AVG §45 Abs2
AVG §46
AVG §73 Abs2
B-VG Art130 Abs1
B-VG Art133 Abs4
MeldeG §2
RGG §2
RGG §6 Abs3
VwGG §25a Abs1
VwGVG §16 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §28 Abs7
VwGVG §8 Abs1
European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2020:W110.2230869.1.00
Spruch:
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Peter CHVOSTA als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , vertreten durch RA Dr. Reinhard Armster, Teilnehmernummer: XXXX , wegen Verletzung der Entscheidungspflicht der GIS Gebühren Info Service GmbH betreffend den am 25.4.2019 gestellten Antrag auf Aufhebung von Rückstandsausweisen und betreffend den am 26.8.2019 gestellten Antrag auf Rückzahlung von € 807,75 zu Recht erkannt:
A) Der Beschwerde wird stattgegeben und der Antrag vom 25.4.2019 auf Aufhebung von Rückstandsausweisen als unzulässig zurückgewiesen. Im Übrigen wird der GIS Gebühren Info Service GmbH aufgetragen, den versäumten Bescheid unter Zugrundelegung der Rechtsanschauung des Bundesverwaltungsgerichts binnen acht Wochen ab Zustellung zu erlassen.
B) Die Revision ist gemäß § 25a Abs. 1 VwGG iVm Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Mit seiner am 31.10.2019 der GIS Gebühren Info Service GmbH (als im Folgenden: belangte Behörde) übermittelten Säumnisbeschwerde begehrte der Beschwerdeführer die Aufhebung von Rückstandsausweisen und die Rückerstattung von € 807,75, die vom Drittschuldner im Exekutionsweg gezahlt worden seien.
Begründend führte der Beschwerdeführer aus, dass am 12.1.2018 ein Inkassobüro die Zahlung von € 2.093,76 an Gebühren und Kosten gefordert habe. Obwohl der rechtsfreundliche Vertreter des Beschwerdeführers darauf hingewiesen habe, dass der Beschwerdeführer die näher bezeichnete Wohnung im Jahr 2010 „aufgegeben“ habe (was - so der Beschwerdeführer weiter - die belangte Behörde „seit vielen Jahren“ wisse), seien „sinnlose Mahnungen am 8.5.2018“ übermittelt worden. Am 14.5.2018 habe der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers das rechtskräftige Versäumungsurteil des BG Mödling vom 2.9.2010, 8 C 102/10y, zum Nachweis der zwangsweisen Räumung mit dem Hinweis der belangten Behörde zur Kenntnis gebracht, dass nicht die polizeiliche Meldung, sondern der tatsächliche Aufenthalt maßgeblich sei. Dennoch habe das BG Mödling am 29.3.2019 aufgrund des vollstreckbaren Rückstandsausweises vom 13.1.2016 die Fahrnis- und Gehaltsexekution bewilligt und mit Beschluss vom 18.4.2019, 10 E 1530/19g-6, den Einspruch dagegen abgewiesen, weil das Gericht auch an rechtswidrig ausgestellte Rückstandsausweise gebunden sei. Am 25.4.2019 habe der Beschwerdeführer den Antrag auf Aufhebung der Rückstandsausweisen gestellt. Das BG Mödling habe mit Beschluss vom 30.4.2019 die Exekution nach § 45a Exekutionsordnung aufgeschoben. Am selben Tag habe der rechtsfreundliche Vertreter mitgeteilt, dass der Beschwerdeführer nach seiner Räumung 2010 in die aktuelle (näher bezeichnete) Wohnung seiner Lebensgefährtin, die „immer schon Gebühren bezahlt“ habe, gezogen sei.
Nachdem der Dienstgeber des Beschwerdeführers vom Lohn den Betrag von € 807,75 abgezogen und an die belangte Behörde überwiesen habe, habe der Beschwerdeführer um Rückerstattung dieses Betrags ersucht, es sei aber keine Reaktion von der belangten Behörde erfolgt. Dem Ersuchen des Inkassobüros am 5.6.2019, einen historischen Melderegisterauszug vorzulegen, sei mit der Begründung entgegengetreten worden, dass der tatsächliche Aufenthalt entscheidend und ein historischer Melderegisterauszug daher bedeutungslos sei und dem Beschwerdeführer durch dessen Vorlage Kosten entstehen würden. Zuletzt habe der Beschwerdeführer am 26.8.2019 um Rückzahlung des vom Dienstgeber abgezogenen Geldbetrags vergeblich ersucht.
