Normen
AVG §56;
B-VG Art130 Abs1 Z3;
VVG §3;
VwGVG 2014 §16 Abs1;
VwRallg;
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RA2016060109.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Der Revisionswerber hat der Bundeskammer der Architekten und Ingenieurkonsulenten Aufwendungen in der Höhe von EUR 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Mit Rückstandsausweis vom 24. August 2012 wies die Bundeskammer der Architekten und Ingenieurkonsulenten (im Folgenden: Bundeskammer) fällige Beitragsrückstände des Revisionswerbers für den Zeitraum 4. Quartal 1997 bis
3. Quartal 2012 in der Höhe von EUR 130.955,30 aus. 2 Der Revisionswerber erhob mit Schreiben vom 1. Oktober 2012
Einspruch gegen diesen Rückstandsausweis samt Vollstreckbarkeitsbestätigung ("gleichbedeutend mit einem Antrag auf nachvollziehbare Feststellung des Rückstandes"). Weiters beantragte er mit Schreiben vom 12. Jänner 2013 die Aufhebung der in diesem Rückstandsausweis enthaltenen Vollstreckbarkeitsbestätigung und mit weiterem Schreiben vom 8. Juli 2014 die bescheidmäßige Feststellung des Beitragsrückstandes auf seinem Beitragskonto bzw. persönlichen Pensionskonto mit EUR 0,00.
3 Mit Bescheid vom 16. Oktober 2014 (dem Revisionswerber zugestellt am 27. Oktober 2014) stellte die Bundeskammer unter Spruchpunkt 8.) den Beitragsrückstand des Revisionswerbers aus Teilnahmezeiten vor dem 1. Juli 2000 zuzüglich dem aushaftenden Beitragsrückstand gemäß § 32 Abs. 1 und 3 StWE (Anmerkung: Statut der Wohlfahrtseinrichtungen in der Fassung vom 25. Oktober 2012, verlautbart in den amtlichen Nachrichten der Bundes-Architekten- und Ingenieurkonsulentenkammer Nr. II/2012) mit insgesamt EUR 41.486,98 fest.
4 Mit am 26. Mai 2015 beim Verwaltungsgericht Wien (im Folgenden: Verwaltungsgericht) eingelangter Eingabe vom 21. Mai 2015 erhob der Revisionswerber Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht betreffend den Einspruch vom 1. Oktober 2012 und die Anträge vom 12. Jänner 2013 und 8. Juli 2014. Er führte dazu aus, dass zwischenzeitig "jegliche verwaltungsrechtliche Behandlungsfristen" abgelaufen seien und beantragte, das Verwaltungsgericht möge der Beschwerde vollinhaltlich Folge geben und den Rückstand laut Rückstandsausweis vom 24. August 2014 mit EUR 0,00 feststellen, in eventu den tatsächlichen Rückstand auf dem Beitragskonto des Revisionswerbers der Höhe nach in nachvollziehbarer Form und Aufschlüsselung feststellen, in eventu das rechtswidrige Zustandekommen der Vollstreckbarkeitsbestätigung feststellen, in eventu die Vollstreckbarkeitsbestätigung des Rückstandsausweises vom 24. August 2012 aufheben.
5 Nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung stellte das Verwaltungsgericht mit dem angefochtenen Beschluss das Verfahren über die Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht betreffend den Einspruch vom 1. Oktober 2012 gegen den Rückstandsausweis samt Vollstreckbarkeitsbestätigung (gleichbedeutend mit einem Antrag auf nachvollziehbare Feststellung des Rückstandes) und den Antrag vom 8. Juli 2014 auf Feststellung des Beitragsrückstandes gemäß § 16 Abs. 1 VwGVG ein (Spruchpunkt I.) und wies die Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht betreffend den Antrag vom 12. Jänner 2013 auf Aufhebung der Vollstreckbarkeitsbestätigung als unzulässig zurück (Spruchpunkt II.).
6 Zu Spruchpunkt I. führte das Verwaltungsgericht aus, mit dem Einspruch vom 1. Oktober 2012 und dem Antrag vom 8. Juli 2014 beantrage der Revisionswerber im Wesentlichen die nachvollziehbare Feststellung des Beitragsrückstandes auf seinem persönlichen Pensionskonto aus dem Pensionsfonds der Wohlfahrtseinrichtungen. Ein Unterscheid zwischen diesen beiden Anträgen sei nicht erkennbar, was auch daraus erhelle, dass der Revisionswerber seinen Einspruch gegen den Rückstandsausweis als "gleichbedeutend mit einem Antrag auf nachvollziehbare Feststellung des Rückstandes" tituliere.
