedrohung der Menschenrechte von lokalen Machthabern und Kommandeuren aus. Es handelt sich hierbei meist um Anführer von Milizen, die nicht mit staatlichen Befugnissen, aber mit faktischer Macht ausgestattet sind. Die Zentralregierung hat auf viele dieser Urheber von Menschenrechtsverletzungen praktisch keinen Einfluss und kann sie weder kontrollieren noch ihre Taten untersuchen oder verurteilen. Wegen des desolaten Zustands des Verwaltungs- und Rechtswesens bleiben Menschenrechtsverletzungen daher häufig ohne Sanktionen. Immer wieder kommt es zu Exekutionen durch nicht-staatliche Akteure vor allem auch der Insurgenz, die sich auf traditionelles Recht berufen und die Vollstreckung der Todesstrafe mit dem Islam legitimieren. Die afghanische Regierung verurteilt diese Exekutionen öffentlich.
Die Ausweichmöglichkeiten für diskriminierte, bedrohte oder verfolgte Personen hängen maßgeblich vom Grad ihrer sozialen Verwurzelung, ihrer Ethnie und ihrer finanziellen Lage ab (Bericht des Deutschen Auswärtigen Amtes vom 04.06.2013).
Ethnische Minderheiten:
Afghanistan ist ein Vielvölkerstaat, über den es aufgrund der seit Jahrzehnten schwierigen Sicherheitslage kaum gesicherte statistische Daten gibt. Die Zahlen für Angehörige einer Volksgruppe schwanken teilweise beträchtlich (ÖIF-Länderinfo vom Februar 2010). Der Anteil der Volksgruppen im Vielvölkerstaat wird in etwa wie folgt geschätzt: Paschtunen ca. 38%, Tadschiken ca. 25%, Hazara ca. 19%, Usbeken ca. 6% sowie zahlreiche kleinere ethnische Gruppen (Aimak, Turkmenen, Baluchi, Nuristani u.a.). Die afghanische Verfassung schützt sämtliche ethnische Minderheiten. Neben den offiziellen Landessprachen Dari und Paschtu wird in der Verfassung sechs weiteren Sprachen dort ein offizieller Status eingeräumt, wo die Mehrheit der Bevölkerung (auch) eine dieser anderen Sprache spricht. Diese weiteren in der Verfassung genannten Sprachen sind Usbekisch, Turkmenisch, Belutschisch, Pashai, Nuristani und Pamiri (ÖIF-Länderinfo vom Februar 2010).
Justiz und (Sicherheits‑)Verwaltung:
Verwaltung und Justiz funktionieren nur sehr eingeschränkt. Neben der fehlenden Einheitlichkeit in der Anwendung der verschiedenen Rechtsquellen (kodifiziertes Recht, Scharia und Gewohnheitsrecht), werden auch rechtsstaatliche Verfahrensprinzipien nicht regelmäßig eingehalten. Trotz bestehender Aus- und Fortbildungsangebote für Richter und Staatsanwälte wird die Schaffung eines funktionierenden Verwaltungs- und Gerichtssystems noch Jahre dauern.
(Bericht des Deutschen Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan vom 4. Juni 2013)
Richterinnen und Richter sind Bestechungsversuchen und Drohungen sowohl seitens lokaler Machthaber, Beamten aber auch Familienangehörigen, Stammesältesten und Angehöriger regierungsfeindlicher Gruppierungen ausgesetzt, was ihre Unabhängigkeit schwerwiegend beeinträchtigt. Die Urteile zahlreicher Gerichte basieren auf einem Gemisch von kodifiziertem Recht, Scharia, lokalen Gebräuchen und Stammesgesetzen. Gerichtsprozesse entsprechen in keiner Weise den internationalen Standards für faire Verfahren. Die Haftbedingungen liegen weiterhin unter den internationalen Standards; sanitäre Einrichtungen, Nahrungsmittel, Trinkwasser und Decken sind mangelhaft, ansteckende Krankheiten verbreitet.
Die Afghanische Nationale Polizei [ANP] gilt als korrupt und verfügt bei der afghanischen Bevölkerung kaum über Vertrauen. Die afghanischen Sicherheitskräfte, die inzwischen praktisch im ganzen Land an vorderster Front kämpfen, werden auch künftig auf internationale Unterstützung sowie Beratung und Ausbildung angewiesen sein. Ein weiteres schwerwiegendes Problem stellt die hohe Ausfallquote dar: Rund 35 Prozent der Angehörigen der Afghanischen Sicherheitskräfte schreiben sich jedes Jahr nicht mehr in den Dienst ein. Die Desertionsrate in der Armee wird nur noch von jener der ANP übertroffen.
Die Taliban haben in den von ihnen kontrollierten Gebieten ihre eigenen parallelstaatlichen Justizsysteme eingerichtet. Ihre Rechtsprechung basiert auf einer äußerst strikt ausgelegten Interpretation der Shari'a; die von ihnen ausgeführten Bestrafungen umfassen auch Hinrichtungen und körperliche Verstümmelungen und werden von UNAMA teilweise als Kriegsverbrechen eingestuft.
