BVwG L521 2118033-1

BVwGL521 2118033-110.8.2016

AsylG 2005 §3
B-VG Art.133 Abs4
AsylG 2005 §3
B-VG Art.133 Abs4

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2016:L521.2118033.1.00

 

Spruch:

L521 2118033-1/11E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter MMag. Mathias KOPF, LL.M. als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Irak, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 22.10.2015, Zl. 1049472208-150010670, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 05.07.2016 zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer stellte im Gefolge seiner schlepperunterstützten illegalen Einreise in das Bundesgebiet am 05.01.2015 vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes einen Antrag auf internationalen Schutz.

Im Rahmen der niederschriftlichen Erstbefragung am 06.01.2015 vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes der Polizeiinspektion Traiskirchen / Erstaufnahmestelle Ost gab der Beschwerdeführer an, den im Spruch genannten Namen zu führen und Staatsangehöriger des Irak zu sein. Er sei am XXXX in Bagdad geboren und habe dort zuletzt im Bezirk XXXX gelebt, Angehöriger der arabischen Volksgruppe, Moslem der schiitischen Glaubensrichtung und ledig. Weiters führte er aus, seine Mutter und Geschwister hielten sich nach wie vor im Irak auf, sein Vater sei verstorben. Er habe von 1995 bis 2004 die Grundschule in Bagdad besuch und anschließend als Barkeeper gearbeitet.

Im Hinblick auf seinen Reiseweg brachte der Beschwerdeführer zusammengefasst vor, Bagdad am 03.10.2014 mit dem Flugzeug nach Istanbul verlassen zu haben. In der Türkei habe er einen Schlepper kennengelernt und sei in weiterer Folge schlepperunterstützt mit Fahrzeugen nach Österreich verbracht worden.

Zu den Gründen seiner Flucht aus dem Heimatland befragt, führte der Beschwerdeführer aus, er sei von Milizen des Islamischen Staates mit dem Tod bedroht worden, da er in einer Bar mit Alkoholausschank gearbeitet habe. Sein Bruder sei entführt worden und er habe weitere Drohungen erhalten, sodass er sich zum Verlassen seines Heimatstaates entschlossen habe. Im Falle einer Rückkehr befürchte er, von Milizen des Islamischen Staates getötet zu werden.

2. Nach Zulassung des Verfahrens wurde der Beschwerdeführer am 03.07.2015 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Steiermark, im Beisein eines geeigneten Dolmetschers in arabischer Sprache niederschriftlich vor der zur Entscheidung berufenen Organwalterin niederschriftlich einvernommen.

Eingangs bestätigte der Beschwerdeführer, bis dato der Wahrheit entsprechende Angaben gemacht zu haben. Zu den Lebensbedingungen im Irak befragt gab der Beschwerdeführer an, in einem Club gearbeitet zu haben, der mit einer Bar verbunden war. Die Bar habe einem Christen namens Viktor gehört, da Lokale mit Alkoholausschank nur Christen gehören dürfen. Er habe die Mittelschule nicht abgeschlossen und 2003 begonnen, in dieser Bar zu arbeiten. Es habe sich um eine sichere Gegend gehandelt, nicht weit von seinem Elternhaus. Der Name der Bar sei "Die westliche Bar", sie befinde sich im "Irakischen Jagd-Club", der von Saddam Hussein gegründet worden sein soll. Sein Bruder Faris habe ebenfalls in einer Bar in diesem Club gearbeitet, er sei am 03.06.2014 entführt und gegen Lösegeld später wieder freigelassen worden. Auf Nachfrage legte der Beschwerdeführer dar, zwar Moslem zu sein, jedoch selbst auch Alkohol zu konsumieren.

Befragt zu den Gründen für das Verlassen des Heimatstaates gab der Beschwerdeführer zunächst an, als Moslem der sunnitischen Glaubensrichtung Belästigungen aufgrund der Vorherrschaft der Schiiten ausgesetzt zu sein. Im Jahr 2009 sei er auf den Kopf geschlagen und verletzt worden. Er habe dennoch versucht, im Irak zu bleiben. Bei Straßenkontrollen hätten sich regelmäßig Bedrohungen ereignet, wobei der Beschwerdeführer einen Mann gekannt habe, der ihm geholfen habe, frei zu kommen. Schließlich habe er einen Drohbrief vom Islamischen Staat erhalten, worin er aufgefordert worden sei, von seinen schändlichen Taten Abstand zu nehmen. Eine ebenfalls im Drohbrief genannte Person sei in der Folge getötet worden. Er habe daraufhin den Irak am 03.10.2014 legal verlassen.

Die Fragen, ob er jemals Parteien angehört habe oder Probleme mit den Behörden oder der Polizei seines Heimatlandes gehabt habe, verneinte der Beschwerdeführer. Im Falle einer Rückkehr befürchte er, wie im Drohbrief angekündigt getötet zu werden. Dem Beschwerdeführer wurde die Möglichkeit der Aushändigung länderkundlicher Informationen zur Lage im Irak angeboten und die Möglichkeit einer Stellungnahme eingeräumt. Der Beschwerdeführer erklärte, keine Stellungnahme abgeben zu wollen.

3. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 22.10.2015 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I). Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG wurde dem Beschwerdeführer der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II) sowie unter Anwendung des § 8 Abs. 4 AsylG eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 22.10.2016 erteilt (Spruchpunkt III).

Begründend führte die belangte Behörde - soweit für das Beschwerdeverfahren von Relevanz - nach der Wiedergabe der Einvernahmen des Beschwerdeführers und den Feststellungen zu dessen Person aus, der Beschwerdeführer habe keine Verfolgung von staatlicher Seite vorgebracht. Es könne nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Irak der Gefahr einer individuellen, konkret gegen ihn gerichteten Verfolgung aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung ausgesetzt sei. Er habe keine asylrelevante Verfolgung glaubhaft machen können.

Beweiswürdigend erwog die belangte Behörde, der Beschwerdeführer habe als Hauptgrund für seine Flucht aus dem Irak angegeben, vom Islamischen Staat bedroht worden seien, da er als Barkeeper gearbeitet habe. Aufgrund des Wortlautes der erhaltenen Drohung könne jedoch nicht von einer intensiven Bedrohung ausgegangen werden. Dass ein getöteter Kollege tatsächlich von Milizen des Islamischen Staat umgebracht worden sei, habe der Beschwerdeführer nicht eindeutig bestätigen können. Bestimmte Personengruppen wie etwa Inhaber von Geschäften, in denen Alkohol verkauft wird, würden immer wieder Zielscheiben der Aufständischen werden. Für die Bildung einer asylrechtlich beachtlichen sozialen Gruppe fehle es jedoch an einem besonderen Merkmal bzw. an den diesbezüglichen Voraussetzungen. Die Belästigungen durch Schiiten stellten eine allgemeine Diskriminierung dar, die für sich allein genommen nicht die hinreichende Intensität für eine Asylgewährung aufweise.

In rechtlicher Hinsicht folgerte die belangte Behörde, ein asylrelevanter Sachverhalt habe nicht festgestellt werden können, sodass kein internationaler Schutz zu gewähren sei. Aufgrund der Sicherheitslage sei dem Beschwerdeführer dessen ungeachtet der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl legte seiner Entscheidung aktuelle Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers zugrunde (vgl. die Seiten 12 - 44 des angefochtenen Bescheides).

4. Mit Verfahrensanordnung vom 23.10.2015 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG amtswegig ein Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren beigegeben.

5. Gegen Spruchpunkt I des dem rechtsfreundlichen Vertreter des Beschwerdeführers am 12.11.2015 zugestellten Bescheids des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl richtet sich die fristgerecht eingebrachte Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.

In dieser wird unter Bezugnahme auf der Beschwerde beigegebene handschriftliche Ausführungen des Beschwerdeführers inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheids sowie Verletzung von Verfahrensvorschriften moniert und beantragt, den angefochtenen Bescheid abzuändern und dem Antrag auf internationalen Schutz Folge zu geben und dem Beschwerdeführer den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen sowie eine mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht anzuberaumen. Die belangte Behörde habe es unterlassen, länderkundliche Informationen zu Personen einzubeziehen, die religiöse Moralvorstellungen ablehnen würden. Die Beweiswürdigung der belangten Behörde sei mangelhaft, da die Tätigkeit als Barkeeper für den Beschwerdeführer ein identitätsstiftendes Merkmal sei. Die aufgezeigten Wiedersprüche zur Erstbefragung dürften keine Verwertung in der Beweiswürdigung erfahren. Ferner beziehe die belangte Behörde die erlittenen Übergriffe nicht ausreichend ein und lassen unberücksichtigt, dass eine Glaubhaftmachung von Verfolgungsgefahr als Beweismaß ausreiche.

6. Die Beschwerdevorlage langte am 03.12.2015 beim Bundesverwaltungsgericht ein. Aufgrund einer Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses wurde das Beschwerdeverfahren mit 01.04.2016 der nun zur Entscheidung berufenen Abteilung des Bundesverwaltungsgerichts zugewiesen.

7. Mit Schriftsatz vom 04.07.2016 gab der rechtsfreundliche Vertreter des Beschwerdeführers die Auflösung des Vollmachtsverhältnisses bekannt.

8. Am 05.07.2016 wurde vor dem Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung im Beisein des Beschwerdeführers sowie eines Dolmetschers für die arabische Sprache durchgeführt. Im Verlauf dieser Verhandlung wurde dem Beschwerdeführer einerseits Gelegenheit gegeben, neuerlich seine Ausreisemotivation umfassend darzulegen sowie die aktuelle Lageentwicklung im Irak anhand aktueller länderkundlicher Berichte erörtert. Dem Beschwerdeführer wurden ferner die erörterten länderkundlichen Berichte sowie eine Anfragebeantwortung von ACCORD betreffend die Lage von Personen, die die herrschenden Sitten und jegliche Religion offen ablehnen ausgefolgt und ihm die Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme innerhalb von 10 Tagen eingeräumt. Bis zum Entscheidungszeitpunkt wurde vom Beschwerdeführer keine Stellungnahme in Vorlage gebracht.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ist der Verhandlung entschuldigt ferngeblieben.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Verfahrensbestimmungen

1.1. Zuständigkeit, Entscheidung durch den Einzelrichter

Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG idF BGBl. I Nr. 41/2016 erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-VG idF BGBl. I Nr. 25/2016 entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.

Gemäß Art. 135 Abs. 1 B-VG iVm § 6 BVwGG, BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Mangels anderweitiger gesetzlicher Anordnung liegt im gegenständlichen Fall somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

1.2. Anzuwendendes Verfahrensrecht und Prüfungsumfang

Gemäß § 27 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I 33/2013 idF BGBl. I Nr. 82/2015, hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4 VwGVG) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3 VwGVG) zu überprüfen.

Gemäß § 28 Absatz 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Absatz 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

2. Feststellungen:

2.1. Der ledige Beschwerdeführer führt den im Spruch angegebenen Namen, ist Staatsangehöriger des Irak, Angehöriger der arabischen Volksgruppe und Moslem der sunnitischen Glaubensrichtung.

Er wurde am XXXX in Bagdad geboren und lebte dort auch vor seiner Ausreise im sunnitischen Bezirk XXXX im Haus seiner Familie. Der Beschwerdeführer besuchte in Bagdad sechs Jahr die Grundschule und anschließend drei Jahre die Mittelschule, die er ohne Abschluss verließ. In weiterer Folge arbeitete der Beschwerdeführer zunächst als Verkäufer in einem Supermarkt und anschließend in den Jahren 2004 und 2005 in einer Cafeteria. Seit dem Jahr 2005 war der Beschwerdeführer als Barkeeper in der "Westlichen Bar" im Jagd-Club in Bagdad tätig. Der Beschwerdeführer konsumiert selbst auch Alkohol.

Die Mutter, zwei Brüder und zwei Schwestern des Beschwerdeführers halten sich nach wie vor in Bagdad auf und leben von einer verheirateten Schwester abgesehen im Haus der Familie.

Am 03.10.2014 verließ der Beschwerdeführer den Irak legal mit einem Flugzeug von Bagdad in die Türkei nach Istanbul. In weiterer Folge reiste der Beschwerdeführer schlepperunterstützt nach Österreich, wo er am 05.01.2015 den verfahrensgegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz stellte.

2.2. Der Beschwerdeführer gehört keiner politischen Partei oder politisch aktiven Gruppierung an und hatte keine Probleme mit den Behörden seines Heimatstaates zu gewärtigen.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer in seinem Herkunftsstaat von Angehörigen des Islamischen Staates durch Drohschreiben oder in sonstiger Weise bedroht wurde.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer vor seiner Ausreise aus seinem Herkunftsstaat einer sonstigen individuellen Gefährdung oder Verfolgung in seinem Herkunftsstaat durch staatliche Organe oder durch Dritte ausgesetzt war oder er im Falle einer Rückkehr dorthin einer solchen mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit ausgesetzt wäre.

2.3. Zur aktuellen Lage im Irak werden folgende Feststellungen unter Heranziehung der angeführten Quellen getroffen:

1. Politische Lage

Die letzten nationalen Wahlen, die im April 2014 stattfanden, gewann der ehemalige Premierminister Nouri al-Maliki. Da es auf Grund seines autoritären und pro-schiitischen Regierungsstils massive Widerstände gegen Maliki gab, trat er im August 2014 auf kurdischen, internationalen, aber auch auf innerparteilichen Druck hin zurück (GIZ 6.2015). Es wird ihm unter anderem vorgeworfen, mit seiner sunnitisch-feindlichen Politik (Ausgrenzung von sunnitischen Politikern, Niederschlagung sunnitischer Demonstrationen, etc.) deutlich zur Entstehung radikaler sunnitischer Gruppen wie dem IS beigetragen zu haben (Qantara 17.8.2015). Maliki's Nachfolger ist der ebenfalls schiitische Parteikollege Haidar al-Abadi (beide gehören der schiitischen Dawa-Partei an), der eine Mehrparteienkoalition anführt, und der mit dem Versprechen angetreten ist, das ethno-religiöse Spektrum der irakischen Bevölkerung wieder stärker abzudecken (GIZ 6.2015). Allerdings gelang es Abadi bislang nicht, politische Verbündete für seine Reformpläne (insbesondere die Abschaffung des konfessionell-ethnischen Proporzes) zu finden. Er hat mit dem besonders Iran-freundlichen Ex-Premier Maliki (nunmehr Vorsitzender der Dawa-Partei) einen starken Widersacher innerhalb seiner Partei. Ein Problem Abadis ist auch die Macht der schiitischen Milizen, von denen viele vom Iran aus gesteuert werden (s. Abschnitt 3.1.). Diese Milizen - eher lose an die irakische Armee angeschlossen - sind für Abadi einerseits unverzichtbar im Kampf gegen den "Islamischen Staat" (Standard 5.1.2015), gleichzeitig wird deren Einsatz von der sunnitischen Bevölkerung aber als das "Austreiben des Teufels mit dem Beelzebub" gesehen. Die Sunniten fürchten das skrupellose Vorgehen dieser Milizen - einige betrachten den IS sogar als das geringere Übel und dulden die Extremisten daher in ihren Gebieten (ÖB Amman 5.2015). In der Tat unterscheiden sich einige der mit der Zentralregierung in Bagdad verbündeten schiitischen Milizen hinsichtlich ihres reaktionären Gesellschaftsbildes und ihrer Brutalität gegenüber Andersgläubigen kaum vom IS (Rohde 9.11.2015). Die US-Regierung (sowohl die Bush-, als auch die Obama-Regierung), die auch mit der Badr-Miliz zusammengearbeitet hat, hat vor den Gewaltexzessen der schiitischen Milizen gegenüber der sunnitische Bevölkerung die Augen verschlossen, und hat damit den Konflikt zwischen Schiiten und Sunniten angetrieben (Reuters 14.12.2015). Die aufgestaute Wut der Sunniten - auch darüber, dass sie niemanden mehr in der Regierung haben, der mit machvoller Stimme für sie sprechen könnte, trägt in Kombination mit dem Vorgehen der schiitischen Milizen dazu bei, dass sich viele Sunniten radikalisieren oder sich einfach aus Mangel an Alternativen unter die Kontrolle des IS begeben (Qantara 17.8.2015).

Das irakische Parlament wählte den moderaten sunnitischen Politiker Salim al-Jabouri zum Parlamentspräsidenten (Al Arabiya 15.7.2014).

Zwölf Jahre nach dem Sturz Saddam Husseins im Jahr 2003 ist der Irak ein Staat ohne Gewaltmonopol, ohne Kontrolle über große Teile seines Territoriums oder seiner Grenzen, dessen Souveränität zunehmend vom Iran ausgehöhlt wird (Standard 4.12.2015). Nach 2003 ist der Irak (gemeinsam mit Syrien) zum Spiel- und Schlachtfeld konkurrierender regionaler und globaler Interessen zwischen Iran, Saudi-Arabien, der Türkei, den USA und neuerdings auch Russland geworden (Rohde 9.11.2015), wobei sich das Kräfteverhältnis der beiden wichtigsten Verbündeten der irakischen Regierung - die USA auf der einen Seite und der Iran auf der anderen - zunehmend zu Gunsten des Iran verschiebt. Der eher schwache Premierminister Abadi versucht es beiden Verbündeten recht zu machen: Damit die USA ihn aus der Luft unterstützen, muss er versuchen, die iranisch-assoziierten schiitischen Milizen vom Schlachtfeld fernzuhalten (Standard 4.12.2015).

Unter großem öffentlichem Druck und nach Demonstrationen tausender Menschen vor dem schwer bewachten Regierungsviertel in Bagdad hat Abadi Ende März 2016 angekündigt, sein altes Kabinett durch eine Regierung unabhängiger Technokraten zu ersetzen. Bisher waren alle Minister mit politischen Gruppen verbunden. Die neuen sollen nun laut Abadi auf Basis von Professionalität, Effizienz und Integrität ausgewählt werden (Spiegel 31.3.2016). Jedoch scheint das neue Kabinett zu zerbröckeln, bevor es überhaupt zur Abstimmung kommt. Die meisten Parteien stemmen sich gegen den drohenden Machtverlust (SK 8.4.2016).