7 Die Bundeskammer habe unter Spruchpunkt 8.) des Bescheides vom 16. Oktober 2014 den Beitragsrückstand auf dem persönlichen Pensionskonto des Revisionswerbers zum 31. Dezember 2012 aus Teilnahmezeiten vor dem 1. Juli 2000 zuzüglich dem aushaftenden Beitragsrückstand gemäß § 32 Abs. 1 und 3 StWE mit insgesamt EUR 41.486,98 festgestellt und unter Punkt VI. dieses Bescheides exakt dargelegt, wie und aufgrund welcher gesetzlicher Bestimmungen dieser festgestellte Beitragsrückstand errechnet worden sei. Damit habe die Bundeskammer den Anträgen des Revisionswerbers Genüge getan und den Rückstand auf seinem persönlichen Pensionskonto ausreichend nachvollziehbar festgestellt. Soweit der Revisionswerber vermeine, dass der "Abrechnungsbescheid sämtliche geltend gemachten Forderungen unter nachvollziehbarer Darlegung aufzugliedern habe", sei er darauf hinzuweisen, dass der Inhalt des von ihm beantragten Feststellungsbescheides durch die Bestimmungen der §§ 32 ff StWE gesetzlich determiniert sei. Ein Rechtsanspruch auf eine genaue Aufgliederung von Beiträgen und Rückständen sei diesen Bestimmungen nicht zu entnehmen.
8 Die Bundeskammer habe infolge Feststellung des Beitragsrückstandes zum 31. Dezember 2012 in der Höhe von EUR 41.486,98 das gegen den Revisionswerber geführte Exekutionsverfahren eingeschränkt. Der im Rückstandsausweis vom 24. August 2012 ausgewiesene Rückstand in Höhe von EUR 130.955,30 sei demnach nicht mehr existent. Ob und inwieweit der nunmehr festgesetzte Rückstand von EUR 41.486,98 dem Grunde und gegebenenfalls der Höhe nach zu Recht bestehe, sei im Beschwerdeverfahren gegen diesen Bescheid zu klären.
9 Infolge Erlassung des vom Revisionswerber beantragten Feststellungsbescheides durch die Bundeskammer schon vor Einleitung des Beschwerdeverfahrens beim Verwaltungsgericht sei es zu keinem Übergang der Zuständigkeit auf dieses gekommen, weshalb das Verfahren über die Säumnisbeschwerden zu den Anträgen vom 1. Oktober 2012 und vom 8. Juli 2014 gemäß § 16 Abs. 1 erster Satz VwGVG einzustellen gewesen seien.
10 Zu Spruchpunkt II. legte das Verwaltungsgericht dar, ein Rückstandsausweis sei kein Bescheid, sondern ein "Auszug aus den Rechnungsbehelfen", mit dem die Behörde eine - sich bereits aus dem Gesetz oder aus früher erlassenen Bescheiden ergebende - "Zahlungsverbindlichkeit" bekannt gebe (Hinweis auf VwGH 24.4.2014, Ro 2014/08/0013). Die Bestätigung der Vollstreckbarkeit auf Rückstandsausweisen stelle einen notwendigen gesetzlichen Bestandsteil derselben dar, der schon deshalb keiner isolierten Aufhebung zugänglich sei. Ein Abspruch über die - rechtlich gar nicht mögliche - Aufhebung der Vollstreckbarkeit eines Rückstandsausweises sei nicht zulässig (Hinweis auf VwGH 1.4.2009, 2006/08/0205). Der Antrag vom 12. Jänner 2013 auf Aufhebung der Vollstreckbarkeitsbestätigung des Rückstandsausweises vom 24. August 2012 sei daher zurückzuweisen.
11 Gegen diesen Beschluss (hinsichtlich Spruchpunkt I. nur insoweit, als mit diesem die Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht betreffend den Einspruch vom 1. Oktober 2012 eingestellt wurde - siehe Punkt 3.2. zweiter Absatz der Revision, wonach die "3. Säumnisbeschwerde" vom 21. Mai 2015 (betreffend den Antrag vom 8. Juli 2014) als hinfällig betrachtet werden könne) richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
12 Die Bundeskammer erstattete eine Revisionsbeantwortung mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Revision. Der Revisionswerber replizierte.
13 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).