(Bericht der Schweizer Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update vom 30. September 2013, S. 12f)
Eine Strafverfolgungs- oder Strafzumessungspraxis, die systematisch nach Merkmalen wie Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischer Überzeugung diskriminiert, ist nicht festzustellen. Fälle von Sippenhaft sind allerdings nicht auszuschließen (Bericht des Deutschen Auswärtigen Amtes vom 4.6.2013). Blutfehden können zu lang anhaltenden Kreisläufen aus Gewalt und Vergeltung führen. Nach dem Pashtunwali muss die Rache sich grundsätzlich gegen den Täter selbst richten, unter bestimmten Umständen kann aber auch der Bruder des Täters oder ein anderer Verwandter, der aus der väterlichen Linie stammt, zum Ziel der Rache werden. Im Allgemeinen werden Racheakte nicht an Frauen und Kinder verübt. Wenn die Familie des Opfers nicht in der Lage ist, sich zu rächen, dann kann die Blutfehde ruhen, bis die Familie des Opfers sich in der Lage sieht, Racheakte auszuüben. Daher kann sich die Rache Jahre oder sogar Generationen nach dem eigentlichen Vergehen ereignen. Die Bestrafung des Täters durch das formale Rechtssystem schließt gewaltsame Racheakte durch die Familie des Opfers nicht notwendigerweise aus.
Innerhalb der Polizei sind Korruption, Machtmissbrauch und Erpressung - ebenso wie in der Justiz - endemisch.
(Richtlinien des UNHCR zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfes Afghanischer Asylsuchender vom 6. August 2013)
Strafverfolgung, Strafbemessung und Strafvollstreckung:
Eine Strafverfolgungs- oder Strafzumessungspraxis, die systematisch nach Merkmalen wie Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischer Überzeugung diskriminiert, ist nicht erkennbar. Fälle von Sippenhaft sind allerdings nicht auszuschließen. Zu einer Strafverfolgungs- oder Strafzumessungspraxis, die speziell Christen diskriminiert, kommt es in Afghanistan in der Regel schon deshalb nicht, weil sich Christen nicht offen zu ihrem Glauben bekennen.
Präsident Karzai verkündet in regelmäßigen Abständen zu besonderen Anlässen Amnestien, die insbesondere Frauen, Kinder und ältere Gefängnisinsassen betreffen.
(Deutsches Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, vom 4. Juni 2013, S. 11)
Haftbedingungen:
Gefängnisse, Jugendrehabilitationszentren und andere Haftanstalten werden von unterschiedlichen Organisationen verwaltet: Das "General Directorate of Prisons and Detention Centers" (GDPDC), ein Teil des Innenministeriums (MOI), ist verantwortlich für alle zivil geführten Gefängnisse sowohl für weibliche als auch männliche Häftlinge. Das MOI und das "Juvenile Rehabilitation Directorate" (JRD) sind verantwortlich für alle Jugendrehabilitationszentren und Zivilhaftanstalten. Die ANP (Afghan National Police) unter dem Innenministerium und dem NDS (National Directorate of Security) ist verantwortlich für Kurzhaftanstalten auf Provinz- und Bezirksebene. Das Verteidigungsministerium betreibt die nationalen Haftanstalten Afghanistans in xxx.
(United States, Country Reports on Human Rights Practices, vom 19. April 2013)
Folter und Misshandlungen werden nach wie vor in den Gefängnissen in Afghanistan praktiziert und stellen ein ernstzunehmendes und weitverbreitetes Problem in den Haftanstalten Afghanistans dar.
(United Nations Assistance Mission in Afghanistan "Treatment of Conflict-Related Detainees in Afghan Custody" vom Jänner 2013; Afghanistan Independent Human Rights Commission "Torture, Transfers, and Denial of Due Process" vom 17. März 2012; TAZ: "Kabul räumt erstmals Folter ein" vom 11. Februar 2013)
AIHRC und andere Beobachter berichteten, dass es in den Gefängnissen kein adäquates Essen oder Wasser gebe. Außerdem seien die Sanitäranlagen schlecht und es seien nicht genügend Decken vorhanden. Infektiöse Krankheiten seien verbreitet.
(United States, Country Reports on Human Rights Practices, vom 19. April 2013)
Die Haftbedingungen liegen weiterhin unter den internationalen Standards. Sanitäre Einrichtungen, Nahrungsmittel und Trinkwasser sowie Decken sind mangelhaft, ansteckende Krankheiten verbreitet. Die begrenzten Unterbringungsmöglichkeiten führen dazu, dass Gefangene in Untersuchungshaft und bereits verurteilte Gefangene nicht getrennt festgehalten werden. Im März 2012 führten etwa 100 Gefangene im Pul-e-Charkhi-Gefängnis wegen Misshandlungen einen Hungerstreik durch. Für Kinder verurteilter Mütter wurden spezielle Unterstützungszentren geschaffen.
(Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update vom 30. September 2013, S. 12f; USDOS, Human Rights Practices 2012, 19. April 2013, S. 3f.)
