AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §7 Abs1 Z2
AsylG 2005 §7 Abs4
AsylG 2005 §8 Abs1 Z2
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z3
FPG §52 Abs9
FPG §55
European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2020:L507.2214697.1.00
Spruch:
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Habersack über die Beschwerden des 1) XXXX , geb. XXXX , der 2) XXXX , geb. XXXX , des 3) XXXX , geb. XXXX , alle StA. Türkei, vertreten durch Rechtsanwalt Mag. ÖNER Tanal, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 31.01.2019 und 13.02.2019, Zlen. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 24.09.2019, zu Recht erkannt:
A) Die Beschwerden werden gemäß §§ 7 Abs. 1 Z 2 und Abs. 4, 8 Abs. 1 Z 2, 57, 10 Abs. 1 Z 4 AsylG iVm § 9 BFA-VG, §§ 52 Abs. 2 Z 3 und Abs. 9, 46, 55 Abs. 1 bis 3 FPG, als unbegründet abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang
1. Verfahren über den Antrag auf internationalen Schutz
1.1. Die Beschwerdeführer (BF) 1 und 2 sind Ehegatten und stellten am 25.10.2014 Anträge auf internationalen Schutz. Der BF3 stellte am 30.01.2015 (AS 3) einen Antrag auf internationalen Schutz. Die BF1 und BF2 sind die Eltern des BF3.
In der Erstbefragung und in der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) erklärten die BF1 und BF2 im Wesentlichen, dass sie syrische Staatsangehörige seien und aufgrund des Krieges in Syrien sowie der BF3 aufgrund der Flucht vor der Einberufung zum Militär ihr Heimatland (Syrien) verlassen hätten.
1.2. Mit Bescheiden des BFA vom 21.08.2015, Zlen.: 1043798802-140105169 und 1043798606-140105207 betreffend BF1 und BF2 und mit Bescheid vom 16.12.2015, Zl.: 1051032910-150113805 betreffend BF3 wurde den Beschwerdeführern der Status von Asylberechtigten zuerkannt und festgestellt, dass ihnen die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
2. Verfahren über die Aberkennung des Status des Asylberechtigten
2.1. Am 09.09.2018 wurden die Beschwerdeführer bei der Einreise von der Türkei kommend nach Bulgarien einer Grenzkontrolle durch bulgarische Grenzkontrollorgane unterzogen. Die Beschwerdeführer wiesen sich dabei mit ihren österreichischen Konventionspässen aus. Da in den Konventionspässen türkische Visa bzw. türkische Grenzkontrollstempel fehlten, wurden die Beschwerdeführer nach weiteren Reisedokumenten befragt, woraufhin sich die Beschwerdeführer mit türkischen Reisepässen auswiesen.
2.2. Im Zuge der darauffolgenden Einleitung von Asyl-Aberkennungsverfahren erfolgten am 20.11.2018 (BF1-2) und am 07.02.2019 (BF3) vor dem BFA niederschriftliche Einvernahmen. Dabei wurden die Beschwerdeführer insbesondere zu ihrer Staatsangehörigkeit befragt.
Der BF1 brachte zusammengefasst vor, dass er sich seit der Asylzuerkennung einmal in Deutschland und zweimal in der Türkei aufgehalten habe. Zudem gab der BF1 an, dass er einen türkischen Reisepass besitze, weil seine Ehegattin (BF2) Türkin sei. Er habe Geld bezahlt und „sie“ seien einverstanden gewesen und sei ihm der Reisepass ausgestellt worden. Bei einer Rückkehr in die Türkei würde er als Kurde Probleme bekommen. Zudem sei einer seiner Söhne in der Türkei im Gefängnis. In XXXX seien viele Polizisten und hätten sie dort zur Zeit der Flucht aus Syrien Probleme gehabt. Im Jänner 2019 müsse der BF1 wieder in die Türkei reisen, weil er sich dort seine Zähne „machen“ lasse. Zu einer allfälligen Aufenthaltsberechtigung für die Türkei erklärte der BF1, er habe zwischen 2004 und 2005 seine Heirat mit der BF1 in der Türkei eintragen lassen und sieben Jahre einen „Aufenthalt“ gehabt. Dann hätten sie sich mit der Staatsbürgerschaft einverstanden erklärt. Man hätte ihm die Staatsbürgerschaft gegeben. Sein Reisepass sei ein echtes Dokument. In der Türkei gebe es keine Sicherheit. Die Regierung von Erdogan sei schlimm. Sie würden einen zum Schweigen bringen. Alle Kurden, welche Verantwortung übernommen hätten, seien im Gefängnis. In der Türkei könne man nicht „ja“ oder „nein“ sagen. Wenn jemand über Facebook etwas Kleines über die Türkei sage, würde man festgenommen werden.
Die BF2 brache zusammengefasst vor, dass sie seit der Asylzuerkennung zweimal in der Türkei aufhältig gewesen sei. Zwei ihrer Kinder würden dort leben. Die BF2 habe in der Türkei eine Geburtsurkunde vorgelegt und sich einen Reisepass ausstellen lassen. Sie habe aber Dokumente ihrer Verwandten vorgelegt, weshalb die Namen des Vaters und der Mutter anders seien und auch der Name „ XXXX “ in der Geburtsurkunde stehe. Ihr Ehegatte (BF1) habe seit ca. zehn Jahren einen türkischen Nüfus und sie selbst seit ca. sieben Jahren. Sie sei keine türkische Staatsangehörige.
Der BF3 gab im Wesentlichen an, dass er in Syrien geboren sei, aber seit ungefähr fünf Jahre vor seiner Einreise nach Österreich in der Türkei gelebt habe. Im Jahr 2014 habe er seine nunmehrige Ehegattin in der Türkei kennen gelernt und sei mit ihr seit ca. fünf Jahren traditionell und seit ca. einem Jahr standesamtlich verheiratet. Seine Ehegattin sei türkische Staatsangehörige und lebe in XXXX . Die türkische Staatsangehörigkeit habe er seit der ersten Schulklasse und habe er schon immer in der Türkei gelebt. Nach Österreich sei er gekommen, weil er keinen Beruf gehabt habe und seinen Eltern in Österreich gewesen seien. Wenn er in die Türkei zurückkehre, müsse er den Militärdienst leisten und könne er dann seine Ehegattin nicht unterstützen. Zudem würde er in den Krieg geschickt werden und wolle er nicht kämpfen.
2.3. Mit den angefochtenen Bescheiden des Bundeamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 31.01.2019 (BF1-2) und 13.02.2019 (BF3) wurde der den Beschwerdeführern mit Bescheid vom 21.08.2015 (BF1-2) und 16.12.2015 (BF3) zuerkannte Status von Asylberechtigten gemäß § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG aberkannt und gemäß § 7 Abs. 4 AsylG festgestellt, dass ihnen die Flüchtlingseigenschaft kraft Gesetzes nicht mehr zukommt. Den Beschwerdeführern wurde gemäß § 8 Abs. 1 Z 2 AsylG der Status von subsidiär Schutzberechtigten nicht zuerkannt und Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 4 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurden gegen die Beschwerdeführer Rückkehrentscheidungen gemäß § 52 Abs. 2 Z 3 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass Abschiebungen gemäß § 46 FPG in die Türkei zulässig sind. Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidungen festgesetzt.
Begründend wurde im Wesentlichen festgehalten, dass die Umstände, aufgrund derer den Beschwerdeführern der Status von Asylberechtigten zuerkannt wurde, nunmehr nicht mehr gegeben seien, da die Beschwerdeführer zusätzlich zu ihrer syrischen Staatsangehörigkeit auch über die türkische Staatsangehörigkeit verfügen würden. Die Beschwerdeführer hätten somit hinsichtlich ihrer tatsächlichen Identität unwahre Angaben getätigt bzw. die türkische Staatsangehörigkeit verschwiegen.
Zudem sei es nicht glaubhaft, dass die Beschwerdeführer im Falle ihrer Rückkehr in die Türkei in eine ausweglose Lage geraten würden. Weiters hätten sich keine Hinweise auf Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG ergeben und stellen die Rückkehrentscheidungen auch keinen ungerechtfertigten Eingriff in Art. 8 EMRK dar.
2.4. Mit Verfahrensanordnungen des BFA vom 31.01.2019 (BF1-2) und 14.02.2019 (BF3) wurde den Beschwerdeführern gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG amtswegig ein Rechtsberater zur Seite gestellt und gemäß § 52a Abs. 2 BFA-VG die Verpflichtung mitgeteilt, bis zum 14.02.2019 (BF1-2) bzw. 01.03.2019 (BF3) Rückkehrberatungsgespräche in Anspruch zu nehmen.
2.5. Die bekämpften Bescheide wurden den Beschwerdeführern am 04.02.2019 (BF1-2) und 21.02.2019 (BF3) ordnungsgemäß zugestellt, wogegen mit Schreiben vom 13.02.2019 (BF 1-2) und 12.03.2019 (BF3) fristgerecht Beschwerden erhoben wurden.
Darin wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der BF1 vor dem BFA vorbrachte, über Dokumente der Türkei zu verfügen. Der BF1 habe aber glaubhaft dargelegt, dass er in der Türkei angegeben habe, seine Frau sei Türkin. Zudem habe der BF1 Geld bezahlt und sei ihm dann der türkische Reisepass ausgestellt worden. Der BF1 habe gewollt, dass seine Kinder in der Türkei in die Schule gehen würden und müsse dazu seine Ehegattin Türkin sein. Die BF2 habe dargelegt, dass sie keine türkische Staatsangehörige sei und lediglich Dokumente ihrer Verwandten vorgelegt habe. Die BF2 habe eingestanden, dass ihr Name sowie die Namen ihrer Eltern in der Geburtsurkunde unrichtig seien. Die BF2 habe ihre Kinder sehen wollen und deshalb diese Dokumente vorgelegt. Die Ausstellung der türkischen Dokumente habe offenkundig dazu gedient, dass die BF1-2 ihre Kinder in der Türkei sehen können und den Kindern der BF1-2 den Schulbesuch zu ermöglichen. Die BF1-2 hätten zu keinem Zeitpunkt die Voraussetzungen für den Erhalt der türkischen Staatsbürgerschaft erfüllt. Gerade deshalb hätten sei sich dazu gezwungen gesehen, fremde Dokumente der Verwandten der BF2 vorzulegen. Die BF1-2 seien weder in der Türkei geboren, noch würden sie die gesetzlichen Voraussetzungen für den „nachträglichen“ Erwerb der türkischen Staatsbürgerschaft erfüllen.
Der BF1 habe für seine berufliche Tätigkeit in der Türkei nur Aufenthaltsberechtigungen für die Türkei erhalten. Wäre er tatsächlich syrischer und türkischer Staatsangehöriger gewesen, hätte er eine Aufenthaltsberechtigung gar nicht benötigt. Die BF2 habe auch immer ihren korrekten syrischen Namen angegeben und für die Ausstellung eines türkischen Reisepasses Dokumente ihrer in der Türkei lebenden Verwandten verwendet. Der rechtswidrig erlangte türkische Reisepass vermag keinen legalen Titel für den rechtmäßigen Aufenthalt der BF1-2 in der Türkei bilden. Die BF1-2 seien nur syrische Staatsbürger und lägen die für die Asylgewährung im Jahr 2015 herangezogenen Gründe weiterhin vor.
Im Weiteren wurden auszugsweise Länderberichte zur Sicherheitslage in Syrien und der Türkei und schließlich Ausführungen zum Privat- und Familienleben der BF1-2 in Österreich dargelegt.
In der Beschwerde des BF3 wurde ergänzend ausgeführt, dass auch der BF3 vorgebracht habe, dass seine Mutter (BF2) die türkische Staatsbürgerschaft gekauft habe. Der BF3 sei damals noch minderjährig gewesen, sodass ihm keine Mitschuld vorzuwerfen sei. Der BF3 sei weder in der Türkei geboren, noch erfülle er die gesetzlichen Voraussetzungen für den „nachträglichen“ Erwerb der türkischen Staatsbürgerschaft. Der BF3 habe zwar in der Türkei die Schule besucht und eine Frau geheiratet, dennoch sei er syrischer Staatsbürger. Es liege keine Doppelstaatsbürgerschaft vor. Der rechtswidrig ausgestellte türkische Reisepass stelle keinen legalen „Titel“ für den rechtmäßigen Aufenthalt des BF3 in der Türkei dar.
Auch beim BF3 lägen die für die Asylgewährung im Jahr 2015 herangezogenen Gründe weiterhin vor und wurden im Weiteren auszugsweise Länderberichte zur Sicherheitslage in Syrien und der Türkei getroffen. Schließlich folgen Ausführungen zum Privat- und Familienleben des BF3 in Österreich.
2.6. Mit Schriftsatz vom 19.09.2019 erfolgte seitens der Vertretung der Beschwerdeführer eine Stellungnahme, ein Beweisantrag sowie eine Urkundenvorlage.
Darin wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die Beschwerdeführer syrische Staatsangehörige seien und diese die türkische Staatsbürgerschaft – mit Verweis auf das türkische Staatsangehörigengesetz 2009 - nicht rechtskonform erworben hätten. Es sei allseits bekannt, dass syrische Staatsangehörige in die Türkei flüchten würden und dort unrechtmäßig mit Hilfe ihrer Verwandten in den Besitz türkischer Dokumente kommen würden. Aufgrund der Vielzahl der Fälle werde mittels DNA-Beweis ermittelt, ob jemand zu Recht türkischer Staatsangehöriger sei. Die BF2 sei keine türkische Staatsangehörige und aus diesem Grund sei auch der rechtswirksame Erwerb der türkischen Staatsangehörigkeit des BF1 und BF3 auszuschließen.
Zum Beweis dafür, dass die BF2 nicht von XXXX und XXXX abstamme, wurde weiters beantragt, dass mittels Rechtshilfeersuchen oder durch die österreichische Botschaft die Einvernahme der leiblichen Mutter der BF2 ( XXXX ), syrische Staatsangehörige, wohnhaft in XXXX in der Türkei, durgeführt werde.
2.7. Am 24.09.2019 führte das Bundesverwaltungsgericht in der Sache der Beschwerdeführer eine öffentlich mündliche Verhandlung durch. In dieser wurde den Beschwerdeführern die Gelegenheit gegeben, Ausführungen zu ihrer Identität bzw. Staatsangehörigkeit, zur Integration in Österreich sowie zu allfälligen Rückkehrbefürchtungen die Türkei betreffend zu tätigen. Zudem wurde den Beschwerdeführern Länderfeststellungen zur Türkei ausgehändigt und ihnen die Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme innerhalb von zwei Wochen eingeräumt.
2.8. Mit Schriftsatz vom 14.10.2019 wurde zum Beweis dafür, dass die BF2 nicht von XXXX und XXXX abstamme, die Einvernahme von XXXX mittels Rechtshilfeersuchen oder durch die österreichische Botschaft, beantragt.
II. Sachverhalt:
1.1. Zur Person der Beschwerdeführer:
Die Beschwerdeführer sind Staatsangehörige der Türkei, muslimisch-sunnitischen Glaubens und Angehörige der kurdischen Volksgruppe.
Ob die Beschwerdeführer nach wie vor im Besitz der syrischen Staatsangehörigkeit sind bzw. seit wann sie im Besitz der türkischen Staatsangehörigkeit sind, konnte nicht festgestellt werden.
Die Beschwerdeführer wurden in Syrien geboren. Der BF1 hat keine Schulbildung und war in Syrien zunächst als Hilfsarbeiter tätig. Auch die BF2 besuchte keine Schule und hat in Syrien als Köchin gearbeitet.
Die BF1 und 2 haben im Jahr 1984 geheiratet und entstammen dieser Ehe fünf gemeinsame Kinder.
Der BF1 hielt sich ab dem Jahr 2004 immer wieder beruflich in der Türkei auf und spricht auf einfachen Niveau die türkische Sprache.
Im Jahr 2013 oder 2014 haben die BF1-2 Syrien verlassen, reisten in die Türkei, von wo aus sie im Oktober 2014 weiter nach Österreich reisten.
Der BF3 besuchte ab dem Jahr 2004 in der Türkei die Schule und wohnte von da an bei einer Tante in der Türkei.
Im Jänner 2013 reiste der BF3 nach Österreich. Vor seiner Ausreise aus der Türkei lernte der BF3 seine jetzige Ehegattin – eine türkische Staatsangehörige – kennen, welche er im Jahr 2018 standesamtlich heiratete. Im Jahr 2014 hatte der BF3 seine Ehegattin traditionell geheiratet.
Seit April 2019 ist die Ehegattin des BF3 als Asylwerberin in Österreich aufhältig und besteht seit 20.08.2019 ein gemeinsamer Wohnsitz.
In der Türkei leben die Eltern sowie sechs Geschwister (drei Brüder und drei Schwestern) der BF2, mehrere Onkel des BF1 und die Schwiegermutter des BF3. Drei der fünf Kinder der BF1-2 leben ebenfalls in der Türkei.
Eine Tochter der BF1-2 ist in Österreich aufhältig. Ein gemeinsamer Wohnsitz der Beschwerdeführer mit der Tochter bzw. Schwester besteht nicht.
Die BF1-2 halten sich seit Oktober 2014 und der BF3 seit Jänner 2015 durchgehend in Österreich auf. Infolge der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft mit Bescheiden des BFA vom 21.08.2015 (BF 1-2) und vom 16.12.2015 halten sich die Beschwerdeführer als anerkannte Flüchtlinge in Österreich auf.
Die BF1-2 haben in Österreich Deutschqualifizierungsmaßnahmen besucht und verfügen über rudimentäre Deutschkenntnisse. Der BF3 spricht auf einfachem Niveau die deutsche Sprache.
Am 06.12.2017 (BF1) sowie am 01.02.2017 (BF2) haben die BF1-2 einen Werte- und Orientierungskurs absolviert.
Der BF1 ist in Österreich seit Oktober 2017 als Pizzalieferant tätig, wobei er bis November 2017 geringfügig beschäftigt war. Die BF2 ist seit April 2019 als Reinigungskraft tätig.
Der BF3 hat am 27.04.2017 die Ausbildung „Tourismus und Deutsch – Schwerpunkt Küche“ und am 26.01.2017eine Ausbildung im Bereich Hotel- und Gastgewerbe absolviert.