14 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
15 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
16 Der Revisionswerber begründet die Zulässigkeit der Revision zunächst damit, dass die Verwaltungsbehörde (vorliegend: die Bundeskammer) nach der von ihm (unter Angabe von Geschäftszahlen) angeführten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bei einem Einspruch über einen Rückstandsausweis einen Feststellungs-"Bescheid" über das Nichtbestehen eines Rückstandes bzw. über die tatsächliche Höhe desselben (vorliegend: zum Zeitpunkt 24. August 2012) unter Berücksichtigung der inzwischen eingetretenen Verjährung und über die Zulässigkeit der Exekutionsführung "für einen solchen
Rückstandsausweis ... und ob Kosten und Zinsen ... dafür zustehen"
zu erlassen habe. Durch das "unvertretbare" Ergebnis des Verwaltungsgerichtes sei keine Klärung des im Rückstandsausweis vom 24. August 2012 ausgewiesenen Rückstandes und auch keine Entscheidung über eine etwaige Rechtswidrigkeit der Vollstreckbarkeitsbestätigung erfolgt.
17 Damit werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme:
Zunächst ist festzuhalten, dass das Verwaltungsgericht aufgrund seiner Annahme, dass die Anträge vom 1. Oktober 2012 und vom 8. Juli 2014 im Zeitpunkt der Einbringung der Säumnisbeschwerde schon erledigt waren, die Säumnisbeschwerde auch insoweit als unzulässig zurückzuweisen gehabt hätte. Es lagen nämlich auch insofern keine unerledigten Anträge vor (dem vom Verwaltungsgericht genannten hg. Erkenntnis 25.11.2015, Ra 2015/08/0102, lässt sich für diese Frage nichts entnehmen; vgl. aber zur Einstellung nach § 16 Abs. 1 VwGVG etwa VwGH 19.9.2017, Ro 2017/20/0001). Durch die Einstellung an Stelle der Zurückweisung wurde aber der Revisionswerber nicht in seinen Rechten verletzt. Bei seiner Beurteilung der in Rede stehenden Bescheide der Bundeskammer ist das Verwaltungsgericht aber aufgrund der folgenden Überlegungen nicht von der hg. Rechtsprechung abgewichen.
Es entspricht der ständigen Rechtsprechung (vgl. etwa VwGH 24.4.2014, Ro 2014/08/0013), dass ein Rückstandsausweis kein Bescheid, sondern ein "Auszug aus den Rechnungsbehelfen" ist, mit dem die Behörde eine - sich bereits aus dem Gesetz oder aus früher erlassenen Bescheiden ergebende - "Zahlungsverbindlichkeit" bekannt gibt. Die formelle oder materielle Rechtmäßigkeit des Rückstandsausweises ist kein zulässiger Gegenstand eines Bescheides. Werden gegen einen Rückstandsausweis Einwendungen erhoben, so ist über den zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung noch offenen Anspruch selbst abzusprechen (vgl. VwGH 13.8. 2013, 2011/08/0344, mwN).
18 Die Bundeskammer hat über den Einspruch des Revisionswerbers gegen den Rückstandsausweis vom 24. August 2012 das Verwaltungsverfahren eingeleitet (vgl. VwGH 1.4.2009, 2006/08/0205, wonach ein Einspruch ungeachtet seiner Bezeichnung kein Rechtsmittel gegen den Rückstandsausweis, sondern ein Antrag auf Einleitung des Verwaltungsverfahrens ist) und in Spruchpunkt 8.) ihres Bescheides vom 16. Oktober 2014 den Beitragsrückstand auf dem persönlichen Pensionskonto des Revisionswerbers zum 31. Dezember 2012 festgestellt. Es ist nicht zu erkennen, dass das Verwaltungsgericht bei der Beurteilung des Bescheides der Bundeskammer von der oben dargestellten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen ist und demnach zu Unrecht den Übergang der Entscheidungspflicht verneint hat. Ob die ausgewiesenen Rückstände dem Grunde und der Höhe nach zu Recht bestehen, ist nicht Gegenstand des Säumnisbeschwerdeverfahrens. Die darauf Bezug nehmenden Zulässigkeitsausführungen sind daher für die Entscheidung der Revision nicht relevant.
19 Gegen die Zurückweisung der Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht betreffend den Antrag vom 12. Jänner 2013 (Spruchpunkt II. des angefochtenen Beschlusses) ist den Zulässigkeitsausführungen kein substantielles Vorbringen zu entnehmen.
Es ist daher nicht näher darauf einzugehen, wie über den unzulässigen Antrag, die Vollstreckbarkeitsbestätigung aufzuheben, zu entscheiden gewesen wäre bzw. ob diesbezüglich die Entscheidungspflicht auf das Verwaltungsgericht übergegangen ist (vgl. VwSlg. 9458 A/1977).
20 Die Revision war daher zurückzuweisen.
21 Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013 in der Fassung BGBl. II Nr. 8/2014.
Wien, am 19. Dezember 2018
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)