Todesstrafe:
Die Todesstrafe ist in der Verfassung und im Strafgesetzbuch für besonders schwerwiegende Delikte (Mord, Entführung und gewisse Straftaten gegen die nationale Sicherheit) vorgesehen. Unter dem Einfluss der Scharia wird die Todesstrafe aber auch bei anderen Delikten verhängt (z.B. Blasphemie, Apostasie). Die Entscheidung über die Todesstrafe wird vom Obersten Gericht getroffen und kann nur mit Einwilligung des Präsidenten vollstreckt werden. Allgemein sind keine Bestrebungen seitens der Regierung zu erkennen, ein Moratorium zu erlassen oder die Todesstrafe gar abzuschaffen. Zuletzt wurde die Todesstrafe im November 2012 vollstreckt, als 14 wegen Vergewaltigung und Mordes Verurteilte exekutiert wurden. Landesweit sind momentan über 100 Personen zu Tode verurteilt.
(Deutsches Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, vom 4. Juni 2013, S. 16; vgl.: Amnesty International, Amnesty Report 2013, vom 21. Mai 2013)
Gemäß Amnesty International wurden in Afghanistan am 20. und 21. November 2012 14 Gefangene hingerichtet. Der Oberste Gerichtshof soll zudem 30 Todesurteile bestätigt haben. Zehn Todesurteile wurden in Haftstrafen umgewandelt. Ende November 2012 befanden sich mehr als 250 Personen in Todeszellen.
(Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update vom 30. September 2013, S. 12f; Amnesty International, Report 2013, vom 23. Mai 2013. USDOS, Human Right Practices 2012, vom 19. April 2013, S. 3)
Sozioökonomische Situation:
Die Grundversorgung ist für große Teile der Bevölkerung eine tägliche Herausforderung. Das World Food Programme reagiert das ganze Jahr hindurch in verschiedenen Landesteilen auf Krisen bzw. Notsituationen wie Dürre, Überschwemmungen oder extremen Kälteeinbruch. Auch der Norden - eigentlich die "Kornkammer" - des Landes ist extremen Natureinflüssen wie Trockenheiten, Überschwemmungen und Erdverschiebungen ausgesetzt. Die aus Konflikt und chronischer Unterentwicklung resultierenden Folgeerscheinungen im Süden und Osten haben zur Folge, dass ca. 1 Mio. oder 29,5 Prozent aller Kinder als akut unterernährt gelten.
(Deutsches Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, vom 4. Juni 2013, S. 18)
Medizinische Versorgung:
Die medizinische Versorgung ist trotz erkennbarer Verbesserungen landesweit (die Anzahl der Gesundheitseinrichtungen hat sich seit 2002 vervierfacht) aufgrund ungenügender Verfügbarkeit von Medikamenten, Ausstattung der Kliniken, Ärzten und Ärztinnen sowie mangels gut qualifizierten Assistenzpersonals (v.a. Hebammen) immer noch unzureichend. Dies führt dazu, dass Afghanistan weiterhin zu den Ländern mit der höchsten Mütter- und Kindersterblichkeitsrate der Welt gehört. Die Lebenserwartung der Frauen liegt bei 51, Männer werden im Schnitt 48 Jahre alt.
Durch die überdurchschnittlich gute ärztliche Versorgung im French Medical Institute in Kabul können Kinder auch mit komplizierteren Krankheiten in Kabul behandelt werden. Afghanische Staatsangehörige mit guten Kontakten zum ausländischen Militär oder Botschaften, können sich unter Umständen auch in Militärkrankenhäusern der ausländischen Truppen behandeln lassen. Die Militärkrankenhäuser können Zivilisten (jeglicher Staatsangehörigkeit) allerdings nur in beschränktem Maße aufnehmen, da Betten für Mitglieder der internationalen Streitkräfte vorgehalten werden müssen.
Die Behandlung von psychischen Erkrankungen stellt Afghanistan nach wie vor große Herausforderungen. Die wenigen Kliniken, die es in einigen größeren Städten gibt, sind klein und überfüllt.
(Deutsches Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, vom 4. Juni 2013, S. 18)
Während sich der Zugang zu Gesundheitseinrichtungen für die städtische Bevölkerung verbessert hat, hat sich dieser für die ländliche Bevölkerung sowie für Nomaden verschlechtert. Insbesondere für Personen, welche in Gebieten unter der Kontrolle regierungsfeindlicher Gruppierungen leben, sind medizinische Einrichtungen schwer zu erreichen. 10 Prozent der Kinder sterben, bevor sie das 5. Lebensjahr erreichen und die Müttersterblichkeit gehört noch immer zu den weltweit höchsten.
(Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update vom 30. September 2013, S. 21)
Physisch und psychisch behinderte Personen und Opfer von Misshandlungen, die erwägen, in ihr Heimatland zurückzukehren, müssen eine starke Unterstützung seitens ihrer Familie und der betreffenden Kommune sicherstellen. Medizinische Versorgung ist für eine Vielzahl von Krankheiten weitestgehend nicht erhältlich. Chirurgische Eingriffe können nur in ausgewählten Orten durchgeführt werden; generell fehlt es an adäquater Ausrüstung und Fachpersonal. Diagnosegeräte wie zum Beispiel Computertomographen, von denen es nur in Kabul einen gibt, sind ebenfalls nicht erhältlich. Der Zugang zu Medikamenten verbessert sich, wobei einige dennoch den meisten Afghanen nicht zugänglich sind.