Seit Juni 2017 ist der BF3 in der Gastronomie bzw. als Kochgehilfe tätig. Von 24.11.2017 bis 06.02.2018 war der BF3 geringfügig bzw. mehrfach geringfügig beschäftigt.
Der BF3 verfügt über freundschaftliche Kontakte in Österreich.
Der BF1 leidet an Hepatitis B und wird medikamentös behandelt.
Die Beschwerdeführer sind in Österreich strafrechtlich unbescholten.
Die Beschwerdeführer sind keine Mitglieder in einem Verein und haben die BF1-2 in Österreich keine Ausbildung absolviert.
1.2. Zur Lage in der Türkei wird festgestellt:
Allgemeine politische Lage
Überblick
Die Türkei ist eine Präsidialrepublik und laut Art. 2 ihrer Verfassung ein demokratischer, laizistischer und sozialer Rechtsstaat auf der Grundlage öffentlichen Friedens, nationaler Solidarität, Gerechtigkeit und der Menschenrechte. Staats- und Regierungschef in einem ist seit Einführung des präsidialen Regierungssystems (09.07.2018) der Staatspräsident, der die politischen Geschäfte führt. Die Amtszeit des direkt vom Volk gewählten Staatsoberhauptes beträgt fünf Jahre, eine einmalige Wiederwahl ist möglich.
Das seit 1950 bestehende Mehrparteiensystem ist in Art. 68 der Verfassung festgeschrieben.
Für die Parlamentswahl gilt eine 10 %-Hürde. Aufgrund einer Änderung des Wahlgesetzes 2018 ist es aber auch sog. „Wahlbündnissen“ mehrerer Parteien möglich, ins Parlament einzuziehen, wenn das Bündnis insgesamt die Schwelle von 10 % überwindet. Die letzte Parlamentswahl fand zeitgleich mit der Präsidentschaftswahl am 24.06.2018 statt. Internationale Wahlbeobachter der ODIHR-Beobachtermission konstatieren in ihrem Bericht vielfältige Verstöße gegen den Fairnessgrundsatz (u.a. ungleicher Medienzugang, Wahl unter Ausnahmezustand), stellten die Legitimität des Gesamtergebnisses insgesamt jedoch nicht in Frage. Der Wahlkampf fand unter den rechtlichen Einschränkungen des Notstandes statt. Der Kandidat der HDP, Selahattin Demirtaş, befindet sich bis heute im Gefängnis. Nach den amtlichen Ergebnissen erzielte die Regierungspartei AKP 42,5 %, die mit ihr verbündete MHP kam auf 11,2 %. Gemeinsam verfügen beide Parteien damit über eine deutliche Mehrheit im Parlament. Die linkskemalistische CHP erreichte 22,67 %, die rechtsnationalistische IYI Parti auf 10,01 % und die linke, prokurdische HDP schaffte mit 11,62 % ebenfalls den Einzug ins Parlament.
Bei der am 31.03.2019 erfolgten Kommunalwahl gewann die oppositionelle CHP unter anderem die Bürgermeisterwahlen in Ankara und Istanbul. Auf Beschwerde der Regierungspartei AKP entschied der Hohe Wahlrat am 6.5.2019, die Wahl in Istanbul zu annullieren, nachdem StP Erdogan sich persönlich zur Wahl geäußert und von schwerwiegenden Manipulationen gesprochen hatte. Die Neuwahl ist für den 23.06.2019 festgesetzt.
Die Gewaltenteilung ist in der Verfassung in Art. 7 (Legislative), 8 (Exekutive) und 9 (Judikative) festgelegt; realiter besteht allerdings eine starke Machtkonzentration im Amt des Staatspräsidenten. Laut Art. 9 erfolgt die Rechtsprechung durch unabhängige Gerichte. Die in Art. 138 der Verfassung geregelte Unabhängigkeit der Richter ist durch die umfassenden Kompetenzen des in Disziplinar- und Personalangelegenheiten dem Justizminister unterstellten Rates der Richter und Staatsanwälte (HSK) in Frage gestellt. Der Rat ist u. a. für Ernennungen, Versetzungen und Beförderungen zuständig. Rechtsmittel gegen Entscheidungen des Rates sind seit 2010 nur bei Entlassungen von Richtern und Staatsanwälten vorgesehen. Nach dem Putschversuch von Mitte Juli 2016 wurden fünf der 22 Richter und Staatsanwälte des HSK verhaftet, Tausende von Richtern und Staatsanwälten wurden aus dem Dienst entlassen. Seit Inkrafttreten der im April 2017 verabschiedeten Verfassungsänderungen wird der HSK teils vom Staatspräsidenten, teils vom Parlament ernannt, ohne dass es bei den Ernennungen der Mitwirkung eines anderen Verfassungsorgans bedürfte. Die Zahl der Mitglieder des HSK wurde auf 13 reduziert.
Der am 20.07.2016 eingeführte und siebenmal verlängerte Notstand wurde am 19.07.2018 aufgehoben; wesentliche Regelungen der Dekrete wurden allerdings in reguläre Gesetzgebung überführt. So wurden z.B. Teile der Notstandsvollmachten auf die Provinzgouverneure übertragen, die vom Staatspräsidenten ernannt werden.
Die als Überprüfungsmechanismus für Notstandsentscheidungen (insbes. Entlassungen aus dem öffentlichen Dienst) geschaffene staatliche Untersuchungskommission entspricht nach Einschätzungen von Amnesty International nicht den rechtsstaatlichen Standards. So ist die Kommission personell abhängig von der Regierung, langsam, arbeitet prozessual fraglich (z.B. Beweislastumkehr, keine Vorabmitteilung der Entlassungsgründe an Betroffene). Nur rd. 5.250 (7,5%) der 70.406 bearbeiteten Anträge wurden positiv beschieden (Stand: Mai 2019).
Das Verfassungsgericht prüft die Vereinbarkeit von einfachem Recht mit der Verfassung. Seit September 2012 besteht für alle Staatsbürger die Möglichkeit einer Individualbeschwerde beim Verfassungsgerichtshof. Nach dem Putschversuch wurden zwei Richter des Verfassungsgerichts verhaftet und mit Beschluss des Plenums des Gerichts entlassen.
Oberste Instanz der Verwaltungsgerichte ist der Verwaltungsgerichtshof, die der Straf- und Zivilgerichte der Kassationsgerichtshof. Aufgrund der großen Überlastung der obersten Instanzen wurde unmittelbar vor dem Putschversuch Ende Juni 2016 die seit mehreren Jahren geplante Zwischeninstanz in Form von Regionalgerichten eingeführt und die mittlere Instanz der Verwaltungsgerichtsbarkeit gestärkt. Im Zuge dieser Maßnahmen wurde durch eine Gesetzesänderung vom 01.07.2016 entschieden, die Mitgliederzahl der beiden obersten Gerichtshöfe zu reduzieren. Die Frist zur Umsetzung wurde mit Notstandsdekret 696 vom 20.11.2017 bis 2022 verlängert. Am 25.07.2016 wurden anstelle der entlassenen Richter (mit Ausnahme der jeweiligen Gerichtspräsidenten) 267 neue Mitglieder für den Kassationsgerichtshof und 75 für den Verwaltungsgerichtshof gewählt. Mit Dekret Nr. 696 vom 20.11.2017 wurde jedoch der Kassationsgerichtshof mit 100 neuen Posten aufgestockt und der Verwaltungsgerichtshof mit 16 Posten. Vorwürfe, dass diese personellen Veränderungen zu einer Verschiebung der parteipolitischen Orientierung an den Gerichten genutzt wurden, erscheinen plausibel.
Betätigungsmöglichkeiten von Menschenrechtsorganisationen
Menschenrechtsorganisationen können wie andere Vereinigungen gegründet und betrieben werden, unterliegen jedoch (wie alle Vereine) nach Maßgabe des Vereinsgesetzes der rechtlichen Aufsicht durch das Innenministerium. Ihre Aktivitäten werden von Sicherheitsbehörden und Staatsanwaltschaften beobachtet. Einige Menschenrechtsorganisationen und ihre Mitglieder sind (Ermittlungs-) Verfahren mit zum Teil fragwürdiger rechtlicher Grundlage ausgesetzt, (z. B. sog. Büyükada-Verfahren). Nur wenige der Verfahren gegen Menschenrechtsverteidiger enden mit Freisprüchen. Gelegentlich ziehen sich die Verfahren über mehr als ein Jahr hin, und oft bleiben die Beschuldigten zumindest bis zum ersten Verhandlungstag in Untersuchungshaft.
Hinzu kommt, dass seit der Verhängung des Notstands am 20.07.2016 mehrere Tausend Vereinigungen, darunter zahlreiche Menschenrechtsorganisationen, geschlossen wurden. Im (kurdisch geprägten) Südosten des Landes sind die Betätigungsmöglichkeiten von Menschenrechtsorganisationen noch wesentlich stärker eingeschränkt als im Rest des Landes.
Die am 30.06.2012 gegründete MR-Institution der Türkei (MRI, Insan Hakları Kurumu) wurde am 07.04.2016 durch das Institut für Menschenrechte und Gleichstellung (Insan Hakları ve Eşitlik Kurumu) ersetzt. Die neue Institution geht aus einem Antidiskriminierungsgesetz hervor, das die Türkei am 06.04.2016 zur Erfüllung der Kriterien zur Visaliberalisierung erlassen hatte. Die Institution besteht aus elf Mitgliedern, die vom Staatspräsidenten bestimmt werden. Ihr kommt die Rolle des „Nationalen Präventionsmechanismus“ gem. OPCAT zu. Menschenrechtsorganisationen werfen der Institution fehlende Unabhängigkeit vor. Seit Juni 2012 verfügt die Türkei auch über das Amt eines Ombudsmanns mit etwa 200 Mitarbeitern. Beschwerden können auf Türkisch, Englisch, Arabisch und Kurdisch eingereicht werden. Ferner verfügt das Parlament über einen ständigen Ausschuss für Menschenrechte sowie einen Petitionsausschuss, die sich allerdings kaum mit Fragen wie Presse-, Meinungs-, Versammlungs- und Religionsfreiheit befassen.
Rolle und Arbeitsweise der Sicherheitsbehörden und des Militärs
Die Polizei untersteht dem Innenministerium und übt ihre Tätigkeit in den Städten aus. Sie hat, wie auch der nationale Geheimdienst MIT (Millî İstihbarat Teşkilâtı), der sowohl für die Inlands- wie für die Auslandsaufklärung zuständig ist, unter der AKP-Regierung an Einfluss gewonnen. Seit den Auseinandersetzungen mit der Gülen-Bewegung ist die Polizei aber auch selbst zum Objekt umfangreicher Säuberungen geworden (über 33.000 Bedienstete betroffen von massenhaften Versetzungen, Suspendierungen vom Dienst, Entlassungen und Strafverfahren). Die Jandarma ist für die ländlichen Gebiete und Stadtrandgebiete zuständig, rekrutiert sich teils aus Wehrpflichtigen und untersteht dem Innenminister. Polizei und Jandarma sind zuständig für innere Sicherheit, Strafverfolgung und Grenzschutz. Der MIT ist die Institution, die am meisten Einfluss gewinnen konnte. (siehe auch Abschnitt II.1.1.)
Die vor 2002 dominante politische Bedeutung des Militärs ist unter der AKP-Regierung stark zurückgedrängt worden, die Regierung konnte hier das Primat der Politik durchsetzen. Erstmals in der Geschichte der Republik wurde das Militär unter zivile Aufsicht (des Verteidigungsministeriums) gestellt, seine Autonomie in personellen, organisatorischen und wirtschaftlichen Fragen aufgehoben. Unmittelbar mit Annahme des Verfassungsreferendums vom April 2017 wurde die Militärgerichtsbarkeit in die zivile Gerichtsbarkeit überführt. Von den „Säuberungen“ seit dem Putschversuch im Juli 2016 ist das Militär besonders stark betroffen (dort wg. der Luftschläge in der Putschnacht insbesondere die Luftwaffe).
Asylrelevante Tatsachen
Staatliche Repressionen
Die systematische Verfolgung mutmaßlicher Anhänger der Gülen-Bewegung dauert an. Die Kriterien für die Feststellung der Anhänger- bzw. Mitgliedschaft sind hierbei recht vage. Türkische Behörden (bzw. Gerichte) ordnen Personen nicht nur dann als Terroristen ein, wenn diese tatsächlich aktives Mitglied der Gülen-Bewegung sind, sondern auch dann, wenn diese z. B. lediglich persönliche Beziehungen zu Mitgliedern der Bewegung unterhalten, eine von der Bewegung betriebene Schule besucht haben oder im Besitz von Schriften Gülens sind. In der Regel reicht das Vorliegen eines der folgenden Kriterien, um eine strafrechtliche Verfolgung als mutmaßlicher „Gülenist“ einzuleiten:
- Nutzen der verschlüsselten Kommunikations-App ByLock;
- Geldeinlage bei der Bank Asya nach dem 25.12.2013;
- Abonnement bei der Nachrichtenagentur Cihan oder der Zeitung Zaman;
- Spenden an den Gülen-Strukturen zugeordnete Wohltätigkeitsorganisationen;
- Besuch Gülen zugeordneter Schulen durch Kinder;
- Kontakte zu Gülen zugeordneten Gruppen/Organisationen/Firmen (inkl. abhängige Beschäftigung);
- Teilnahme an religiösen Versammlungen der Gülen-Bewegung.
Eine Verurteilung setzt in der Regel das Zusammentreffen mehrerer dieser Indizien voraus.
Im Zuge der erneuten Eskalation des Konflikts mit der PKK 2015 und unter dem Einfluss des de-facto Koalitionspartners der AKP, der radikalnationalistischen MHP, wurde der Druck auf die - vormals z.T. geduldeten – links-kurdischen regierungskritischen Kreise wieder deutlich erhöht.
Politische Opposition
Ein Teil der Opposition kann sich nicht mehr frei und unbehelligt am politischen Prozess beteiligen. Zehn ehemalige Abgeordnete der links-kurdischen Partei HDP befinden sich in Untersuchungshaft oder sind rechtskräftig zu Haftstrafen verurteilt, darunter die ehemaligen KoVorsitzenden Figen Yüksekdağ und Selahattin Demirtaş. Den HDP-Abgeordneten wird meistens Unterstützung oder Mitgliedschaft in einer terroristischen Organisation (PKK) vorgeworfen. Damit droht ihnen im Falle von Verurteilungen neben den langen Haftstrafen auch ein fünfjähriges Politikverbot. Auch auf lokaler Ebene versucht die Regierung, den Einfluss der HDP bzw. ihrer Schwesterpartei DBP zu verringern. Die HDP/DBP wurde bei den Kommunalwahlen 2014 die vorherrschende politische Kraft im Südosten der Türkei. Im Zuge der Notstandsdekrete sind bis Ende 2017 insgesamt 93 gewählte Kommunalverwaltungen, überwiegend im kurdisch geprägten Südosten der Türkei, mit der Begründung einer Nähe zu terroristischen Organisationen (PKK, vereinzelt Gülen-Bewegung) abgesetzt und durch sog. staatliche Treuhänder ersetzt worden. Bei den Wahlen am 31.März 2019 sind einige abgesetzte Bürgermeister wiedergewählt worden. Allerdings verweigerten die lokalen Wahlräte einer Reihe von Wahlsiegern der HDP die Ernennung zum Bürgermeister und ernannten stattdessen die zweitplatzierten Kandidaten (meist: AKP) Begründet wurde die Maßnahme damit, dass die betroffenen HDP-Politiker zuvor per Dekret aus dem öffentlichen Dienst entlassen worden waren. Dennoch hatte sie der Wahlrat zur Wahl zugelassen.
Seit 2009 wurden keine Parteien verboten. Für die Regierung war die HDP Verhandlungspartner in den - 2015 abgebrochenen- Friedensverhandlungen mit der PKK.
Der Führung der HDP / DBP wird regierungsseitig vorgeworfen, enge Verbindungen zur PKK sowie zu deren politischer Dachorganisation KCK (Koma Ciwaken Kürdistan, Union der Gemeinschaften Kurdistans) zu pflegen. Strafverfolgung gegen die PKK und die KCK betrifft insofern teilweise auch Mitglieder der HDP/ DBP.
Nach Einschätzung der HDP befinden sich rd. 6 000 Parteifunktionäre und -mitglieder (inkl. DBP) aktuell in Haft. Die KCK hat nach Auffassung der türkischen Behörden zum Ziel, von der PKK dominierte quasi-staatliche Parallelstrukturen (z. B. Sicherheit, Wirtschaft) aufzubauen. Bei diversen Verhaftungswellen im Südosten des Landes sowie in den Ballungszentren Istanbul, Ankara und Izmir wurden seit Mitte 2011 auch Journalisten, Akademiker, Gewerkschafter und Rechtsanwälte inhaftiert. Seit der Eskalation der Kämpfe in Nordsyrien 2014 kam es zu zahlreichen Verhaftungen im Zusammenhang mit öffentlichen Äußerungen gegen diesen Einsatz mit dem Vorwurf der Terrorpropaganda.
Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, Meinungs- und Pressefreiheit
Die türkische Verfassung garantiert Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, Meinungs- und Pressefreiheit, in der Praxis sind diese Rechte aber weitgehend ausgehebelt.
Die Freiheit, auch ohne vorherige Genehmigung unbewaffnet und gewaltfrei Versammlungen abzuhalten, unterliegt Einschränkungen, soweit Interessen der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung, die Vorbeugung von Straftaten bzw. die allgemeine Gesundheit oder Moral betroffen sind. In der Praxis werden bei regierungskritischen politischen Versammlungen regelmäßig dem Veranstaltungszweck zuwiderlaufende Auflagen bezüglich Ort und Zeit gemacht und zum Teil aus sachlich nicht nachvollziehbaren Gründen Verbote ausgesprochen. Betroffen von Versammlungsverboten und Einschränkungen der Meinungsfreiheit sind auch immer wieder Gewerkschaftsmitglieder. Regierungskritische Demonstrationen nach den Gezi-ParkProtesten im Sommer 2013 wurden vielfach aufgelöst. Seit 2015 wurden Gay-Pride-Paraden in Istanbul und Ankara teils sehr kurzfristig verboten. 2017 verfügte der Gouverneur von Ankara ein grundsätzliches Verbot für öffentliche Veranstaltungen mit LGBTI-Bezug.