Ende April 2016 stürmten zehntausende Demonstranten, überwiegend Anhänger des schiitischen Predigers Muktada al-Sadr, das Parlamentsgebäude in der Grünen Zone. Seine empörten Anhänger rissen danach, unbehelligt von den Sicherheitskräften, mehrere der gewaltigen Betonabsperrungen der Grünen Zone nieder. Abgeordnete verbarrikadierten sich im Kellergeschoss oder flohen in Panik. Einige wurden von der Menge verprügelt oder ihre Autos zerstört. Premierminister Haider rief den Notstand aus und forderte, die Protestierer zu bestrafen (Die Zeit, 1.5.2016). Um den 20.05.2016 drangen Protestierende, darunter Anhänger des schiitischen Predigers Moqtada al-Sadr, unter anderem ins Parlamentsgebäude und das Büro des Regierungschefs ein. Augenzeugen zufolge schossen Sicherheitskräfte auf die Demonstranten und setzten Tränengas ein. Dabei wurden vier Menschen getötet und 90 Personen verletzt (Standard 20.05.2016, 22.05.2016).

Quellen:

http://www.ecoi.net/local_link/315594/454291_de.html , Zugriff14.1.2016

1.1. Kurdische Autonomieregion (Kurdistan Region-Iraq: KRI)

Innerhalb der autonomen Kurdenregion im Norden Iraks verhärten sich die politischen Fronten. Die Feindseligkeiten zwischen den drei großen irakisch-kurdischen Parteien Kurdish Democratic Party (KDP), Goran und Patriotic Union Kurdistan (PUK) nehmen zu. Grund dafür ist unter anderem die Wirtschaftskrise und die weit verbreitete Korruption und Vetternwirtschaft, die im Kurdengebiet vorherrschen (Reuters 26.10.2015). Die kurdische Regionalregierung ist seit längerer Zeit nicht mehr in der Lage die Gehälter der Beamten und Peschmerga auszubezahlen, oder tut dies mit monatelangen Verspätungen (Rudaw 20.10.2015, vgl. Deutschlandfunk 8.12.2015). Darüber hinaus sorgt der Streit um die Präsidentschaft Masoud Barzanis für Spannungen, dessen (bereits außertourlich verlängerte) Amtszeit im August 2015 abgelaufen ist, sich aber nach wie vor im Amt befindet (Reuters 26.10.2015, vgl. Ekurd 16.1.2016, Ekurd 14.2.2016). Darüber hinaus haben die Waffenlieferungen des Westens und anderer Verbündeter an die Kurden den Effekt, dass die kurdische Politik insgesamt zwar an Bedeutung gewinnt, sich jedoch dadurch die Spannungen zwischen den kurdischen Fraktionen erhöhen. KDP und PUK, jene beiden kurdischen Parteien, die in den 1990iger Jahren bewaffnete Konflikte gegeneinander austrugen und erst in der jüngeren Vergangenheit zu einer friedlichen Koexistenz und gemeinsamen Regierungsbildung gefunden haben, sind durch ihre jeweiligen Bündnisse mit mächtigen - teilweise gegensätzlichen - Partnern gespalten: Die KDP mit Masud Barzani, dem Präsidenten der KRG (Kurdish Regional Government) wird vorrangig vom Westen unterstützt und steht der Türkei nahe, während die PUK vorrangig vom Iran unterstützt wird und der türkischen PKK, sowie der irakischen Regierung in Bagdad nahesteht. Beide Parteien haben ihre jeweils eigenen Militäreinheiten (Peschmerga), die im Kampf gegen den IS oftmals in einem starken Konkurrenzverhältnis zueinander stehen. (Crisis Group 12.5.2015). Die Newcomer-Partei Goran, die erst seit Juni 2014 mit in der kurdischen Regionalregierung sitzt, und mit dem Versprechen angetreten ist, gegen den Nepotismus und die Korruption der beiden Altparteien vorzugehen, besitzt keine eigenen Militäreinheiten und ist auch wirtschaftlich nicht gut vernetzt, sodass sie auf Grund fehlenden Einflusses ihre Versprechen nicht umsetzen kann, und in der gegenwärtigen Situation - obwohl zweitstärkste Partei hinter der KDP - politisch und insbesondere militärisch keine herausragend große Rolle spielt (Bauer 2015).

Im Oktober 2015 verschärfte sich die innerkurdische Krise und es kam in mehreren Städten der Autonomiegebiete zu Protesten gegen Barzani und die KDP (Standard 13.10.2015). Der Premierminister der kurdischen Regionalregierung (ein Neffe des Präsidenten der Region Kurdistan) Nechirvan Barzani (KDP) entließ fünf Goran-Minister aus der Regierung. Der der Goran angehörende Parlamentspräsident Yussuf Mohammed wurde mit einer Gruppe Goran-Abgeordneter auf seinem Weg ins Parlament nach Erbil von Sicherheitskräften gestoppt. Goran-Mitglieder beschuldigten die KDP eines "Putsches gegen Rechtsstaat und Demokratie". Die PUK kritisierte das KDP-Vorgehen gegen Goran. Die KDP wirft ihrerseits Goran vor, Demonstranten aufgehetzt zu haben, die die KDP-Büros stürmten und in Brand setzten. In Suleymaniya war es im letzten Quartal des Jahres 2015 zu Protesten gegen die Regionalregierung und Ausschreitungen mit mehreren Toten gekommen, der direkte Anlass waren die oben erwähnten ausstehenden Gehälter. Insbesondere die zweitstärkste Partei Goran hatte sich bei diesen Protesten gegen die Regionalregierung (insbesondere gegen die KDP) gewandt. (Standard 13.10.2015).

Das Verhältnis zwischen der von der KDP dominierten kurdischen Regionalregierung mit Sitz in Erbil und der irakischen Zentralregierung in Bagdad ist gleich durch mehrere Themenbereiche stark belastet: Der Konflikt um die sogenannten "umstrittenen Gebiete" südlich der KRI, die sowohl die Kurden, als auch die irakische Zentralregierung für sich beanspruchen, hat sich durch die Übernahme der Kontrolle über die ölreiche Stadt Kirkuk durch die Kurden im Juni 2014 noch einmal intensiviert. Damit verbunden ist auch der Öl-Streit, bei dem es darum geht, wer die Rechte zur Ausbeutung der Ölressourcen in der KRI hat. Die Unabhängigkeitsbestrebungen der Kurden und die von der Zentralregierung als provokant erachtete Unabhängigkeitsrhetorik Masud Barzanis tragen auch nicht zur Besserung der Stimmung zwischen Bagdad und Erbil bei (Bauer 2015).

Zusätzlich gibt es noch einen Konflikt zwischen dem irakischen Präsidenten Abadi und der Türkei betreffend der Wiedererrichtung/des Ausbaus türkischer Militärbasen im Nordirak. Diese hat Masud Barzani, der mit dem türkischen Präsidenten Tayyip Erdogan befreundet ist, der türkischen Regierung zugebilligt (Standard 13.12.2015).

Quellen:

1.2. "Islamischer Staat"

Der IS (der "Islamische Staat") baut innerhalb seiner Einflussgebiete pseudo-staatliche Strukturen auf. So gibt es beispielsweise einen "Diwan" (vergleichbar mit einem Ministerium) für natürliche Ressourcen, einschließlich der Verwertung von Antiquitäten. Ein anderer Diwan behandelt die "Verwertung" von Kriegsbeute, einschließlich SklavInnen (The Daily Star 29.12.0215). Unterstützung bekommt der IS von einigen ehemaligen Mitgliedern der Baath-Partei. Die Organisation Jaysh Rijal a?-?ariqa an-Naqshabandiya (Army of the Men of the Naqshbandi Order, auch Naqshabandi Order genannt - kurz JRTN) und andere ähnliche Ex-Baathistische Gruppen stimmen zwar nicht mit der Ideologie des IS überein, unterstützen diesen zum Teil aber als eine Organisation, die die irakische Regierung bekämpft (CRS 9.2015). Frühere Geheimdienstagenten, Kommandanten von Spezialeinheiten und Parteifunktionäre des Saddam-Regimes zählen zu den führenden Mitgliedern des IS und waren auch maßgeblich bei seinem strategischen Aufbau beteiligt (Qantara 13.7.2015).

Es gibt eine strenge Religionspolizei (Welt 21.9.2015), ein IS-Regierungskabinett, den IS-Militärrat sowie den Schura-Rat, in dem die IS-Kleriker sitzen, die gleichzeitig als oberste Richter fungieren. Eine Trennung zwischen Religion und Staat existiert nicht. Die IS-Ideologie ist offizielle Staatsdoktrin. Der IS hat seine Gebiete in Provinzen aufgeteilt, diese wiederum in Bezirke. Jede Provinz wird von einem IS-Gouverneur regiert. Dabei nutzt der IS die ihm unterstellte zivile Verwaltung, einen eigenen Sicherheitsapparat samt Geheimdienst sowie eigene Gerichtshöfe. Die Bezirke haben ebenfalls eigene Verwaltungs- und Sicherheitsorgane sowie Richter. Der Islamische Staat bezeichnet Abu Bakr al-Baghdadi als seinen Kalifen und Anführer. Zumindest nach außen ist Baghdadi das Gesicht der Organisation. Die Finanzierung des IS findet über viele verschiedene Quellen statt. Die wichtigsten sind:

Zwangspfändungen, Versklavung, Zwangsprostitution, Lösegeld, Einkommensteuer, Zoll, Kulturraub, Ölschmuggel sowie die Übernahme von Strom- und Wasserversorgern. Teilweise zahlt die irakische Regierung die Gehälter der in IS-Gebiet lebenden Staatsbediensteten noch aus - wovon der IS profitiert (Spiegel 2.12.2015). Teilweise setzt der Staat die Zahlungen der Gehälter aber aus, und versucht damit dem IS zu schaden, macht damit aber gleichzeitig die dort lebende Bevölkerung erst recht vom IS abhängig (Al Arabiya 23.12.2015).

Die Anführer des IS haben langjährige Erfahrung im Untergrund. Während der US-Besatzungszeit mussten sie sich verstecken und sie wissen daher auch, wie man die Überwachungsmethoden der US-Amerikaner austrickst (Spiegel 2.12.2015).

Quellen:

http://www.ecoi.net/local_link/315594/454291_de.html , Zugriff14.1.2016

2. Sicherheitslage

Im Irak leben ca. 36 Millionen Einwohner, wobei die diesbezüglichen Schätzungen unterschiedlich sind. Die letzte Volkszählung wurde 1997 durchgeführt. Im Gouvernement Bagdad leben ca. 7,6 Millionen Einwohner. Geschätzte 99% der Einwohner sind Moslems, wovon ca. 60%-65% der schiitischen und ca. 32%-37% der sunnitischen Glaubensrichtung angehören (CIA World Factbook 2014-2015, AA 10. 5.2016).

Seit der US-Invasion in den Irak im Jahr 2003 ist ein starker Anstieg der Todeszahlen zu beobachten, der sich insbesondere ab dem Jahr 2012 noch einmal verstärkt. Die folgende Grafik zeigt die Entwicklung der Todeszahlen im Irak (in Dunkelrot) bis zum Jahr 2014.

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(VOH 17.11.2015)

Im Jahr 2014 war der Konflikt im Irak der zweit-tödlichste (nach Syrien) weltweit. Es wurden laut der österreichischen Botschaft in Amman 21.073 Todesopfer verzeichnet. Damit haben sich die Opferzahlen im Irak verglichen zu 2013 (9.742 Todesopfer) mehr als verdoppelt. Auch die Anschlagskriminalität im Irak erreichte, vor allem durch die Taten des IS, 2014 einen Höhepunkt. Die Anzahl der IrakerInnen, die 2014 Opfer von Anschlägen wurden, erreichte ein Ausmaß wie zuvor nur in den berüchtigten Bürgerkriegsjahren 2006/2007: über 12.000 tote und 23.000 verletzte ZivilistInnen (ÖB Amman 5.2015).

Die folgende Grafik zeigt die Anzahl der getöteten Zivilisten im Irak (inkl. Zivilpolizisten) für die Monate Jänner bis Dezember 2015 sowie die Anzahl der getöteten Iraker insgesamt. Demnach wurden im Jahr 2015 12.740 Iraker getötet, 7.515 davon waren Zivilisten (inklusive Zivilpolizei). 14.855 Zivilisten (inkl. Zivilpolizei) wurden verletzt. UNIRAQ wurde bei der Erfassung der Opferzahlen behindert, die Zahlen sollten daher als Minimumangaben gesehen werden. Sofern man anhand dieser Zahlen auf die Sicherheitslage im Irak schließen kann, hat sich die diese im Jahr 2015 gegenüber dem Vorjahr 2014 gebessert. Verglichen mit dem Jahr 2013 war die Sicherheitslage im Jahr 2015 schlechter. In der folgenden Grafik finden sich die Mindestzahlen für das Jahr 2015:

Quelle: Daten: UNAMI (Jänner bis Dezember 2015), Grafik:

Staatendokumentation

Für den Monat Februar 2016 berichtet UNAMI, dass zumindest 670 Iraker getötet und 1.290 verletzt wurden. Darunter waren 410 getötete Zivilisten (einschließlich Bundespolizei, Sahwa Zivilschutz, Leibwächter, Polizei für den Schutz von Gebäuden und Anlagen, sowie Feuerwehr) und 1.050 verletzte. Die Provinz Bagdad war (im Monat Februar 2016) mit zumindest 277 getöteten Zivilisten dabei am stärksten betroffen, ebenfalls stark betroffen waren Diyala (40 getötete Zivilisten), Nineweh (42 getötete Zivilisten) und Kirkuk (29 getötete Zivilisten). Auf Grund der unübersichtlichen und volatilen Sicherheitslage können laut UNAMI die zu Anbar dokumentierten Zahlen (4 getötete und 126 verletzte Zivilisten) besonders stark von den tatsächlichen Zahlen abweichen (UNAMI 2.2016). Im März 2016 wurden nach der Zählung von Iraq Body Count (IBC) 1.073 Zivilpersonen getötet. Nach der UN Assistance Mission for Iraq (UNAMI) gab es 575 zivile Todesopfer und 1.196 Verletzte im März 2016. Weiter wurden 544 Mitglieder der irakischen Armee, Peshmerga-Kämpfer und andere Verbündete (ohne Opferzahlen der Anbar-Operationen) getötet und 365 verletzt. Die am stärksten betroffene Provinz war im März abermals Bagdad mit 1.029 (259 Tote, 770 Verletzte) zivilen Opfern. In der Provinz Nineweh gab es 133 Tote und 89 Verletzte, in der Provinz Babil 65 Tote und 141 Verletzte, in der Provinz Kirkuk 34 Tote und 57 Verletzte, in der Provinz Diyala elf Tote und in der Provinz Salahuddin sechs Tote und einen Verletzten (Mindestzahlen) (BAMF 4.4.2016).

Die folgende Tabelle zeigt eine Aufgliederung nach Provinzen im Kontext der Einwohnerzahl im Zeitraum Juni 2014 bis September2015:

Provinz

Einwohnerzahl (Schätzung 2011)

Getötete

% der Bevölkerung

Verhältnis Einwohner zu Getöteten

Babil

1,820,673

836

0,05

2178

Baghdad

7,055,196

5208

0,07

1355

Basra

2,531,997

133

0,005

19038

Dohuk

1,128,745

1

0,000001

1.128.745

Erbil

1,612,692

36

0,002

44797

Kerbala

1,066,567

54

0,005

19751

Missan

971,448

30

0,03

32382

Muthanna

719,069

15

0,002

47938

Najaf

1,285,484

13

0,001

98883

Qadisiyah

1,134,313

10

0,001

113431

Thi-Qar

1,836,181

29

0,002

63316

Sulayminyah

1,878,764

7

0,0004

268395

Wasit

1,210,591

24

0,002

50441

     

(Quelle: UK Home Office 4.2016)

Am 27.2.2016 kam es zu einem Doppel-Selbstmordanschlag im schiitisch dominierten Viertel Sadr City (Bagdad) mit 70 Todesopfern. Der Islamische Staat bekannte sich zu dem Doppelanschlag (Reuters 29.2.2016). Bei einem weiteren - ebenfalls vom IS verübten - Selbstmordanschlag am 6.3.2016 südlich der Stadt Bagdad starben 47 Menschen (National 6.3.2016).

Die am meisten gefährdeten Personengruppen sind neben religiösen und ethnischen Minderheiten auch Berufsgruppen wie Polizisten, Soldaten, Intellektuelle, Richter und Rechtsanwälte, Mitglieder des Sicherheitsapparats, sogenannte "Kollaborateure", aber auch Mitarbeiter von Ministerien (AA 18.2.2016).

Insgesamt kann die Sicherheitslage im Irak im Jahr 2015 als weiterhin höchst instabil bezeichnet werden. Die Kampfhandlungen konzentrierten sich weitgehend auf die Provinzen Anbar, Ninewah und Salah al-Din. Die irakische Regierung und die KRG konzentrierten sich weiterhin darauf, territoriale Fortschritte gegen den IS zu machen (UN Security Council 26.10.2015).

Der Aufstieg der zahlreichen konfessionellen Milizen und sonstigen bewaffneten Organisationen und Gruppen geht insbesondere auf den Bürgerkrieg von 2005 bis 2007 zurück. Heute stehen sich v.a. der aus Al-Qaida hervorgegangene "Islamische Staat", die schiitischen Milizen und die kurdischen Peschmerga gegenüber. Die schiitischen Milizen in ihrer Gesamtheit werden als militärisch stärker als die irakische Armee eingeschätzt (Standard 18.11.2015), und einige davon machen sich massiver Menschenrechtsverletzungen schuldig (RSF 18.4.2015, vgl. HRW 20.9.2015, vgl. Rohde 9.11.2016). Neben deren gewaltsamen Übergriffen auf Teile der sunnitischen Bevölkerung gibt es auch schiitische Milizen, die - ähnlich wie islamistische sunnitische Gruppen - gegen (nach deren Definition) "un-islamisches" Verhalten vorgehen und z.B. Bordelle, Nachtclubs oder Alkoholgeschäfte attackieren (Washington Post 21.1.2016). Die Peschmerga kämpfen zwar an der Seite der Zentralregierung, beschränken sich jedoch auf die Verteidigung der kurdischen Gebiete gegen den IS (Rohde 9.11.2015), gleichzeitig befinden sie sich aber auch in einem gespannten Verhältnis zu den schiitischen Milizen (Deutschlandfunk 5.12.2015). All diese Akteure sind mit externen Mächten liiert, allen voran Iran, Saudi-Arabien, Türkei oder den USA (Rohde 9.11.2015). Die USA sind mit einigen tausend US-Soldaten im Irak präsent und haben vor, ihre Präsenz mit weiteren Bodentruppen auszubauen. (Spiegel 2.12.2015, vgl. FAZ 24.10.2015, vgl. Focus 9.3.2016). Die von den USA angeführte Koalition gegen den IS hat im Irak seit Beginn ihrer Luftangriffe im August 2014 mehr als 6.800 Luftschläge durchgeführt (auf der folgenden Karte in blau dargestellt). Die Karte zeigt außerdem, welche Gebiete vom IS kontrolliert werden, bzw. in welchen Gebieten der IS die Möglichkeit hat, frei zu operieren - schraffiert dargestellt (BBC 29.2.2016):

Bild kann nicht dargestellt werden

Quelle: BBC (29.2.2016)

Die folgende Karte zeigt, welche Gebiete im Irak von welchen militärischen Organisationen/Milizen kontrolliert werden:

Bild kann nicht dargestellt werden

Quelle: ISW (21.4.2016)

Laut einer Untersuchung des in den USA ansässigen Instituts IHS Jane's habe der IS im Jahr 2015 in Syrien und Irak insgesamt mehr Land eingebüßt als erobert. Insgesamt soll die Miliz etwa 14 Prozent ihres Territoriums eingebüßt haben. Zu den Verlusten im Irak zählten die Stadt Tikrit und die Raffinerie von Baiji. Zudem haben die Extremisten die Kontrolle über einen Teil einer Schnellstraße zwischen Raqqa in Syrien und Mossul im Irak verloren, was logistische Schwierigkeiten mit sich bringe. Erobert hat der IS im Irak die Provinz Anbar, sowie deren Hauptstadt Ramadi [letztere wurde in der Zwischenzeit wieder zurückerobert] (Standard 22.12.2015).