(BAMF_IOM, Länderinformationsblatt - Afghanistan, vom Oktober 2012, S. 16)
Rückkehrfragen:
Freiwillig zurückkehrende Afghanen kamen in den ersten Jahren meist bei Familienangehörigen unter, was die in der Regel nur sehr knapp vorhandenen Ressourcen (Wohnraum, Versorgung) noch weiter strapazierte. Eine zunehmende Zahl von Rückkehrern verfügt aber nicht mehr über diese Anschlussmöglichkeiten.
(Deutsches Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage, vom 10. Jänner 2012, S. 28)
Ob ein Schutz in Kabul für Personen aus einer Konfliktregion gegeben ist, hängt sehr von der Schwere des Konflikts ab, ob sie oder er in Kabul weiter verfolgt wird. Aufgrund der Stammesgesellschaft mit nahen Familiennetzen ist es kein Problem, jemanden zu finden, wenn man es wirklich will. Auch den nationalen Behörden ist es möglich, in Kabul Personen ausfindig zu machen. Die Problematik, die sich jedoch dabei stellt, ist, dass es in Afghanistan keine Registrierung der Adresse gibt.
(Danish Immigration Service, Report from Danish Immigration Service's fact finding mission to Kabul, vom 29. Mai 2012)
Physisch und psychisch behinderte Personen und Opfer von Misshandlungen, die erwägen, in ihr Heimatland zurückzukehren, müssen eine starke Unterstützung seitens ihrer Familie und der betreffenden Kommune sicherstellen. Medizinische Versorgung ist für eine Vielzahl von Krankheiten weitestgehend nicht erhältlich. Chirurgische Eingriffe können nur in ausgewählten Orten durchgeführt werden; generell fehlt es an adäquater Ausrüstung und Fachpersonal. Diagnosegeräte wie zum Beispiel Computertomographen, von denen es nur in Kabul einen gibt, sind ebenfalls nicht erhältlich. Der Zugang zu Medikamenten verbessert sich, wobei einige dennoch den meisten Afghanen nicht zugänglich sind.
(BAMF_IOM, Länderinformationsblatt - Afghanistan, vom Oktober 2012, S. 16)
Ausweichmöglichkeiten:
Die Ausweichmöglichkeiten für diskriminierte, bedrohte oder verfolgte Personen hängen maßgeblich vom Grad ihrer sozialen Verwurzelung, ihrer Ethnie und ihrer finanziellen Lage ab. Die größeren Städte bieten aufgrund ihrer Anonymität eher Schutz als kleine Städte oder Dorfgemeinschaften.
(Deutsches Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, vom 4. Juni 2013, S. 14)
Nach Ansicht von UNHCR besteht in umkämpften Gebieten keine interne Fluchtmöglichkeit. Da regierungsfeindliche Gruppierungen wie die Taliban, das Haqqani-Netzwerk oder Hekmatyars Hezb-e Islami über operationelle Kapazitäten verfügen, Personen im ganzen Land zu verfolgen, existiert für von diesen Gruppierungen bedrohte Personen auch in Gebieten, welche von der Regierung kontrolliert werden, keine Fluchtalternative. Die afghanische Regierung hat in zahlreichen Gebieten des Landes die effektive Kontrolle an regierungsfeindliche Gruppierungen verloren und ist dort daher nicht mehr schutzfähig. Betreffend der Verletzung sozialer Normen muss in Betracht gezogen werden, dass konservative Akteure auf allen Regierungsstufen Machtpositionen innehaben und das weite Segmente der afghanischen Gesellschaft konservative Wertvorstellungen vertreten. UNHCR schließt für alleinerziehende Frauen ohne nahe männliche Angehörige eine innerstaatliche Fluchtalternative aus.
(UNHCR, Eligibility Guidelines, vom August 2013, S. 72 bis 78)
Risikogruppen:
In seinen "Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom August 2013" geht UNHCR von folgenden "möglicherweise gefährdeten Personenkreisen in Afghanistan" aus:
• Personen, die tatsächlich oder vermeintlich mit der Regierung oder mit der internationalen Gemeinschaft einschließlich der internationalen Streitkräfte verbunden sind, oder diese tatsächlich oder vermeintlich unterstützen
• Journalisten und in der Medienbranche tätige Personen
• Männer und Burschen im wehrfähigen Alter
• Zivilisten, die der Unterstützung regierungsfeindlicher Kräfte verdächtigt werden
• Angehörige religiöser Minderheiten und Personen, bei denen vermutet wird, dass sie gegen die Scharia verstoßen haben
• Personen, bei denen vermutet wird, dass sie gegen islamische Grundsätze, Normen und Werte gemäß der Auslegung durch die Taliban verstoßen
• Frauen
• Kinder
• Opfer von Menschenhandel oder Zwangsarbeit und Personen, die entsprechend gefährdet sind
• lesbische, schwule, bisexuelle, transgender und intersexuelle Personen (LGBTI)
• Angehörige ethnischer (Minderheiten‑)Gruppen
• an Blutfehden beteiligte Personen
• Familienangehörige von Geschäftsleuten und anderen wohlhabende Personen
Die Aufzählung ist nicht notwendigerweise abschließend. Je nach den spezifischen Umständen des Falls können auch Familienangehörige oder andere Mitglieder des Haushalts von Personen mit diesen Profilen aufgrund ihrer Verbindung mit der gefährdeten Person internationalen Schutzes bedürfen.