Fälle von massiver Gewalt seitens der Sicherheitskräfte, polizeilicher Ingewahrsamnahmen und strafrechtlicher Ermittlungen bei der Teilnahme an nicht genehmigten oder durch Auflösung unrechtmäßig werdenden Demonstrationen kommen nicht selten vor. Nicht genehmigte Versammlungen werden häufig unter Einsatz von Wasserwerfern, Tränengas und Schlagstöcken aufgelöst.
Die extensive Auslegung des unklar formulierten § 220 tStGB (kriminelle Vereinigung) durch den Kassationsgerichtshof führte zur Kriminalisierung von Teilnehmern an Demonstrationen, bei denen auch PKK-Symbole gezeigt wurden bzw. zu denen durch die PKK aufgerufen wurde, unabhängig davon, ob dieser Aufruf bzw. die Nutzung dem Betroffenen bekannt war. Sie müssen – auch bei Teilnahme an einer solchen Demonstration im Ausland - mit einer Verurteilung wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung rechnen.
Das 2004 novellierte Vereinsgesetz erlaubt die Gründung von Vereinen auf der Grundlage der Zugehörigkeit u. a. zu einer Religion oder Volksgruppe innerhalb des verfassungsrechtlichen Rahmens. Türkisch muss nur noch in der offiziellen Korrespondenz des Vereins mit staatlichen Institutionen benutzt werden.
Die türkische Rechtsordnung schränkt die Presse- und Meinungsfreiheit durch zahlreiche Bestimmungen der Straf- und Antiterrorgesetze ein. Kritisch bleiben nach wie vor die unspezifische Terrorismusdefinition und ihre Anwendung durch die Gerichte. Nach den aktuellsten verfügbaren Angaben des türkischen Justizministeriums wurden 2017 24.585 Personen wegen Straftaten nach dem Antiterrorgesetz angeklagt; im gleichen Jahr wurde wegen 6162 solcher Straftaten eine Freiheitsstrafe verhängt, und in 5202 Fällen erging Freispruch. Ermittlungsverfahren laufen in erheblicher Zahl. Weitere Verfahren wurden auf andere Weise (Aussetzung zur Bewährung, Geldstrafe u.a.) erledigt.
Ebenso problematisch ist die sehr weite Auslegung des Terrorismusbegriffs durch die Gerichte. So kann etwa auch öffentliche Kritik am Vorgehen der türkischen Sicherheitskräfte in den Kurdengebieten der Südosttürkei oder das Teilen von Beiträgen mit PKK-Bezug in den sozialen Medien bei entsprechender Auslegung bereits den Tatbestand der Terrorpropaganda erfüllen. Die „Beleidigung des Türkentums“ ist gemäß Art. 301 tStGB strafbar und kann von jedem Staatsbürger zur Anzeige gebracht werden, der Meinungs- oder Medienäußerungen für eine Verunglimpfung der nationalen Ehre hält. Offiziellen Zahlen zufolge wurden 2017 insgesamt 6.033 Straftaten wegen Beleidigung des derzeitigen Staatspräsidenten gemäß Art. 299 tStGB eingeleitet und über 4.069 Fälle entschieden (davon 2.099 zu Freiheitsstrafe, 873 Freispruch, 1.660 „Aufschub der Urteilsverkündung“ und 518 sonstige Beschlüsse).
Seit Beginn der dem Putschversuch vom 15. Juli 2016 folgenden „Säuberungen“ erhöhte sich der Druck auf die Medien. Aktuell befinden sich über 100 Journalisten in Haft. Den meisten von ihnen wird Unterstützung der Gülen-Bewegung oder der PKK vorgeworfen. Die Anklageschriften enthalten häufig konstruierte Anschuldigungen, die nicht selten lediglich auf öffentlichen Meinungsäußerungen beruhen. Innerhalb von sechs Wochen nach dem Putsch wurden sämtliche von der Regierung als Gülen-nah angesehenen Medien per Dekret geschlossen. Ende Dezember 2016 veranlasste ein Richter in Istanbul die Beschlagnahmung des Privatvermögens von 54 z.T. inhaftierten Journalisten/Publizisten, die in der Vergangenheit bei Gülen-nahen Medienorganen angestellt waren. Insgesamt wurden seit Juli 2016 knapp 200 Medienorgane geschlossen; alle in diesen Medien tätigen Journalisten haben ihre Presseakkreditierung verloren. „Reporter ohne Grenzen“ verwies die Türkei 2019 im Länderranking der Pressefreiheit auf Platz 157 von 180 Alle landesweiten Nachrichtenagenturen stehen der Regierungspartei nahe, 90 % der türkischen Medien (Print, Rundfunk, TV) sind personell und/oder finanziell mit der Regierungspartei AKP verbunden. Die restlichen 10% werden finanziell ausgehungert, indem ihnen staatliche Werbeanzeigen entzogen werden (u.a. auch durch direkte Drohungen an Werbung schaltende Unternehmen). Selbstzensur – schon vor dem Putschversuch weit verbreitet – ist inzwischen auch in bislang moderat kritischen Medien angekommen. Es werden mit Verweis auf die „Bedrohung der nationalen Sicherheit“ oder „Gefährdung der nationalen Einheit“ Publikationsverbote ausgesprochen. Dies trifft – teilweise wiederholt – vor allem kurdische oder linke Zeitungen.
Das Internetgesetz vom März 2018, das Online-Journalismus regulieren soll, ist bislang noch nicht umgesetzt worden. Durch (Teil-) Sperrungen von Webseiten oder einzelner Artikel ohne gesetzliche Regelung wird häufig Zensur von Online-Medien ausgeübt. Im Zeitraum vom 04. bis 07.11.2016 wurden Onlineplattformen und Messengerdienste wie WhatsApp, Twitter, Facebook und Youtube im Zuge der HDP-Festnahmen für Tage gesperrt bzw. lahmgelegt. Die Telekommunikationsbehörde TTK forderte zudem mehrere VPN-Provider dazu auf, VPN-Verbindungen aus der Türkei zu stoppen. Seit April 2017 ist die OnlineEnzyklopädie Wikipedia in der Türkei gesperrt.
Minderheiten
Türkische Staatsbürger nichttürkischer Volkszugehörigkeit sind aufgrund ihrer Abstammung keinen staatlichen Repressionen unterworfen. Die Ausweispapiere enthalten keine Aussage zur ethnischen Zugehörigkeit.
Die Türkei erkennt Minderheiten als Gruppen mit rechtlichem Sonderstatus grundsätzlich unter den Voraussetzungen des Lausanner Vertrags von 1923 an, der „türkischen Staatsangehörigen, die nichtmuslimischen Minderheiten angehören, (...) die gleichen gesellschaftlichen und politischen Rechte wie Muslimen“ (Art. 39) garantiert. Weiterhin sichert er den nichtmuslimischen Minderheiten das Recht zur „Gründung, Verwaltung und Kontrolle (...) karitativer, religiöser und sozialer Institutionen und Schulen sowie anderer Einrichtungen zur Unterweisung und Erziehung“ zu (Art. 40). Nach offizieller türkischer Lesart beschränkt sich der Schutz allerdings auf drei Religionsgemeinschaften: die griechisch-orthodoxe (ca. 2.000), die armenisch-apostolische Kirche (ca. 60.000) und die jüdische Gemeinschaft (ca. 20.000 Mitglieder). Nicht umfasst sind Gläubige diverser Ostkirchen, Katholiken, Protestanten und weitere nicht-sunnitische Religionsgruppen – einschließlich Aleviten (bis zu 25% der Bevölkerung) und Schiiten. [Zur Lage religiöser Minderheiten vgl. auch die Ausführungen zu 1.4.]
Neben den offiziell anerkannten religiösen Minderheiten gibt es u.a. folgende ethnische Gruppen, wobei die Angaben zu Zahlenstärken recht unzuverlässig sind: Kurden (13 bis 15 Mio.), Roma (zwischen 2 und 5 Mio.), Tscherkessen (geschätzt rd. 2 Mio.), Bosniaken (bis zu 2 Mio.), Krimtataren (geschätzt rd. 1 Mio.), Araber (vor dem Syrienkrieg 800 000 bis 1 Mio.), Lasen (zw. 50 000 und 500 000), Georgier (rd. 100 000), Uighuren (rd. 50 000), Armenier (mind. 40 000), Syriaken (zw. 20 000 und 30 000) und andere Gruppen in kleiner und schwer zu bestimmender Anzahl (div. zentralasiatische und kaukasische Volksgruppen, Turkomanen, Pomaken, Albaner und andere).
Der private Gebrauch der kurdischen Sprache ist in Wort und Schrift seit Anfang der 2000er Jahre keinen Restriktionen ausgesetzt, der amtliche Gebrauch ist allerdings eingeschränkt. Unterricht in kurdischer Sprache ist an öffentlichen Schulen seit 2012 und an privaten seit 2014 möglich (Wahlpflichtfach „Lebendige Sprachen und Mundarten“). Außerdem wurde die Möglichkeit geschaffen, dass Dörfer im Südosten ihre kurdischen Namen zurückerhalten. Die verfassungsrechtliche Festschreibung von Türkisch als einziger Nationalsprache bleibt jedoch erhalten. Seit einigen Jahren existiert im Südosten eine lebendige kurdischsprachige Medienlandschaft (TV, Funk, Print, Online). Viele – regierungskritische – Medien wurden jedoch seit 2015 von der Regierung verboten.
Für eine Rückkehr zum politischen Verhandlungsprozess zwischen der Regierung und der PKK gibt es aktuell keine Anzeichen.
Erhebliche Diskriminierungen der Roma u.a. auf den Gebieten Bildung, Beschäftigung, Gesundheit und Wohnen bestehen fort. Im April 2016 verabschiedete die türkische Regierung einen Strategie- und Aktionsplan zur Inklusion von Roma. Sein Fokus beschränkt sich auf einzelne soziale Dienstleistungen von Behörden. Dem Plan liegt jedoch kein Budget zugrunde. Unklar bleibt auch über 2018 hinaus, in welcher Form der Plan umgesetzt werden wird. Von Seiten der Regierung bleiben die Ansätze zur Umsetzung bis dato kaum erkennbar und bauen in erster Linie auf private Aktivitäten, die von ausländischen Gebern (EU, bilaterale Unterstützung) finanziell unterstützt werden.
Exilpolitische Aktivitäten
Türkische Staatsangehörige, die im Ausland für eine in der Türkei verbotene Organisation tätig sind und sich nach türkischen Gesetzen strafbar gemacht haben, laufen Gefahr polizeilicher oder justizieller Maßnahmen, wenn sie in die Türkei einreisen. Insbesondere Personen, die als Auslöser von als separatistisch oder terroristisch erachteten Aktivitäten und als Aufwiegler angesehen werden, müssen mit strafrechtlicher Verfolgung durch den Staat rechnen. Es kann davon ausgegangen werden, dass türkische Stellen Regierungsgegner, darunter insbesondere PKK- und Gülen-Anhänger, im Ausland ausspähen. Mehrere Unterlagen und Auslieferungsersuchen, die diese Vermutung nahelegen, wurden bereits an die Bundesregierung übermittelt.
Öffentliche Äußerungen, auch in sozialen Netzwerken, Zeitungsannoncen oder -artikeln, sowie Beteiligung an Demonstrationen, Kongressen, Konzerten etc. im Ausland zur Unterstützung kurdischer Belange sind strafbar, wenn sie als Anstiftung zu konkret separatistischen und terroristischen Aktionen in der Türkei oder als Unterstützung illegaler Organisationen nach dem türkischen Strafgesetzbuch gewertet werden können. Aus bekannt gewordenen Fällen ist zu schließen, dass solche Äußerungen zunehmend zu Strafverfolgung und Verurteilung führen und sogar als Indizien zur Feststellung der Mitgliedschaft in einer Terrororganisation herangezogen werden.
Repressionen Dritter
Es existieren mehrere linksradikale, terroristische Gruppierungen. Neben der PKK sind es v.a. die DHKP-C (Devrimci Halk Kurtuluş Partisi – Cephesi – „Front der Partei zur Revolutionären Volksbefreiung“), die TKP-ML (Türkiye Komünist Partisi / Marksist Leninist) und die linksterroristische MLKP (Marxistisch-Leninistische Kommunistische Partei).
Trotz der andauernden Bedrohung der nationalen Sicherheit durch Teile dieser Gruppierungen kann davon ausgegangen werden, dass sie keine Repressionen gegenüber einer bestimmten Personengruppe wegen ihrer Rasse, Nationalität oder Religion ausüben. Dies gilt in der Regel auch für die umstrittene Einrichtung der Dorfschützer, vom Staat angestellte, bewaffnete Einheimische, die vor den Übergriffen der PKK im Südosten des Landes schützen sollen (über 80.000 in 22 Provinzen). Die sunnitisch-islamistische kurdische Hizbullah hat seit 2000, die islamistische IBDA-C („Front der Kämpfer des Großen Ostens“) seit 2003 keine Gewaltaktionen mehr verübt.
Ausweichmöglichkeiten
Die unter Ziffer II. genannten Maßnahmen werden landesweit praktiziert, die Justiz sowie die Sicherheitskräfte haben Zugriff auf das gesamte Staatsgebiet.
Militärdienst
Der Wehrpflicht unterliegt jeder männliche türkische Staatsangehörige zwischen dem 19. und dem 41. Lebensjahr (). Diejenigen, die innerhalb dieser Zeit den Wehrdienst nicht abgeleistet haben, werden von er Wehrpflicht nicht befreit (Artikel 5, letzter Absatz tWDG). Der Wehrdienst wird in den Streitkräften einschließlich der Jandarma abgeleistet. Derzeit leisten
360.869 (Stand: Juni 2018) Wehrpflichtige ihren Dienst. Söhne und Brüder von gefallenen Soldaten können vom Wehrdienst befreit werden. Auslandstürken können sich gegen Entgelt von der Wehrpflicht freikaufen. Mit Änderung im Wehrgesetz vom 26.07.2018 (Art. 1 ÄG Nr. 7146) wurde das Entgelt von 1.000 Euro auf 2.000 Euro erhöht. 2018 wurde erstmals eine zeitlich befristete Freikaufoption für im Inland lebende Wehrpflichtige geschaffen, die vor dem 01.01.1994 geboren wurden. Die Befreiung erfolgte durch die Bezahlung eines Pauschalbetrags i.H.v. 15.000 TL (umgerechnet derzeit etwa 2.680 EUR) und Ableistung des Grundwehrdienstes von 21 Tagen.
Das Verteidigungsministerium plant laut Ankündigung des Staatspräsidenten vom März 2019 neben der Verkürzung des Wehrdienstes auf sechs Monate die Einführung einer (auf 145 000 pro Jahr kontingentierten) Freikaufoption für alle im Inland lebenden Wehrpflichtigen.
Ein Recht zur Verweigerung des Wehrdienstes oder der Ableistung eines Ersatzdienstes besteht nicht. Wehrdienstverweigerer und Fahnenflüchtige werden strafrechtlich verfolgt. Das Urteil des EGMR Ülke./.Türkei aus dem Jahr 2006 ist trotz deutlicher Mahnungen des Ministerkomitees des Europarats noch nicht umgesetzt. Seit Änderung von Art. 63 tMilStGB ist nunmehr bei unentschuldigtem Nichtantritt oder Fernbleiben vom Wehrdienst statt einer Freiheitsstrafe zunächst eine Geldstrafe zu verhängen. Subsidiär bleiben aber Haftstrafen bis zu sechs Monaten möglich.
Die Verjährungsfrist richtet sich nach Art. 66e tStGB und beträgt zwischen fünf und acht Jahren, falls die Tat mit Freiheitsstrafe bedroht ist. Suchvermerke für Wehrdienstflüchtlinge werden seit Ende 2004 nicht mehr im Personenstandsregister eingetragen.
Bis 2009 kam es bei Wehrdienstentziehung auch zur Aberkennung der türkischen Staatsangehörigkeit (Art. 25ç tStAG a.F.). Die gesetzliche Bestimmung wurde durch Novellierung des Staatsangehörigkeitsgesetzes vom 29.05.2009 – in Kraft seit Veröffentlichung im türkischen Gesetzesblatt am 12.06.2009 abgeschafft. Seitdem können Personen, die u. a. wegen Art. 25 ç tStAG a.F. die türkische Staatsangehörigkeit verloren haben, unabhängig von ihrem Wohnsitz erneut die türkische Staatsangehörigkeit gemäß Artikel 43 tStAG n.F. erhalten.
Menschenrechtslage
Schutz der Menschenrechte in der Verfassung
Der Menschenrechtsschutz wird in der Verfassung in Artikel 2 festgeschrieben und in den folgenden Paragraphen konkretisiert. Parteien werden durch Artikel 68 Abs. 4, Abgeordnete durch ihre Eidesformel (Art. 81) auf ihre Einhaltung verpflichtet.
Die Türkei gehört dem Europarat an und ist Partei der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) von 1950, des 1. Zusatzprotokolls (Grundrecht auf Eigentum) sowie des 6. Zusatzprotokolls zur EMRK über die Abschaffung der Todesstrafe in Friedenszeiten, des 11. (obligatorische Gerichtsbarkeit des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte), des 13. (uneingeschränkte Aufhebung der Todesstrafe) und des 14. Zusatzprotokolls.
Die türkische Regierung hat am 22.07.2016 unter Berufung auf den Notstandsfall den Europarat über eine allg. Derogation nach Art. 15 EMRK notifiziert sowie über eine entsprechende Derogation vom Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte. Der Notstand lief am 20.07.2018 aus; die Derogation wurde aufgehoben.
Die Türkei ist Vertragspartei des Europäischen Übereinkommens zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe von 1987. Sie gehört seit 1973 der OSZE an, unterzeichnete 1990 auch die Pariser Charta.
Darüber hinaus gehört die Türkei zu den Erstunterzeichnern des Übereinkommens des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt (11.05.2011), das für die Türkei zum 01.08.2014 in Kraft getreten ist.