2. Mit Schriftsatz vom 11.5.2020 übermittelte der Beschwerdeführer die gegenständliche Säumnisbeschwerde dem Bundesverwaltungsgericht mit der Bemerkung, dass die einzige Reaktion der belangten Behörde ein allgemeines e-mail am 31.10.2019 gewesen sei, wonach es bei der Bearbeitung aufgrund technischer Umstellungen zu Verzögerungen kommen könne.
3. Mit Verfügung vom 12.5.2020 ersuchte das Bundesverwaltungsgericht die belangte Behörde, den Verwaltungsakt zu übermitteln und binnen zwei Wochen zur Frage Stellung zu nehmen, ob Umstände vorliegen, denen zufolge kein überwiegendes Verschulden der Behörde an der behaupteten Säumnis anzunehmen ist.
4. Mit Schriftsatz vom 9.6.2020 gab die belangte Behörde - ohne Vorlage der Verwaltungsakten - eine Äußerung ab, in der sie den Verfahrensverlauf folgendermaßen darlegte: Jede Namens- oder Adressenänderung sei der belangten Behörde anzuzeigen, was der Beschwerdeführer - entgegen gesetzlicher Pflichten - nicht getan habe. Der Wohnortwechsel sei zwar nachvollziehbar, nicht aber der Zeitpunkt. Der Beschwerdeführer habe den Wohnortwechsel nicht nachgewiesen. Der Beschwerdeführer habe am 15.12.2017 bekannt gegeben, dass er vom Jänner 2017 bis Oktober 2017 keinen Wohnsitz in Österreich gehabt habe, was jedoch weder nachvollziehbar noch belegt worden sei. Es sei der Behörde nicht erkennbar, wohin der Beschwerdeführer 2010 verzogen sei. Vor diesem Hintergrund habe die Behörde den Beschwerdeführer um Übermittlung eines Meldeverlaufs ersucht, was dieser jedoch bis zuletzt unterlassen habe. Aufgrund unzureichender Mitwirkung des Beschwerdeführers sei die belangte Behörde an einer rechtzeitigen Erledigung gehindert gewesen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der Beschwerdeführer ersuchte am 25.4.2019 um Aufhebung von Rückstandsausweisen, die die belangte Behörde ausgestellt hat, am 26.8.2019 um Rückerstattung von € 807,75. Die belangte Behörde hat über diese Anträge bislang noch nicht abgesprochen.
2. Beweiswürdigung:
2.1 Die Feststellungen, die auch ohne vorgelegte Verwaltungsakten getroffen werden konnten, beruhen auf dem Vorbringen des Beschwerdeführers iVm den Angaben der belangten Behörde in ihrer Stellungnahme vom 9.6.2020.
2.2 Mangels entsprechend miteinander inhaltlich (völlig) übereinstimmender Angaben beider Verfahrensparteien konnten weitere Feststellungen (insb. zum neuen Wohnort des Beschwerdeführers oder seinen früheren Wohnorten) nicht getroffen werden.
3. Rechtliche Beurteilung:
Eine Säumnisbeschwerde ist bei der Behörde, die zur Bescheiderlassung zuständig ist, einzubringen. Gemäß § 16 Abs. 1 VwGVG kann die belangte Behörde innerhalb von drei Monaten nach Einlangen der Säumnisbeschwerde den Bescheid erlassen, woraufhin das Verfahren über die Säumnisbeschwerde einzustellen ist. Holt die Behörde den Bescheid nicht nach, hat sie die Säumnisbeschwerde samt Akt dem Verwaltungsgericht umgehend vorzulegen (vgl. Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren² [2018] § 16 Anm. 6). Mit der Vorlage geht die Zuständigkeit zur Sachentscheidung auf das Verwaltungsgericht über.