Überdies können nach den genannten UNHCR-Richtlinien "Menschenrechtsverletzungen einzeln oder zusammen eine Verfolgung darstellen, wie etwa:
• die Kontrolle über die Zivilbevölkerung durch regierungsfeindliche Kräfte einschließlich der Einführung paralleler Justizstrukturen und der Verhängung ungesetzlicher Strafen sowie der Bedrohung und Einschüchterung der Zivilbevölkerung, der Einschränkung der Bewegungsfreiheit und der Einsatz von Erpressungen und illegalen Steuern
• Zwangsrekrutierung
• die Auswirkung von Gewalt und Unsicherheit auf die humanitäre Situation in Form von Ernährungsunsicherheit, Armut und Vernichtung von Lebensgrundlagen
• steigende organisierte Kriminalität und die Möglichkeit von lokalen Machthabern ("Warlords") und korrupten Beamten, in von der Regierung kontrollierten Gebieten straflos zu agieren
• die systematische Beschränkung des Zugangs zu Bildung und zu grundlegender Gesundheitsversorgung
• die systematische Beschränkung der Teilnahme am öffentlichen Leben, insbesondere für Frauen
Der länderkundige Sachverständige erstattete in der mündlichen Verhandlung zum Fluchtgrund des Beschwerdeführers folgendes Gutachten, das in den wesentlichen Passagen widergegeben wird:
Die Angaben des Beschwerdeführers zu seiner Herkunft, nämlich der Provinz Laghman, stimmen insofern mit der afghanischen Wirklichkeit überein, als der Beschwerdeführer eine Dari-Aussprache hat, die Paschtunen aus Ost-Afghanistan, zB in der Provinz Laghman sprechen. Der Beschwerdeführer ist gebildet. Es ist davon auszugehen, dass er das von ihm angegebene Studium, nämlich das Studium der Landwirtschaft in Kabul durchlaufen und abgeschlossen hat. Allerdings ist es ungewöhnlich, dass jemand zur fraglichen Zeit ein Studium in Kabul abschließt und danach in sein Dorf nach Laghman zurückkehrt, aber nicht im Bereich seiner Ausbildung in den staatlichen Institutionen tätig wird. Es ist dem Sachverständigen nicht bekannt, dass zu jener friedlichen Zeit Personen, die eine hohe Bildung genießen konnten, zurückgekehrt sind, denn damals haben alle Absolventen der verschieden Studienrichtungen in den staatlichen Institutionen eine Anstellung angenommen, weil diese ihnen Ansehen, bessere Verdienstmöglichkeiten und Aufstiegsmöglichkeiten gebracht hat. Besonders Personen aus der Provinz Laghman haben versucht durch ein Studium ein besseres wirtschaftliches Leben zu erlangen, weil Laghman zu den ärmsten und unterentwickeltsten Provinzen gehört.
Es ist verwunderlich, dass ein Akademiker, der zur fraglichen Zeit ein Studium absolviert hat und Jahrzehnte in Afghanistan verblieben ist, nicht im Stande ist, die politischen und gesellschaftlichen Veränderungen in seinem Heimatland wahrzunehmen. Dazu gehört, dass er wissen müsste, in welchem Bereich genau Bruder im Innenministerium gearbeitet hat, welche Tätigkeit er ausgeübt und wohin er sich nach dem Bürgerkrieg begeben hat. Wenn der Beschwerdeführer behauptet, dass die Gegner seines Bruders von für ihn unbekannten Personen Informationen über seinen Bruder erhalten haben, müsste er selbst bessere Informationen über seinen Bruder haben, wenn er sich in den letzten vier Jahrzehnten - ausgenommen seine Anwesenheit in Pakistan - nur in Afghanistan aufgehalten hat.
Wenn der Bruder des Beschwerdeführers tatsächlich Feinde gehabt hätte, hätten diese den Beschwerdeführer bestimmt ab 1992, bis er aus Afghanistan ausgereist ist, ausgeforscht und ihn auch bestraft. Wenn der Bruder des Beschwerdeführers während seiner Tätigkeit unter dem kommunistischen Regime Schaden angerichtet hat, dann hätten die Mujaheddin der Provinz Laghman darüber Kenntnisse besessen. In diesem Falle hätten die Mujaheddin den Beschwerdeführer bereits bestraft, wenn die Taten seiner Bruders so schwerwiegend gewesen wären.