Die EMRK ist aufgrund Art. 90 der Verfassung gegenüber nationalem Recht vorrangig und direkt anwendbar. EMRK und Rechtsprechung des EGMR werden jedoch bislang von der innerstaatlichen Justiz nicht ausreichend berücksichtigt. Das türkische Justizministerium bemüht sich gemeinsam mit EU und Europarat auch durch Fortbildungen für Richter und Staatsanwälte um Abhilfe. Wiederholt befasste sich das Ministerkomitee des Europarats mit der Türkei aufgrund nicht umgesetzter Urteile wie Ülke/Türkei (Wehrdienstverweigerung) oder Xenides-Arestis/Türkei (Eigentumsfragen in Nord-Zypern).
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) spielt im Land eine besonders wichtige Rolle. Mit der Einführung der Individualbeschwerde seit September 2012 beruft sich das Verfassungsgericht noch häufiger auf die EMRK. Im Zuge des massenhaften strafrechtlichen Vorgehens gegen mutmaßliche Anhänger der Gülen-Bewegung kam es zu einer deutlichen Zunahme der Individualbeschwerden beim EGMR, die jedoch idR am Erfordernis der innerstaatlichen Rechtswegerschöpfung scheitern.
Des Weiteren ist die Türkei den wichtigsten Übereinkommen der Vereinten Nationen beigetreten.
Im Januar 2020 wird sich die Türkei dem Universellen Staatenüberprüfungsverfahren des VN-Menschenrechtsrats (UPR) unterwerfen.
Die Türkei ist – trotz ihres Beitritts zur Organisation Islamischer Staaten (OIC) 1969 – nicht Partei der Erklärung der Islamischen Staaten zu Menschenrechten.
Folter
Die Regierung hat bis zum Sommer 2015 große Fortschritte dabei erzielt, Folter und Misshandlungen im staatlichen Gewahrsam zu bekämpfen. Sie hat auch gesetzgeberische Mittel eingesetzt, um Folter und Misshandlung im Rahmen einer „Null-Toleranz-Politik“ zu unterbinden: Beispielhaft genannt seien die Erhöhung der Strafandrohung (Art. 94ff. des tStGB); direkte Anklagen ohne Einverständnis des Vorgesetzten von Folterverdächtigen; Runderlasse an Staatsanwaltschaften, Folterstraftaten vorrangig und mit besonderem Nachdruck zu verfolgen; Verhinderung der Verschleppung von Strafprozessen und der Möglichkeit, sich dem Prozess zu entziehen; Durchsetzung ärztlicher Untersuchungen bei polizeilicher Ingewahrsamnahme; Stärkung von Verteidigerrechten.
Im Zuge der Ermittlungen gegen Personen, denen eine Beteiligung an dem Putschversuch vom 15.7.2016 vorgeworfen wurde (mutmaßliche Anhänger der Gülen-Bewegung), wurden von einigen NROs (u.a. Amnesty International, Human Rights Watch) sehr detaillierte Foltervorwürfe gegen die türkische Polizei und Justiz erhoben. Demnach sei es insbesondere in den ersten Tagen nach dem Putschversuch zu Übergriffen bei der Festnahme von Verdächtigen und auch gegen solche im Gewahrsam gekommen, gerade bei Personen, denen eine aktive Teilnahme vorgeworfen wurde (Piloten und Offiziere). Amnesty International und türkische NROs zeigen sich überzeugt, dass die heutige Lage wieder besser sei als jene in den Monaten nach dem Putschversuch. Es wird über Misshandlungen im Rahmen der Anti-Terroreinsätze gegen die PKK im Südosten des Landes berichtet. Es gibt aber keine Anhaltspunkte dafür, dass es systematische Folter gibt, auch gibt es keine offizielle Abweichung von der „NullToleranz-Politik“. Es sind keine Strafverfahren gegen Angehörige der Sicherheitsbehörden wegen Foltervorwürfen bekannt.
Lt. Human Rights Foundation TIHV seien 2018 insgesamt 298, (2017: 383; 2016: 487) Anschuldigungen wegen Folter und Misshandlungen registriert worden. Hinsichtlich der Folter in Gefängnissen hat sich nach belastbaren Informationen von Menschenrechtsorganisationen die Situation in den letzten Jahren erheblich verbessert; es werden weiterhin allerdings Einzelfälle zur Anzeige gebracht, vor allem in Gestalt von körperlicher Misshandlung und psychischen Drucks.
Ein Problem bei der strafrechtlichen Verfolgung der Täter ist die Nachweisbarkeit von Folter und Misshandlungen. Bei Aufnahme und vor der Entlassung aus dem Gefängnis erfolgen daher medizinische Untersuchungen zur Feststellung des Gesundheitszustands des Häftlings. Die seit Januar 2004 geltende Regelung, dass außer auf Verlangen des Arztes Vollzugsbeamte nicht mehr bei der Untersuchung von Personen in Gewahrsam bzw. Haft anwesend sein dürfen und das Untersuchungsergebnis direkt dem Staatsanwalt versiegelt (ohne Kopie für die Vollzugsbeamten) auszuhändigen ist, wird nicht durchgehend angewandt. Gerade im Rahmen der Notstandsmaßnahmen dürften Abweichungen von diesen Bestimmungen laut TIHV eher die Regel gewesen sein. Zudem sind medizinische Gutachten nur von staatlich kontrollierten Stellen zugelassen; die Ärztekammer berichtet über Druck auf einzelne Ärzte und Einschüchterungsversuche durch Androhung von Disziplinarverfahren durch das zuständige forensische Institut. Grundsätzlich kann gegen alle Sachverständigengutachten – hierzu zählt auch ein medizinisches Gutachten – Einspruch erhoben werden.
Todesstrafe
Die Todesstrafe ist in der Türkei abgeschafft. Die unmittelbar nach dem Putschversuch aufgekommene Debatte um ihre Wiedereinführung ist – mit Ausnahme hitziger Wahlkampfpolemik -mittlerweile wieder verstummt.
Sonstige menschenrechtswidrige Handlungen
Willkürliche kurzfristige Festnahmen im Rahmen von – mitunter erlaubten, aber in einigen Fällen eskalierenden – Demonstrationen oder Trauerzügen kommen vor. Sie werden von offizieller Seite regelmäßig mit dem Hinweis auf die angebliche Unterstützung einer terroristischen Vereinigung bzw. Verbreitung von Propaganda einer kriminellen Organisation gerechtfertigt. Festnahmen von Flüchtlingen, die „temporäres Asyl“ beantragen (siehe Ziff. III.5.), ergehen regelmäßig ohne schriftliche Begründung; ein Rechtsschutz ist nicht vorgesehen.
Seit dem Putschversuch gibt es Berichte von Menschenrechtsorganisationen über Fälle von unfreiwilligem Verschwinden im zweistelligen Bereich. Betroffen waren ausschließlich Personen, gegen die wegen einer Mitgliedschaft in der „Gülen-Bewegung“ ermittelt wurde.
Ebenso gibt es vermehrt Fälle von unverhältnismäßig langer Untersuchungshaft ohne Anklageschrift, oft über mehrere Monate, z.T. über einem Jahr. So verbrachte der Aktivist und Mäzen Osman Kavala 16 Monate ohne Anklage in Untersuchungshaft.
In der Türkei gibt es zurzeit 389 Gefängnisse, darunter 14 sog. F-TypHochsicherheitsgefängnisse. In den vergangenen 12 Jahren wurden insgesamt 214 Haftanstalten geschlossen. Bis 2019 wurden insgesamt 164 neue Gefängnisse eröffnet.
Die türkischen Gefängnisse waren in den letzten Jahren regelmäßig überfüllt (Nov. 2018: 118 %; Nov. 2016:104 %; 2014: 101,57 %). Diese landesweiten Durchschnittszahlen täuschen darüber hinweg, dass einzelne Gefängnisse deutlich stärker, bis zu 200 %, überbelegt sind. Die Regierung bemüht sich jedoch mit ersten Erfolgen um Entlastung, indem die Kapazität der Haftanstalten auf 213.862 Plätze (2016: 189.269) gesteigert und Häftlinge in weniger belegte Gefängnisse verlegt wurden. Gleichzeitig waren nach einer Aussage des damaligen Justizministers aufgrund des Dekrets Nr. 671 vom 17.08.2016 bis Ende Dezember 2016 insgesamt 44.800 Häftlinge aus der Strafhaft entlassen worden. Die Regelung umfasst zum einen Strafhäftlinge, die sich ununterbrochen seit sechs Monaten in einer offenen Haftanstalt befinden oder in einer Jugendhaftanstalt ein Fünftel der Haftstrafe vollstreckt haben (Haftentlassung noch vor dem bedingten Entlassungstermin unter sog. kontrolliertem Freigang), zum anderen Strafhäftlinge, die zu einer zeitlich begrenzten Haftstrafe verurteilt wurden und die Hälfte (vor der Neuregelung: zwei Drittel) davon verbüßt haben. Die Haftentlassungen gelten für Straftaten, die vor dem Stichtag 01.07.2016 begangen wurden, wobei Terrordelikte und bspw. Straftaten wie vorsätzliche Tötung, schwere Körperverletzung, sexueller Missbrauch hiervon ausgenommen werden.
Nach einer Presseerklärung des türkischen Justizministers vom 20.11.2018 befanden sich 260.144 Personen in Haft. Darunter befanden sich 57.710 Untersuchungshäftlinge (2016: 68.006; 2015:25.981; 2013: 32.457). Die Grundausstattung der türkischen Gefängnisse entspricht nach Angaben des türkischen Justizministeriums den EU-Standards.
Die Haftbedingungen sind aufgrund der Überbelegung der Haftanstalten dennoch schwierig, Selbst wenn die qm-Zahlen pro Häftling nach den Maßstäben des Europarats noch eingehalten werden ist die sonstige Ausstattung der Gefängnisse bei deutlicher Überbelegung nicht auf die Zahl der Insassen ausgelegt. Der Bericht des VN-Ausschusses gegen Folter (CAT) von 2016 konstatiert darüber hinaus einen Mangel an Gefängnispersonal (ca. 8.000) und medizinischem Personal. Berichte über mangelnden Zugang zur medizinischen Versorgung von kranken Häftlingen sind demzufolge besorgniserregend. Häftlinge, die einen Krankentransport benötigen, müssen oftmals warten, bis eine ausreichende Anzahl an anderen Häftlingen ebenfalls transportiert werden muss. Zugang zur zahnmedizinischen Versorgung, sowie zu psychologischer Unterstützung ist nicht garantiert.
Mit Stand 08.01.2019 bestanden in der Türkei weiterhin lediglich sieben geschlossene Haftanstalten für Kinder und Jugendliche (Altersgruppe 12 - 21 Jahre) und fünf sog. Erziehungsanstalten für strafgefangene Kinder, so dass ein großer Teil der insgesamt ca. 3.000 rechtskräftig verurteilten oder in Untersuchungshaft befindlichen minderjährigen Personen in Erwachsenen-Haftanstalten untergebracht ist. Soweit wie möglich werden Kinder und Jugendliche dort getrennt von den erwachsenen Häftlingen untergebracht, zumindest die Gemeinschaftseinrichtungen müssen jedoch gemeinsam genutzt werden. Die Erwachsenenhaftanstalten verfügen in der Regel kaum über auf die junge Zielgruppe abgestimmte Bildungs- oder Beschäftigungsmöglichkeiten, in den Jugendhaftanstalten gibt es zumindest teilweise eine recht umfassende Angebotspalette.
Medienberichten zufolge beklagten sich Insassen über unzureichende Betreuung durch Sozialarbeiter und Psychologen in Gefängnissen. Angaben des Justizministeriums zufolge kämen auf 549 Insassen ein Psychologe und auf 986 Häftlinge nur ein Sozialarbeiter.
Rückkehrfragen
Situation für Rückkehrerinnen und Rückkehrer
Grundversorgung
In der Türkei gibt es keine mit dem deutschen Recht vergleichbare staatliche Sozialhilfe. Sozialleistungen für Bedürftige werden auf der Grundlage der Gesetze Nr. 3294 über den Förderungsfonds für Soziale Hilfe und Solidarität und Nr. 5263, Gesetz über Organisation und Aufgaben der Generaldirektion für Soziale Hilfe und Solidarität gewährt. Die Hilfeleistungen werden von den in 81 Provinzen und 850 Kreisstädten vertretenen 973 Einrichtungen der Stiftungen für Soziale Hilfe und Solidarität (Sosyal Yardımlaşma ve Dayanişma Vakfi) ausgeführt, die den Gouverneuren unterstellt sind. Anspruchsberechtigt nach Art. 2 des Gesetzes Nr. 3294 sind bedürftige Staatsangehörige, die sich in Armut und Not befinden, nicht gesetzlich sozialversichert sind und von keiner Einrichtung der sozialen Sicherheit ein Einkommen oder eine Zuwendung beziehen, sowie Personen, die gemeinnützig tätig und produktiv werden können.
Die Leistungsgewährung wird von Amts wegen geprüft. Eine neu eingeführte Datenbank vernetzt Stiftungen und staatliche Institutionen, um Leistungsmissbrauch entgegenzuwirken. Leistungen werden gewährt in Form von Unterstützung der Familie (Nahrungsmittel, Heizmaterial, Unterkunft), Bildungshilfen, Krankenhilfe, Behindertenhilfe sowie besondere Hilfeleistungen wie Katastrophenhilfe oder die Volksküchen. Die Leistungen werden in der Regel als zweckgebundene Geldleistungen für neun bis zwölf Monate gewährt. Darüber hinaus existieren weitere soziale Einrichtungen, die ihre eigenen Sozialhilfeprogramme haben.
Nach dem im April 2014 in Kraft getretenen Gesetz Nr. 6453 über Ausländer und internationalen Schutz haben auch Ausländer, die im Sinne des Gesetzes internationalen Schutz beantragt haben oder erhalten, einen Anspruch auf Gewährung von Sozialleistungen. Welche konkreten Leistungen dies sein sollen, führt das Gesetz nicht aus.
Medizinische Versorgung
Das staatliche Gesundheitssystem hat sich in den letzten Jahren strukturell und qualitativ erheblich verbessert – vor allem in ländlichen Gegenden sowie für die arme, (bislang) nicht krankenversicherte Bevölkerung. Auch wenn Versorgungsdefizite – vor allem in ländlichen Provinzen – bei der medizinischen Ausstattung und im Hinblick auf die Anzahl von Ärzten bzw. Pflegern bestehen, sind landesweit Behandlungsmöglichkeiten für alle Krankheiten gewährleistet.
Landesweit wächst die Zahl der Krankenhäuser (2017 1.518), davon ca. 60 % in staatlicher Hand mit einer Kapazität von knapp 226.000 Betten. Die Behandlung bleibt für die bei der staatlichen Krankenversicherung Versicherten mit Ausnahme der „Praxisgebühr“ unentgeltlich. Grundsätzlich können sämtliche Erkrankungen in staatlichen Krankenhäusern angemessen behandelt werden, insbesondere auch chronische Erkrankungen wie Krebs, Niereninsuffizienz (Dialyse), Diabetes, Aids, Drogenabhängigkeit und psychiatrische Erkrankungen. Im Fall von Krebsbehandlungen kann nach aktuellen Medienberichten aufgrund des gesunkenen Wertes der türkischen Währung keine ausreichende Versorgung mit bestimmten Medikamenten aus dem Ausland gewährleistet werden; es handelt sich aber nicht um ein flächendeckendes Problem.
Wartezeiten in den staatlichen Krankenhäusern liegen bei wichtigen Behandlungen/Operationen in der Regel nicht über 48 Stunden. In vielen staatlichen Krankenhäusern ist es jedoch (nach wie vor) üblich, dass Pflegeleistungen nicht durch Krankenhauspersonal, sondern durch Familienangehörige und Freunde übernommen werden. Auch durch die zahlreichen Entlassungen nach dem gescheiterten Putschversuch, von denen auch der Gesundheitssektor betroffen ist, kommt es nach Medienberichten gelegentlich zu Verzögerungen bei der Bereitstellung medizinischer Dienstleistungen.
Das neu eingeführte, seit 2011 flächendeckend etablierte Hausarztsystem ist von der Eigenanteil-Regelung ausgenommen. Nach und nach hat das Hausarztsystem die bisherigen Gesundheitsstationen (Sağlık Ocağı) abgelöst und zu einer dezentralen medizinischen Grundversorgung geführt. Die Inanspruchnahme des Hausarztes ist freiwillig. War 2013 nach Angaben des Gesundheitsministeriums ein Hausarzt für durchschnittlich 3.621 Personen zuständig, sollte dieses Verhältnis bis 2017 auf knapp unter 3.000 pro Arzt gesenkt werden. Im Jahr 2017 wurden 23.213 Hausärzte gezählt und das Verhältnis lag bei 3.481 Patienten pro Arzt. Die Anzahl der Krankenschwestern und Hebammen lag bei 6.692 bzw. 13.577 (TUR Gesundheitsministerium, Statistiken 2019).
Die Behandlung psychischer Erkrankungen erfolgt überwiegend in öffentlichen Institutionen. Bei der Behandlung sind zunehmende Kapazitäten und ein steigender Standard festzustellen. Die landesweite Anzahl von Psychiatern liegt dennoch 2014 bei unter fünf pro 100.000 Einwohnern (OECD 2014). Insgesamt standen 2017 türkeiweit elf psychiatrische Fachkliniken mit einer Bettenkapazität von 4.019 zur Verfügung, weitere Betten gibt es in besonderen Fachabteilungen von einigen Regionalkrankenhäusern. Dem im Oktober 2011 vorgestellten „Aktionsplan für Geistige Gesundheit“ zufolge sollen die bestehenden Fachkliniken jedoch zugunsten von regionalen, verstärkt ambulant arbeitenden Einrichtungen bis 2023 geschlossen werden.
Insgesamt 36 therapeutische Zentren für Alkohol- und Drogenabhängige (AMATEM) befinden sich in 33 Provinzen. Zusätzlich werden in 50 ambulanten und 44 stationären Gesundheitszentren Behandlungsmöglichkeiten angeboten. Diese Zentren verfügen über eine Kapazität von 1.019 Betten (TUR Gesundheitsministerium, 2017).
Bei der Schmerztherapie und Palliativmedizin bestehen Defizite, allerdings versorgt das Gesundheitsministerium alle öffentlichen Krankenhäuser mit Morphinen, auch können Hausärzte bzw. deren Krankenpfleger diese Schmerzmittel verschreiben und Patienten künftig in Apotheken auf Rezept derartige Schmerzmittel erwerben.