Wenn die belangte Behörde weder den Bescheid nachholt, noch die Säumnisbeschwerde samt Akt dem Verwaltungsgericht, geht bei einer zulässigen und berechtigten Säumnisbeschwerde nach ungenütztem Ablauf der Nachfrist des § 16 Abs. 1 VwGVG die Zuständigkeit, über die betriebene Verwaltungsangelegenheit zu entscheiden, auf das Verwaltungsgericht über. Gleichzeitig erlischt die Zuständigkeit der Behörde spätestens mit Ablauf der dreimonatigen Nachfrist, die mit dem Einbringungszeitpunkt der Säumnisbeschwerde zu laufen begonnen hat.
Liegt demnach die Zuständigkeit zur Entscheidung über die Beschwerde bereits beim Verwaltungsgericht und wird die Beschwerde dennoch von der belangten Behörde nicht in angemessener Zeit, die die Übermittlung faktisch in Anspruch nimmt, vorgelegt, kommt dem Beschwerdeführer die Möglichkeit zur Vorlage der Beschwerde an das Verwaltungsgericht zu (siehe Egger in Bumberger/Lampert/Larcher/Weber [Hrsg], VwGVG [2019] § 16 Rz 27).
Der Beschwerdeführer hat daher die Säumnisbeschwerde zulässigerweise beim Bundesverwaltungsgericht eingebracht.
Zu A) Zur Stattgabe der Beschwerde
3.1 Für das vorliegende Verfahren ist die folgende Rechtslage maßgeblich:
Auszugsweise lautet § 2 des Rundfunkgebührengesetzes, BGBl. I 159/1999 idF BGBl. I 70/2016 (im Folgenden: RGG), folgendermaßen:
"§ 2. (1) Wer eine Rundfunkempfangseinrichtung im Sinne des § 1 Abs. 1 in Gebäuden betreibt (Rundfunkteilnehmer), hat Gebühren nach § 3 zu entrichten. Dem Betrieb einer Rundfunkempfangseinrichtung ist deren Betriebsbereitschaft gleichzuhalten.
[...]
(3) Das Entstehen oder die Beendigung der Gebührenpflicht sowie die Änderung des Standorts (Abs. 2) oder Namens ist vom Rundfunkteilnehmer dem mit der Einbringung der Gebühren betrauten Rechtsträger (§ 4 Abs. 1) unverzüglich in der von diesem festgelegten Form zu melden. Die Meldung hat zu umfassen: Namen (insbesondere Vor- und Familiennamen, Firma, Namen juristischer Personen), Geschlecht und Geburtsdatum des Rundfunkteilnehmers, genaue Adresse des Standorts, Datum des Beginns/Endes des Betriebes und die Art der Rundfunkempfangseinrichtungen (Radio und/oder Fernsehen) sowie deren Anzahl, wenn sie für die Gebührenbemessung nach § 3 von Bedeutung ist.
(4) Die Entrichtung von Gebühren ist von dem mit deren Einbringung betrauten Rechtsträger (§ 4 Abs. 1) zu registrieren; dem Rundfunkteilnehmer ist die Teilnehmernummer mitzuteilen.
(5) Liegt für eine Wohnung oder sonstige Räumlichkeit keine Meldung (Abs. 3) vor, so haben jene, die dort ihren Wohnsitz haben oder die Räumlichkeit zu anderen als Wohnzwecken nutzen, dem mit der Einbringung der Gebühren beauftragten Rechtsträger (§ 4 Abs. 1) auf dessen Anfrage mitzuteilen, ob sie Rundfunkempfangseinrichtungen an diesem Standort betreiben und zutreffendenfalls alle für die Gebührenbemessung nötigen Angaben zu machen."
Gemäß § 6 Abs. 1 und Abs. 2 RGG ist die belangte Behörde zur Wahrnehmung der behördlichen Aufgaben berufen und sind im Verfahren über Befreiungen überdies die §§ 50, 51 und 53 der Anlage zum Fernmeldegebührengesetz (Fernmeldegebührenordnung), BGBl. 170/1970, in der jeweils geltenden Fassung anzuwenden. Darüber hinaus lautet § 6 folgendermaßen:
„§ 6. (1) […]
(2) […]
(3) Rückständige Gebühren und sonstige damit verbundene Abgaben und Entgelte sind im Verwaltungsweg hereinzubringen; zur Deckung des dadurch entstehenden Aufwandes kann die Gesellschaft einen Säumniszuschlag von 10% des rückständigen Betrages vorschreiben. Die Gesellschaft ist zur Ausstellung von Rückstandsausweisen berechtigt.