Im November 2015 eroberten die irakisch-kurdischen Peschmerga gemeinsam mit Einheiten der türkisch-kurdischen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) und ihres syrischen Ablegers YPG und mit Unterstützung durch amerikanische Luftschläge die Stadt Sinjar vom IS zurück (NZZ 13.11.2015). (In der Folge dessen kam es dort zwischenzeitlich zu Zusammenstößen zwischen jesidischen Kämpfern und Einheiten der KDP-Peschmerga (Ekurd 26.11.2015).

Den Kurden gelang es auch, den IS aus Dörfern in der Nähe von Kirkuk zu vertreiben (NTV 11.9.2015). Gleichzeitig benutzen die Kurden den Krieg gegen den IS aber auch, um in den ohnehin lange umstrittenen Gebieten kurdische Fakten zu schaffen (unter anderem auch mit der Übernahme der Stadt Kirkuk im Sommer 2014), Araber werden zum Teil vertrieben (20Minuten 8.2015, vgl. Deutschlandfunk 15.7.2015). Umgekehrt kommt es immer wieder zu Zwischenfällen, wo Teile der sunnitischen Bevölkerung den vorrückenden Peshmerga in den Rücken fallen und mit dem IS zusammenarbeiten. Es herrscht Misstrauen auf beiden Seiten, bei den Kurden, sowie den Arabern (20 Minuten 8.2015).

Im Dezember 2015 gab Abadi die Rückeroberung der Stadt Ramadis bekannt, die im Mai in die Hände des IS gefallen war. Für die Armee ist der Sieg in Ramadi ein wichtiger und lang ersehnter Erfolg (Standard 29.12.2015). In dem ein Jahr andauernden Kampf gegen den IS in Ramadi, wurde die Stadt völlig zerstört (Haaretz 18.1.2016).

Stammeskämpfer haben die am 19.02.16 begonnenen Gefechte gegen den IS in Falluja eingestellt, nachdem der IS Angaben der Armee zufolge mehr als 100 Bewohner der Stadt als Geiseln gefangen genommen hatte. Angaben des Verwaltungschefs zufolge soll es sich um rund 60 Gefangene handeln. Die Stämme befürchteten, dass die Geiseln hingerichtet würden (BAMF 22.2.2016). Ende März 2016 begannen irakische Truppen (mit Unterstützung durch US-Luftangriffe) mit einer Großoffensive auf die vom IS besetzte Großstadt Mossul, der zweitgrößten Stadt Iraks, die nach wie vor vom IS gehalten wird (Standard 24.3.2016).

Die irakische Armee begann am 30.05.16 mit Unterstützung der US-Luftwaffe mit der Erstürmung von Fallujah. Hierzu rückten die Truppen Richtung Stadtzentrum vor. Eigenen Angaben zufolge konnten zunächst vier vom IS beherrschte Gebiete rund um die Stadt befreit werden. Am 31.05.16 startete der IS einen massiven Gegenangriff. Die UN befürchten, dass der IS 300 bis 400 Familien als menschliche Schutzschilde missbraucht. Zum Schutz der Zivilisten verlangsamte die irakische Armee ihr Vordringen. Am 04.06.16 gelang die Rückeroberung des Ortes Saqlawiyah im Nordwesten Fallujahs. Fallujah (Provinz Anbar) wird seit Januar 2014 vom IS kontrolliert und ist nach Mosul deren wichtigste Bastion. In der Stadt sind mehr als 50.000 Zivilisten eingeschlossen. Die Militäroffensive ist umstritten, weil starke schiitische Militärverbände daran beteiligt sind, in der Provinz aber vor allem Sunniten leben. Mitte Juni 2017 drangen Regierungstruppen und verbündete Milizen in Richtung Stadtzentrum vor, nachdem zunächst ein Vorstoß in den Außenbezirken zum Stocken gekommen war. Eigenen Angaben zufolge konnte am 07.06.16 aus dem Viertel Shuhada al-Thania (im Süden der Stadt) der IS verdrängt werden. Nach Schätzungen der Vereinten Nationen sind derzeit etwa 90.000 Menschen in Fallujah eingeschlossen; bislang wurde von 50.000 ausgegangen. Nach Angaben von Human Rights Watch vom 09.06.16 liegen glaubwürdige Informationen vor, wonach Mitglieder der Polizei und bewaffneter Milizen nördlich von Fallujah mindestens 17 Männer eines sunnitischen Stammes erschossen hätten. Schiitische Milizen sollen auch Hunderte Sunniten aus dem Umland der Stadt gefangen genommen und schwer misshandelt haben. In Saqlawiyah, 10 km nordwestlich von Fallujah, fanden irakische Sicherheitskräfte ein Massengrab mit etwa 400 Toten, mutmaßlich Opfer des IS. Es soll sich hauptsächlich um irakische Soldaten handeln (BAMF 06.06.2016 und 13.06.2016).

Die irakischen Behörden kündigen an, angebliche Misshandlungen von ZivilistInnen durch Regierungstruppen zu untersuchen (HRW 09.06.2016). Einem Regierungssprecher zufolge wurden auf Anweisung von Premierminister Haidar al-Abadi mehrere Kämpfer festgenommen, welche verdächtigt werden, während der Offensive zur Rückeroberung von Falludscha von der Miliz Islamischer Staat Menschenrechtsverletzungen begangen zu haben. Details hiezu sind indes nicht bekannt (RFE 13.06.2016).

Quellen:

http://www.ecoi.net/local_link/315594/454291_de.html , Zugriff14.1.2016

http://reliefweb.int/report/iraq/iraq-un-casualty-figures-april-2015-enar ,

May: http://www.un.org/apps/news/story.asp?NewsID=51021 , June:

http://www.uniraq.org/index.php?option=com_k2&view=item&id=4031:casualty-figures-for-the-month-of-june-2015-in-iraq-continue-to-be-on-the-high-side&Itemid=633&lang=en ,

July:

http://www.uniraq.org/index.php?option=com_k2&view=item&id=4111:casualty-figures-for-the-month-of-july-2015&Itemid=633&lang=en ,

August:

http://www.uniraq.org/index.php?option=com_k2&view=item&id=4230:un-casualty-figures-for-the-month-of-august-in-grievous-increase&Itemid=633&lang=en ,

Sept.:

http://www.uniraq.org/index.php?option=com_k2&view=item&id=4344:un-casualty-figures-for-the-month-of-september-2015&Itemid=633&lang=en ,

Oct.:

http://www.uniraq.org/index.php?option=com_k2&view=item&id=4454:un-casualty-figures-for-the-month-of-october-2015&Itemid=633&lang=en , Nov.

http://www.uniraq.org/index.php?option=com_k2&view=item&id=4610:un-casualty-figures-for-the-month-of-november-2015&Itemid=633&lang=en , Dez.

http://reliefweb.int/report/iraq/un-casualty-figures-month-december-2015 , Jan.2016

http://www.uniraq.org/index.php?option=com_k2&view=item&id=5147:un-casualty-figures-for-the-month-of-january-2016&Itemid=633&lang=en , Feb.2016

http://www.uniraq.org/index.php?option=com_k2&view=item&id=5284:un-casualty-figures-for-iraq-for-the-month-of-february-2016&Itemid=633&lang=en

http://www.ecoi.net/local_link/301090/437831_de.html , Zugriff 19.1.2016

2.1. Die wichtigsten im Irak operierenden militärischen Akteure und Milizen

Iraqi Security Forces (ISF)

Den ISF kommt nach dem Abzug der Streitkräfte der Koalition ab 2011 eine besonders gewichtige Rolle bei der Gewährleistung der Sicherheit im Irak zu. Die ISF haben drei Hauptzweige: die irakische Armee, die irakische Polizei und die National Police.

Die ISF sind zum Teil infiltriert von schiitischen Arabern, während sunnitische Araber in den ISF unterrepräsentiert sind (ISW o.D.a). Teilweise wurden schiitische Milizen, die für ihr brutales Vorgehen gegen Sunniten bekannt sind (s. Abschnitt 8., sowie 8.2.), auch in die ISF integriert, was die Sunniten Iraks mit besonderer Sorge sehen. Die ISF verübten aber auch selbst Attacken auf zivile sunnitische Gebiete (ISW o.D.b). Darüber hinaus haben die ISF das Problem, dass es im Land schiitische Milizen gibt, die zusammengenommen sogar als militärisch stärker als die ISF eingeschätzt werden (Standard 18.9.2015).

Insbesondere im Sommer 2014 machten die ISF keine gute Figur und überließen dem IS kampflos große Gebiete des Landes - unter anderem die Stadt Mossul (Spiegel 15.6.2014). Zehntausende irakische Soldaten verließen im Juni 2014 ihre Posten und flüchteten. Viele aus Angst vor dem IS, viele meinten, sie hätten den Befehl dazu bekommen. Es fehlte unter anderem an einer starken Führung, sowie an fehlender Motivation, zweiteres wohl auch, weil sich viele nicht mit der Politik des damaligen Präsidenten Maliki identifizieren konnten. Die ursprünglich 400.000 Mann starke Armee, die mit US-Hilfe aufgebaut worden war, wird nunmehr auf 85.000 aktive Soldaten geschätzt. Das Verteidigungsministerium hatte die Zahl offenbar hochgespielt, man spricht in diesem Zusammenhang von "Geistersoldaten". Abadi gab im November 2014 zu, dass es 50.000 solcher Geistersoldaten gab (Global Security o.D.).

Schiitische Milizen

Sunnitische Milizen

Ungefähr 100.000 irakische Sunniten sind bekannt als "Sons of Iraq" (auch "Awakening" oder "Sahwa" genannt). Es handelt sich um bewaffnete Männer, die während der Jahre 2003-2006 das US-Militär im Irak bekämpften, aber sich danach mit den US-Streitkräften gegen Al Qaida Iraq (den Vorläufer des IS) verbündeten. Ihnen wurde zugesagt, dass sie in die ISF integriert werden sollen, aber nur ein Teil wurde letztlich tatsächlich eingegliedert. Die übrigen wurden in Checkpoints eingesetzt, und erhielten ein geringes Gehalt, wurden aber nicht formell eingegliedert. Als Ergebnis dessen waren einige dieser Kämpfer desillusioniert und Berichten zufolge schlossen sich einige (Zahlen sind nicht bekannt) dem IS an (CRS 31.12.2015).

Kurdische Kämpfer

Es gibt seit langem Bestrebungen zur Zusammenführung der KDP-Peschmerga und der PUK-Peschmerga zu einer einheitlichen Armee. Eine effektive und vollständige Vereinigung ist jedoch auf Grund der Konkurrenzsituation und des Misstrauens gegeneinander nicht erfolgt (CMEC 16.12.2015).

Quellen:

2.2. Bagdad

Bagdad ist fast täglich Schauplatz von Anschlägen und Gewaltakten. Bei vielen der verübten Anschläge sind religiöse oder politische Motive zu vermuten. Einer der tödlichsten Anschläge des Jahres 2015 fand am 13. August statt, bei dem eine Bombe auf einem Markt in der Gegend um Jameela im Osten Bagdads detonierte, zumindest 45 Zivilisten in den Tod riss und 72 weitere verletzte (UN Security Council 26.10.2015). Am 27.2.2016 kam es zu einem Doppel-Selbstmordanschlag im schiitisch dominierten Viertel Sadr City (Bagdad) mit 70 Todesopfern. Der Islamische Staat bekannte sich zu dem Doppelanschlag (Reuters 29.2.2016). Bei einem weiteren - ebenfalls vom IS verübten - Selbstmordanschlag am 6.3.2016 südlich der Stadt Bagdad starben 47 Menschen (NG 6.3.2016).

Es gab in Bagdad Entführungen und erzwungene Vertreibungen, die von bewaffneten - mit der Regierung verbundenen - Gruppen verübt wurden, sowie Zusammenstöße zwischen den ISF und nicht-staatlichen bewaffneten Gruppen, beziehungsweise zwischen bewaffneten schiitischen Gruppen selbst. Nach einer Stellungnahme, die von sunnitischen Lehrern herausgegeben wurde, haben Regierungstruppen und schiitische Milizen in vielen Vierteln Bagdads Sunniten gewaltsam vertrieben (UK Home Office 11.2015). Laut Human Rights Watch sprachen v.a. in den Provinzen Bagdad und Diyalah kriminelle Banden, die laut sunnitischen Opfern mit den irakischen Sicherheitskräften und den schiitischen Milizen verbunden sind, Drohungen aus und verübten Morde, die nicht untersucht wurden (HRW 27.1.2016). Die für Menschenrechtsverletzungen bekannte schiitische Miliz Asa'ib Ahl al-Haqq hat in Bagdad großen Einfluss, insbesondere in den Vierteln/Bezirken Kadhimiya, Rusafa, Yarmouk, A'amel, 9 Nissan, Dora und Sha'ab. Zum Teil ist die Miliz in Bagdad einflussreicher als die örtliche Polizei. Übergriffe auf benachbarte sunnitische Viertel kommen vor (ISW 12.2012, vgl. FIS 29.4.2015).

Schätzungen des Jahres 2009 zufolge sind ca. 80 - 85% der Einwohner Bagdads der schiitischen Glaubensrichtung zugehörig (FIS 29.4.2015).

Die vielen nach Bagdad strömenden Binnenflüchtlinge verschärfen die Spannungen in Bagdad noch zusätzlich. Es kommt zu Vertreibungen von Binnenflüchtlingen, sowie zu Drohungen, Morden und Entführungen (UNAMI 13.6.2015). Iraks Hauptstadt ist in zunehmendem Maße religiös gespalten und in schiitische und sunnitische Viertel geteilt, wobei die schiitisch dominierten Viertel stark zunehmen. Gemischte Viertel gibt es immer

weniger. Die folgenden Karten von 2003, 2010 und 2015 veranschaulichen dies: Bild kann nicht dargestellt werden

Quelle: National Geographic (o.D.)

Bild kann nicht dargestellt werden

Bild kann nicht dargestellt werden

Quelle: Izady 2016

Im Jahr 2015 gab es in der Region Bagdad 12.909 Gewalt-Opfer unter der Zivilbevölkerung, davon kamen 3.736 Personen ums Leben und 9.173 wurden verletzt. Die Region Bagdad war diesbezüglich zahlenmäßig - verglichen mit den übrigen Provinzen Iraks - am stärksten betroffen. Dies gilt auch für die ersten beiden Monate des Jahres 2016, in denen in der Region Bagdad zumindest 576 Zivilisten getötet und

1.623 Zivilisten verletzt (UNIRAQ 1.-12.2015).

Der aktuellen Berichterstattung folgend gehen Anschläge in Bagdad in erster Linie von der terroristischen Gruppierung IS aus und richten sich im Wesentlichen gegen die schiitische Bevölkerung und staatliche Sicherheitskräfte. So wird im Jänner 2016 über die Explosion einer Autobombe und anschließende Gefechte nahe einem Einkaufzentrum mit zahlreichen Toten und Verletzten im schiitischen Osten berichtet (FAZ 11.1.2016). Am 13.11.15 wurden bei einem Selbstmordanschlag in Bagdad mindestens 18 Menschen getötet und weitere 41 verletzt. Bei der Beerdigung eines schiitischen Kämpfers im Südwesten der Hauptstadt hat der Täter einen Sprengstoffgürtel gezündet (BAMF 16.11.2015). Zuvor wurden bereits bei einem Selbstmordanschlag bei einer schiitischen Prozession im Norden von Bagdad sieben Menschen, darunter zwei Polizisten, getötet (Reuters 26.10.2015). Ein IS-Selbstmordattentäter tötete im April 2016 8 Personen in der Nähe einer schiitischen Moschee, Asaib-Ahl-al-Haq-Milizionäre hielten die Medien davon ab, Fotos oder Videos anzufertigen (Agence France-Presse, 12.09.2015).

Bei drei Bombenanschlägen im Großraum Bagdad Ende April 2016 wurden mindestens 25 Menschen getötet und Dutzende weitere verletzt worden. Die Anschläge fanden im Bezirk Saydiya der Hauptstadt sowie in Tarmiya im Norden und Khalisa im Süden davon statt. Zu den Angriffen bekannte sich zunächst niemand. In Saydiya starben 22 Menschen, als sich ein Selbstmordattentäter mit einem Wagen in die Luft sprengte. Bei den Opfern handelt es sich um schiitische Besucher einer religiösen Gedenkfeier. Die sunnitische Extremisten-Miliz Islamischer Staat (IS) verübte im April 2016 häufig Angriffe auf Schiiten in der Region. Am 30.4.2016 waren bei einem Anschlag in Bagdad 19 Menschen ums Leben gekommen (Standard 2.5.2016).