Es gibt zwei staatliche Onkologiekrankenhäuser (Ankara, Bursa) unter der Verwaltung des TUR-Gesundheitsministeriums mit 712 Betten. Nach jüngsten offiziellen Angaben gibt es darüber hinaus 33 Onkologiestationen in staatlichen Krankenhäusern mit unterschiedlichen Behandlungsverfahren. 166 Untersuchungszentren (sog. KETEM) bieten u. a. eine Früherkennung von Krebs an.
Im Rahmen der häuslichen Krankenbetreuung sind in allen Provinzen mit 765 Gesundheitsbussen mobile Teams im Einsatz (bestehend meist aus Arzt, Krankenpfleger, Fahrer, ggf. Physiotherapeut etc.), die Kranke zu Hause betreuen. Diese Betreuung wird vom TUR Gesundheitsministerium gebührenfrei angeboten. Etwa 15 % der Bevölkerung profitieren von diesen Angeboten.
Eine AIDS-Behandlung kann in allen Provinzen mit staatlichen (93 Krankenhäusern) wie auch Universitätskrankenhäusern (68 Krankenhäuser) durchgeführt werden. In Istanbul stehen drei, in Ankara und XXXX jeweils zwei private Krankenhäuser für eine solche Behandlung zur Verfügung.
Zum 01.01.2012 hat die Türkei eine allgemeine, obligatorische Krankenversicherung eingeführt. Grundlage für das neue Krankenversicherungssystem ist das Gesetz Nr. 5510 über Sozialversicherungen und die Allgemeine Krankenversicherung vom 01.10.2008. Der grundsätzlichen Krankenversicherungspflicht unterliegen alle Personen mit Wohnsitz in der Türkei, Ausnahmen gelten lediglich für das Parlament, das Verfassungsgericht, Soldaten/Wehrdienstleistende und Häftlinge. Für nicht über eine Erwerbstätigkeit in der Türkei sozialversicherte Ausländer ist die Krankenversicherung freiwillig, ein Krankenversicherungsnachweis ist jedoch für die Aufenthaltserlaubnis notwendig.
Die obligatorische Krankenversicherung erfasst u. a. Leistungen zur Gesundheitsprävention, stationäre und ambulante Behandlungen und Operationen, Laboruntersuchungen, zahnärztliche Heilbehandlungen sowie Medikamente, Heil- und Hilfsmittel (u.a. auch AIDSBehandlungen). Unter bestimmten Voraussetzungen sind auch Behandlungen im Ausland möglich.
Nicht der Sozialversicherungspflicht unterliegende türkische Staatsbürger mit einem Einkommen von weniger als einem Drittel des Mindestlohns können von der Beitragspflicht befreit werden. Bei einem Einkommen zwischen einem Drittel und dem doppelten Mindestlohn gelten ermäßigte Beitragssätze. Die Berechnung des Einkommens erfolgt durch die Stiftungen für Sozialhilfe und Solidarität unter Berücksichtigung der sonstigen Vermögenssituation des Antragstellers und der in seinem Haushalt lebenden Angehörigen. Bis Mitte 2014 haben sich rund 12 Millionen Türken einer solchen Einkommensüberprüfung unterzogen, für rd. 8 Millionen von ihnen hat der Staat die Zahlung der Beiträge übernommen.
Bei in der Türkei lebenden Ausländern ist eine Vermögensprüfung nicht möglich, sie zahlen auch bei Arbeitslosigkeit und Bedürftigkeit den Beitrag von zurzeit rund 250 TL/Monat. Lediglich Personen, die unter internationalem Schutz stehen oder einen entsprechenden Antrag gestellt haben, können bei Bedürftigkeit seit dem im April 2014 in Kraft getretenen Gesetz Nr. 6453 kostenlos krankenversichert werden.
Die für eine gesundheitliche Versorgung mittelloser türkischer Staatsbürger bisher geltenden „Grünen Karten“ (2011: knapp 9 Millionen Inhaber) sind ausgelaufen, ihre Inhaber sollen in die allgemeine Krankenversicherung überwechseln. Für Kinder bis zum Alter von 18 bzw. 25 Jahren, Ehepartner und (Schwieger-)Elternteile ohne eigenes Einkommen besteht die Möglichkeit einer Familienversicherung. Besondere Beitragsregelungen gelten schließlich auch für Bezieher von Alters- und Erwerbsminderungsrenten.
Behandlung von Rückkehrerinnen und Rückkehrern
Dem Auswärtigen Amt und türkischen Menschenrechtsorganisationen ist in den letzten Jahren kein Fall bekannt geworden, in dem ein aus Deutschland in die Türkei zurückgekehrter Asylbewerber im Zusammenhang mit früheren Aktivitäten – dies gilt auch für exponierte Mitglieder und führende Persönlichkeiten terroristischer Organisationen – gefoltert oder misshandelt worden ist. Zu demselben Ergebnis kommen andere EU-Staaten und die USA.
Aufgrund eines Runderlasses des Innenministeriums vom 18.12.2004 dürfen keine Suchvermerke mehr ins Personenstandsregister eingetragen werden. Sie kennzeichneten bis dahin Wehrdienstflüchtlinge oder zur Fahndung ausgeschriebene Personen. Angaben türkischer Behörden zufolge wurden Mitte Februar 2005 alle bestehenden Suchvermerke in den Personenstandsregistern gelöscht. Somit besteht für das Auswärtige Amt keine Möglichkeit mehr, das Bestehen von Suchvermerken zu verifizieren, auch nicht über die bisher damit befassten Vertrauensanwälte.
Unbegleitet zurückkehrende Minderjährige finden in der Regel Aufnahme bei Verwandten, sonst im Einzelfall ggf. in einem Waisenhaus oder Kinderheim.
Über die Rückführung Minderjähriger, die nicht von Familienangehörigen aufgenommen werden, sollten die zuständigen türkischen Behörden wie z. B. das Amt für soziale Dienste rechtzeitig informiert werden. Ferner sei das Innenministerium über die besonderen Umstände jedes Einzelfalles zu informieren, damit die erforderlichen Vorkehrungen an der Grenze getroffen und die zuständigen Institutionen koordiniert werden könnten. Unter Bezugnahme auf die offizielle Mitteilung kann das Auswärtige Amt über die Deutsche Botschaft Ankara den voraussichtlichen Rückführungstermin sowie die (mit türkischer Übersetzung übermittelten) Informationen an das türkische Außenministerium mit der Bitte um Prüfung der Betreuung und Unterbringung des Betroffenen in der Türkei weiterleiten. Zwischen der Benachrichtigung des türkischen Außenministeriums und dem Rückführungsdatum sollten mindestens drei Monate liegen.
Einreisekontrollen
Bei der Einreise in die Türkei hat sich jeder einer Personenkontrolle zu unterziehen. Türkische Staatsangehörige, die ein gültiges türkisches, zur Einreise berechtigendes Reisedokument besitzen, können die Grenzkontrolle grundsätzlich ungehindert passieren. In Fällen von Rückführungen gestatten die Behörden die Einreise nur mit türkischem Reisepass oder Passersatzpapier. Es kann vorkommen, dass türkischen Staatsangehörigen, denen in Deutschland ein Reiseausweis für Ausländer ausgestellt wurde, bei der Einreise oder der versuchten Einreise in die Türkei dieses Ausweisdokument an der Grenze abgenommen wird. Diese Gefahr besteht insbesondere bei Personen, deren Ausweise nicht für die Türkei gültig sind, denen jedoch befristet eine auch für dieses Land geltende Reiseerlaubnis gewährt wurde.
Wenn bei der Einreisekontrolle festgestellt wird, dass für die Person ein Eintrag im Fahndungsregister besteht, wird die Person in Polizeigewahrsam genommen.
Wenn festgestellt wird, dass ein Ermittlungsverfahren anhängig ist, wird die Person ebenfalls in Polizeigewahrsam genommen. Im sich anschließenden Verhör durch einen Staatsanwalt oder durch einen von ihm bestimmten Polizeibeamten, wird der Festgenommene mit den schriftlich vorliegenden Anschuldigungen konfrontiert, ein Anwalt in der Regel hinzugezogen. Der Staatsanwalt verfügt entweder die Freilassung oder überstellt den Betroffenen dem zuständigen Richter, dieser entscheidet dann. Bei der Befragung durch den Richter ist der Anwalt ebenfalls anwesend. Wenn auf Grund eines Eintrages festgestellt wird, dass ein Strafverfahren anhängig ist, wird die Person bei der Einreise festgenommen und der Staatsanwaltschaft überstellt. Ein Anwalt wird hinzugezogen und eine ärztliche Untersuchung vorgenommen.
Der Staatsanwalt überprüft von Amts wegen, ob der Betroffene von den geltenden Amnestiebestimmungen profitieren kann oder ob Verjährung eingetreten ist. Sollte das Verfahren aufgrund der vorgenannten Bestimmungen ausgesetzt oder eingestellt sein, wird der Festgenommene freigelassen.
Andernfalls fordert der Staatsanwalt von dem Gericht, bei dem das Verfahren anhängig ist, einen Haftbefehl an. Der Verhaftete wird verhört und mit einem Haftbefehl – der durch den örtlich zuständigen Richter erlassen wird – dem Gericht, bei dem das Verfahren anhängig ist, überstellt.
Abschiebewege
Rückführungen in die Türkei von z.Zt. ausschließlich türkischen Staatsangehörigen werden auf dem Luftweg nach Istanbul vorgenommen. Es werden aktuell auch nur maximal vier Rückzuführende in einem Flug verbracht. Grundsätzlich sind diese Flüge bei den türkischen Behörden rund sechs Wochen vorher über die deutschen Auslandsvertretungen anzumelden. Neben der Information des geplanten Fluges als solches kommt es den türkischen Behörden insbesondere auf die Übermittlung der Personendaten der Rückzuführenden und Kopien der Reisedokumente an, die mit entsprechendem zeitlichen Vorlauf zwingend beizubringen sind.
Quellen:
- BFA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, 18.10.2018 samt der Aktualisierung vom 14.03.2019
- Deutsches auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Türkei, 14.06.2019
III. Beweiswürdigung:
Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweis erhoben durch:
- Einsicht in die dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegten Verwaltungsakte des BFA;
- Mündliche Verhandlung am 24.09.2019;
- Einsicht in die vom Bundesverwaltungsgericht in das Verfahren eingebrachten Erkenntnisquellen betreffend die allgemeine Lage im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers;
- Einsicht in die vom Beschwerdeführer vorgelegten Urkunden (siehe 1.2. und 1.3.).
1.1. Zum Verfahrensgang:
Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem Akteninhalt.
1.2. Zur Person der Beschwerdeführer:
Die Feststellungen hinsichtlich der türkischen Staatsangehörigkeit, der Identität der Beschwerdeführer sowie hinsichtlich ihrer illegalen Einreise in das österreichische Bundesgebiet ergeben sich aus dem Akteninhalt, den vorgelegten Identitätsdokumenten und aus dem Familienbuch.
Die Feststellungen zur türkische Staatsangehörigkeit ergeben sich insbesondere aus türkischen Reisepässen, welche den Beschwerdeführern am 16.08.2018 ausgestellt wurden. An der Echtheit der vorliegenden türkischen Reisepässe bestehen keine Zweifel und wird die Echtheit auch von den Beschwerdeführern bestätigt.
Zu den Ausführungen, wonach der Erwerb der türkischen Reisepässe nicht rechtskonform gewesen sei und die Beschwerdeführer keine türkischen Staatsangehörigen seien, ist anzumerken, dass die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Erteilung der türkischen Staatsangehörigkeit an die Beschwerdeführer durch die türkischen Behörden nicht in die Prüfungskompetenz der österreichischen Asylbehörden fällt und somit keinen Gegenstand dieses Verfahrens bildet. Eine – wie von der Vertretung der Beschwerdeführer angeregten – Überprüfung der Rechtmäßigkeit des Verfahrens zur Erlangung der türkischen Staatsbürgerschaft der Beschwerdeführer konnte somit unterbleiben.
Aktuell verfügen die Beschwerdeführer über echte, gültige türkische Reisepässe, weshalb sie im gegenständlichen Verfahren als türkische Staatsbürger behandelt werden.
Dieser Umstand ist vom BVwG, welches seiner Entscheidung die aktuelle Sachlage zu Grunde zu legen hat, zwingend zu berücksichtigen. Ob es je so weit kommt, das den Beschwerdeführern die türkische Staatsangehörigkeit von den türkischen Behörden aberkannt wird, sind Vorgänge, welche in der Zukunft liegen. Eine Situation, wie sie möglicher Weise in der Zukunft bestehen wird, ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt jedoch nicht entscheidungsrelevant. Die Beschwerdeführer werden jedenfalls in ein Land zurückkehren, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzen.
Unabhängig davon erachtet das Bundesverwaltungsgericht die Aberkennung einer rechtswidrig erlangten Staatsbürgerschaft per se nicht als staatliche Verfolgung in asylrelevanter Form, sondern als verwaltungs- bzw. strafrechtlich legitimiertes Vorgehen der türkischen Behörden gegen eine allfällige rechtswidrige Erlangung oder Erschleichung der türkischen Staatsbürgerschaft.
Da die Beschwerdeführer keine syrischen Identitätsdokumente in Vorlage gebracht haben, konnte nicht festgestellt werden, dass es sich bei den Beschwerdeführern nach wie vor um syrische Staatsangehörige handelt. Festgestellt werden konnte zumindest, dass die Beschwerdeführer vor August 2018 die türkische Staatsangehörigkeit erworben haben, zumal ihnen am 16.08.2018 türkische Reisepässe ausgestellt wurden.
Die Feststellungen zur Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit sowie zu den familiären und privaten Verhältnissen der Beschwerdeführer gründen sich auf die in diesen Punkten glaubwürdigen Angaben im Asylverfahren.
Der Besuch von Deutschqualifizierungsmaßnahmen sowie die festgestellten Deutschkenntnisse beruhen auf den vorgelegten Kursbesuchsbestätigungen und den persönlichen Wahrnehmungen des erkennenden Richters in der mündlichen Verhandlung.
Die Teilnahme der BF1-2 an einem Werte- und Orientierungskurs geht aus den Teilnahmebestätigungen des ÖIF vom 06.12.2017 und 01.02.2017 hervor.
Die Berufstätigkeit der Beschwerdeführer geht aus den Auszügen der der Österreichischen Sozialversicherung und den Lohn- und Gehaltsabrechnungen hervor.
Die vom BF3 absolvierten Ausbildungen sind den Zertifikaten des Arbeitsmarktservice XXXX vom 27.04.2017 und 26.01.2017 zu entnehmen.
Dass der BF1 an Hepatitis B leidet und er medikamentös behandelt wird, geht aus dem Laborbefund des XXXX vom 14.08.2017 (AS 259ff) und seinen dahingehend plausiblen Angaben (AS 248) hervor.
Dass die Beschwerdeführer in Österreich strafrechtlich unbescholten sind, geht aus der Einsicht in das Strafregister der Republik Österreich hervor.
Die Wohnsitze der Beschwerdeführer sind dem Zentralen Melderegister zu entnehmen.
1.3. Zum Vorbringen der Beschwerdeführer:
Der BF1 brachte vor dem BFA im Wesentlichen vor, dass er als Kurde in der Türkei Probleme bekomme. Sein Sohn, der in der Türkei studiere, sei deshalb im Gefängnis gewesen und werde auch er möglicherweise festgenommen. In XXXX seien zur Zeit der Flucht aus Syrien zudem viele Polizisten (AS 250) gewesen und hätten die Beschwerdeführer deswegen dort Probleme gehabt. Der BF1 selbst habe keine Probleme, die Türken seien gegen die Kurden und würden diesen keine Rechte geben. Es gebe auch keine Sicherheit in der Türkei die aktuelle Regierung sein schlimm. Viele Kurden seien im Gefängnis.
Die BF2 führte vor dem BFA aus, dass es in der Türkei sehr schwer sei, weil die Türken die Kurden nicht mögen und gegen sie vorgehen würden. Konkrete Verfolgungshandlungen gegen ihre Person hat die BF2 nicht vorgebracht. In der mündlichen Verhandlung gab die BF2 auch an, dass ihr Sohn in der Türkei eingesperrt worden sei, weil er Kurde sei und sie auch Probleme bekommen würde.
Der BF3 gab vor dem BFA an, dass er in der Türkei keinen Beruf gehabt habe und deshalb zu seinen Eltern nach Österreich gekommen sei. Zudem müsse er den Militärdienst in der Türkei ableisten, weshalb er seine Ehegattin nicht unterstützen könnte. Er wolle auch nicht im Krieg kämpfen.
Mit diesem Vorbringen konnten die Beschwerdeführer im Rahmen des Asylaberkennungsverfahrens eine individuelle asylrelevante Gefährdung in der Türkei jedoch nicht glaubwürdig darlegen.
Die Beschwerdeführer brachten keine persönlich gegen sie selbst gerichteten Angriffe vor, sondern beriefen sich in ihrem Vorbringen auf die allgemeine Kurdenproblematik in der Türkei sowie auf die Festnahme eines Sohnes der BF1-2, welche ebenfalls auf dessen Zugehörigkeit zur kurdischen Volksgruppe zurückzuführen sei.
Dazu ist auszuführen, dass – unabhängig vom Wahrheitsgehalt dieser Aussage – Verfolgungshandlungen gegen Verwandte nur dann eine Ursache für begründete Furcht vor Verfolgung bilden können, wenn aufgrund der im Verwaltungsverfahren glaubhaft dargelegten konkreten Situation davon ausgegangen werden muss, dass gegen ein Familienmitglied gesetzte oder von diesem zu befürchtende Verfolgungshandlungen auch zu – die Intensität asylrechtlich relevanter Verfolgungshandlungen erreichenden – Maßnahmen gegen andere Familienmitglieder führen werden (VwGH 07.09.2000, 2000/01/0153). Die Beschwerdeführer brachten jedoch selbst vor, dass sie während ihrer gesamten Aufenthalte in der Türkei keinerlei persönlichen Bedrohung ausgesetzt waren, sodass auch nicht von einer vom Sohn bzw. Bruder abgeleiteten Bedrohungssituation in der geforderten Intensität auszugehen ist.