(3a) Ist die Einbringung der rückständigen Gebühren auf Grund der wirtschaftlichen Verhältnisse des Rundfunkteilnehmers oder nach der Lage des Falles nicht möglich oder unbillig, ist die Abstattung in Raten zu bewilligen oder kann die Forderung von der GIS Gebühren Info Service GmbH gestundet werden. Wenn die Einbringung eine besondere Härte bedeuten würde oder wenn das Verfahren mit Kosten oder Weiterungen verbunden wäre, die in keinem Verhältnis zur zu Unrecht bezogenen Leistung stehen würden, kann die GIS Gebühren Info Service GmbH von der Hereinbringung absehen.
(4) Auf Grund eines mit der Bestätigung der GIS Gebühren Info Service GmbH, dass er einem die Vollstreckbarkeit hemmenden Rechtszug nicht unterliegt, versehenen Rückstandsausweises oder Gebührenbescheides kann die Gesellschaft die Eintreibung einer Geldleistung unmittelbar beim zuständigen Gericht beantragen.
[…]“
3.2 Zum Antrag auf Aufhebung von Rückstandsauweisen
Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 - 3 B-VG entscheiden Verwaltungsgerichte über die Rechtmäßigkeit von Bescheiden oder von Akten unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Zwangs- und Befehlsgewalt sowie über die Verletzung der Entscheidungspflicht von Verwaltungsbehörden. Sowohl aus den verfassungsrechtlichen Grundlagen als auch aus den einfachgesetzlichen Regelungen des VwGVG (siehe § 28 Abs. 7) ergibt sich, dass die Verletzung der Entscheidungspflicht von Verwaltungsbehörden die (unterbliebene) Erlassung eines Bescheides zum Gegenstand hat.
Nach ständiger Rechtsprechung ist ein Rückstandsausweis kein Bescheid, sondern ein „Auszug aus den Rechnungsbehelfen", mit dem die Behörde eine - sich bereits aus dem Gesetz oder aus früher erlassenen Bescheiden ergebende - „Zahlungsverbindlichkeit" bekannt gibt (vgl. etwa VwGH 24.4.2014, Ro 2014/08/0013; zuletzt 19.12.2018, Ra 2016/06/0109). Die formelle oder materielle Rechtmäßigkeit des Rückstandsausweises ist kein zulässiger Gegenstand eines Bescheides. Werden gegen einen Rückstandsausweis Einwendungen erhoben, so ist über den zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung noch offenen Anspruch selbst abzusprechen (vgl. VwGH 13.8. 2013, 2011/08/0344, mwN). Ob die ausgewiesenen Rückstände dem Grunde und der Höhe nach zu Recht bestehen, ist nicht Gegenstand des Säumnisbeschwerdeverfahrens (VwGH 19.12.2018, Ra 2016/06/0109).
Soweit der Beschwerdeführer von der belangten Behörde die Aufhebung eines Rückstandsausweises, wie er in § 6 Abs. 4 RGG geregelt ist, begehrt, war daher der Antrag als unzulässig zurückzuweisen (in ähnlicher Konstellation bezüglich eines Rückstandsausweises der Bundeskammer der Architekten und Ingenieurkonsulenten vgl. VwGH 19.12.2018, Ra 2016/06/0109).
3.2 Zum Antrag auf Rückerstattung eines Geldbetrags
3.2.1 Was die Zuständigkeit der belangten Behörde (und damit auch des Bundesverwaltungsgerichts nach Zuständigkeitsübergang infolge einer Säumnisbeschwerde) zum Antrag auf Rückerstattung von im Exekutionsweg eingehobener Gebühren anbelangt, gilt Folgendes:
In seinem Erkenntnis vom 27.2.2013, 2010/17/002, hatte der Verwaltungsgerichtshof den Antrag eines Rundfunkteilnehmers auf Rückerstattung seiner an die belangte Behörde bezahlten "Beträge" infolge einer "Doppelmeldung" an einem Standort zu beurteilen, wobei er hinsichtlich der Zuständigkeit der belangten Behörde davon ausging, dass
"… die GIS für die ‚Einbringung' bzw. ‚Einhebung' der betroffenen Abgaben und Entgelte zuständig ist […] und dies auch allfällige Rückzahlungsanträge einschließt […]. […] war die GIS auch für die Entscheidung über den Rückzahlungsantrag des Beschwerdeführers zuständig."