Quellen:

http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1448438071_iraq-cig-security-situation-nov-15.pdf , Zugriff 4.1.2016

UNAMI - UN Assistance Mission for Iraq (13.6.2015): Report on the Protection of Civilians in Armed Conflict in Iraq: 11 December 2014 - 30 April 2015,

http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1436959266_unami-ohchr-4th-pocreport -

11dec2014-30april2015.pdf, Zugriff 22.3.2016

http://reliefweb.int/report/iraq/iraq-un-casualty-figures-april-2015-enar ,

May: http://www.un.org/apps/news/story.asp?NewsID=51021 , June:

http://www.uniraq.org/index.php?option=com_k2&view=item&id=4031:casualty-figures-for-the-month-of-june-2015-in-iraq-continue-to-be-on-the-high-side&Itemid=633&lang=en ,

July:

http://www.uniraq.org/index.php?option=com_k2&view=item&id=4111:casualty-figures-for-the-month-of-july-2015&Itemid=633&lang=en ,

August:

http://www.uniraq.org/index.php?option=com_k2&view=item&id=4230:un-casualty-figures-for-the-month-of-august-in-grievous-increase&Itemid=633&lang=en , Sept.:

http://www.uniraq.org/index.php?option=com_k2&view=item&id=4344:un-casualty-figures-for-the-month-of-september-2015&Itemid=633&lang=en , Oct.:

http://www.uniraq.org/index.php?option=com_k2&view=item&id=4454:un-casualty-figures-for-the-month-of-october-2015&Itemid=633&lang=en , Nov.

http://www.uniraq.org/index.php?option=com_k2&view=item&id=4610:un-casualty-figures-for-the-month-of-november-2015&Itemid=633&lang=en , Dez.

http://reliefweb.int/report/iraq/un-casualty-figures-month-december-2015 , Jan.2016

http://www.uniraq.org/index.php?option=com_k2&view=item&id=5147:un-casualty-figures-for-the-month-of-january-2016&Itemid=633&lang=en , Feb.2016

http://www.uniraq.org/index.php?option=com_k2&view=item&id=5284:un-casualty-figures-for-iraq-for-the-month-of-february-2016&Itemid=633&lang=en

2.3. Kurdisches Autonomiegebiet (KRI)

Die Sicherheitslage in den autonomen Kurdengebieten ist verglichen mit der Situation im übrigen Irak gut (RI 2.11.2015).

In Artikel 117 der Verfassung wird die Region Kurdistan-Irak mit ihren Institutionen als eine Region des Irak anerkannt. Gemäß Art. 121 der irakischen Verfassung üben kurdische Sicherheitskräfte (insbesondere die militärisch organisierten Peschmerga und die Sicherheitspolizei Asayisch) die Sicherheitsverantwortung in den Provinzen Erbil, Sulaymaniya, Dohuk und Halabja aus; diese Kräfte kontrollieren darüber hinaus de facto Teile der Provinzen Diyala, Kirkuk und Ninawa (Mosul). Sie unterstehen formal der kurdischen Regionalregierung und sind nicht in den Sicherheitsapparat der Zentralregierung eingegliedert. Die kurdischen Sicherheitskräfte bilden de facto keine homogene Einheit, sondern sind anfällig für Einflussnahme der beiden großen Parteien KDP und PUK (s.o.) in ihren jeweiligen Einflussgebieten.

Die Region Kurdistan-Irak wird von einer Regionalregierung verwaltet, die von den beiden großen kurdischen Parteien KDP und PUK getragen wird. Die KDP (Kurdische Demokratische Partei) des kurdischen Regionalpräsidenten Massoud Barzani kontrolliert die Provinzen Erbil und Dohuk im Norden des Kurdengebiets mit Grenzen zu Syrien, Türkei und Iran. Die PUK (Patriotische Union Kurdistans) übt traditionell die Kontrolle über die Provinzen Sulaimaniya und Halabja im Süden des Kurdengebiets mit Grenze zu Iran aus. Im Zuge des Kampfes gegen IS haben die kurdischen Peschmerga-Kämpfer auch die ölreiche und von vielen Kurden bewohnte Provinz Kirkuk unter ihre Kontrolle gebracht. Auch diese gilt als Einflussgebiet der PUK.

Innerirakische Migration in die Region Kurdistan-Irak ist möglich. Durch ein Registrierungsverfahren wird der Zuzug kontrolliert. Wer dauerhaft bleiben möchte, muss zur Asayisch-Behörde des jeweiligen Bezirks gehen und sich anmelden. Informationen über die Anzahl der Anträge und Ablehnungen werden nicht veröffentlicht. Durch den Zustrom von Binnenvertriebenen ist die Region Kurdistan-Irak an der Grenze ihrer Aufnahmefähigkeit angelangt. Mehr als 900.000 Binnenflüchtlinge sind allein seit Anfang des Jahres 2014 nach Kurdistan-Irak geflohen. Hinzu kommen mehr als 250.000 syrische Flüchtlinge. Es gibt inzwischen regelmäßige Linienflüge wichtiger Luftfahrtgesellschaften, u.a. aus Europa und Staaten des Nahen Ostens, nach Bagdad (Royal Jordanian, Middle East Airlines, Turkish Airlines) sowie nach Erbil (Lufthansa, Austrian Airlines, Turkish Airlines, Germania) und Sulaymaniya (Turkish Airlines, Germania). Die Sicherheit von Rückkehrern ist von einer Vielzahl von Faktoren abhängig, u.a. von ihrer ethnischen und religiösen Zugehörigkeit, ihrer politischen Orientierung und den Verhältnissen vor Ort. Während Rückführungen in die Region Kurdistan auch von Deutschland aus regelmäßig stattfinden, werden Abschiebungen nach Zentralirak aus Deutschland gar nicht und von anderen Staaten sehr verhalten durchgeführt. Die irakische Regierung hat anlässlich der Rückführungsverhandlungen mit den Niederlanden im September 2012 betont, dass sie grundsätzlich die zwangsweise Abschiebung seiner Staatsangehörigen ablehne. Andererseits führen z.B. Schweden, Großbritannien und Australien vereinzelt Abschiebungen durch und planen dies auch für die Zukunft In der Region Kurdistan-Irak wie auch in weiteren Gebieten, die unter Kontrolle der kurdischen Regionalregierung stehen, sind Minderheiten weitgehend vor Gewalt und Verfolgung geschützt (AA 16.02.2016).

Immer wieder finden jedoch vereinzelte Anschläge statt. Verübt werden diese oft von kurdischen IS-Kämpfern. Neben den tausenden Kurden, die den IS bekämpfen, haben sich einige hundert dem IS angeschlossen. Viele sind in Schläferzellen innerhalb der KRI organisiert und verüben vereinzelte Anschläge (Al Arabiya 17.9.2015). Laut Iraq Body Count wurden zwischen Anfang Jänner und Ende September 2015 in den drei Provinzen Erbil, Dohuk und Suleimaniya bei 11 Vorfällen 28 Menschen getötet. Im (gesamten) Jahr 2014 waren es nach derselben Quelle 15 Vorfälle mit 36 getöteten Menschen (Iraq Body Count 30.9.2015). Darüber hinaus kommt es auf Grund der Spannungen zwischen den irakisch-kurdischen Parteien vermehrt zu Demonstrationen, teilweise sogar mit einigen Todesopfern (Standard 13.10.2015).

Nach der Rückeroberung der Stadt Sinjar am 12.11.2015 kontrollieren kurdische Peshmerga insgesamt bereits 95% jenes Gebietes, das sie unter ihrer Kontrolle sehen wollten, entlang eines nunmehrigen Grenzverlaufs von ca. 1.600 km stehen derzeit über 160.000 kurdische Kämpfer den Milizen des IS gegenüber (Jamestown Foundation 17.12.2015)-

Auf Grund des Konfliktes zwischen der Türkei und der verbotenen Kurdischen Arbeiterpartei PKK kommt es im Nordirak auch immer wieder zu türkischen Kampfeinsätzen gegen die PKK, die in den Bergen Nordiraks Stützpunkte betreibt. Dabei werden auch immer wieder kurdische Kämpfer, vereinzelt auch Zivilisten getötet (Hürriyet Daily News 7.8.2015, vgl. Reuters 19.9.2015 und Reuters 1.8.2015). Im Jänner 2016 zerstörte die Türkei im Zuge von Luftschlägen im Nordirak einige Lager und Unterkünfte der PKK (MIMO 13.1.2016). Laut einer Pressemeldung [von welcher Presse wird im Bericht nicht erwähnt], die sich auf irakische Medienberichte beruft, hat die türkische Luftwaffe am 17.02.16 abermals Stellungen der kurdischen Arbeiterpartei PKK im Nordirak bombardiert (BAMF 22.2.2016).

Quellen:

www.derstandard.at/2000023698931/Barzani-Partei-wirft-Gegner-aus-Regierung-und-Parlament , Zugriff 15.1.2016

3. Rechtsschutz/Justizwesen

Anm.: Dieser Abschnitt ist nur relevant für Gebiete, in denen das staatliche Rechtssystem greift. Dies ist in Teilen des Landes nicht oder nur eingeschränkt der Fall (in vom IS besetzten Gebieten, oder teilweise in einigen von schiitischen Milizen dominierten Gebieten).

Das Strafjustizwesen wies laut Amnesty International weiterhin gravierende Mängel auf. Der Justiz fehlte es an Unabhängigkeit. Die Verfahren waren systematisch unfair, insbesondere solche, in denen Anklage wegen terroristischer Straftaten erhoben wurde und die Todesstrafe verhängt werden konnte. Gerichte sprachen Angeklagte aufgrund von "Geständnissen" schuldig, die unter Folter erpresst worden waren, und die teilweise bereits vor Prozessbeginn von staatlichen Fernsehsendern ausgestrahlt wurden (AI 24.2.2016). Der irakische Staat verhängt Todesstrafen aufgrund von Geständnissen, die durch Folter erzwungen wurden (RFE/RL 5.11.2015). Rechtsanwälte, die Terrorismusverdächtige verteidigten, wurden von Sicherheitsbeamten bedroht und eingeschüchtert und von Milizen tätlich angegriffen. Der IS und andere bewaffnete Gruppen attackierten und töteten weiterhin Richter, Rechtsanwälte und Justizbedienstete. Im Juli 2015 verurteilte das Zentrale Irakische Strafgericht in Bagdad 24 mutmaßliche IS-Mitglieder zum Tode. Die Männer waren für schuldig befunden worden, im Juni 2014 mindestens

1.700 Militärkadetten des Militärstützpunkts Camp Speicher in der Nähe von Tikrit in der Provinz Salah al-Din getötet zu haben. Vier weitere Angeklagte wurden freigesprochen. Die Gerichtsverhandlung dauerte nur wenige Stunden und stützte sich weitgehend auf "Geständnisse", die nach Angaben der Angeklagten während ihrer Untersuchungshaft unter Folter erpresst worden waren, sowie auf ein Video des Massakers, das der IS zuvor in Umlauf gebracht hatte. Die Angeklagten bestritten ihre Beteiligung an den Tötungen. Einige gaben an, zum Tatzeitpunkt nicht in Tikrit gewesen zu sein. Keiner der Angeklagten hatte einen Rechtsbeistand seiner Wahl. Alle wurden von Rechtsanwälten vertreten, die das Gericht ernannt hatte. Diese plädierten zwar für milde Urteile, stellten aber die Beweise oder die Zulässigkeit der "Geständnisse" nicht in Frage (AI 24.2.2016).

Laut Bericht des Auswärtigen Amtes findet die Verfolgung von Straftaten nur unzureichend statt. Es mangelt an ausgebildeten, unbelasteten Richtern; eine rechtsstaatliche Tradition gibt es nicht. Häufig werden übermäßig hohe Strafen verhängt. Obwohl nach irakischem Strafprozessrecht Untersuchungshäftlinge binnen 24 Stunden einem Untersuchungsrichter vorgeführt werden müssen, wird diese Frist nicht immer respektiert und zuweilen auf 30 Tage ausgedehnt. Freilassungen erfolgen mitunter nur gegen Bestechungszahlungen. Insbesondere Sunniten beschweren sich über eine sogenannte "schiitische Siegerjustiz" und einseitige Anwendung der bestehenden Gesetze zu ihren Lasten (AA 18.2.2016).

Quellen:

http://www.bti-project.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2016/pdf/BTI_2016_Iraq.pdf , Zugriff 10.3.2016

4. Allgemeine Menschenrechtslage

Staatliche Stellen sind nach wie vor für zahlreiche Menschenrechtsverletzungen verantwortlich und trotz erkennbarem Willen der Regierung Abadi nicht in der Lage oder bereit, die in der Verfassung verankerten Rechte und Grundfreiheiten zu gewährleisten. Derzeit ist es staatlichen Stellen zudem nicht möglich, das Gewaltmonopol des Staates sicherzustellen. Insbesondere schiitische Milizen, aber auch sunnitische Stammesmilizen handeln eigenmächtig. Dies geht nach Informationen von Menschenrechtsorganisationen sowie den Vereinten Nationen einher mit Repressionen, mitunter auch extralegalen Tötungen sowie Vertreibungen von Angehörigen der jeweils anderen Konfession (AA 18.2.2016).

Auch laut Amnesty International sind sowohl Sicherheitskräfte der Regierung, regierungstreue Milizen, als auch die bewaffnete Gruppe Islamischer Staat (IS) für Kriegsverbrechen und Menschenrechtsverstöße verantwortlich. Regierungstruppen waren für wahllose Angriffe auf Gebiete unter IS-Kontrolle verantwortlich und verübten außergerichtliche Hinrichtungen. Die Menschenrechtslage habe sich im Jahr 2015 weiter verschlechtert. Alle Konfliktparteien begingen Kriegsverbrechen sowie andere Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht und Menschenrechtsverstöße. Berichten zufolge setzten sowohl die "Einheiten der Volksmobilisierung" (al-Hashd al-Shaabi) (v.a. bestehend aus von der Regierung legitimierten schiitischen Milizen) als auch der "Islamische Staat" Kindersoldaten ein.

Im Juli und August 2015 beteiligten sich in Bagdad, Basra und anderen Städten tausende Menschen an Straßenprotesten gegen staatliche Korruption, Engpässe in der Strom- und Wasserversorgung und die Unfähigkeit der Behörden, grundlegende Versorgungsleistungen sicherzustellen. Mindestens fünf Personen wurden getötet, als die Sicherheitskräfte exzessive Gewalt einsetzten, um die Demonstrationen aufzulösen. In den darauffolgenden Wochen wurden mehrere Anführer der Proteste in Bagdad, Nassiriya und Basra von Unbekannten getötet. Der Innenminister behauptete, die Tötungen stünden nicht in Zusammenhang mit den Demonstrationen. Es blieb jedoch unklar, ob die Behörden die Vorfälle gründlich untersuchten.

Es kommt weiterhin zu Menschenrechtsverletzungen durch Polizei und andere Sicherheitskräfte. Der in der Verfassung festgeschriebene Aufbau von Menschenrechtsinstitutionen kommt nur schleppend voran. Die unabhängige Menschenrechtskommission konnte sich bisher nicht als geschlossener und durchsetzungsstarker Akteur etablieren. Im Zuge der Rückeroberung von Gebieten, die der IS im Jahr 2014 erobert hatte, kommt es auch zu Repressionen durch kurdische Peschmerga, durch schiitische und auch sunnitische Milizen insbesondere gegen Angehörige (anderer) sunnitischer Stämme, die der Kollaboration mit dem IS bezichtigt werden (AA 18.2.2016).

Journalisten mussten 2015 weiterhin unter extrem gefährlichen Bedingungen arbeiten. Sie waren Drohungen und tätlichen Angriffen durch Sicherheitskräfte ausgesetzt und mussten befürchten, vom IS und anderen bewaffneten Gruppen verschleppt und getötet zu werden. Im April 2015 erklärte der Innenminister, die negative Berichterstattung der Medien über die Sicherheitskräfte behindere den Kampf gegen den IS (AI 24.2.2016).

Auf dem Weltpressefreiheitsindex 2014 belegt der Irak Platz 153 von 180 und liegt damit nur unwesentlich besser als am absoluten Tiefpunkt von Platz 158 im Jahr 2008. Zudem war der Irak im Jahr 2014 das viert-tödlichste Land für Journalisten - was insbesondere mit Gewaltakten an Journalisten durch den IS zusammenhängt (ÖB Amman 5.2015).

Abgesehen von Journalisten gibt es eine Reihe anderer Personengruppen, die besonders gefährdet sind: Besonders gefährdete gesellschaftliche Gruppen sind Polizisten, Soldaten, Intellektuelle, Richter und Rechtsanwälte, alle Mitglieder des Sicherheitsapparats sowie sogenannte "Kollaborateure" sind besonders gefährdet. Auch Mitarbeiter der Ministerien sowie Mitglieder von Provinzregierungen werden regelmäßig Opfer von gezielten Attentaten. Neben Autobomben kommen dabei häufig schallgedämpfte Waffen zum Einsatz. Inhaber von Geschäften, in denen Alkohol verkauft wird (meist Angehörige von Minderheiten), Zivilisten, die für internationale Regierungs- und Nichtregierungsorganisationen oder ausländische Unternehmen arbeiten, Friseure und medizinisches Personal werden ebenfalls immer wieder Ziel von Anschlägen. Eine Vielzahl von ehemaligen Mitgliedern der seit 2003 verbotenen Baath-Partei Saddam Husseins ist, soweit nicht ins Ausland geflüchtet [oder im Dienst des IS - s. Abschnitt 2.2.], häufig auf Grund der Anschuldigung terroristischer Aktivitäten in Haft. Laut der UN-Mission haben viele von ihnen weder Zugang zu Anwälten noch Kontakt zu ihren Familien (AA 18.2.2016).

Quellen:

4.1. Islamischer Staat

Der IS begeht im Irak massive Menschenrechtsverletzungen. Das Iraqi Observatory for Human Rights berichtet von 7.700 Exekutionen, die der IS im Irak durchgeführt haben soll. Ungefähr 2.100 davon fanden in der IS-Hochburg Mossul statt, 1.900 in der Provinz Anbar. 250 in der Provinz Diyala und 110 in der Provinz Kirkuk. Dabei sind bei diesen Zahlen weitere tausende Opfer des IS noch nicht berücksichtigt, die z.B. im Zuge von Selbstmordattentaten getötet wurden. Ebenfalls nicht in diesen Zahlen berücksichtigt sind die ungefähr 5.000 Jesiden, die im August 2014 in der Provinz Sinjar vom IS getötet wurden, während sie versuchten dem IS zu entkommen. Es kann vermutet werden, dass die Todeszahlen in Wahrheit noch wesentlich höher sind als die bereits sehr hohen hier dokumentierten Zahlen.