Dass die Beschwerdeführer in der Türkei keine Verfolgung zu gewärtigen haben, ergibt sich zudem aus ihren Vorbringen, wonach sie auch nach ihrer Ausreise aus der Türkei im Oktober 2014 (BF1-2) und Jänner 2015 (BF3) mehrmals in die Türkei zurückgekehrt sind, ihnen im Jahr 2018 ohne Probleme türkische Reisepässe ausgestellt wurden und sie demnach ihren eigenen Angaben zur Folge persönlich und freiwillig mit den türkischen Behörden in Kontakt getreten sind. Der BF1 führte darüber hinaus aus, dass er beabsichtige, wegen einer Zahnbehandlung erneut in die Türkei reisen zu wollen. Die BF1-2 haben sich auch bewusst dazu entschieden, ihre Kinder in der Türkei zu schicken, damit diese dort eine Schule besuchen, und hielt sich der BF1 seinen Angaben entsprechend ab 2007 bzw. 2008 jahrelang mit einer Aufenthaltsberechtigung immer wieder zu beruflichen Zwecken in der Türkei auf.
Dies zeigt einerseits, dass die Beschwerdeführer subjektiv keinerlei Angst hatten bzw. haben, immer wieder in die Türkei zu reisen und dort auch mit den türkischen Behörden in Kontakt zu treten und andererseits, dass auch die türkischen Behörden kein besonderes Interesse an den Beschwerdeführern haben.
Hinsichtlich des Umstands der kurdischen Abstammung der Beschwerdeführer ist weiter auszuführen, dass sich entsprechend der herangezogenen Länderberichte und aktuellen Medienberichte die Situation für Kurden – abgesehen von den Berichten betreffend das Vorgehen des türkischen Staates gegen Anhänger und Mitglieder der als Terrororganisation eingestuften PKK und deren Nebenorganisationen, wobei eine solche Anhängerschaft hinsichtlich der Beschwerdeführer nicht im Raum steht – nicht derart gestaltet, dass von Amts wegen aufzugreifende Anhaltspunkte dafür existieren, dass gegenwärtig Personen kurdischer Volksgruppenzugehörigkeit in der Türkei generell mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit allein aufgrund ihrer Volksgruppen- oder Religionszugehörigkeit einer eine maßgeblichen Intensität erreichenden Verfolgung ausgesetzt bzw. staatlichen Repressionen unterworfen sein würden. Gründe, warum die türkischen Behörden ein nachhaltiges Interesse gerade an den Beschwerdeführern haben sollten, wurden nicht glaubhaft vorgebracht.
Der Vollständigkeit halber ist auf den versuchten Militärputsch in der Nacht vom 15.07.2016 auf den 16.07.2016 sowie den von den Beschwerdeführern thematisierten daran anschließenden Ausnahmezustand einzugehen. Das Bundesverwaltungsgericht verweist diesbezüglich zunächst auf die getroffenen Feststellungen zur allgemeinen Lage in der Türkei, welche die wesentlichen Ereignisse seit dem versuchten Militärputsch in der Nacht vom 15.07.2016 auf den 16.07.2016 abbilden. Darüber hinaus ist eine individuelle Betroffenheit der Beschwerdeführer von diesen Ereignissen und den daraus erwachsenden Folgen dem Bundesverwaltungsgericht nicht erkennbar. Die Beschwerdeführer hielten sich zur Zeit des versuchten Militärputsches in der Nacht vom 15.07.2016 auf den 16.07.2016 nicht in der Türkei auf, eine Beteiligung am Militärputsch ist demnach nicht anzunehmen. Die Beschwerdeführer gehören auch keiner gefährdeten Berufsgruppe an und haben keinen Kontakt zur Gülen-Bewegung. Entsprechend der der vorstehenden Ausführungen – wonach die Beschwerdeführer nach ihrer Ausreise aus der Türkei mehrmals dorthin zurückgekehrt und sich dort ohne weiterer Probleme aufgehalten haben – besteht auch kein Anlass, aus diesen Gründen im Fall einer Rückkehr in die Türkei Strafverfolgung oder Inhaftierung befürchten zu müssen.
In Anbetracht des Lebensalters des BF3 ist glaubhaft, dass er im Fall einer Rückkehr in die Türkei wehrpflichtig sein wird. Aus seinem Vorbringen in der mündlichen Verhandlung kann aber auch abgeleitet werden, dass er vor der Ausreise keinen Einberufungsbefehl erhalten hat.
Als Motivation, sich der Wehrpflicht zu entziehen, führte der BF3 aus, Angst vor einem Einsatz im Krieg zu haben bzw., dass er sich in dieser Zeit nicht um seine Ehegattin kümmern könne. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist Furcht vor Verfolgung im Fall der Wehrdienstverweigerung oder Desertion nur dann als asylrechtlich relevant anzusehen, wenn der Asylwerber hinsichtlich seiner Behandlung oder seines Einsatzes während dieses Militärdienstes im Vergleich zu Angehörigen anderer Volksgruppen in erheblicher, die Intensität einer Verfolgung erreichender Weise benachteiligt würde oder davon auszugehen sei, dass dem Asylwerber eine im Vergleich zu anderen Staatsbürgern härtere Bestrafung wegen Wehrdienstverweigerung drohe (verstärkter Senat des VwGH vom 29.06.1994, Slg Nr. 14.089/A; V wGH 21.08.2001, Zl. 98/01/0600). Bei der rechtlichen Beurteilung des zugrunde liegenden Sachverhaltes kommt es auf die Grundsätze an, die der Verwaltungsgerichtshof auf dem Boden der bestehenden Rechtslage insbesondere in dem Erkenntnis eines verstärkten Senates zur Zl. 93/01/0377 niedergelegt hat, wobei sich seine dabei zum Ausdruck kommende Rechtsansicht nur zum Teil mit der vom UNHCR (Handbuch über Verfahren und Kriterien zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft) vertretenen Auffassung deckt (VwGH 20.12.1995, Zl. 95/01/0104).
Nach der Berichtslage werden Kurden bei der Heranziehung zum Militärdienst ebenso wie bei einer Bestrafung wegen Militärdienstentziehung nicht aufgrund ihrer Volksgruppenzugehörigkeit in asylerheblicher Weise benachteiligt. Die Heranziehung zum Militärdienst in der Türkei und die Bestrafung ihrer Nichtbefolgung stellen – entgegen der Behauptung des BF3 – keine Form politischer Verfolgung dar, da sie nach den vorstehenden Ausführungen allgemein gegenüber allen männlichen Staatsangehörigen ausgeübt werden. Auch eine Militärdienstverweigerung durch Flucht ins Ausland wird ohne weitere Verdachtsmomente nicht als Sympathie für separatistische Bestrebungen ausgelegt. Es liegen schließlich in diesem Zusammenhang auch keine Erkenntnisse darüber vor, dass Militärdienstpflichtige, die ihre Strafe wegen Dienstentziehung oder Fahnenflucht verbüßen, misshandelt werden oder in der vorausgehenden Polizei- oder Militärhaft generell Folter zu erleiden haben. Das gilt sowohl dann, wenn sich ein Militärdienstflüchtiger im Inland stellt oder er ergriffen wird, als auch insbesondere dann, wenn er bei der Einreise aus dem Bundesgebiet von den Sicherheitsbeamten an der Grenze als solcher erkannt und festgenommen wird (siehe hiezu auch die einschlägige Spruchpraxis deutscher Gerichte, etwa OVG NRW 19.04.2005, 8 A 273/04.A; Sächsisches OVG 07.04.2016, 3 A 557/13.A; VG Aachen 05.03.2018, 6 K 3554/17.A). Im Übrigen ist schon deshalb von keiner Gefahr in Zusammenhang mit einer Wehrdienstverweigerung auszugehen, da der BF3 nicht dargelegt hat, durch Erklärung gegenüber den türkischen Behörden den Wehrdienst verweigert zu haben, er erhielt bislang noch keinen Einberufungsbefehl und war den eigenen Angaben in der mündlichen Beschwerdeverhandlung zufolge noch nicht einmal bei der Musterung.
Der Umstand der Wehrpflicht und der Strafbarkeit der Wehrpflichtentziehung in der Türkei allein ist ferner nicht als schwerwiegende Verletzung grundlegender Menschenrechte im Sinne des Art. 15 Abs. 2 EMRK anzusehen, weil sich Art. 15 Abs. 2 EMRK nur auf Art. 4 Abs. 1 EMRK, nicht aber auch auf Art. 4 Abs. 2 i. V. m. Abs. 3 Buchst. c) EMRK bezieht. Auch ist nach derzeitigem Erkenntnisstand nicht davon auszugehen, dass Kurden in der Türkei bei der Heranziehung zum Wehrdienst oder bei der Ableistung des Dienstes in asylerheblicher Weise benachteiligt würden. Zwar spricht eine vereinzelte kurdische Quelle davon, dass Kurden in der Vergangenheit einem vergleichsweise höheren Risiko unterlagen, Menschenrechtsverletzungen und sogar den Tod zu erleiden, wenn sie als Soldaten eingezogen werden. Bei einer Querschnittsbetrachtung der Quellen ist jedoch festzuhalten, dass weitergehende Hinweise auf eine systematische Diskriminierung kurdischer Rekruten oder gar auf systematische Übergriffe bis hin zum Mord gegen kurdische Rekruten aufgrund der Volksgruppenzugehörigkeit vollkommen fehlen. Bei einer Gesamtwürdigung der Quellen ist sohin der Schluss geboten, dass eine dem türkischen Staat zurechenbare asylerhebliche Verfolgung kurdisch-stämmiger Rekruten nicht stattfindet, wiewohl Einzelfälle von Übergriffen oder Suiziden dokumentiert sind und demnach auch vereinzelt derartiges stattfindet. Derartige vereinzelte Vorfälle bei der Ableistung des Wehrdienstes können jedoch nicht ausgeschlossen werden. Dennoch handelt es sich bei solchen tragischen Ereignissen um Einzelfälle, bei einer abwägenden Gesamtbetrachtung der vorliegenden Länderfeststellungen kann jedoch nicht erkannt werden, dass dem BF3 deshalb bei einer Rückkehr in sein Heimatland mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine asylrelevante Verfolgung im Zuge der Ableistung seines Militärdienstes drohen würde.
Der Einsatzort der Wehrpflichtigen in der Türkei wird im Übrigen grundsätzlich im Zufallsverfahren unabhängig von der Volksgruppenzugehörigkeit entschieden und es kommt dabei zu keiner individuellen Diskriminierung GFK-relevanter Natur. Dass die Möglichkeit besteht, dass der BF3 im Südosten der Türkei eingesetzt wird, ist zutreffend, zumal Wehrpflichtige nicht in ihrer unmittelbaren Heimatregion, sondern generell in anderen Landesteilen eingesetzt werden, um die Türkei kennen zu lernen. In Ansehung des BF3 kommt demnach ein Einsatz in jeder Region der Türkei im Osten, Norden und Süden in Betracht. Dass er mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit in einem kurdisch dominierten Gebiet seinen Wehrdienst ableisten müsste, kann in Anbetracht der aus den Quellen gewonnenen Erkenntnisse zur Wehrpflicht in der Türkei nicht festgestellt werden. Aus der Einberufung in ein kurdisch dominiertes Gebiet ergäbe sich darüber hinaus auch nicht die maßgebliche Wahrscheinlichkeit, gegen Angehörige der kurdischen Ethnie kämpfen zu müssen, umso mehr, als die Sicherheitslage in der Osttürkei derzeit als stabil anzusehen ist und keine großflächigen Kampfhandlungen mit Anhängern der PKK stattfinden. Ferner sind Angehörige mit dem sozio-geographischen Hintergrund des BF3 nicht in einem höheren Maße potentiell betroffen, gegen ihren Willen zu einem derartigen Einsatz herangezogen zu werden, als sonstige türkische Staatsangehörige.
In diesem Zusammenhang ist noch ergänzend festzuhalten, dass der BF3 in der Beschwerdeverhandlung nicht glaubhaft dargelegt hat, inwieweit er eine Gesinnung vertrete, die ihm eine Ableistung des Wehrdienstes – aus Gewissensgründen -–unzumutbar mache. Das Vertreten einer allgemeinen liberalen Gesinnung und der Wunsch, nicht kämpfen zu wollen im Allgemeinen ist zu wenig (vgl. dazu AsylGH 17.03.2009, E3 318.536-1/2008-7E; 17.02.2010, E1 312.233; in diesen Fällen hat der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der Beschwerde mit Beschluss abgelehnt, vgl. VfGH 27.04.2009, U 1060/09-3; 26.04.2010, U 766/10-3).
Im Hinblick auf die Person des BF3 und die erörterten Umstände kann sohin nicht davon gesprochen werden, dass die ihn gleichsam wie alle anderen männlichen türkischen Staatsbürger treffenden Verpflichtung zur Ableistung des Wehrdienstes Verfolgung im Sinn der Genfer Flüchtlingskonvention zu qualifizieren wäre.
Aufgrund obiger Ausführungen sowie vor dem Hintergrund der Länderfeststellungen ist es daher nicht glaubwürdig, dass die Beschwerdeführer in der Türkei tatsächlich in asylrelevanter Weise gefährdet waren oder sind, noch, dass für die BF1-3 aus sonstigen Gründen tatsächlich eine aktuelle und persönliche asylrelevante Bedrohung oder Verfolgung bestand oder besteht.
Zu den Anträgen auf zeugenschaftliche Befragung der leiblichen Mutter der B2 und der Tante der B2 zum Beweis der Richtigkeit der Angaben der Beschwerdeführer, wonach deren türkische Staatsangehörigkeit auf unrichtigen Angaben beruhe, ist anzumerken, dass angesichts des hinreichend geklärten Sachverhalts weitere Beweisaufnahmen als obsolet anzusehen sind. Aus diesen Gründen war den Anträgen auch nicht näher zu treten.
1.4. Zur Lage im Herkunftsstaat
Die allgemeinen Feststellungen resultieren aus den behördlicherseits erhobenen Fakten aufgrund vorliegender Länderdokumentationsunterlagen. Die Länderfeststellungen basieren auf mannigfaltigen Quellen, denen keine Voreingenommenheit unterstellt werden kann. Den dem gegenständlichen Erkenntnis zugrunde gelegten Länderfeststellungen wurde nicht in qualifizierter Form entgegengetreten.
III. Rechtliche Beurteilung:
1.1. Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG geregelt (§ 1 leg cit). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung, des Agrarverfahrensgesetzes und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen (§ 28 Abs. 1 VwGVG).
1.2. Zu Spruchteil A)
1.2.1. Zu Spruchpunkt I. der angefochtenen Bescheide
1.2.1.1. Der mit "Aberkennung des Status des Asylberechtigten" betitelte § 7 AsylG lautet wie folgt:
"(1) Der Status des Asylberechtigten ist einem Fremden von Amts wegen mit Bescheid abzuerkennen, wenn
1. ein Asylausschlussgrund nach § 6 vorliegt;
2. einer der in Art 1 Abschnitt C der Genfer Flüchtlingskonvention angeführten Endigungsgründe eingetreten ist oder
3. der Asylberechtigte den Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen in einem anderen Staat hat.
(2) Ein Verfahren zur Aberkennung des Status des Asylberechtigten ist jedenfalls einzuleiten, wenn der Fremde straffällig geworden ist (§ 2 Abs. 3) und das Vorliegen der Voraussetzungen gemäß Abs. 1 wahrscheinlich ist.
(3) Das Bundesamt kann einem Fremden, der nicht straffällig geworden ist (§ 2 Abs. 3), den Status eines Asylberechtigten gemäß Abs. 1 Z 2 nicht aberkennen, wenn die Aberkennung durch das Bundesamt – wenn auch nicht rechtskräftig – nicht innerhalb von fünf Jahren nach Zuerkennung erfolgt und der Fremde seinen Hauptwohnsitz im Bundesgebiet hat. Kann nach dem ersten Satz nicht aberkannt werden, hat das Bundesamt die nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr 100/2005, zuständige Aufenthaltsbehörde vom Sachverhalt zu verständigen. Teilt diese dem Bundesamt mit, dass sie dem Fremden einen Aufenthaltstitel rechtskräftig erteilt hat, kann auch einem solchen Fremden der Status eines Asylberechtigten gemäß Abs. 1 Z 2 aberkannt werden.
(4) Die Aberkennung nach Abs. 1 Z 1 und 2 ist mit der Feststellung zu verbinden, dass dem Betroffenen die Flüchtlingseigenschaft kraft Gesetzes nicht mehr zukommt. Dieser hat nach Rechtskraft der Aberkennung der Behörde Ausweise und Karten, die den Status des Asylberechtigten oder die Flüchtlingseigenschaft bestätigen, zurückzustellen."
Gemäß § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005, welcher vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl angewendet wurde, ist der Status des Asylberechtigten einem Fremden von Amts wegen mit Bescheid abzuerkennen, wenn einer der in Art 1 Abschnitt C der Genfer Flüchtlingskonvention angeführten Endigungsgründe eingetreten ist.
Art 1 Abschnitt C der Genfer Flüchtlingskonvention lautet:
"C. Dieses Abkommen wird auf eine Person, die unter die Bestimmungen des Abschnittes A fällt, nicht mehr angewendet werden, wenn sie
1. sich freiwillig wieder unter den Schutz ihres Heimatlandes gestellt hat; oder
2. die verlorene Staatsangehörigkeit freiwillig wieder erworben hat; oder
3. eine andere Staatsangehörigkeit erworben hat und den Schutz ihres neuen Heimatlandes genießt; oder
4. sich freiwillig in dem Staat, den sie aus Furcht vor Verfolgung verlassen oder nicht betreten hat, niedergelassen hat; oder
5. wenn die Umstände, auf Grund deren sie als Flüchtling anerkannt worden ist, nicht mehr bestehen und sie es daher nicht weiterhin ablehnen kann, sich unter den Schutz ihres Heimatlandes zu stellen.