Als die Mujaheddin 1992 an die Macht gekommen sind, haben sie jene kommunistischen Offiziere getötet, die sie schwer geschädigt hatten. Es wurden auch andere Kommunisten getötet, die zum Teil Niemanden geschadet hatten, aber sie wurden wegen ihrer politischen Vergangenheit von den Mujaheddin getötet. Aber im Laufe der Zeit haben die Mujaheddin und die Taliban sich soweit diskreditiert, dass nach dem Sturz der Taliban die Kommunisten rehabilitiert worden sind und sie auch heute zu den bestimmenden Kräften im Staat gehören. Mindestens 50 Prozent der Sicherheitsorgane sind ehemalige Kommunisten. Ebenfalls sind mehr als 50 Prozent der Lehrer und anderen Beamten auch Angehörige des ehemaligen kommunistischen Regimes. Aber jene Angehörige des kommunistischen Regimes, die Menschen schwer geschädigt oder getötet haben, können, wenn die Familienangehörigen der geschädigten oder getöteten Personen dieser habhaft werden, von diesen bestraft werden. Wenn es zwischen einem kommunistischen Offizier und einer anderen Person zu einer Blutrache gekommen ist, werden auch Mitglieder der Familie des Offiziers von seinem Feind in Betracht gezogen, wenn dieser Offizier mehrere Personen getötet hat. Den heutigen Angaben des Beschwerdeführers konnte nicht entnommen werden, dass sein Bruder ein Offizier gewesen ist, der tatsächlich Menschen geschädigt hat, wodurch auch der Beschwerdeführer in Mitleidenschaft gezogen könnte.
2. Beweiswürdigung:
Die Länderfeststellungen gründen auf den jeweils angeführten Länderberichten angesehener staatlicher und nichtstaatlicher Einrichtungen sowie dem mündlich erstatteten Gutachten des länderkundigen Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung. Angesichts der Seriosität der Quellen und der Plausibilität ihrer Aussagen besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln, sodass sie den Feststellungen zur Situation in Afghanistan zugrunde gelegt werden konnten. Der Beschwerdeführer ist weder den Länderberichten, noch dem Gutachten des Sachverständigen inhaltlich ausreichend entgegen getreten.
Der Sachverständige ist in Afghanistan geboren und aufgewachsen, er hat in Kabul das Gymnasium absolviert, in Wien Politikwissenschaft studiert und war in den neunziger Jahren an mehreren Aktivitäten der Vereinten Nationen zur Befriedung Afghanistans beteiligt. Er hat Werke über die politische Lage in Afghanistan verfasst und verfügt dort über zahlreiche Kontakte, ist mit den dortigen Gegebenheiten vertraut und recherchiert dort selbst - auch für den unabhängigen Bundesasylsenat, den Asylgerichtshof und das Bundesverwaltungsgericht- immer wieder (zuletzt im Mai 2014). Darüber hinaus hält er an der Universität Wien Lehrveranstaltungen ab, die sich mit Afghanistan beschäftigen. Auf Grund seiner Sachkenntnis wurde er bereits in vielen Verfahren als Gutachter herangezogen; er hat im Auftrag vieler Mitglieder des unabhängigen Bundesasylsenates, des Asylgerichtshofes und des Bundesverwaltungsgerichtes zahlreiche nachvollziehbare und schlüssige Gutachten zur aktuellen Lage in Afghanistan erstattet.
Die Angaben des Beschwerdeführers zu seiner Nationalität und regionalen Herkunft aus der Provinz Laghman konnten den Feststellungen zugrunde gelegt werden, nachdem sie auch durch gutachterliche Ausführungen des länderkundigen Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung bestätigt wurden.
Das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers ist aus folgenden Gründen als nicht glaubhaft zu beurteilen:
Der Beschwerdeführer erstattete im gesamten Verfahren hinsichtlich seines Fluchtgrundes zwar ein im Wesentlichen gleiches Vorbringen, wonach er von ihm unbekannten Personen entführt worden sei, um den Aufenthaltsort seines Bruders bekanntzugeben. Der Beschwerdeführer vermute, dass sein Bruder entweder eine besonders wichtige Position innegehabt habe oder an Menschenrechtsverletzungen beteiligt gewesen sei.
Der Beschwerdeführer war jedoch nicht in der Lage auch nur annähernd konkrete Angaben zu seinen Vermutungen zu machen. In der Einvernahme vor dem Bundesasylamt gab der Beschwerdeführer an, er glaube, sein Bruder sei im Kampf gegen Regierungsgegner tätig gewesen (AS 81). In der mündlichen Verhandlung führte er aus, dass sein Bruder General im Innenministerium während der Präsidentschaft von Dr. Najibullah gewesen sei. Trotz beharrlichen Nachfragens erfolgten seitens des Beschwerdeführers keine weiteren Beschreibungen zur Tätigkeit seines Bruders. Es ist keineswegs plausibel, dass ein gebildeter Mann - wie der Beschwerdeführer - der jahrzehntelang in Afghanistan lebte, über keine Informationen hinsichtlich seines Bruders verfügt und auch keinerlei Interesse daran zeigt.