Der IS wendet besonders grausame Methoden der Folter und Exekution an, wie z.B. Steinigungen, Enthauptungen, Herunterwerfen von Gebäuden oder das Benutzen von Kindern, um die Exekution zu vollziehen (Ibitimes 24.9.2015). Exekutionen und Folter gegen "Ungläubige" finden in Öffentlichkeit statt, um den abschreckenden Effekt zu steigern. Menschenrechtsverletzungen durch den IS richten sich gegen alle Gruppen, die die Ideologie des IS ablehnen, darunter Christen, Jesiden, Sunniten und Schiiten (UN Security Council 29.1.2016).

Insbesondere die jesidische Bevölkerung ist von Genozid, Vergewaltigungen, Folterungen und Mord betroffen, wie das US Holocaust Memorial Museum in seinem Bericht schreibt. Große Zahlen von jesidischen Frauen und Kindern, die gekidnappt worden sind, werden als SklavInnen, zum Teil als Sex-SklavInnen gehalten oder verkauft (Agence France-Presse 13.11.2015). Auch andere ethnische und religiöse Minderheiten wie beispielsweise die Schabak und die Turkmenen sind von massiven Menschenrechtsverletzungen betroffen (ÖB Amman 5.2015). Christen, Jesiden, Turkmenen und Schabak sind von massiven Vertreibungen von Seiten des IS betroffen (FAZ 15.11.2015).

Es gibt in den vom IS kontrollierten Gebieten sehr strenge Verhaltens- und Kleidungsvorschriften. Frauen müssen sich komplett mit schwarzer Kleidung verhüllen, es gibt Berichte von Männern, die ausgepeitscht wurden, weil ihre Ehefrauen nicht vollständig verhüllt waren. Die Menschen in diesen Gebieten leben in ständiger Angst, für "Vergehen" bestraft zu werden (BBC 9.6.2015), wie z.B. den Besitz eines Mobiltelefons. Die Flucht aus Mossul wird durch Verminung verhindert, sodass die Stadt einer Art Gefängnis gleicht (Guardian 9.12.2015).

Mit der Genehmigung des IS dürfen Personen teilweise die vom IS kontrollierten Städte verlassen, in der Regel werden dann Besitztümer (z.B. das Auto) als Pfand verlangt, die eingezogen werden, falls der Ausreisende nicht mehr zurückkehrt (Daily Star 2.6.2015). In anderen Fällen wird auch die Herausgabe der Namen der Verwandten des Ausreisenden verlangt. Diese können dann im Falle des Fernbleibens inhaftiert werden (BID 2.1.2016).

Berichten des UNHCR zufolge sollen in Falluja (Provinz Anbar), rund 70 Kilometer westlich von Bagdad, mindestens 76 Menschen aufgrund mangelhafter Ernährung und fehlender Medikamente gestorben sein. 65 von ihnen hätten nicht mit den notwendigen Medikamenten versorgt werden können, elf seien durch verdorbene oder ungeeignete Nahrung vergiftet worden. UNHCR zufolge können aufgrund der IS-Kontrolle keine Helfer in die Stadt gelangen. Infolge der Blockade sind - medizinischen Kreisen zufolge - in den vergangenen Wochen rund 200 Menschen gestorben (BAMF 22.2.2016). Angaben aus Diplomatenkreisen zufolge hat der IS im Jahr 2015 Senfgas gegen kurdische Kämpfer südlich der kurdischen Stadt Erbil (Provinz Erbil) eingesetzt. Labortests von Proben, die kurdische Kämpfer im letzten August bei einem Gasangriff genommen hatten, sind allerdings noch nicht abgeschlossen (BAMF 22.2.2016).

Quellen:

Agence France-Presse (13.11.2015): IS committing genocide against

Yazidis in Iraq: report,

http://reliefweb.int/report/iraq/committing-genocide-against-yazidis-iraq-report , Zugriff 15.1.2016

4.2. Regierung, ISF, schiitische Milizen

Die laut Human Rights Watch außer Kontrolle geratenen schiitischen Milizen (HRW 20.9.2015) begehen breit angelegte und systematische Menschenrechtsverletzungen (AI 24.2.2016, HRW 27.1.2016). Es werden Zivilisten werden aus ihren Häusern vertrieben, gekidnappt, willkürlich verhaftet, gefoltert und in einigen Fällen in Massenexekutionen getötet. Insbesondere in jenen Gebieten, die die Milizen vom IS zurückerobern, wird die sunnitische Bevölkerung pauschal schikaniert. V.a. die Miliz Asa'ib Ahl Al Haqq ist hier besonders hervorzuheben (HRW 15.2.2015, vgl. BTI 2016). Von den schiitischen Milizen wurden ganze Dörfer systematisch zerstört, sie wurden geplündert, niedergebrannt, oder gesprengt (HRW 27.1.2016). Von April bis Dezember 2015 sind alleine in der Provinz Salah al-Din zumindest 718 Sunniten von Kämpfern schiitischer Milizen entführt worden (Reuters 14.12.2015). Es werden sogar Stimmen laut, die meinen, dass sich einige der schiitischen Milizen teilweise hinsichtlich ihres reaktionären Gesellschaftsbildes und ihrer Brutalität gegenüber Andersgläubigen, kritischen JournalistInnen und Menschen mit anderer sexueller Orientierung kaum vom IS unterscheiden (Rohde 9.11.2015). Auch die irakischen Sicherheitskräfte (ISF) selbst verübten Attacken auf zivile sunnitische Gebiete (ISW o.D.).

Quellen:

AI - Amnesty International (24.2.2016): Amnesty International Report 2015/16 - The State of the World's Human Rights - Iraq, https://www.ecoi.net/local_link/319677/445031_en.html , Zugriff 10.3.2016

http://www.bti-project.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2016/pdf/BTI_2016_Iraq.pdf , Zugriff 10.3.2016

http://www.ecoi.net/local_link/315594/454291_de.html , Zugriff14.1.2016

https://www.ecoi.net/local_link/318408/443588_en.html , Zugriff 6.4.2016

4.3. Kurdisches Autonomiegebiet und die von den Kurden besetzten Gebiete

Das kurdische Autonomiegebiet ist vergleichsweise deutlich weniger von der konfessionell geprägten Gewalt betroffen, die im Rest von Irak vorherrscht (USDOS 25.6.2015). Die bewaffneten Milizen der beiden kurdischen Parteien KDP und PUK agieren jedoch teilweise in Eigenregie und verletzten im Laufe ihrer Geschichte immer wieder die Menschenrechte ohne strafrechtliche Konsequenzen. Bei Protesten gegen die KDP im Oktober 2015 feuerten KDP-Offiziere Berichten zufolge Schüsse auf Demonstranten ab. Dabei kam es auch zu Todesfällen (AI 21.10.2015).

Das kurdische Gebiet im Irak gerät wegen seiner Behandlung von sunnitischen Arabern, aber auch von Jesiden zunehmend in Kritik. Die meisten Araber und Jesiden sind zwar froh darüber, in Kurdistan untergekommen zu sein, jedoch werden diese Gruppen zum Teil stark diskriminiert (Huffington 10.2015). Es wird von Drohungen und Schikanen gegenüber den jesidischen IDPs berichtet, sowie auch von gewaltsamen Vorfällen in diesem Zusammenhang (UNHCR 3.2016). Und es gibt zunehmende Feindseligkeiten gegenüber sunnitischen Arabern, da viele verdächtigt werden, mit dem IS zu kooperieren (Reuters 20.10.2015). Der durch die Flüchtlingswellen entstehende enorme Bevölkerungszuwachs in der Autonomieregion belastet die lokalen Dienstleistungen und die Infrastruktur, beeinträchtigt die Bereitstellung grundlegender Dienste und bringt die wirtschaftliche Kapazität der kurdischen Regionalregierung an ihre Grenzen (IOM 31.8.2015).

Bei Verhören von Terrorverdächtigen kommt es teilweise zur Anwendung von Folterpraktiken (s. Abschnitt 6). In den von den kurdischen Streitkräften eroberten Gebieten (z.B. Kirkuk) kommt es zu Vertreibungen von Arabern. Von den Kurden wurden tausende Häuser von Arabern zerstört, um zu verhindern, dass diese zurückkehren (BBC 20.1.2016).

Quellen:

http://www.ecoi.net/local_link/315594/454291_de.html , Zugriff14.1.2016

http://www.trust.org/item/20151020050154-9ivj7 , Zugriff 8.3.2016

5. IDPs und Flüchtlinge / Bewegungsfreiheit

Der Irak ist seit über einem Jahrzehnt Schauplatz enormer Vertreibungswellen. Innerhalb der letzten beiden Jahre hat sich dies auf Grund der Verschlechterung der Sicherheitslage im Zentral- und Südirak noch einmal massiv verschärft (RI 2.11.2015). Seit Januar 2014 sind geschätzte 3,2 Millionen Menschen zu Internvertriebenen (IDPs) geworden (Stand 1. Jänner 2016). Über 10 Millionen Menschen sind derzeit auf humanitäre Hilfe angewiesen (UNOCHA 4.1.2016). Außerdem befinden sich im Irak rund 245.000 syrische Flüchtlinge (WFP 15.12.2015).

Die Kämpfe zwischen den Regierungstruppen und dem IS führten dazu, dass fast 3,2 Mio. Menschen aus den Provinzen Anbar, Niniveh und Salah al-Din ihre Heimat verließen und in anderen Teilen des Landes Schutz suchten. Viele flohen in die Region Kurdistan oder in andere Provinzen. Einige der Binnenvertriebenen wurden mehr als einmal vertrieben. Im Mai 2015 flohen etwa 500.000 Menschen aus der Provinz Anbar, nachdem der IS die Provinzhauptstadt Ramadi eingenommen hatte. Vielen von ihnen wurde eine Aufnahme in Bagdad von den Behörden verwehrt. Die humanitären Bedingungen für die Binnenvertriebenen waren nach wie vor hart; in vielen Fällen hatten sie keinen Zugang zu grundlegenden Versorgungsleistungen. Einige Vertriebene sollen in der kurdischen Stadt Sulaimaniyah von der dortigen Bevölkerung tätlich angegriffen und verletzt worden sein. Andere, die in die Region Kurdistan geflohen waren, wurden inhaftiert, weil man sie verdächtigte, mit dem IS in Verbindung zu stehen.

IOM dokumentierte für den Zeitraum 1.1.2014 bis 3.12.2015 3.195.390 internvertriebene Iraker (532.565 Familien). In den Provinzen Bagdad und Anbar befinden sich mit jeweils 18 Prozent die größten Anteile dieser IDPs, in Dahuk 13 Prozent, Kirkuk 12, Erbil 10, Ninewa 7 und in Suleimaniya 5 Prozent. Bis Dezember 2015 seien Berichten zufolge

458.358 Personen zu ihrem Herkunftsort zurückgekehrt (IOM 18.12.2015). Die folgende Grafik zeigt die Herkunftsregionen der IDPs in Prozent:

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(Quelle: IOM 3.2016)

Die Hauptstadt Bagdad (ca. 570.000) und in geringerem Maße der schiitisch geprägte Südirak (ca. 200.000) haben zahlreiche Binnenvertriebene aus umkämpften Gebieten aufgenommen. Aus Furcht vor der Infiltration von Terroristen kam es jedoch zeitweise zur Schließung von Provinzgrenzen. So wurde z.B. im Mai 2015 Flüchtlingen, besonders jungen Männern, aus Anbar der Zugang nach Bagdad verwehrt (AA 18.2.2016). Es gab Berichte, dass IDPs aufgrund ihrer Identität oder Herkunft der Zugang zu sicheren Gebieten versperrt wurde, wodurch sie potentieller Gefahr ausgesetzt wurden. In zahlreichen Gebieten waren IDPs Einschränkungen der Bewegungsfreiheit ausgesetzt, die gegen internationale Standards verstoßen. Der für diese Einschränkungen angegebene Grund ist zumeist die Furcht vor militanten Gruppen, die in Checkpoints eindringen oder Schläferzellen aufbauen könnten. Seit Jänner 2015, als der IS in Anbar erstmals aktiv wurde, wurden Berichte von Menschen, die an Checkpoints festgehalten wurden und daran gehindert wurden, bestimmte Provinzen des Irak zu betreten, immer häufiger. Es gibt regelmäßige Berichte von Zugangssperren in von der irakischen Regierung kontrollierte Gebiete, sowie auch in unter der Kontrolle der Autonomieregion Kurdistan stehende Gebiete. Laut OCHA sind zahlreiche Checkpoints für IDPs geschlossen, zuletzt v.a. im Süden von Sulaymaniyah und in der Provinz Kirkuk. Im Süden verhindern die Zugangsbeschränkungen das Vorankommen von sunnitischen IDPs in die vorwiegend schiitischen Provinzen. Das betrifft viele Familien aus Anbar, die z.B. nach Bagdad, Karbala und Basra wollen. Generell gibt es starke Einschränkungen der Bewegungsfreiheit aufgrund von konfessionellen Spannungen, insbesondere in Bagdad und Salah al-Din, und dies beeinträchtigt die Möglichkeit der Menschen, Zugang zu Versorgungsleistungen und Unterstützung zu finden (IRIN 19.5.2015). Seit dem Vormarsch von ISIS und der damit einhergehenden verschlechterten Sicherheitslage in Irak im Jahre 2014 haben sich die konfessionellen und ethnischen Spannungen in ganz Irak erhöht und hat die Homogenisierung zugenommen, auch in Bagdad. Vor allem für Sunniten und Schiiten ist es wichtig, dass sie sich in einem Gebiet/Viertel ihrer eigenen religiösen Strömung niederlassen. In der Regel fliehen Vertriebene nicht in ein willkürliches Gebiet, sondern sie wählen einen Ort aus, wo sie eine tribale, religiöse, ethnische oder politische Verbindung haben. Im Irak, inklusive der kurdischen Autonomieregion (KAR), ist die Wahrscheinlichkeit größer, dass Vertriebene von staatlicher Hilfe oder humanitärer Hilfe abhängig werden, wenn sie keine Verbindungen in dem Gebiet haben. Der Zutritt kann davon abhängen, ob man einen Bürgen hat, was unter anderem für die KAR, aber auch für Provinzen in Zentral- und Süd-Irak wie Bagdad und Quadissya, gilt (Ministerium für Ausländerangelegenheiten, Bericht Sicherheitslage in Irak, April 2015).

Laut UK Home Office hängen die beobachteten Zugangsbeschränkungen meist mit bestimmten Kriterien zusammen, wie der Zusammensetzung der Familie, dem religiösen und ethnischen Hintergrund, dem Herkunftsort, dem Alter, in der betreffenden Provinz und dem Mangel an Aufnahmekapazitäten (Home Office 11.2015, bzgl. des Kriteriums Alter: UNAMI 13.7.2015). Männern, die älter sind als 18 Jahre, ist beispielsweise die Einreise in die Provinz Qadisiya verwehrt worden, während die Provinzen Najaf und Wassit im Berichtszeitraum Dezember 2014 - April 2015 gar keinen neuen IDPs Einlass gewährten (UNAMI 13.7.2015). Die Provinz Babil (Anm.: auch Babylon) hat ab Mai 2015 ebenfalls keine IDPs mehr eingelassen (IOM 11.2015). Die Kriterien, die an solchen Zugangs-Checkpoints gelten, müssen nicht unbedingt klar definiert sein oder können sich plötzlich ändern. Eine häufig angewandte Beschränkung der Bewegungsfreiheit ist das sogenannte "Sponsorensystem". Personen, die in eine Provinz einreisen wollen, müssen einen Sponsor (eine Referenzperson, die im Zielgebiet lebt) vorweisen (Home Office 11.2015). Ein solches Sponsorensystem wird z. B. angewendet auf IDPs aus Anbar, die nach Bagdad flüchten wollen, sowie für viele IDPs, die in die kurdische Autonomieregion flüchten wollen (Home Office 11.2015) [Anm.: Für die Kurdenregion hat es diesbezüglich Änderungen gegeben, s. dazu Abschnitt 11.1.]. Im November 2015 berichtete auch IOM, dass die Bewegungsmöglichkeiten der Flüchtlinge nun noch mehr eingeschränkt seien, da die meisten Provinzen ein neues Gesetz angenommen hätten, das Binnenvertriebene dazu verpflichte, bei der Ankunft einen lokalen Bürgen vorzuweisen (IOM 11.2015).

Selbst wenn der Zugang gewährt wird, kann es für IDPs zusätzliche Anforderungen geben, um sich bei den lokalen Behörden zu registrieren (Home Office 11.2015). Der UNHCR berichtete bereits im Oktober 2014, dass speziell im Süden des Irak Binnenvertriebene von Provinz zu Provinz reisen, um Behörden zu finden, die sie registrieren, damit sie Zugang zu Leistungen wie z.B. Grundversorgung, Bildung und Bargeldversorgung erhalten. Darüber hinaus wird berichtet, dass die Fortbewegungsfreiheit der IDPs zusätzlich durch Unsicherheit (auch auf Grund konfessioneller Spannungen) und laufende militärische Operationen eingeschränkt ist. Der Großteil der Verbindungswege wird von bewaffneten Gruppen kontrolliert (UNHCR 10.2014). Zum Teil werden IDP-Familien nur dann durch einen Checkpoint gelassen, wenn sich die erwachsenen Männer bereit erklären den paramilitärischen Einheiten der Volksmobilisierung (PMU) beizutreten (UNAMI 13.7.2015). Die Ankunft von IDPs in einem bestimmten Gebiet verschärft immer auch die Spannungen zwischen den ethno-religiösen Gruppen (Home Office 11.2015).

In den Gebieten, die die Kurden vom IS zurückerkämpft haben, insbesondere in den von den Kurden neu besetzten Gebieten werden arabische IDPs von kurdischen Sicherheits-/Streitkräften zu tausenden in sogenannten Sicherheitszonen festgehalten. Sie werden davon abgehalten, in ihre Wohngebiete zurückzukehren, während die kurdischen IDPs zurückkehren dürfen. Teilweise werden auch gezielt Häuser von Arabern zerstört, damit diese nicht zurückkehren. Außerdem kommt es vor, dass Araber von KRI-Streitkräften ohne Anklage für längere Zeit inhaftiert werden (HRW 25.2.2015). Auch für die Stadt Kirkuk und Umgebung liegen Berichte vor, denen zufolge Sunniten von Kurden aus ihren Gebieten vertrieben werden (Deutschlandfunk 15.7.2015).