Der Verwaltungsgerichtshof behandelte in weiterer Folge unter einem zusammengefasst das Rückzahlungsbegehren hinsichtlich der Rundfunkgebühren und bejahte damit implizit die Zuständigkeit der damaligen Berufungsbehörde. Daher ist auch im vorliegenden Fall die Zuständigkeit der belangten Behörde zur Entscheidung über den Antrag auf Rückerstattung eingehobener Gebühren gegeben.
3.2.2 Nach § 8 Abs. 1 VwGVG kann eine Säumnisbeschwerde erst erhoben werden, wenn die Behörde die Sache nicht innerhalb von sechs Monaten, wenn gesetzlich eine kürzere oder längere Entscheidungsfrist vorgesehen ist, nicht innerhalb dieser entschieden hat. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Antrag auf Sachentscheidung bei der gesetzlich vorgesehenen Stelle eingelangt ist. Die Beschwerde ist abzuweisen, wenn die Verzögerung nicht auf ein überwiegendes Verschulden der Behörde zurückzuführen ist.
Zweck des Rechtsbehelfs der Säumnisbeschwerde ist es, demjenigen, der durch die Untätigkeit einer Behörde beschwert ist, ein rechtliches Instrument zur Verfügung zu stellen, um eine Entscheidung in der Sache zu erlangen (vgl. VwGH 28.6.2016, Ra 2015/10/0107). Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist bei Verletzung der Entscheidungspflicht der Begriff des „überwiegenden Verschuldens der Behörde“ nach § 73 Abs. 2 AVG bzw. nach § 8 Abs. 1 VwGVG nicht iS eines Verschuldens von Organwaltern der Behörde, sondern insofern „objektiv“ zu verstehen, als ein solches „Verschulden“ dann anzunehmen sei, wenn die Behörde nicht durch schuldhaftes Verhalten der Partei oder durch unüberwindliche Hindernisse an der Entscheidung gehindert war. So wird beispielsweise ein überwiegendes Verschulden der Behörde darin angenommen, dass diese die für die zügige Verfahrensführung notwendigen Schritte unterlässt oder mit diesen grundlos zuwartet (VwGH 16.3.2016, Ra 2015/10/0063). Der allgemeine Hinweis auf die Überlastung der Behörde kann die Geltendmachung der Entscheidungspflicht nicht vereiteln (VwGH 22.6.2017, Ra 2017/20/0133, und 24.5.2016, Ro 2016/01/0001 bis 0004).
Nach § 37 AVG ist es der Zweck des Ermittlungsverfahrens, den für die Erledigung einer Verwaltungssache maßgebenden Sachverhalt festzustellen und den Parteien Gelegenheit zur Geltendmachung ihrer Rechte und rechtlichen Interessen zu geben (vgl. etwa VwGH 23.11.2017, Ra 2016/11/0160; 27.2.2014, 2013/12/0218). Nach § 39 Abs. 2 erster Satz AVG hat die Behörde dabei von Amts wegen vorzugehen und den Gang des Ermittlungsverfahrens zu bestimmen.
Dem Grundsatz der Amtswegigkeit des Verwaltungsverfahrens korrespondiert freilich die Pflicht der Parteien, an der Ermittlung des Sachverhalts mitzuwirken. Dessen ungeachtet trifft die Behörde die Pflicht zur Feststellung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes; diese kann nicht auf die Partei abgewälzt werden (vgl. VwGH 31.3.2004, 2002/06/0214). So wird es nach der Rechtsprechung nicht als rechtswidrig angesehen, wenn die Behörde in diesem Fall keine weiteren Ermittlungen durchführt, sondern diese Unterlassung gemäß § 45 Abs. 2 und § 46 AVG in die Würdigung der vorliegenden Ermittlungsergebnisse einbezieht. Die Verletzung der Mitwirkungspflicht einer Partei enthebt die Behörde nicht von ihrer Verpflichtung, den entscheidungswesentlichen Sachverhalt überhaupt festzustellen, ebenso wenig wie ihrer Verpflichtung zur Gewährung von Parteiengehör sowie ihrer Begründungspflicht (vgl. VwGH 23.2.2018, Ro 2017/03/0025; 27.1.2011, 2008/09/0189; 4.9.2013, 2011/08/0201; 2.6.1999, 98/04/0111).