Dies wird auch noch dadurch erhärtet, dass der Beschwerdeführer keine konkreten Angaben darüber machen konnte, wer die Entführer waren, warum sie seinen Bruder suchten oder woher sie wussten, dass er der Bruder des Gesuchten sein sollte. Aus diesem Grund wird auch der behaupteten Entführung des Beschwerdeführers kein Glauben geschenkt.
Gegen eine Verfolgung spricht auch das vom länderkundigen Sachverständigen erstattete Gutachten. Demnach ist - bei Wahrunterstellung des Vorbringens des Beschwerdeführers -nicht nachvollziehbar, dass der Beschwerdeführer nicht schon längst von den Feinden des Bruders des Beschwerdeführers ausgeforscht worden wäre, denn falls der Bruder des Beschwerdeführers während seiner Tätigkeit unter dem kommunistischen Regime tatsächlich Menschenrechtsverletzungen begangen hätte, wären die Mujaheddin der Provinz Laghman darüber in Kenntnis und er bereits früher Verfolgungshandlungen ausgesetzt gewesen. Familienmitglieder eines Offiziers des kommunistischen Regimes können von den Gegnern anstelle des Täters für dessen Taten belangt werden, falls dieser Menschenrechtsverletzungen verübt hatte. Hierfür gibt es im gegenständlichen Fall aber keinerlei Hinweise. Der Beschwerdeführer stellte lediglich die nicht überzeugende Vermutung an, dass die Entführer erst später an Dokumente aus dem Innenministerium gelangt seien, ohne dies in keinster Weise untermauern zu können.
Das erkennende Gericht geht angesichts des sehr oberflächlich gehaltenen Vorbringens des Beschwerdeführers in zentralen Punkten unter Einbeziehung des in der Beschwerdeverhandlung vom Beschwerdeführer gewonnenen persönlichen Eindrucks von der Unglaubwürdigkeit der Angaben des Beschwerdeführers zum Fluchtgrund davon aus, dass die angeblichen fluchtauslösenden Ereignisse in der vom Beschwerdeführer geschilderten Form in Wahrheit nicht stattgefunden haben und die behauptete Bedrohung für den Beschwerdeführer in Afghanistan tatsächlich nicht besteht.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A)
Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:
Die gegenständliche - noch an den Asylgerichtshof gerichtete - Beschwerde wurde am 08.02.2013 beim Bundesasylamt eingebracht.
Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 idgF, entscheidet über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des BFA das Bundesverwaltungsgericht.
Gemäß § 75 Abs. 17 AsylG 2005 sind alle mit Ablauf des 31.12.2013 beim Bundesasylamt anhängigen Verfahren ab 01.01.2014 vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) zu Ende zu führen.
Da sich die gegenständliche - zulässige und rechtzeitige - Beschwerde gegen einen Bescheid des Bundesasylamtes richtet, der vor dem 31.12.2013 erlassen wurde, ist das Bundesverwaltungsgericht für die Entscheidung zuständig.
Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr 33/2013 idgF, geregelt. Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes (AgrVG), BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 (DVG), BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß §§ 16 Abs. 6 und 18 Abs. 7 BFA-VG sind die §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anwendbar.
Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 AsylG 2005 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, idF des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974 (Genfer Flüchtlingskonvention - GFK), droht.
Als Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK ist anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.
Zentrales Element des Flüchtlingsbegriffes ist nach ständiger Rechtsprechung des VwGH die "wohlbegründete Furcht vor Verfolgung" (vgl. VwGH 22.12.1999, Zl. 99/01/0334; 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131; 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011). Eine solche liegt dann vor, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde (VwGH 09.03.1999, Zl. 98/01/0370; 21.09.2000, Zl. 2000/20/0286).
Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen, welcher geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen (VwGH 24.11.1999, Zl. 99/01/0280). Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 19.12.1995, Zl. 94/20/0858; 23.09.1998, Zl. 98/01/0224; 09.03.1999, Zl. 98/01/0318;
09.03.1999, Zl. 98/01/0370; 06.10.1999, Zl. 99/01/0279 mwN;
19.10.2000, Zl. 98/20/0233; 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131;
25.01.2001, Zl. 2001/20/0011).
Die Verfolgungsgefahr muss aktuell sein, was bedeutet, dass sie zum Zeitpunkt der Entscheidung vorliegen muss (VwGH 09.03.1999, Zl. 98/01/0318; 19.10.2000, Zl. 98/20/0233). Bereits gesetzte vergangene Verfolgungshandlungen können im Beweisverfahren ein wesentliches Indiz für eine bestehende Verfolgungsgefahr darstellen, wobei hierfür dem Wesen nach eine Prognose zu erstellen ist (VwGH 05.11.1992, Zl. 92/01/0792; 09.03.1999, Zl. 98/01/0318). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der GFK genannten Gründen haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 nennt, und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatstaates bzw. des Staates ihres vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein, wobei Zurechenbarkeit nicht nur ein Verursachen bedeutet, sondern eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr bezeichnet (VwGH 16.06.1994, Zl. 94/19/0183).
Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe seitens Dritter präventiv zu schützen. Es ist erforderlich, dass der Schutz generell infolge Fehlens einer nicht funktionierenden Staatsgewalt nicht gewährleistet wird (vgl. VwGH 01.06.1994, Zl. 94/18/0263; 01.02.1995, Zl. 94/18/0731). Die mangelnde Schutzfähigkeit hat jedoch nicht zur Voraussetzung, dass überhaupt keine Staatsgewalt besteht - diesfalls wäre fraglich, ob von der Existenz eines Staates gesprochen werden kann -, die ihren Bürgern Schutz bietet. Es kommt vielmehr darauf an, ob in dem relevanten Bereich des Schutzes der Staatsangehörigen vor Übergriffen durch Dritte aus den in der GFK genannten Gründen eine ausreichende Machtausübung durch den Staat möglich ist. Mithin kann eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewendet werden kann (VwGH 22.03.2000, Zl. 99/01/0256).
Verfolgungsgefahr kann nicht ausschließlich aus individuell gegenüber dem Einzelnen gesetzten Einzelverfolgungsmaßnahmen abgeleitet werden, vielmehr kann sie auch darin begründet sein, dass regelmäßig Maßnahmen zielgerichtet gegen Dritte gesetzt werden, und zwar wegen einer Eigenschaft, die der Betreffende mit diesen Personen teilt, sodass die begründete Annahme besteht, (auch) er könnte unabhängig von individuellen Momenten solchen Maßnahmen ausgesetzt sein (VwGH 09.03.1999, Zl. 98/01/0370; 22.10.2002, Zl. 2000/01/0322).
Die Voraussetzungen der GFK sind nur bei jenem Flüchtling gegeben, der im gesamten Staatsgebiet seines Heimatlandes keinen ausreichenden Schutz vor der konkreten Verfolgung findet (VwGH 08.10.1980, VwSlg. 10.255 A). Steht dem Asylwerber die Einreise in Landesteile seines Heimatstaates offen, in denen er frei von Furcht leben kann, und ist ihm dies zumutbar, so bedarf er des asylrechtlichen Schutzes nicht; in diesem Fall liegt eine sog. "inländische Fluchtalternative" vor. Der Begriff "inländische Fluchtalternative" trägt dem Umstand Rechnung, dass sich die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung iSd. Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK, wenn sie die Flüchtlingseigenschaft begründen soll, auf das gesamte Staatsgebiet des Heimatstaates des Asylwerbers beziehen muss (VwGH 08.09.1999, Zl. 98/01/0503 und Zl. 98/01/0648).
Grundlegende politische Veränderungen in dem Staat, aus dem der Asylwerber aus wohlbegründeter Furcht vor asylrelevanter Verfolgung geflüchtet zu sein behauptet, können die Annahme begründen, dass der Anlass für die Furcht vor Verfolgung nicht (mehr) länger bestehe. Allerdings reicht eine bloße - möglicherweise vorübergehende - Veränderung der Umstände, die für die Furcht des betreffenden Flüchtlings vor Verfolgung mitbestimmend waren, jedoch keine wesentliche Veränderung der Umstände iSd. Art. 1 Abschnitt C Z 5 GFK mit sich brachten, nicht aus, um diese zum Tragen zu bringen (VwGH 21.01.1999, Zl. 98/20/0399; 03.05.2000, Zl. 99/01/0359).
Da dem Vorbringen des Beschwerdeführers, wonach er von unbekannten Personen entführt worden sei, um den Aufenthaltsorts seines Bruders bekanntzugeben, die Glaubwürdigkeit zu versagen war, ergibt sich bereits unter diesem Aspekt keine "wohlbegründete Frucht vor Verfolgung". Aufgrund der Unglaubwürdigkeit dieses Vorbringens bestehen keine nachvollziehbaren, stichhaltigen Anhaltspunkte dafür, dass der Beschwerdeführer tatsächlich in diesem Zusammenhang einer Bedrohungsgefahr ausgesetzt ist. Es ist somit nicht glaubhaft, dass dem Beschwerdeführer in seinem Herkunftsstaat Afghanistan in diesem Zusammenhang Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK droht.
Auch aus der allgemeinen Lage in Afghanistan lässt sich für den Beschwerdeführer eine Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten nicht herleiten: Eine allgemeine desolate wirtschaftliche und soziale Situation stellt nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes keinen hinreichenden Grund für eine Asylgewährung dar (vgl. etwa VwGH 14.3.1995, 94/20/0798; 17.6.1993, 92/01/1081).
Abschließend ist darauf zu verweisen, dass dem Beschwerdeführer auf Grund der aktuellen Lage in Afghanistan und seiner individuellen Situation bereits mit Spruchpunkt II des gegenständlichen Bescheides der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und ihm gemäß § 8 Abs. 4 AsylG eine befristete Aufenthaltsberechtigung in Österreich erteilt worden ist.
Es war spruchgemäß zu entscheiden.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Das Bundesverwaltungsgericht kann sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen; in vielen Punkten steht die Tatfrage im Vordergrund.
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