Die IDPs leben in gemieteten Unterkünften, unfertigen Gebäuden, Notunterkünften, oft ohne adäquate Ernährung, Wasserversorgung oder medizinische Versorgung. Von den 3,2 Millionen IDPs befinden sich in etwa 2,3 Millionen im Zentral- und Südirak (RI 2.11.2015). Das World Food Programme setzte sich das Ziel, 2,2 Millionen Vertriebene und vom Konflikt betroffene Personen im Irak mit einer monatlichen Essensration zu versorgen. Auf Grund der Zugangsbeschränkungen musste das Word Food Programme seine Hilfsleistungen zurückstufen und versorgt nun lediglich 1,5 Millionen Menschen jeden Monat (WFP 1.12.2015). Das World Food Programme war auf Grund von Unterfinanzierung dazu gezwungen, die Essensrationen um bis zu 50 Prozent zu verringern, was dazu führt, dass viele Familien, die bisher versorgt waren, nun ebenfalls unter Nahrungsmittel-Unsicherheiten leiden (UN News Service 27.11.2015).

In den nicht-kurdischen Gebieten erreicht die humanitäre Hilfe die Menschen weitaus seltener als in der kurdischen Autonomieregion teilweise, weil es an Information mangelt, welche Güter/Leistungen benötigt werden und wie diese dorthin transportiert werden sollen, und teilweise, weil gewaltsame Konflikte es den humanitären Organisationen praktisch unmöglich machen, in diesen Gegenden zu operieren (RI 2.11.2015).

Neben dem IS sind auch die Preisfluktuationen und die reduzierte Wasserversorgung dafür verantwortlich, dass die Nahrungsmittelproduktion im Irak lahm gelegt ist, was die Lage der 2,4 Millionen Iraker, die an unsicherer Nahrungsmittelzufuhr leiden, verschärft (UN News Service 27.11.2015). Ein UN-Beobachter hat bereits im Mai 2015 die irakischen Behörden für ihr Versagen, den fast 3 Millionen IDPs im Irak adäquate Unterstützung und Schutz zu bieten, massiv kritisiert (IRIN 19.5.2015).

Beispiele für die Rückkehr von Flüchtlingen, die vor dem Terror des IS geflohen waren, gibt es auch. So sind seit der Rückeroberung von Tikrit im vergangenen März durch schiitische Freiwilligenmilizen und die irakische Armee zwei Drittel der einst 200.000 - überwiegend sunnitischen - Einwohner in die Stadt zurückgekehrt (FAZ 15.11.2015).

Die Irak-Mission der UN-Organisation IOM (International Organisation for Migration), registrierte, auf der Grundlage von Informationen lokaler Behörden sowie eigener Mitarbeiter, bis Ende September 2015 insgesamt ca. 3,2 Millionen sogen. Intern Vertriebene Personen (IDP) innerhalb des Iraks.

In der Provinz Suleimanyiah, die eine sonstige Gesamtbevölkerung von ca. 1,9 Millionen aufweist, hielten sich im Mai 2015 insgesamt ca. 180.000 IDP, daneben noch ca. 30.000 Flüchtlinge aus Syrien auf, etwa die Hälfte davon wiederum innerhalb des Bezirks der Hauptstadt. Während ca. 80% aller IDP in dieser Provinz in angemieteten Unterkünften und nur 1,5% in informellen Unterkünften wohnen, lag die Beschäftigungsrate unter den IDP bei ca. 30%.

In der Provinz Erbil, die eine sonstige Gesamtbevölkerung von ca. 1,5 Millionen aufweist, hielten sich im Mai 2015 insgesamt ca. 250.000 IDP, daneben noch ca. 110.000 Flüchtlinge aus Syrien auf, etwa 65% wiederum innerhalb des Bezirks der Hauptstadt. Ca. 15% der IDP in den ländlichen Bezirken, insbesondere im Bezirk Makhmur, benötigten direkte Unterstützung in Fragen der Unterkunft und medizinischen Versorgung.

In der Provinz Dohuk, die eine sonstige Gesamtbevölkerung von ca. 500.000 aufweist, hielten sich im April 2015 insgesamt ca. 450.000 IDP, daneben noch ca. 100.000 Flüchtlinge aus Syrien auf, von den IDP hielten sich ca. 17% im Bezirk der Hauptstadt, 32% im nördlich gelegenen Bezirk Zakho, 45% im südlich gelegenen Bezirk Sumel und 6% im östlich gelegenen Bezirk Amedi auf. Die Mehrheit der IDP in dieser Provinz gehört der Minderheit der Jeziden an. Eine Verbesserung der Sicherheitslage in den ursprünglichen Herkunftsregionen der IDP führte seit Beginn des Jahres 2015 zur Rückkehr von ca. 5.000 Familien in Teile der Provinz Ninava. Jeweils zwischen 10 und 20% der IDP in der Provinz Dohuk benötigten direkte Unterstützung hinsichtlich Unterkunft, Nahrung, Waren des täglichen Bedarfs und medizinischer Versorgung.

Die Sicherheitslage in den drei genannten Provinzen wird als stabil angesehen, die durch die Flüchtlinge bewirkte Bevölkerungszunahme setzt jedoch die lokale Wirtschaft und Infrastruktur erheblichem Druck aus und hat etwa zu Preiserhöhungen bei Mieten, Strom und Benzin geführt.

In der Provinz Kirkuk, die eine sonstige Gesamtbevölkerung von ca. 900.000 aufweist, hielten sich im Mai 2015 insgesamt ca. 370.000 IDP auf, diese wiederum zum Teil aus anderen Provinzen des Iraks, zum Teil innerhalb der Provinz selbst vertrieben. Die Sicherheitslage blieb angespannt insbesondere angesichts von anhaltenden Kampfhandlungen zwischen bewaffneten Gruppierungen (IS) und staatlichen Sicherheitskräften in den westlichen Bezirken Dabes und Al Hawiqa, die weiter (noch) nicht unter staatlicher, sondern unter Kontrolle von bewaffneten Gruppierungen (IS) stehen. 57% aller IDP bewohnten gemietete Unterkünfte innerhalb des Bezirks der Hauptstadt, 15% aller IDP in der Provinz wohnen unter schwierigen Verhältnissen.

Die Provinz Ninava wies eine ehemalige Gesamtbevölkerung von ca. 2,9 Millionen Einwohnern auf. Die Ereignisse seit Juni 2014, ausgelöst durch die Invasion der Provinz und die Einnahme der Hauptstadt Mosul durch bewaffnete Gruppierungen (IS), vertrieben über 1 Million Personen, d.h. 36% aller IDP des Iraks, aus der Provinz, während ca. 30.000 in die Provinz zuzogen. Jeziden und Kurden flohen mehrheitlich aus der Provinz in die kurdische Autonomieregion (KRG), Araber in den Zentralraum des Iraks, Turkmenen in den Süden des Landes. 40% der aus der Provinz Vertriebenen flohen in die Provinz Dohuk, von denen 80% Zuflucht in informellen Unterkünften suchten. Zwischenzeitig kehrten wiederum ca. 30.000 IDP aus der Provinz Dohuk zurück. Die nördlichen bzw. nordöstlichen Bezirke Akre, Al Sheikhan und Teile der Bezirke Teilkaif, Telafar und Sinjar befanden sich aktuell wieder unter Kontrolle staatlicher bzw. kurdischer Sicherheitskräfte (IOM Iraq Governorate Profils, April/May 2015).

Die größte Zahl an Binnenvertriebenen war im Gefolge der Ereignisse in der Provinz Anbar im April 2015 zu verzeichnen, seit dem Monat April 2015 flohen ca. 901.000 Personen in andere Landesteile. Die meisten der aus ihrer Heimatprovinz in andere Provinzen Vertriebenen stammen aus der Provinz Anbar (43% oder ca. 1,48 Mio.) sowie der Provinz Ninava (33% oder 1,12 Mio.), während die meisten der innerhalb ihrer Heimatprovinz Vertriebenen mit ca. 612.000 aus Anbar, ca. 103.000 aus Kirkuk und 91.000 aus Diyala stammen.

Jüngsten Erhebungen zufolge halten sich innerhalb der Provinz Bagdad ca. 602.000 IDP (17% aller IDP), der Provinz Anbar ca. 631.000, der Provinz Dohuk ca. 399.000, der Provinz Kirkuk (Al Tamim) ca. 378.000, der Provinz Erbil ca. 362.000, der Provinz Ninava ca. 276.000, der Provinz Salah al-Din ca. 209.000, und der Provinz Suleymaniah ca. 164.000 auf.

Aus regionaler Sicht beherbergen der Zentralirak ca. 2,35 Mio. oder 69%, die kurdische Region des Irak ca. 926.000 oder 27%, und der Südirak ca. 137.000 oder 4% aller IDP.

Von insgesamt 3,41 Millionen identifizierten IDP im Irak halten sich 45% in angemieteten Unterkünften, 24% bei Gastfamilien und 0,34% in Hotels, somit ca. 70% in privaten Unterkünften, daneben 11% in Flüchtlingslagern, 7% in unfertigen Gebäuden, 3% in religiösen Einrichtungen, 1% in Schulen und 4% in sonstigen informellen Unterkünften auf, die Unterkunftsform von 2% ist unbekannt.

Den IDP standen bis April 2016 553.100 aus den Fluchtgebieten in ihre Herkunftsgebiete zurückgekehrte Personen bzw. 92.100 Familien gegenüber, primär in die Provinz Ninava, hier vor allem im Bezirke Telafar, in die Provinz Salah al-Din, hier vor allem in den Bezirk Tikrit, und in die Provinz Diyala (IOM - Iraq Displacement Tracking Matrix April 2016). In Bagdad fanden sich Ende Jänner 2016 insgesamt 14 Lager für IDP, in Diyala 4, in Missan 1, in Salah al Din 1 und in Kerbala 1. In Bagdad, Babylon, Najaf und Wassit befindet sich jeweils 1 im Aufbau. Innerhalb der kurdischen Autonomieregion bzw. der unter faktischer Kontrolle der kurdischen Sicherheitskräfte stehenden Regionen fanden sich in der Provinz Dohuk insgesamt 10 Lager, in Erbil 4, in Kirkuk 3, in Ninava 6, in Suleimaniya 3. In Dohuk und Suleimanyia befindet sich jeweils 1 im Aufbau (IOM - Iraq, IDP Population & Settlement Situation, CCCM Cluster, 31.01.2016). IOM-Iraq unterstützt mit ihren nationalen und internationalen Partnerorganisationen (z.B. United Iraqi Medical Society, Medecins du Monde, Medecins sans Frontieres, Aide Medicale Internationale, International Medical Corps, World Vision International, Kurdistan Save the Children, SOS, etc.) die Intern Vertriebenen vor Ort vor allem mit Hilfestellung in den Bereichen Unterkunft, Gesundheitsversorgung und Erziehung sowie mit Waren- und Geldleistungen. IOM und UNHCR sind u.a. in allen Bezirken der Provinzen Erbil, Dohuk und Suleimaniya aktiv, in Dohuk operieren insgesamt 48, in Erbil 28 und in Suleimaniya 22 verschiedene staatliche und nicht-staatliche Hilfsorganisationen (IOM-Iraq, Shelter and NFI Cluster Capacity, 31.01.2016, http://www.ecoi.net/file_upload/4765_1457341870_iraq-1.pdf ).

Quellen:

LITTLE AID AND FEW OPTIONS,

http://www.refworld.org/cgi-bin/texis/vtx/rwmain?page=search&docid=563868d14&skip=0&query=displace&coi=IRQ , Zugriff 15.1.2016

http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1448438071_iraq-cig-security-situation-nov-15.pdf , Zugriff 4.1.2016

Conflict in Iraq: 11 December 2014 - 30 April 2015, 13. Juli 2015

http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1436959266_unami-ohchr-4th-pocreport -

11dec2014-30april2015.pdf , Zugriff 15.1.2016

http://www.ecoi.net/local_link/313757/452054_de.html , Zugriff 15. 1.2016

5.1. Humanitäre Lage sowie Zugang zur Autonomieregion Kurdistan

Der mit Abstand größte Teil der IDPs flüchtet in die vergleichsweise sichere kurdische Autonomieregion (Home Office 11.2015). Informationen über die Anzahl der Anträge und Ablehnungen werden nicht veröffentlicht. Durch den Zustrom von Binnenvertriebenen ist die Region Kurdistan-Irak an der Grenze ihrer Aufnahmefähigkeit angelangt. Mehr als 900.000 Binnenflüchtlinge sind allein seit Anfang des Jahres 2014 nach Kurdistan-Irak geflohen. Hinzu kommen mehr als 250.000 syrische Flüchtlinge (AA 18.2.2016).

Die humanitäre Lage verschlechtert sich zunehmend, u.a. auf Grund des beschränkten Zugangs zu Jobs und wirtschaftlichen Möglichkeiten, was dafür verantwortlich ist, dass viele gezwungen sind, auf den Körper schädigende Hunger-Bewältigungsstrategien umzustellen. Der Bevölkerungszuwachs erhöht den Druck auf die bereits beschränkten Ressourcen und die aufnehmenden Gemeinden. IDP-Familien müssen meist mehrmals innerhalb von Kurdistan übersiedeln, um Arbeit zu finden und ihre Familien ernähren zu können. (UN News Service 27.11.2015). Die Bevölkerung der Autonomieregion hat sich durch die Flüchtlingswellen um 28 Prozent erhöht. Der kurdischen Regierung (KRG) gelingt es durch diese Situation kaum, den 1,6 Millionen Flüchtlingen und IDPs, die Zuflucht in der Autonomieregion gesucht haben, Unterstützung, Ansiedelungsmöglichkeiten und Schutz bieten zu können. Auch das Gesundheitssystem ist überlastet (HRC 10.2015).

Der Zugang in die KRI kann für IDPs jedoch äußerst schwierig sein und hängt vom religiösen und ethnischen Profil der jeweiligen Personen ab. Die Möglichkeit, Zutritt zur KRI zu bekommen, indem man einen Bürgen vorweist, der in der KRI lebt (diese Regelung gab es v. a. für Araber, Turkmenen und Schabakis), wurde weitgehend wieder abgeschafft, weil dieses Bürgen-System offenbar vorwiegend zu einem Geschäft für Menschen innerhalb der KRI wurde, die gegen Geld als Bürgen auftraten. Seit November 2014 wurde die Aufnahme (über den Landweg) von turkmenischen und arabischen IDPs in die KRI weitgehend gestoppt, abgesehen von jenen, die bereits im Besitz von KRI-Aufenthaltsgenehmigungen sind. Bezüglich Personen, die Minderheiten wie z.B. der jesidischen Minderheit angehören, scheint es so zu sein, dass der Zutritt zur KRI im Normalfall gewährt wird. Die Zugangsbeschränkungen zur KRI folgen keinem konsistenten Muster/ keiner konsistenten Politik und können sich laufend ändern. Zum Zeitpunkt der Erstellung des UNHCR-Berichts (März 2016) ist es arabischen, turkmenischen und christlichen IDPs im Normalfall möglich, über den Flughafen in Erbil oder jenen in Sulaymaniyah in die KRI zu gelangen. Araber oder Turkmenen sind (in der KRI) wesentlich häufiger in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt, als beispielsweise Jesiden. Araber haben regelmäßig das Problem, dass ihre Papiere konfisziert werden, was ihre Bewegungsfreiheit stark einschränkt (UNHCR 3.2016).

Für nicht aus der KRI stammende Kurden kann es durchaus möglich sein, in die KRI zu übersiedeln/zu flüchten. Das hängt von den besonderen Umständen und der Reiseroute ab. Sie können einen 10-Tages-Besuchsaufenthalt in der KRI beantragen, den sie danach für weitere 10 Tage verlängern können. Falls sie Arbeit finden, können sie länger bleiben, sofern sie sich bei den Behörden registrieren und Details ihres Arbeitgebers preisgeben. Es gibt keine Hinweise, dass die Behörden der KRI pro-aktiv Kurden aus der KRI ausweisen, deren Aufenthaltsgenehmigung abgelaufen ist (UK Home Office 11.2015).

Quellen:

http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1448437152_iraq-cig-ir-nov-15.pdf , Zugriff 7.12.2015

http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1448438071_iraq-cig-security-situation-nov-15.pdf , Zugriff 4.1.2016

6. Grundversorgung/Wirtschaft

Der Staat kann die Grundversorgung der Bürger nicht stetig und in allen Landesteilen gewährleisten. Irak besitzt kaum eigene Industrien. Hauptarbeitgeber ist der Staat. Über vier Millionen Iraker erhalten reguläre Gehälter von der Regierung, die 2015 aufgrund der schlechten Haushaltslage teilweise erst mit mehrmonatiger Verspätung gezahlt wurden. Etwa ein Zehntel der Bevölkerung ist in der Landwirtschaft tätig. Rund 90 Prozent der Staatseinnahmen stammen aus dem Ölsektor. Die über Jahrzehnte internationaler Isolation und Krieg vernachlässigte Infrastruktur ist sanierungsbedürftig. Trotz internationaler Hilfsgelder bleibt die Versorgungslage für ärmere Bevölkerungsschichten zumindest außerhalb der Region Kurdistan-Irak schwierig. Nach Angaben des UN-Programms "Habitat" gleichen die Lebensbedingungen von 57 Prozent der städtischen Bevölkerung im Irak denen von "Slums". Es gibt Lebensmittelgutscheine für Bedürftige. Die UN-Mission ermittelte schon im Juni 2013, dass vier Millionen Iraker unterernährt sind. Etwa ein Viertel der 36 Mio. Iraker lebt unterhalb der Armutsgrenze (2 US-Dollar/Tag).

Die Wasserversorgung wird von der schlechten Stromversorgung in Mitleidenschaft gezogen. Es fehlt weiterhin an Chemikalien zur Wasseraufbereitung. Die völlig maroden und teilweise im Krieg zerstörten Leitungen führen zu hohen Transportverlusten und Seuchengefahr. Im gesamten Land verfügt heute nur etwa die Hälfte der Bevölkerung über Zugang zu sauberem Wasser. Seit dem Spätsommer 2015 hat Irak mit einem Cholera-Ausbruch zu kämpfen (laut Zahlen der Vereinten Nationen 1.600 Erkrankte Ende Oktober 2015) (AA 18.2.2016).