3.2.3 Eine Unterlassung der Mitwirkung bzw. eine Verletzung der Mitwirkungspflicht durch den Beschwerdeführer führt demnach nicht dazu, dass die Behörde von ihrer Verpflichtung entbunden wird, über den Antrag des Revisionswerbers innerhalb der in § 73 AVG normierten Entscheidungsfrist einen Bescheid zu erlassen.
Eine allfällige Mitwirkungspflichtverletzung des Beschwerdeführers ist daher nicht als schuldhaftes Verhalten im Rahmen der Abwägung des überwiegenden Verschuldens iSd § 8 Abs. 1 VwGVG zu werten, welches die Behörde an der Entscheidung gehindert hat. Vielmehr hätte die Behörde die unterlassene Mitwirkung des Revisionswerbers würdigen und ihre (aufgrund der fehlenden Mitwirkung allenfalls auch negativ ausfallende) Entscheidung innerhalb der gesetzlich vorgeschriebenen Entscheidungsfrist treffen müssen (idS VwGH 20.3.2018, Ra 2017/03/0092; 19.6.2018, Ra 2018/03/0021).
Im vorliegenden Fall ist der Äußerung der belangten Behörde nichts zu entnehmen, das vor dem Hintergrund der soeben referierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes darauf hindeutet, dass die Verzögerung der Entscheidung über den Antrag des Beschwerdeführers nicht auf ein überwiegendes Verschulden der Behörde zurückzuführen wäre.
3.2.4 Gemäß § 28 Abs. 7 VwGVG kann im Verfahren über Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 3 B-VG das Verwaltungsgericht sein Erkenntnis vorerst auf die Entscheidung einzelner maßgeblicher Rechtsfragen beschränken und der Behörde auftragen, den versäumten Bescheid unter Zugrundelegung der hiermit festgelegten Rechtsanschauung binnen bestimmter, acht Wochen nicht übersteigender Frist zu erlassen.
Auch wenn das Gesetz keine expliziten Voraussetzungen für die Ausübung dieses Ermessens nennt, ist anzunehmen, dass das Verwaltungsgericht bei seiner Entscheidung in erster Linie die Grundsätze der Verfahrensökonomie zu beachten hat (vgl. VwGH 24.10.2017, Ra 2016/06/0023 mwN). Aus verfahrensökonomischer Sicht wird die Erlassung eines "Teilerkenntnisses" vor allem dann in Betracht kommen, wenn neben der Lösung der maßgeblichen Rechtsfragen auch noch der Sachverhalt weiter klärungsbedürftig ist.
Im konkreten Fall ist der Sachverhalt nicht abschließend geklärt. Dem Bundesverwaltungsgericht wurde auch der Verwaltungsakt, der sich noch bei der belangten Behörde befindet, nicht vorgelegt. Vor diesem Hintergrund macht das Bundesverwaltungsgericht von der Ermächtigung gemäß § 28 Abs. 7 VwGVG Gebrauch und trägt der belangten Behörde auf, den versäumten Bescheid innerhalb von acht Wochen unter Zugrundelegung der im Folgenden darzulegenden Rechtsanschauung nachzuholen.
3.2.5 Was den bisherigen Gang des behördlichen Verfahrens betrifft, ist Folgendes zu bemerken:
Abgesehen von den meldegesetzlichen Verpflichtungen (siehe § 2 MeldeG) hat der Rundfunkteilnehmer gemäß § 2 Abs. 3 RGG der Behörde unverzüglich die Änderung des Standortes (i.d. im vorliegenden Fall der Wohnsitz) zu melden. In diesem Zusammenhang brachte die belangte Behörde vor, dass der Beschwerdeführer diese Meldung unterlassen habe (siehe dazu oben 2.2).