Die Bestimmungen der Ziffer 5 sind nicht auf die in Ziffer 1 des Abschnittes A dieses Artikels genannten Flüchtlinge anzuwenden, wenn sie die Inanspruchnahme des Schutzes durch ihr Heimatland aus triftigen Gründen, die auf frühere Verfolgungen zurückgehen, ablehnen;
6. staatenlos ist und die Umstände, auf Grund deren sie als Flüchtling anerkannt worden ist, nicht mehr bestehen, sie daher in der Lage ist, in ihr früheres Aufenthaltsland zurückzukehren.
Die Bestimmungen der Ziffer 6 sind jedoch auf die in Ziffer 1 des Abschnittes A dieses Artikels genannten Personen nicht anzuwenden, wenn sie die Inanspruchnahme des Schutzes durch ihr früheres Aufenthaltsland aus triftigen Gründen, die auf frühere Verfolgungen zurückgehen, ablehnen."
1.2.1.2. In den vorliegenden Beschwerdefällen sind die Voraussetzungen des Asylaberkennungsgrundes gemäß § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG iVm Art 1 Abschnitt C Z 3 GFK erfüllt:
Den Beschwerdeführern wurde in Österreich mit Bezugnahme auf den Herkunftsstaat Syrien der Status von Asylberechtigten rechtskräftig zuerkannt.
Durch die Ausstellung von türkischen Reisepässen an die Beschwerdeführer im August 2018 und die Vorlage dieser Reisepässe im Rahmen einer Grenzkontrolle wurde bekannt, dass es sich bei den Beschwerdeführern um türkische Staatsangehörige handelt. Ob die Beschwerdeführer nach wie vor im Besitz der syrischen Staatsangehörigkeit sind bzw. seit wann sie im Besitz der türkischen Staatsangehörigkeit sind, konnte nicht festgestellt werden.
Fest steht jedenfalls, dass die Beschwerdeführer vor der Ausstellung der türkischen Reisepässe im August 2018 die türkische Staatsangehörigkeit erworben haben. Der Tatbestand des Erwerbs einer anderen bzw. neuen Staatsangehörigkeit ist daher erfüllt. Unerheblich ist hierbei der Umstand auf welche Art und Weise die Beschwerdeführer die türkische Staatsangehörigkeit erworben haben.
Zudem wurde weder in der Beschwerde noch in der mündlichen Verhandlung vorgebracht und ist auch sonst im Verfahren nicht hervorgekommen, dass die Beschwerdeführer nicht den Schutz des Landes, dessen Staatsangehörigkeit sie erworben haben, nämlich der Türkei, genießen würden. Dies gilt umso mehr, als – wie auch von den Beschwerdeführern nicht behauptet – der türkische Staat die Beschwerdeführer aus den in der GFK genannten Gründen nie verfolgt oder sonst mit der Verfolgung bedroht hat. Der Schutz des türkischen Staates kann daher auch mangels dagegen substantiiert vorgebrachter Bedenken der Beschwerdeführer angenommen werden.
Gemäß Art. 1 Abschnitt C Z 3 GFK kommt es auch nicht darauf an, ob sich eine Person, der in Österreich Asyl gewährt worden ist und die eine andere Staatsangehörigkeit erworben hat, auf Grund eigener freier Entscheidung im neuen Heimatstaat tatsächlich aufhält oder nicht. Maßgeblich ist lediglich, ob diese Person den Schutz des neuen Heimatstaates genießt (siehe VwGH 04.10.1995, Zl. 95/01/0026). Dieser Schutz ist im vorliegenden Fall unzweifelhaft zu bejahen.
Die in der rechtlichen Beurteilung der angefochtenen Bescheide zitierte Bestimmung der Ziffer 3 des § 7 Abs. 1 AsylG erweist sich jedoch als unzutreffend.
Dies ergibt sich daraus, dass der Mittelpunkt der Lebensbeziehungen in einem anderen Staat nur dann vorliegt, wenn er dort seinen Hauptwohnsitz begründet hat, was bei den Beschwerdeführern nicht der Fall ist (vgl. Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrech, Kommentar, K13 § 7 AsylG). Allerdings ist dem BFA dadurch kein so schwerwiegender Mangel vorzuwerfen, der die gänzliche Aufhebung des Bescheides wegen Rechtswidrigkeit rechtfertigen würde. Vielmehr hat das Bundesverwaltungsgericht gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG auch dahingehend in der Sache selbst zu entscheiden und seiner Entscheidung die zutreffenden gesetzlichen Bestimmungen zugrunde zu legen.
1.2.3. Da alle gesetzlichen Voraussetzungen für die Aberkennung des Status von Asylberechtigten vorliegen, waren die Beschwerden gegen die Spruchpunkte I. der angefochtenen Bescheide gemäß § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 als unbegründet abzuweisen.
Die belangte Behörde hat daher auch gemäß § 7 Abs. 4 AsylG 2005 zu Recht festgestellt, dass den Beschwerdeführern die Flüchtlingseigenschaft kraft Gesetzes nicht mehr zukommt.
1.3. Zu Spruchpunkt II. der angefochtenen Bescheide:
1.3.1. Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird (Z 1), oder dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist (Z 2), der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
Gemäß § 8 Abs. 2 AsylG 2005 ist die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 zu verbinden.
Gemäß § 8 Abs. 3 AsylG 2005 sind Anträge auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative im Sinne des § 11 offen steht.
Ist ein Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht schon mangels einer Voraussetzung gemäß Abs. 1 oder aus den Gründen des Abs. 3 oder 6 abzuweisen, so hat gemäß § 8 Abs. 3a AsylG eine Abweisung auch dann zu erfolgen, wenn ein Aberkennungsgrund gemäß § 9 Abs. 2 AsylG 2005 vorliegt. Diesfalls ist die Abweisung mit der Feststellung zu verbinden, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat unzulässig ist, da dies eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Dies gilt sinngemäß auch für die Feststellung, dass der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuzuerkennen ist.
Somit ist vorerst zu klären, ob im Falle der Rückführung des Fremden in seinen Herkunftsstaat Art. 2 EMRK (Recht auf Leben), Art. 3 EMRK (Verbot der Folter), das Protokoll Nr. 6 zur EMRK über die Abschaffung der Todesstrafe oder das Protokoll Nr. 13 zur EMRK über die vollständige Abschaffung der Todesstrafe verletzt werden würde. Der Verwaltungsgerichtshof hat in ständiger, noch zum Refoulementschutz nach der vorigen Rechtslage ergangenen, aber weiterhin gültigen Rechtsprechung erkannt, dass der Antragsteller das Bestehen einer solchen Bedrohung glaubhaft zu machen hat, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffende und durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerte Angaben darzutun ist (VwGH 23.02.1995, Zl. 95/18/0049; 05.04.1995, Zl. 95/18/0530; 04.04.1997, Zl. 95/18/1127; 26.06.1997, ZI. 95/18/1291; 02.08.2000, Zl. 98/21/0461). Diese Mitwirkungspflicht des Antragstellers bezieht sich zumindest auf jene Umstände, die in der Sphäre des Asylwerbers gelegen sind und deren Kenntnis sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen kann (VwGH 30.09.1993, Zl. 93/18/0214).
Die Anforderungen an die Schutzwilligkeit und Schutzfähigkeit des Staates entsprechen jenen, wie sie bei der Frage des Asyls bestehen (VwGH 08.06.2000, Zl. 2000/20/0141). Ereignisse, die bereits längere Zeit zurückliegen, sind daher nicht geeignet, die Feststellung nach dieser Gesetzesstelle zu tragen, wenn nicht besondere Umstände hinzutreten, die ihnen einen aktuellen Stellenwert geben (vgl. VwGH 14.10.1998, Zl. 98/01/0122; 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011).
Unter "realer Gefahr" ist eine ausreichend reale, nicht nur auf Spekulationen gegründete Gefahr möglicher Konsequenzen für den Betroffenen ("a sufficiently real risk") im Zielstaat zu verstehen (VwGH 19.02.2004, Zl. 99/20/0573; auch ErläutRV 952 BlgNR 22. GP zu § 8 AsylG 2005). Die reale Gefahr muss sich auf das gesamte Staatsgebiet beziehen und die drohende Maßnahme muss von einer bestimmten Intensität sein und ein Mindestmaß an Schwere erreichen, um in den Anwendungsbereich des Artikels 3 EMRK zu gelangen (zB VwGH 26.06.1997, Zl. 95/21/0294; 25.01.2001, Zl. 2000/20/0438; 30.05.2001, Zl. 97/21/0560).
Herrscht in einem Staat eine extreme Gefahrenlage, durch die praktisch jeder, der in diesen Staat abgeschoben wird – auch ohne einer bestimmten Bevölkerungsgruppe oder Bürgerkriegspartei anzugehören –, der konkreten Gefahr einer Verletzung der durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte ausgesetzt wäre, so kann dies der Abschiebung eines Fremden in diesen Staat entgegenstehen. Die Ansicht, eine Benachteiligung, die alle Bewohner des Staates in gleicher Weise zu erdulden hätten, könne nicht als Bedrohung im Sinne des § 8 Abs. 1 AsylG 2005 gewertet werden, trifft nicht zu (VwGH 25.11.1999, Zl. 99/20/0465; 08.06.2000, Zl. 99/20/0203; 17.09.2008, Zl. 2008/23/0588). Selbst wenn infolge von Bürgerkriegsverhältnissen letztlich offen bliebe, ob überhaupt noch eine Staatsgewalt bestünde, bliebe als Gegenstand der Entscheidung nach § 8 Abs. 1 AsylG 2005 die Frage, ob stichhaltige Gründe für eine Gefährdung des Fremden in diesem Sinne vorliegen (vgl. VwGH 08.06.2000, Zl. 99/20/0203).
Die bloße Möglichkeit einer dem Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben wird, genügt nicht, um seine Abschiebung in diesen Staat unter dem Gesichtspunkt des § 8 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig erscheinen zu lassen; vielmehr müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade der Betroffene einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde (vgl. VwGH 27.02.2001, Zl. 98/21/0427; 20.06.2002, Zl. 2002/18/0028; siehe dazu vor allem auch EGMR 20.07.2010, N. gg. Schweden, Zl. 23505/09, Rz 52ff; 13.10.2011, Husseini gg. Schweden, Zl. 10611/09, Rz 81ff).
Bei außerhalb staatlicher Verantwortlichkeit liegenden Gegebenheiten im Herkunftsstaat kann nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) die Außerlandesschaffung eines Fremden nur dann eine Verletzung des Art. 3 EMRK darstellen, wenn im konkreten Fall außergewöhnliche Umstände ("exceptional circumstances") vorliegen (EGMR 02.05.1997, D. gg. Vereinigtes Königreich, Zl. 30240/96; 06.02.2001, Bensaid, Zl. 44599/98; vgl. auch VwGH 21.08.2001, Zl. 2000/01/0443). Unter "außergewöhnlichen Umständen" können auch lebensbedrohende Ereignisse (zB Fehlen einer unbedingt erforderlichen medizinischen Behandlung bei unmittelbar lebensbedrohlicher Erkrankung) ein Abschiebungshindernis im Sinne des Art. 3 EMRK iVm. § 8 Abs. 1 AsylG 2005 bilden, die von den Behörden des Herkunftsstaates nicht zu vertreten sind (EGMR 02.05.1997, D. gg. Vereinigtes Königreich; vgl. VwGH 21.08.2001, Zl. 2000/01/0443; 13.11.2001, Zl. 2000/01/0453; 09.07.2002, Zl. 2001/01/0164; 16.07.2003, Zl. 2003/01/0059). Nach Ansicht des VwGH ist am Maßstab der Entscheidungen des EGMR zu Art. 3 EMRK für die Beantwortung der Frage, ob die Abschiebung eines Fremden eine Verletzung des Art. 3 EMRK darstellt, unter anderem zu klären, welche Auswirkungen physischer und psychischer Art auf den Gesundheitszustand des Fremden als reale Gefahr ("real risk") – die bloße Möglichkeit genügt nicht – damit verbunden wären (VwGH 23.09.2004, Zl. 2001/21/0137).
1.3.2. Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status von subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 AsylG nicht gegeben sind.
Dass die Beschwerdeführer im Fall der Rückkehr in die Türkei Folter, einer erniedrigenden oder unmenschlichen Behandlung oder Strafe ausgesetzt sein könnten, konnte im Rahmen des Ermittlungsverfahrens nicht festgestellt werden.
Bei den Beschwerdeführern handelt es sich um arbeitsfähige Erwachsene, bei welchen die grundsätzliche Teilnahmemöglichkeit am Erwerbsleben vorausgesetzt werden kann. Der BF3 verfügt über eine Schulausbildung und haben die Beschwerdeführer Berufserfahrung als Essenszusteller (BF1), als Köchin und Reinigungskraft (BF2) sowie in der Gastronomie (BF3). Es kann daher davon ausgegangen werden, dass die Beschwerdeführer in der Türkei grundsätzlich in der Lage sein werden, ein ausreichendes Einkommen zu erwirtschaften.
Es kann auch nicht erkannt werden, dass den Beschwerdeführern im Falle einer Rückkehr in die Türkei die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen und die Schwelle des Art. 3 EMRK überschritten wäre (vgl. hiezu grundlegend VwGH 16.07.2003, Zl. 2003/01/0059), haben doch die Beschwerdeführer selbst nicht ausreichend konkret vorgebracht, dass ihnen im Falle einer Rückführung in die Türkei jegliche Existenzgrundlage fehlen würde und sie in Ansehung existenzieller Grundbedürfnisse (wie etwa Versorgung mit Lebensmitteln oder einer Unterkunft) einer lebensbedrohenden Situation ausgesetzt wären. Ferner kann das Bundesverwaltungsgericht in Anbetracht des Aufenthaltes mehrerer Familienmitglieder der Beschwerdeführer in der Türkei (Eltern und sechs Geschwister der BF2, Schwiegermutter des BF3, drei Kinder der BF1-2, mehrere Onkel des BF1,) nicht erkennen, weshalb gerade die Beschwerdeführer dort keine Existenzgrundlage vorfinden sollten.
Zum Gesundheitszustand des BF1:
Der BF1 leidet an Hepatitis B und wird medikamentös behandelt. Es handelt sich dabei um keine lebensbedrohenden, bereits ein tödliches Stadium erreichenden Erkrankungen im Sinne der Judikatur des EGMR. Wie sich aus den Länderfeststellungen ergibt, ist auch eine Behandlung der Erkrankung in der Türkei möglich und eine medizinische Versorgung gewährleistet. Es liegen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der Transport des BF1 – auch unter dem Aspekt der Rückkehrhilfe – unzumutbar sei. Weiters kann davon ausgegangen werden, dass der BF1 familiäre Unterstützung im Herkunftsstaat findet. Da gemäß den Länderfeststellungen eine Behandlungsmöglichkeit für Hepatitis B gewährleistet ist, kann eine unmenschliche Behandlung des BF1 iSd Art 3 EMRK im Falle einer Rückkehr in den Herkunftsstaat ausgeschlossen werden.
Eine die physische Existenz nur unzureichend sichernde Versorgungssituation im Herkunftsstaat, die im Einzelfall eine Verletzung der durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte darstellen würde (vgl. VwGH 21.08.2001, 2000/01/0443; 13.11.2001, 2000/01/0453; 18.07.2003, 2003/01/0059), liegt nicht vor.
Letztlich ist zu berücksichtigen, dass die Beschwerdeführer in den Beschwerden den von der belangten Behörde in den angefochtenen Bescheiden getroffenen Feststellungen und Erwägungen zur Zumutbarkeit und Möglichkeit der Rückkehr in die Türkei nicht substantiiert entgegengetreten sind und in weiterer Folge auch nicht dargelegt haben, wie sich eine Rückkehr in die Türkei konkret auf ihre individuelle Situation auswirken würde, insbesondere inwieweit die Beschwerdeführer durch die Rückkehr einem realen Risiko einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wären.
3.3.3. Durch eine Rückführung in den Herkunftsstaat würden die Beschwerdeführer somit nicht in Rechten nach Art. 2 und 3 EMRK oder ihren relevanten Zusatzprotokollen Nr. 6 und Nr. 13 verletzt werden. Weder droht in der Türkei durch direkte Einwirkung noch durch Folgen einer substanziell schlechten oder nicht vorhandenen Infrastruktur ein reales Risiko einer Verletzung der oben genannten von der EMRK gewährleisteten Rechte. Dasselbe gilt für die reale Gefahr, der Todesstrafe unterworfen zu werden. Auch Anhaltspunkte dahingehend, dass eine Rückführung in den Herkunftsstaat für die Beschwerdeführer als Zivilpersonen eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde, sind nicht hervorgekommen.
Daher waren die Beschwerden gegen die Spruchpunkte II. der angefochtenen Bescheide gemäß § 8 Abs. 1 AsylG als unbegründet abzuweisen.
1.4. Zu Spruchpunkt III. und IV. der angefochtenen Bescheide:
1.4.1. Gesetzliche Grundlagen:
Gemäß § 10 AsylG 2005 wird Folgendes normiert:
"§ 10. (1) Eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz ist mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn
der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird,
der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 5 zurückgewiesen wird,
der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,
einem Fremden der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt oder
einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird
und in den Fällen der Z 1 und 3 bis 5 von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt wird sowie in den Fällen der Z 1 bis 5 kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 vorliegt.
(2) Wird einem Fremden, der sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt, von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt, ist diese Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden.
(3) Wird der Antrag eines Drittstaatsangehörigen auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 abgewiesen, so ist diese Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden. Wird ein solcher Antrag zurückgewiesen, gilt dies nur insoweit, als dass kein Fall des § 58 Abs. 9 Z 1 bis 3 vorliegt."
Der mit "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" betitelte § 57 AsylG 2005 lautet wie folgt:
"§ 57. (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zu erteilen:
wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Abs. 1a FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht,
zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder
wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.
(2) Hinsichtlich des Vorliegens der Voraussetzungen nach Abs. 1 Z 2 und 3 hat das Bundesamt vor der Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" eine begründete Stellungnahme der zuständigen Landespolizeidirektion einzuholen. Bis zum Einlangen dieser Stellungnahme bei der Behörde ist der Ablauf der Fristen gemäß Abs. 3 und § 73 AVG gehemmt.
(3) Ein Antrag gemäß Abs. 1 Z 2 ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein Strafverfahren nicht begonnen wurde oder zivilrechtliche Ansprüche nicht geltend gemacht wurden. Die Behörde hat binnen sechs Wochen über den Antrag zu entscheiden.