Berichten des UNHCR zufolge sollen in der vom IS kontrollierten Stadt Falluja (Provinz Anbar), rund 70 Kilometer westlich von Bagdad, mindestens 76 Menschen aufgrund mangelhafter Ernährung, ungeeigneter, giftiger Nahrung und fehlender Medikamente gestorben sein (BAMF 22.2.2016).

Informationen zu der sich verschlechternden wirtschaftlichen Lage/Ressourcenlage in der Autonomen Kurdenregion finden sich auch in den Abschnitten 2.1. und 11.1., darüber hinaus finden sich einige weitere Informationen zur Grundversorgung im übrigen Irak im Abschnitt 8.

Quellen:

7. Rückkehr

Eine freiwillige Rückkehr in den Irak aus dem österreichischen Bundesgebiet ist über Vermittlung entsprechender Rückkehrberatungseinrichtungen und nach erteilter Zustimmung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) mit Unterstützung von IOM-Österreich möglich. IOM stellt im Gefolge der administrativen Abwicklung Flugtickets zur Verfügung und gewährt in Einzelfällen besonderer Hilfsbedürftigkeit auch finanzielle Überbrückungshilfe. Aktuell erfolgt eine solche Rückkehr in den Irak über die Flughäfen in Bagdad, Erbil, Basra und Najaf. Im Jahr 2015 haben ca. 150 Rückkehrer in den Irak diese Unterstützung in Anspruch genommen.

Das Rückkehrprojekt Magnet, das zwischen Jänner 2012 und Juni 2013 u. a. eine Kooperation von IOM-Österreich mit dem Büro für Migration und Vertriebene sowie dem Ministerium für Arbeit und Soziales der kurdischen Autonomieregierung beinhaltete, unterstützte freiwillige Rückkehrer aus Österreich, wie auch aus Belgien, Frankreich und den Niederlanden, bei der Re-Integration in den Arbeitsmarkt der kurdischen Autonomieregion. Das Nachfolgeprojekt Magnet II, welches im Juni 2014 gestartet wurde und seither in Kooperation zwischen der kurdischen Regionalregierung und den jeweiligen belgischen, finnischen, niederländischen, französischen und britischen Behörden umgesetzt wird, kann von Rückkehrern aus Österreich aktuell nicht in Anspruch genommen werden.

Im Rahmen des Rückkehrprogramms AVRR (Assisted Voluntary Return and Reintegration) von IOM kehrten im Jahr 2015 insgesamt über 3.000 ehemalige Asylwerber aus 14 verschiedenen europäischen Ländern freiwillig in den Irak, nach Bagdad, Erbil, Suleimanyia und Basra, zurück. Dies stellt eine Zunahme von ca. 200% gegenüber dem Jahr 2014 dar. IOM unterstützt die Rückkehrer neben der Organisation der Reise selbst mit Reintegrationsmaßnahmen wie Mikrokrediten, provisorischen Unterkünften, Arbeitssuche und wichtigen Gütern des täglichen Lebens und arbeitet dabei mit dem irakischen Migrationsministerium und dem Migrationsbüro der kurdischen Autonomieregierung zusammen.

Quelle:

Die irakische Verfassung garantiert in ihrem Art. 44 die innerstaatliche Bewegungs- und Niederlassungsfreiheit jedes Staatsbürgers. Es stehen vor diesem Hintergrund Einzelbestimmungen für die Regulierung dieser Grundfreiheiten in Anwendung, so hinsichtlich der Vorlage bestimmter Identitätsdokumente sowie der persönlichen Aussage vor den jeweiligen örtlichen Behörden. Als die beiden wichtigsten Dokumente für den Verkehr mit den Behörden, neben der Registrierung etwa für die Zuteilung von Lebensmittelrationen oder die Ausstellung anderer Dokumente, dienen der Staatsbürgerschaftsnachweis sowie der Personalausweis (Identity Card), weitere maßgebliche Dokumente sind Wohnsitzbestätigungen (Meldenachweis), Lebensmittelrationskarten, Geburts- und Sterbeurkunden. Laut UNHCR werden die vier erstgenannten Dokumente in der Regel von örtlichen Niederlassungsbehörden im Parteienverkehr verlangt. In den drei autonomen kurdischen Provinzen des Nordiraks werden in Ermangelung dieser Dokumente auch Ersatzpapiere (sogen. Information Card) für den einmaligen Gebrauch verwendet. In Ermangelung der Vorlage entsprechender Identitätsdokumente kommt es zu Schwierigkeiten beim Passieren von Checkpoints und/oder der Registrierung durch die zuständigen Behörden sowie der Erlaubnis zur Niederlassung, was in der Folge zur Einschränkung des Bezugs staatlicher Leistungen führen kann. Die örtlichen Büros von IOM und deren Partnern setzen demgegenüber ausdrücklich nicht die Vorlage solcher Dokumente für die Gewährung ihrer Unterstützungsleistungen an IDP voraus. Erhebungen von IOM aus 2014 zufolge gaben nur ca. 10% aller IDP den Verlust solcher Dokumente verursacht durch die Umstände der internen Vertreibung an. Demgegenüber sind über 90% aller IDP von den jeweiligen örtlichen Behörden registriert worden.

Alle wesentlichen persönlichen Daten werden von den örtlichen Standesämtern in Personenstandsregistern festgehalten bzw. ergänzt. Diese sind grundsätzlich auch für die Neuausstellung verloren gegangener Personalausweise zuständig. Sofern der Zugang zu einem Personenstandsamt nicht möglich oder zu gefährlich ist, kann die Übertragung der entsprechenden Daten auf Antrag bei der örtlichen Niederlassung des Ministeriums für Vertriebene und Migranten, in der KRG beim örtlichen Büro der Behörde für Vertriebene und Migranten, zur jeweiligen Behörde des Aufenthaltsorts veranlasst werden, dies ist auch bei irakischen Botschaften möglich. Darüber hinaus bietet UNHCR Unterstützung bei der Erlangung neuer Identitäts- und andere Dokumente durch seine sogen. Protection and Reintegration Centers vor Ort an, so auch in Dohuk, Erbil und Suleymaniah. In Ermangelung der Möglichkeit persönlichen Erscheinens beim Personenstandsamt seiner Herkunftsregion ist es einer IDP auch möglich, die Neuausstellung von Identitätsdokumenten durch dort anwesende Verwandte oder andere Dritte unter Vorlage einer beglaubigten Vollmacht zu veranlassen. Als Mindestvoraussetzungen für die Neuausstellung solcher Dokumente genügen allfällige Kopien von elterlichen Dokumenten, Meldenachweise oder die Angabe der Nummer des "Familienbuches" am örtlichen Standesamt. Zuletzt existiert in Bagdad auch ein zentraler Mikrofilm-Speicher aller bisherigen Personenstandsdaten, sollte ein bestimmtes Personenstandsregister zerstört worden sein. Das Gesagte gilt sinngemäß auch für die Erlangung eines Staatsbürgerschaftsnachweises, der von der nationalen Staatsbürgerschaftsbehörde in Bagdad ausgestellt wird bzw. bei den örtlichen Zweigstellen in den jeweiligen Provinzen beantragt werden kann.

Quelle:

3. Beweiswürdigung:

3.1. Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurde Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den von der belangten Behörde vorgelegten Verfahrensakt unter zentraler Zugrundelegung der niederschriftlichen Angaben des Beschwerdeführers sowie des Inhaltes der gegen den angefochtenen Bescheid erhobenen Beschwerde, ferner durch Vernehmung des Beschwerdeführers als Partei in der vor dem erkennenden Gericht am 05.07.2016 durchgeführten mündlichen Verhandlung, die vom Beschwerdeführer anlässlich der Verhandlung vorgelegten Lichtbilder und schließlich durch Einsichtnahme in die vom Bundesverwaltungsgericht in das Verfahren eingebrachten Erkenntnisquellen betreffend die allgemeine Lage im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers sowie zur Lage von Personen, die die herrschenden Sitten und jegliche Religion offen ablehnen.

3.2. Der eingangs angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unbestrittenen Inhalt des vorgelegten Verfahrensakts der belangten Behörde, die ein mängelfreies und ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt hat.

Identität und Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers sowie dessen persönliche und familiäre Lebensumstände im Herkunftsstaat ergeben sich aus den vom Bundesverwaltungsgericht als glaubhaft erachteten Angaben des Beschwerdeführers.

3.3. Die getroffenen Feststellungen zur allgemeinen Lage im Herkunftsstaat ergeben sich aus den vom Bundesverwaltungsgericht herangezogenen herkunftsstaatsbezogenen Erkenntnisquellen, welche in der mündlichen Verhandlung erörtert und dem Beschwerdeführer ausgehändigt wurden. Zur Sicherstellung der notwendigen Ausgewogenheit in der Darstellung wurden Berichte verschiedenster allgemein anerkannter Institutionen berücksichtigt. In Anbetracht der Seriosität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen sowie dem Umstand, dass diese Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild zeichnen, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.

Der Beschwerdeführer ist den in der mündlichen Verhandlung erörterten und ausgefolgten herkunftsstaatsbezogenen Erkenntnisquellen zur allgemeinen Lage im Irak nicht entgegen getreten.

3.4. Nach der Rechtsprechung des VwGH ist der Begriff der Glaubhaftmachung im AVG oder in den Verwaltungsvorschriften im Sinn der Zivilprozessordnung zu verstehen. Es genügt daher diesfalls, wenn der Beschwerdeführer die Behörde von der (überwiegenden) Wahrscheinlichkeit des Vorliegens der zu bescheinigenden Tatsachen überzeugt. Die Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht setzt positiv getroffene Feststellungen seitens der Behörde und somit die Glaubwürdigkeit der hierzu geeigneten Beweismittel, insbesondere des diesen Feststellungen zugrundeliegenden Vorbringens des Asylwerbers, voraus (vgl. VwGH 19.03.1997, Zl. 95/01/0466). Die Frage, ob eine Tatsache als glaubhaft gemacht zu betrachten ist, unterliegt der freien Beweiswürdigung der Behörde (VwGH 27.05.1998, Zl. 97/13/0051).

Zur Glaubhaftmachung der Angaben eines Asylwerbers hat der Verwaltungsgerichtshof als Leitlinien entwickelt, dass es erforderlich ist, dass der Asylwerber die für die ihm drohende Behandlung oder Verfolgung sprechenden Gründe konkret und in sich stimmig schildert (VwGH 26.06.1997, Zl. 95/21/0294) und dass diese Gründe objektivierbar sind (VwGH 05.04.1995, Zl. 93/18/0289). Das Vorbringen des Asylwerbers muss, um eine maßgebliche Wahrscheinlichkeit und nicht nur eine entfernte Möglichkeit einer Verfolgung glaubhaft zu machen, eine entsprechende Konkretisierung aufweisen. Die allgemeine Behauptung von Verfolgungssituationen, wie sie in allgemein zugänglichen Quellen auffindbar sind, genügt zur Dartuung von selbst Erlebtem grundsätzlich nicht. Der Asylwerber hat im Rahmen seiner Mitwirkungspflicht nach § 15 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 alle zur Begründung des Antrags auf internationalen Schutz erforderlichen Anhaltspunkte über Nachfrage wahrheitsgemäß darzulegen (VwGH 15.03.2016, Ra 2015/01/0069). Die Mitwirkungspflicht des Asylwerbers bezieht sich zumindest auf jene Umstände, die in seiner Sphäre gelegen sind, und deren Kenntnis sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen kann (VwGH 30.09.1993, Zl. 93/18/0214).

Es entspricht ferner der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, wenn Gründe, die zum Verlassen des Heimatlandes beziehungsweise Herkunftsstaates geführt haben, im Allgemeinen als nicht glaubwürdig angesehen werden, wenn der Asylwerber die nach seiner Meinung einen Asyltatbestand begründenden Tatsachen im Laufe des Verfahrens bzw. der niederschriftlichen Einvernahmen unterschiedlich oder sogar widersprüchlich darstellt, wenn seine Angaben mit den der Erfahrung entsprechenden Geschehnisabläufen oder mit tatsächlichen Verhältnissen bzw. Ereignissen nicht vereinbar und daher unwahrscheinlich erscheinen oder wenn er maßgebliche Tatsachen erst sehr spät im Laufe des Asylverfahrens vorbringt (VwGH 06.03.1996, Zl. 95/20/0650).

Das Bundesverwaltungsgericht ist nicht an die verwaltungsbehördliche Beweiswürdigung gebunden Hat die Verwaltungsbehörde bereits Feststellungen getroffen und geht das Verwaltungsgericht von diesen ab, so ist dies zulässig, wenn alle entsprechenden und maßgeblichen Beweise aufgenommen und in der Beweiswürdigung darlegt wird, weshalb das Verwaltungsgericht zu anderen Feststellungen gelangt ist (VwGH 01.03.2016, Ra 2015/11/0106).

3.5. Im Sinne dieser Judikatur ist es dem Beschwerdeführer nicht gelungen, ein asylrelevantes Vorbringen glaubhaft und in sich schlüssig darzulegen. Im Einzelnen:

3.5.1. Der sunnitische Beschwerdeführer erachtet sich ausweislich seines Vorbringens in der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Gericht sowie bei der Einvernahme vor der belangten Behörde einerseits von den Milizen des Islamischen Staates aus religiösen Gründen in Anbetracht seiner Tätigkeit als Barkeeper und andererseits von nicht näher bezeichneten Personen an Straßensperren aufgrund seiner sunnitischen Religionszugehörigkeit als verfolgt.

3.5.2. Zum Vorbringen des Beschwerdeführers ist eingangs festzuhalten, dass dieser in der mündlichen Beschwerdeverhandlung zunächst vorbrachte, in einem rein sunnitischen Viertel in Bagdad gelebt zu haben sowie dass sich Probleme bei Straßensperren nur in schiitischen Vierteln Bagdads ereigneten. Schon deshalb ist davon auszugehen, dass sich die sunnitischen Religionszugehörigkeit im Wohnviertel des Beschwerdeführers nicht zu dessen Nachteil auswirkte, was umso mehr von Bedeutung ist, als sich die Arbeitsstätte des Beschwerdeführers dessen Vorbringen zufolge nicht weit von seinem Elternhaus befand und er diese Gegend als sicher erachtete (AS 51).

In weiterer Folge berichtete der Beschwerdeführer von Problemen, die sich zwei oder drei Mal bei Straßensperren ereignet hätten. In sämtlichen Fällen habe er einen schiitischen Kunden angerufen, dem er oft Gratisgetränke verabreicht habe. Dieser Kunde habe telefonisch den Wachhabenden an der Straßensperre mitgeteilt, dass der Beschwerdeführer passieren könne, sodass er die Straßensperren ohne Schwierigkeiten überwinden habe können. Die Personen bei den Straßensperren hätten Ausweise des Innenministeriums vorgewiesen.

In weiterer Folge verneinte der Beschwerdeführer in der mündlichen Beschwerdeverhandlung auch die Nachfrage, ob er jemals persönlichen Kontakt mit Kämpfern schiitischer Milizen gehabt habe und stellte in weiterer Folge auch nur seine Tätigkeit in der Bar aus ausreisekausal dar. Im Hinblick auf das Vorbringen in der Beschwerde zur vermeintlichen Bedrohung durch schiitische Milizen ergibt sich daraus zunächst, dass der Beschwerdeführer mit Ausnahme der geschilderten Vorfälle an Straßensperren nicht einmal Kontakt mit Kämpfern solcher Milizen hatte und er bei Straßensperren bereits präventiv mithilfe persönlicher Kontakte sämtliche Unannehmlichkeiten hintanhielt. Eine potentielle Bedrohung durch bzw. die Gefahr einer Verfolgung seitens schiitischer Milizen ist für das Bundesverwaltungsgericht sohin nicht einmal im Ansatz erkennbar. Anhaltspunkte für eine dem Beschwerdeführer unterstellte politische Gesinnung liegen ebenfalls nicht vor.

In welchem Zusammenhang schließlich die Entführung des Bruders des Beschwerdeführers - nach dessen eigenen Angaben ein krimineller Akt zur Erpressung von Lösegeld - zum ausreisekausalen Vorbringen des Beschwerdeführers und vermeintlichen Übergriffen aufgrund seines sunnitischen Religionsbekenntnisses stehen soll, ist im Übrigen nicht ersichtlich.

Soweit sich der Beschwerdeführer von Milizen des Islamischen Staates aus religiösen Gründen in Anbetracht seiner Tätigkeit als Barkeeper als verfolgt erachtet, bestehen aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts aufgrund der nachfolgenden Gründe erhebliche Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Ausreisevorbringens des Beschwerdeführers.

Ein Indiz der Unglaubwürdigkeit des Beschwerdeführers stellt zunächst sein Unvermögen dar, in der mündlichen Beschwerdeverhandlung die ausreisekausalen Ereignisse aus eigener Initiative und im Wesentlichen stringent darzulegen. So gab der Beschwerdeführer nach seinen Fluchtgründen befragt in freier Erzählung zunächst nur an, den Irak verlassen zu haben, da er muslimischen Religionsbekenntnisses sei und alkoholische Getränke in einer Bar verkauft habe. Auf die Frage, ob er dem noch etwas hinzufügen wolle, ergänzte der Beschwerdeführer, dass derartiges im Irak verpönt sei. Erst auf explizite Nachfrage aufgrund seines erstinstanzlichen Vorbringens legte der Beschwerdeführer in weiterer Folge auch dar, einen Drohbrief des Islamischen Staates erhalten zu haben. Befragt nach Grund des Verschweigens des Drohbriefes im bisherigen Verlauf der Verhandlung gab der Beschwerdeführer sinngemäß an, er würde nur die Fragen des Gerichtes beantworten. Das Bundesverwaltungsgericht kann indes nicht nachvollziehen, dass der Beschwerdeführer einerseits im bisherigen Verfahren vorbrachte, den Irak aufgrund empfangener Drohungen des Islamischen Staates verlasen zu haben und zu befürchten, von Kämpfern des Islamischen Staates getötet zu werden (AS 17, 57) und andererseits nunmehr in der mündlichen Beschwerdeverhandlung diesen Umstand - welcher ihn zum Verlassen seines Heimatlandes und damit zu einem gravierenden Schritt veranlasste - nicht sogleich in freier Erzählung als ausreisekausalen Umstand zu schildern. Auch die erstmalige Nachfrage nach dem Drohbrief des Islamischen Staates veranlasste den Beschwerdeführer in der Folge nicht zu weiteren diesbezüglichen Ausführungen in freier Erzählung, sodass auch diese seitens des erkennenden Gerichtes im Nachfragewege veranlasst werden mussten. Schon dieser Umstand indiziert, dass sich der Beschwerdeführer eines konstruierten Fluchtvorbringens bedient.