Es ist dem Beschwerdeführer zu konzedieren, dass - wie er in der Säumnisbeschwerde ausführte - nicht die polizeiliche Meldung maßgeblich ist, was die Rundfunkgebührenpflicht hinsichtlich des Betriebs einer Rundfunkempfangseinrichtung an einem Standort anbelangt; jedoch kann eine Meldung nach verwaltungsgerichtlicher Rechtsprechung für das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen nach § 2 Abs. 1 RGG ein Indiz darstellen, das im Rahmen der Beweiswürdigung zu berücksichtigen ist (vgl. VwGH 31.3.2008, 2006/17/0039).
Das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen ist nach den Umständen des Einzelfalles zu beurteilen: Ist - wie die belangte Behörde in ihrer Stellungnahme ausführte - der tatsächliche Wohnort des Beschwerdeführers in einem entscheidungsrelevanten Zeitraum ungeklärt, weshalb der Wohnort nicht ohne Weiteres festgestellt werden kann (was im gegenständlichen Beschwerdeverfahren nicht näher überprüft werden konnte [siehe oben 2.2]), dann ist die Behörde nicht nur berechtigt, sondern sogar verpflichtet, im Rahmen eines Beweisverfahrens Ermittlungen durchzuführen, um nach Maßgabe der Ermittlungsergebnisse den maßgeblichen Sachverhalt festzustellen.
Wie bereits oben unter 3.2.2 dargelegt, sind Verfahrensparteien verpflichtet, an der Ermittlung des Sachverhalts mitzuwirken. Die Mitwirkungspflicht der Partei ist gegenüber der Pflicht zur amtswegigen Erforschung des maßgeblichen Sachverhalts umso größer, als es der Behörde unmöglich ist, personenbezogene Auskünfte über einen Betroffenen zu erhalten und es deshalb der Mitwirkung des Betroffenen bedarf (vgl. VwGH 25.9.2018, Ra 2018/01/0364; zuletzt VwGH 6.7.2020, Ra 2019/01/0345). Vor diesem Hintergrund ist auch die Klärung der Frage eines allfälligen Fehlens eines Wohnsitzes des Beschwerdeführers in Österreich im Zeitraum vom Jänner 2017 bis Oktober 2017 zu sehen. Im derzeitigen Verfahrensstadium kann nicht per se angenommen werden, dass - sollte diese Aussage den Tatsachen entsprechen - dies nicht im Rahmen eines Beweisverfahrens durch Vorlage entsprechender Beweismittel nachgewiesen werden kann (siehe nochmals oben 3.2.2). Die Ergebnisse der Beweisaufnahme sind jedenfalls nach Wahrung des Parteiengehörs in freier Beweiswürdigung nach den Grundsätzen der Gleichwertigkeit und Unbeschränktheit der Beweismittel dahingehend zu würdigen, ob eine bestimmte Tatsachen als erwiesen gilt oder nicht (siehe statt aller Hengstschläger/Leeb, AVG § 45 Rz 1 ff. [Stand 1.7.2005, rdb.at]).
3.4 Der belangten Behörde war daher gemäß § 28 Abs. 7 VwGVG aufzutragen, binnen acht Wochen den beantragten Bescheid zu erlassen. Im Hinblick auf die noch durchzuführenden Sachverhaltsermittlungen wurde die in § 28 Abs. 7 VwGVG vorgesehene Frist in vollem Umfang gewährt. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision
3.5 Die Revision ist gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt: Die vorliegende Entscheidung bewegt sich im Rahmen der bereits bestehenden verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung zur Frage, inwieweit im Einzelfall die Verzögerung in der Erledigung des Antrags iSd § 8 Abs. 1 letzter Satz VwGVG (nicht) auf ein überwiegendes Verschulden der Behörde zurückzuführen ist. Die einzelfallbezogene Beurteilung ist grundsätzlich nicht revisibel (vgl. etwa VwGH vom 25.4.2014, Ro 2014/21/0033; 16.9.2016, Ro 2016/20/0003). Auch sonst liegen keine Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfragen vor.
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