Ferner ist festzuhalten, dass sich der Beschwerdeführer in der Beschwerdeschrift und in der Folge auch in der mündlichen Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht in Widersprüche verstrickte: Vor der belangten Behörde gab der Beschwerdeführer an, im Drohbrief wäre nicht nur er sowie ein weiterer Barkeepers namens XXXX genannt worden, sondern auch eine Person namens XXXX , die später getötet worden sei. In der mündlichen Beschwerdeverhandlung vertrat der Beschwerdeführer die Auffassung, der Drohbrief habe nur seinen Name und den Namen XXXX beinhaltet. Dass ein weiterer Bediensteter der Bar getötet worden sei erwähnte der Beschwerdeführer - im Gegensatz zum Verfahren erster Instanz - nicht. Aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts handelt es sich dabei um keinen nebensächlichen Detailaspekt, sodass keine im Kern stringente Schilderung des Fluchtvorbringens gegeben ist. Insofern ist auf die obige Judikatur zu verweisen, wonach ein Vorbringen eines Asylwerbers insbesondere dann glaubhaft ist, wenn es konkrete, detaillierte Schilderungen der behaupteten Geschehnisse enthält und frei von Widersprüchen ist. Umgekehrt jedoch indizieren unwahre Angaben in zentralen Punkten oder das Verschweigen wesentlicher Sachverhaltsumstände die Unglaubwürdigkeit.

Dazu tritt, dass der Beschwerdeführer in der mündlichen Beschwerdeverhandlung aus Eigenem angab, der im Jagd-Club in Bagdad stünde unter dem Schutz der irakischen Staatspolizei, weshalb es ihm nicht möglich wäre, den Drohbrief zu erlangen. Im Zuge der Vernehmung durch die belangte Behörde erwähnte der Beschwerdeführer diesen Umstand nicht und gab gegenteilig an, von der Polizei sei keine Hilfe zu erwarten, da diese vom Islamischen Staat beeinflusst sei (AS 57).

Im weiteren Verlauf der mündlichen Beschwerdeverhandlung gab der Beschwerdeführer auf Nachfrage an, weshalb er zwei Monate nach dem vorgeblichen Erhalt eines Drohbriefes des islamischen Staates die Bar nicht verlassen habe, er habe diese zwei Monate dafür verwendet, Abrechnungen zu machen und den Warenbestand zu kontrollieren. Das Bundesverwaltungsgericht sieht dieses Vorbringen als im hohen Maße unplausibel an. Einerseits ist nicht nachvollziehbar, weshalb sich der Beschwerdeführer nach Erhalt der Drohung - welche ihn dermaßen in Furcht und Unruhe versetzt haben soll, dass er sein Heimatland verlassen musste -nicht umgehend in Sicherheit brachte und vielmehr zwei Monate an dem Ort verbrachte, der aufgrund des Alkoholausschanks überhaupt erst seine Gefährdung begründet haben soll. Andererseits ist der dafür vorgebrachte Grund nicht plausibel, zumal es sich bei der Herstellung von Abrechnungen und Warenbestandskontrollen um höchst gewöhnliche Tätigkeiten handelt, welche (auch in Anbetracht des aufgrund der vorgelegten Lichtbilder gewonnenen Eindrucks von den Ausmaßen der "Westlichen Bar") kaum zwei Monate in Anspruch nehmen würden. Ferner kann nicht erkannt werden, dass für derartige Tätigkeit die Anwesenheit des Beschwerdeführers erforderlich gewesen sein könnte. Aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts spricht die weitere Anwesenheit des Beschwerdeführers über zwei Monate nach dem vorgeblichen Erhalt einer Drohung gegen eine individuelle Gefährdung seiner Person mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit. Dass die Bar, in der der Beschwerdeführer tätig war, dessen Vorbringen zufolge nach wie vor existiert und der vormalige Arbeitgeber des Beschwerdeführer nach wie vor in dieser Bar - offenbar unbehelligt - tätig ist, rundet das gewonnene Bild ab.

Ferner präsentiert sich die vom Beschwerdeführer in der mündlichen Beschwerdeverhandlung geschilderte Motivation, nur als Barkeeper tätig sein zu können, aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts als nicht nachvollziehbar und nicht plausibel. So gab der Beschwerdeführer an, er schätze die soziale Komponente an seinem Beruf. Auf die Nachfrage, ob er nicht auch Erfüllung in einem Lokal ohne Alkoholausschank finden könnte, zog es der Beschwerdeführer vor, nicht zu antworten. Das Bundesverwaltungsgericht muss daraus den Schluss ziehen, dass es keinen Grund gibt, weshalb der Beschwerdeführer nicht auch in anderen Lokalen ohne Alkoholausschank hätte arbeiten können. Dass sich der Beschwerdeführer dennoch weiterhin der von ihm vorgebrachten Gefahr als Barkeeper in der "Westlichen Bar" aussetzte und in weiterer Folge den Irak verließ, anstatt eine weniger gefährdete Arbeit als Kellner anzunehmen, entbehrt jeder vernünftigen Grundlage.

Folglich kann insgesamt nicht als glaubhaft angesehen werden, dass der Beschwerdeführer in seinem Herkunftsstaat tatsächlich von Angehörigen des Islamischen Staates durch Drohschreiben oder in sonstiger Weise bedroht wurde. Somit ist aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts nicht glaubhaft, dass der Beschwerdeführer der Gefahr einer Verfolgung durch Privatpersonen bzw. privaten Gruppierungen ausgesetzt war bzw. einer solchen bei einer Rückkehr ausgesetzt sein würde. Weitere Fluchtgründe oder fluchtauslösende Vorkommnisse wurde vom Beschwerdeführer nicht vorgebracht und auf Nachfrage explizit verneint, dass diesbezügliche Feststellungen nicht zu treffen waren und insgesamt in Übereinstimmung mit der belangten Behörde davon ausgegangen werden muss, dass der Beschwerdeführer keiner aktuellen sowie unmittelbaren persönlichen und konkreten Gefährdung oder Verfolgung durch staatliche Organe oder durch Dritte ausgesetzt war oder er im Falle einer Rückkehr in den Irak einer solchen mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit ausgesetzt wäre und war insoweit zu den Feststellungen oben unter

2.2. zu gelangen.

Aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts ist es dem Beschwerdeführer aus den vorstehend im Detail erörterten Aspekten nicht gelungen, eine über die allgemein schlechte Sicherheitslage sowie die wirtschaftliche Lage in Bagdad und die dort vorherrschenden religiösen Spannungen hinausgehende, ihn betreffende Bedrohungssituation glaubhaft zu machen.

3.5.3. Die Feststellungen betreffend die nicht vorhandene politische Betätigung des Beschwerdeführers sowie die nicht vorhandenen Probleme mit den Behörden seines Heimatstaates beruhen auf den diesbezüglichen Angaben des Beschwerdeführers in der mündlichen Beschwerdeverhandlung.

3.5.4. Zu den Ausführungen in der Beschwerdeschrift ist ergänzend anzumerken, dass der Anfragebeantwortung von ACCORD betreffend die Lage von Personen, die die herrschenden Sitten und jegliche Religion offen ablehnen, keine für den gegenständlichen Fall bedeutsamen Feststellungen zu entnehmen waren. Einerseits konnte eine individuelle Gefährdung bzw. Bedrohung des Beschwerdeführers aus den vorstehenden Erwägungen infolge mangelnder Glaubwürdigkeit des diesbezüglichen Vorbringens nicht festgestellt werden. Andererseits gab der Beschwerdeführer an, es gebe mehrere Bars in Bagdad mit Alkoholausschank, welche von Angehörigen sämtlicher religiöser Richtungen frequentiert wurden. Die "Westliche Bar" würde nach wie vor bestehen und von seinem vormaligen Arbeitgeber auch derzeit geführt. Das Bundesverwaltungsgericht verkennt nicht, dass der Konsum bzw. der Ausschank von Alkohol bei Teilen der Bevölkerung aus religiösen Gründen Ablehnung erfährt und Kritik sowie weitergehende Repressionen nicht ausgeschlossen werden können. Auch Gewalttaten sind dokumentiert. Angesichts der Schilderungen des Beschwerdeführers- der auch angab, der Jagd-Club in Bagdad samt Bars mit Alkoholausschank würde vom Staat betrieben und stünde unter besonderem polizeilichen Schutz - über die Anzahl und die Besucher von Bars in Bagdad ist indes noch nicht von systematischen Übergriffen auf Personen auszugehen, die Alkohol konsumieren oder in Bars arbeiten, in denen Alkohol ausgeschenkt wird. Ohne das Dazutreten weiterer Umstände begründet die Tätigkeit in einer solchen Bar demnach aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes keine unter dem Gesichtspunkt des § 3 AsylG maßgebliche Gefährdung. Einer besonders gefährdeten religiösen Minderheit (Christen, Jesiden) oder Jugendkultur gehört der Beschwerdeführer nicht an bzw. neigt er einer solchen nicht zu. Dazu tritt, dass die belangte Behörde der prekären Sicherheitslage mit der Gewährung von subsidiärem Schutz Rechnung getragen hat. Spezifische Feststellungen zur Lage von Personen, welche die herrschenden Sitten und religiöse Gebote ablehnen, konnten demnach unterbleiben.

Soweit sich die Beschwerde zu den Aktivitäten des Islamischen Staates in Bagdad äußert, ist auf die Feststellungen zur allgemeinen Lage im Irak zu verweisen, wonach die Milizen des Islamischen Staates zurückgedrängt wurden und in der Defensive sind. Die vom Islamischen Staat nach wie vor ausgehende Anschlagskriminalität ist vornehmlich gegen schiitische Viertel gerichtet und trachtet danach, eine möglichst hohe Anzahl an Opfern zu treffen. Eine erhebliche individuelle Gefährdung des Beschwerdeführers als Alkoholverkäufer und Alkoholkonsument ist vor diesem Hintergrund nicht plausibel.

In welchem Zusammenhang die Entführung des Bruders des Beschwerdeführers, ein krimineller Akt zur Erpressung von Lösegeld, zum ausreisekausalen Vorbringen des Beschwerdeführers stehen soll, ist wie vorstehend erwähnt nicht ersichtlich. Feststellungen zu weiteren Misshandlungen des Beschwerdeführers und von Familienmitgliedern konnten angesichts des mangelnden zeitlichen Konnexes zur Ausreise - es handelt sich um Ereignisse der Jahre 2005 bis 2007 und 2009 - unterbleiben und wurden vom Beschwerdeführer in der mündlichen Beschwerdeverhandlung auch nicht als ausreisekausal dargestellt.

4. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

4.1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 idF BGBl. I Nr. 24/2016 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 AsylG 2005 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, idF des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974 (Genfer Flüchtlingskonvention), droht.

Als Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK ist anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Zentrales Element des Flüchtlingsbegriffes ist nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (vgl. VwGH 10.11.2015, Ra 2015/19/0185; 12.11.2014, Ra 2014/20/0069 mwN).

Die Verfolgungsgefahr muss aktuell sein, was bedeutet, dass sie zum Zeitpunkt der Entscheidung vorliegen muss (VwGH 17.03.2009, Zl. 2007/19/0459). Bereits gesetzte vergangene Verfolgungshandlungen können im Beweisverfahren ein wesentliches Indiz für eine bestehende Verfolgungsgefahr darstellen, wobei hierfür dem Wesen nach eine Prognose zu erstellen ist (VwGH 09.03.1999, Zl. 98/01/0318).

Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der GFK genannten Gründen haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 nennt, und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatstaates bzw. des Staates ihres vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein, wobei Zurechenbarkeit nicht nur ein Verursachen bedeutet, sondern eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr bezeichnet (VwGH 16.06.1994, Zl. 94/19/0183; 18.02.1999, Zl. 98/20/0468).

Verfolgungsgefahr kann nicht ausschließlich aus individuell gegenüber dem Einzelnen gesetzten Einzelverfolgungsmaßnahmen abgeleitet werden, vielmehr kann sie auch darin begründet sein, dass regelmäßig Maßnahmen zielgerichtet gegen Dritte gesetzt werden, und zwar wegen einer Eigenschaft, die der Betreffende mit diesen Personen teilt, sodass die begründete Annahme besteht, (auch) er könnte unabhängig von individuellen Momenten solchen Maßnahmen ausgesetzt sein (VwGH 09.03.1999, Zl. 98/01/0370; 22.10.2002, Zl. 2000/01/0322). Droht den Angehörigen bestimmter Personengruppen eine über die allgemeinen Gefahren eines Bürgerkriegs hinausgehende Gruppenverfolgung, hat bei einer solchen, gegen eine ganze Personengruppe gerichteten Verfolgung jedes einzelne Mitglied schon wegen seiner Zugehörigkeit zu dieser Gruppe Grund, auch individuell gegen seine Person gerichtete Verfolgung zu befürchten; diesfalls genügt für die geforderte Individualisierung einer Verfolgungsgefahr die Glaubhaftmachung der Zugehörigkeit zu dieser Gruppe (VwGH 29.04.2015, Ra 2014/20/0151, mwN).

4.2. Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich, dass die behauptete Furcht des Beschwerdeführers, im Irak mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit aus den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen verfolgt zu werden, nicht begründet ist:

Ein in seiner Intensität asylrelevanter Eingriff in die vom Staat zu schützende Sphäre des Einzelnen führt dann zur Flüchtlingseigenschaft, wenn er an einem in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention festgelegten Grund, nämlich die Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politische Gesinnung anknüpft.

Im gegenständlichen Fall ist ausweislich der Feststellungen und der diesbezüglichen Beweiswürdigung nach Ansicht des erkennenden Gerichts keine den Beschwerdeführer betreffende aktuelle, unmittelbare und hinreichend konkrete Verfolgungsgefahr im Irak aus einem in der Genfer Flüchtlingskonvention angeführten Grund gegeben.

Ferner liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass dem Beschwerdeführer eine über die allgemeinen Gefahren der im Irak gebietsweise herrschenden bürgerkriegsähnlichen Situation hinausgehende Gruppenverfolgung droht. Dass im Irak eine generelle und systematische Verfolgung von Muslimen sunnitischer Glaubensrichtung stattfindet, kann aus den länderkundlichen Feststellungen zur Lage im Irak sowie dem Umstand, dass Familienmitglieder des Beschwerdeführers nach wie vor im Irak und dort in Bagdad wohnhaft sind, nicht abgeleitet werden. Wiewohl ausweislich der Feststellungen im Irak eine sunnitisch-feindliche Politik vorherrscht und es in unterschiedlicher Intensität zu Beschimpfungen, Vertreibungen mit dem Ziel einer religiösen Homogenisierung oder zu kriminellen Handlungen wie Entführungen zum Zweck der Lösegelderpressung kommt, kann noch nicht von einer zielgerichteten und systematischen Verfolgung von Muslimen sunnitischer Glaubensrichtung ausgegangen werden. Der Beschwerdeführer hat demnach nicht bereits aufgrund seiner sunnitischen Glaubensrichtung eine individuell gegen seine Person gerichtete Verfolgung zu befürchten (vgl. hiezu jüngst VwGH 09.05.2016, Ra 2016/01/0068; 17.12.2015, Ra 2015/20/0048 mwN).

Da eine aktuelle oder zum Fluchtzeitpunkt bestehende asylrelevante Verfolgung auch sonst im Rahmen des Ermittlungsverfahrens nicht hervorgekommen, notorisch oder amtsbekannt ist, ist davon auszugehen, dass dem Beschwerdeführer keine Verfolgung aus in den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen droht. Bezüglich der Nachteile, die auf die in einem Staat allgemein vorherrschenden politischen, wirtschaftlichen, sozialen oder unruhebedingten Lebensbedingungen zurückzuführen sind, ist festzuhalten, dass diese keine Verfolgungshandlungen im Sinne des AsylG 2005 darstellen, da alle Bewohner gleichermaßen davon betroffen sind. Bestehende schwierige Lebensumstände allgemeiner Natur sind hinzunehmen, weil das Asylrecht nicht die Aufgabe hat, vor allgemeinen Unglücksfolgen zu bewahren, die etwa in Folge des Krieges, Bürgerkrieges, Revolution oder sonstigen Unruhen entstehen, ein Standpunkt den beispielsweise auch das UNHCR-Handbuch über Verfahren und Kriterien zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft in Punkt 164 einnimmt (VwGH 14.03.1995, Zl. 94/20/0798). Es besteht im Übrigen keine Verpflichtung, Asylgründe zu ermitteln, die der Asylwerber nicht behauptet hat (VwGH 21.11.1995, Zl. 95/20/0329 mwN).

Der Vollständigkeit halber ist abseits der getroffenen Feststellungen - welche ein Eingehen auf die Thematik der Asylrelevanz bei Vorliegen der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe nicht erfordern - festzuhalten, dass der in der Beschwerdeschrift unternommene Versuch, die soziale Gruppe der "Alkoholverkäufer im Irak" zu konstruieren, scheitert. Art. 10 Abs. 1 lit. d der Richtlinie 2011/95/EU vom 13.12.2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (Statusrichtlinie) umschreibt eine Gruppe insbesondere dann als eine bestimmte soziale Gruppe, wenn die Mitglieder dieser Gruppe angeborene Merkmale oder einen gemeinsamen Hintergrund haben, der nicht verändert werden kann, gemein haben oder Merkmale oder eine Glaubensüberzeugung teilen, die so bedeutsam für die Identität oder das Gewissen sind, dass der Betreffende nicht gezwungen werden sollte, auf sie zu verzichten, und die Gruppe in dem betreffenden Land eine deutlich abgegrenzte Identität hat, da sie von der sie umgebenden Gesellschaft als andersartig betrachtet wird (vgl. hiezu auch VwGH 26.06.2007, Zl. 2007/01/0479). Im gegenständlichen Fall liegt ausweislich der Feststellungen in Ansehung des Beschwerdeführers weder ein angeborenes Merkmale oder ein gemeinsamer Hintergrund vor, der nicht verändert werden kann, noch kann in der Tätigkeit als Barkeeper ein für die Identität oder das Gewissen bedeutsames Merkmal bzw. eine Glaubensüberzeugung gesehen werden.

Spruchpunkt I des angefochtenen Bescheids erweist sich demgemäß als rechtsrichtig, sodass der dagegen erhobenen Beschwerde gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 als unbegründet abzuweisen ist.

Zu B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen, vorstehend im Einzelnen zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Gewährung von internationalem Schutz ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

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