(4) Ein Antrag gemäß Abs. 1 Z 3 ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO nicht vorliegt oder nicht erlassen hätte werden können."
Der mit "Schutz des Privat- und Familienlebens" betitelte § 9 BFA-VG lautet wie folgt:
"§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.
(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:
die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,
das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,
die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,
der Grad der Integration,
die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,
die strafgerichtliche Unbescholtenheit,
Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,
die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,
die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.
(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.
(4) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich auf Grund eines Aufenthaltstitels rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, darf eine Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 Abs. 4 iVm 53 Abs. 1a FPG nicht erlassen werden, wenn
ihm vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes die Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 (StbG), BGBl. Nr. 311, verliehen hätte werden können, oder
er von klein auf im Inland aufgewachsen und hier langjährig rechtmäßig niedergelassen ist.
(5) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits fünf Jahre, aber noch nicht acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf mangels eigener Mittel zu seinem Unterhalt, mangels ausreichenden Krankenversicherungsschutzes, mangels eigener Unterkunft oder wegen der Möglichkeit der finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft eine Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 Abs. 4 iVm 53 FPG nicht erlassen werden. Dies gilt allerdings nur, wenn der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, die Mittel zu seinem Unterhalt und seinen Krankenversicherungsschutz durch Einsatz eigener Kräfte zu sichern oder eine andere eigene Unterkunft beizubringen, und dies nicht aussichtslos scheint.
(6) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 4 FPG nur mehr erlassen werden, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 FPG vorliegen. § 73 Strafgesetzbuch (StGB), BGBl. Nr. 60/1974 gilt."
Gemäß § 58 AsylG 2005, Verfahren zur Erteilung von Aufenthaltstiteln, wird wie folgt normiert:
"§ 58. (1) Das Bundesamt hat die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 von Amts wegen zu prüfen, wenn
der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird,
der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,
einem Fremden der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt,
einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird oder
ein Fremder sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt.
(2) Das Bundesamt hat einen Aufenthaltstitel gemäß § 55 von Amts wegen zu erteilen, wenn eine Rückkehrentscheidung auf Grund des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG rechtskräftig auf Dauer für unzulässig erklärt wurde. § 73 AVG gilt.
(3) Das Bundesamt hat über das Ergebnis der von Amts wegen erfolgten Prüfung der Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 und 57 im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen.
(4) Das Bundesamt hat den von Amts wegen erteilten Aufenthaltstitel gemäß §§ 55 oder 57 auszufolgen, wenn der Spruchpunkt (Abs. 3) im verfahrensabschließenden Bescheid in Rechtskraft erwachsen ist. Abs. 11 gilt.
(5) Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 bis 57 sowie auf Verlängerung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 sind persönlich beim Bundesamt zu stellen. Soweit der Antragsteller nicht selbst handlungsfähig ist, hat den Antrag sein gesetzlicher Vertreter einzubringen.
(6) Im Antrag ist der angestrebte Aufenthaltstitel gemäß §§ 55 bis 57 genau zu bezeichnen. Ergibt sich auf Grund des Antrages oder im Ermittlungsverfahren, dass der Drittstaatsangehörige für seinen beabsichtigten Aufenthaltszweck einen anderen Aufenthaltstitel benötigt, so ist er über diesen Umstand zu belehren; § 13 Abs. 3 AVG gilt.
(7) Wird einem Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 stattgegeben, so ist dem Fremden der Aufenthaltstitel auszufolgen. Abs. 11 gilt.
(8) Wird ein Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 zurück- oder abgewiesen, so hat das Bundesamt darüber im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen.
(9) Ein Antrag auf einen Aufenthaltstitel nach diesem Hauptstück ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn der Drittstaatsangehörige
sich in einem Verfahren nach dem NAG befindet,
bereits über ein Aufenthaltsrecht nach diesem Bundesgesetz oder dem NAG verfügt oder
gemäß § 95 FPG über einen Lichtbildausweis für Träger von Privilegien und Immunitäten verfügt oder gemäß § 24 FPG zur Ausübung einer bloß vorübergehenden Erwerbstätigkeit berechtigt ist
soweit dieses Bundesgesetz nicht anderes bestimmt. Dies gilt auch im Falle des gleichzeitigen Stellens mehrerer Anträge.
(10) Anträge gemäß § 55 sind als unzulässig zurückzuweisen, wenn gegen den Antragsteller eine Rückkehrentscheidung rechtskräftig erlassen wurde und aus dem begründeten Antragsvorbringen im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG ein geänderter Sachverhalt, der eine ergänzende oder neue Abwägung gemäß Art. 8 EMRK erforderlich macht, nicht hervorgeht. Anträge gemäß §§ 56 und 57, die einem bereits rechtskräftig erledigten Antrag (Folgeantrag) oder einer rechtskräftigen Entscheidung nachfolgen, sind als unzulässig zurückzuweisen, wenn aus dem begründeten Antragsvorbringen ein maßgeblich geänderter Sachverhalt nicht hervorkommt.
(11) Kommt der Drittstaatsangehörige seiner allgemeinen Mitwirkungspflicht im erforderlichen Ausmaß, insbesondere im Hinblick auf die Ermittlung und Überprüfung erkennungsdienstlicher Daten, nicht nach, ist
das Verfahren zur Ausfolgung des von Amts wegen zu erteilenden Aufenthaltstitels (Abs. 4) ohne weiteres einzustellen oder
der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels zurückzuweisen.
Über diesen Umstand ist der Drittstaatsangehörige zu belehren.
(12) Aufenthaltstitel dürfen Drittstaatsangehörigen, die das 14. Lebensjahr vollendet haben, nur persönlich ausgefolgt werden. Aufenthaltstitel für unmündige Minderjährige dürfen nur an deren gesetzlichen Vertreter ausgefolgt werden. Anlässlich der Ausfolgung ist der Drittstaatsangehörige nachweislich über die befristete Gültigkeitsdauer, die Unzulässigkeit eines Zweckwechsels, die Nichtverlängerbarkeit der Aufenthaltstitel gemäß §§ 55 und 56 und die anschließende Möglichkeit einen Aufenthaltstitel nach dem NAG zu erlangen, zu belehren.
(13) Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 bis 57 begründen kein Aufenthalts- oder Bleiberecht. Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 und 57 stehen der Erlassung und Durchführung aufenthaltsbeendender Maßnahmen nicht entgegen. Sie können daher in Verfahren nach dem 7. und 8. Hauptstück des FPG keine aufschiebende Wirkung entfalten. Bei Anträgen auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 56 hat das Bundesamt bis zur rechtskräftigen Entscheidung über diesen Antrag jedoch mit der Durchführung der einer Rückkehrentscheidung umsetzenden Abschiebung zuzuwarten, wenn
ein Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung erst nach einer Antragstellung gemäß § 56 eingeleitet wurde und
die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 56 wahrscheinlich ist, wofür die Voraussetzungen des § 56 Abs. 1 Z 1, 2 und 3 jedenfalls vorzuliegen haben."
Der mit "Rückkehrentscheidung" betitelte § 52 FPG lautet wie folgt:
"§ 52. (1) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich
nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält oder
nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und das Rückkehrentscheidungsverfahren binnen sechs Wochen ab Ausreise eingeleitet wurde.
(2) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn
dessen Antrag auf internationalen Schutz wegen Drittstaatsicherheit zurückgewiesen wird,
dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,
ihm der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt oder
ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird
und kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 AsylG 2005 vorliegt und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.
(3) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 AsylG 2005 zurück- oder abgewiesen wird.
(4) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, hat das Bundesamt mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn
nachträglich ein Versagungsgrund gemäß § 60 AsylG 2005 oder § 11 Abs. 1 und 2 NAG eintritt oder bekannt wird, der der Erteilung des zuletzt erteilten Aufenthaltstitels, Einreisetitels oder der erlaubten visumfreien Einreise entgegengestanden wäre,
ihm ein Aufenthaltstitel gemäß § 8 Abs. 1 Z 1, 2 oder 4 NAG erteilt wurde, er der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht und im ersten Jahr seiner Niederlassung mehr als vier Monate keiner erlaubten unselbständigen Erwerbstätigkeit nachgegangen ist,
ihm ein Aufenthaltstitel gemäß § 8 Abs. 1 Z 1, 2 oder 4 NAG erteilt wurde, er länger als ein Jahr aber kürzer als fünf Jahre im Bundesgebiet niedergelassen ist und während der Dauer eines Jahres nahezu ununterbrochen keiner erlaubten Erwerbstätigkeit nachgegangen ist,
der Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels ein Versagungsgrund (§ 11 Abs. 1 und 2 NAG) entgegensteht oder
das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 14a NAG aus Gründen, die ausschließlich vom Drittstaatsangehörigen zu vertreten sind, nicht rechtzeitig erfüllt wurde.
Werden der Behörde nach dem NAG Tatsachen bekannt, die eine Rückkehrentscheidung rechtfertigen, so ist diese verpflichtet dem Bundesamt diese unter Anschluss der relevanten Unterlagen mitzuteilen. Im Fall des Verlängerungsverfahrens gemäß § 24 NAG hat das Bundesamt nur all jene Umstände zu würdigen, die der Drittstaatsangehörige im Rahmen eines solchen Verfahrens bei der Behörde nach dem NAG bereits hätte nachweisen können und müssen.
(5) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes auf Dauer rechtmäßig niedergelassen war und über einen Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt – EU" verfügt, hat das Bundesamt eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 die Annahme rechtfertigen, dass dessen weiterer Aufenthalt eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellen würde.
(6) Ist ein nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältiger Drittstaatsangehöriger im Besitz eines Aufenthaltstitels oder einer sonstigen Aufenthaltsberechtigung eines anderen Mitgliedstaates, hat er sich unverzüglich in das Hoheitsgebiet dieses Staates zu begeben. Dies hat der Drittstaatsangehörige nachzuweisen. Kommt er seiner Ausreiseverpflichtung nicht nach oder ist seine sofortige Ausreise aus dem Bundesgebiet aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich, ist eine Rückkehrentscheidung gemäß Abs. 1 zu erlassen.
(7) Von der Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß Abs. 1 ist abzusehen, wenn ein Fall des § 45 Abs. 1 vorliegt und ein Rückübernahmeabkommen mit jenem Mitgliedstaat besteht, in den der Drittstaatsangehörige zurückgeschoben werden soll.
(8) Die Rückkehrentscheidung wird im Fall des § 16 Abs. 4 BFA-VG oder mit Eintritt der Rechtskraft durchsetzbar und verpflichtet den Drittstaatsangehörigen zur unverzüglichen Ausreise in dessen Herkunftsstaat, ein Transitland gemäß unionsrechtlichen oder bilateralen Rückübernahmeabkommen oder anderen Vereinbarungen oder einen anderen Drittstaat, sofern ihm eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht eingeräumt wurde. Im Falle einer Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung ist § 28 Abs. 2 Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 auch dann anzuwenden, wenn er sich zum Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung nicht mehr im Bundesgebiet aufhält.
(9) Das Bundesamt hat mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, dass eine Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist, es sei denn, dass dies aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich sei.
(10) Die Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 kann auch über andere als in Abs. 9 festgestellte Staaten erfolgen.
(11) Der Umstand, dass in einem Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung deren Unzulässigkeit gemäß § 9 Abs. 3 BFA-VG festgestellt wurde, hindert nicht daran, im Rahmen eines weiteren Verfahrens zur Erlassung einer solchen Entscheidung neuerlich eine Abwägung gemäß § 9 Abs. 1 BFA-VG vorzunehmen, wenn der Fremde in der Zwischenzeit wieder ein Verhalten gesetzt hat, das die Erlassung einer Rückkehrentscheidung rechtfertigen würde."
1.4.2. Es liegen keine Umstände vor, dass den Beschwerdeführern allenfalls von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG (Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz) zu erteilen gewesen wäre, und wurde diesbezüglich in den Beschwerden auch nichts dargetan.
1.4.3. Bei der Setzung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme kann ein ungerechtfertigter Eingriff in das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens des Fremden iSd. Art. 8 Abs. 1 EMRK vorliegen. Daher muss überprüft werden, ob sie einen Eingriff und in weiterer Folge eine Verletzung des Privat- und/oder Familienlebens des Fremden darstellt.
Zu den in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) zu Art. 8 EMRK entwickelten Grundsätzen zählt unter anderem, dass das durch Art. 8 EMRK gewährleistete Recht auf Achtung des Familienlebens, das Vorhandensein einer "Familie" voraussetzt. Der Begriff des "Familienlebens" in Art. 8 EMRK umfasst nicht nur die Kernfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern bzw. von verheirateten Ehegatten, sondern auch andere nahe verwandtschaftliche Beziehungen, sofern diese Beziehungen eine hinreichende Intensität für die Annahme einer familiären Beziehung iSd. Art. 8 EMRK erreichen. Der EGMR unterscheidet in seiner Rechtsprechung nicht zwischen einer ehelichen Familie (sog. "legitimate family" bzw. "famille légitime") oder einer unehelichen Familie ("illegitimate family" bzw. "famille naturelle"), sondern stellt auf das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens ab (siehe EGMR 13.06.1979, Marckx, EuGRZ 1979, 454; 18.12.1986, Johnston u.a., EuGRZ 1987, 313; 26.05.1994, Keegan, EuGRZ 1995, 113; 12.07.2001 [GK], K. u. T., Zl. 25702/94; 20.01.2009, Serife Yigit, Zl. 03976/05). Als Kriterien für die Beurteilung, ob eine Beziehung im Einzelfall einem Familienleben iSd. Art. 8 EMRK entspricht, kommen tatsächliche Anhaltspunkte in Frage, wie etwa das Vorliegen eines gemeinsamen Haushaltes, die Art und die Dauer der Beziehung sowie das Interesse und die Bindung der Partner aneinander, etwa durch gemeinsame Kinder, oder andere Umstände, wie etwa die Gewährung von Unterhaltsleistungen (EGMR 22.04.1997, X., Y. und Z., Zl. 21830/93; 22.12.2004, Merger u. Cros, Zl. 68864/01). So verlangt der EGMR auch das Vorliegen besonderer Elemente der Abhängigkeit, die über die übliche emotionale Bindung hinausgeht (siehe Grabenwarter, Europäische Menschenrechtskonvention3 [2008] 197 ff.). In der bisherigen Spruchpraxis des EGMR wurden als unter dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK zu schützende Beziehungen bereits solche zwischen Enkel und Großeltern (EGMR 13.06.1979, Marckx, EuGRZ 1979, 458; auch EKMR 07.12.1981, B 9071/80, X-Schweiz, EuGRZ 1983, 19), zwischen Geschwistern (EKMR 14.03.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311) und zwischen Onkel bzw. Tante und Neffen bzw. Nichten (EKMR 19.07.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.02.1979, 7912/77, EuGRZ 1981/118; EKMR 05.07.1979, B 8353/78, EuGRZ 1981, 120) anerkannt, sofern eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt (vgl. Baumgartner, ÖJZ 1998, 761; Rosenmayer, ZfV 1988, 1). Das Kriterium einer gewissen Beziehungsintensität wurde von der Europäischen Kommission für Menschenrechte auch für die Beziehung zwischen Eltern und erwachsenen Kindern gefordert (EKMR 06.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215).
Wie der Verfassungsgerichtshof bereits in zwei Erkenntnissen vom 29.09.2007, Zl. B 328/07 und Zl. B 1150/07, dargelegt hat, sind die Behörden stets dazu verpflichtet, das öffentliche Interesse an der Aufenthaltsbeendigung gegen die persönlichen Interessen des Fremden an einem weiteren Verbleib in Österreich am Maßstab des Art. 8 EMRK abzuwägen, wenn sie eine Ausweisung verfügt. In den zitierten Entscheidungen wurden vom VfGH auch unterschiedliche – in der Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) fallbezogen entwickelte – Kriterien aufgezeigt, die in jedem Einzelfall bei Vornahme einer solchen Interessenabwägung zu beachten sind und als Ergebnis einer Gesamtbetrachtung dazu führen können, dass Art. 8 EMRK einer Ausweisung entgegensteht:
die Aufenthaltsdauer, die vom EGMR an keine fixen zeitlichen Vorgaben geknüpft wird (EGMR 31.01.2006, Rodrigues da Silva und Hoogkamer, Zl. 50435/99, ÖJZ 2006, 738 = EuGRZ 2006, 562; 16.09.2004, Ghiban, Zl. 11103/03, NVwZ 2005, 1046), das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens (EGMR 28.05.1985, Abdulaziz ua., Zl. 9214/80, 9473/81, 9474/81, EuGRZ 1985, 567; 20.06.2002, Al-Nashif, Zl. 50963/99, ÖJZ 2003, 344; 22.04.1997, X, Y und Z, Zl. 21830/93, ÖJZ 1998, 271) und dessen Intensität (EGMR 02.08.2001, Boultif, Zl. 54273/00),
die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, den Grad der Integration des Fremden, der sich in intensiven Bindungen zu Verwandten und Freunden, der Selbsterhaltungsfähigkeit, der Schulausbildung, der Berufsausbildung, der Teilnahme am sozialen Leben, der Beschäftigung und ähnlichen Umständen manifestiert (vgl. EGMR 04.10.2001, Adam, Zl. 43359/98, EuGRZ 2002, 582; 09.10.2003, Slivenko, Zl. 48321/99, EuGRZ 2006, 560; 16.06.2005, Sisojeva, Zl. 60654/00, EuGRZ 2006, 554; vgl. auch VwGH 05.07.2005, Zl. 2004/21/0124; 11.10.2005, Zl. 2002/21/0124), die Bindungen zum Heimatstaat, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, aber auch Verstöße gegen das Einwanderungsrecht und Erfordernisse der öffentlichen Ordnung (vgl. zB EGMR 24.11.1998, Mitchell, Zl. 40447/98; 11.04.2006, Useinov, Zl. 61292/00), sowie auch die Frage, ob das Privat- und Familienleben in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren (EGMR 24.11.1998, Mitchell, Zl. 40447/98; 05.09.2000, Solomon, Zl. 44328/98; 31.01.2006, Rodrigues da Silva und Hoogkamer, Zl. 50435/99, ÖJZ 2006, 738 = EuGRZ 2006, 562; 31.07.2008, Omoregie ua., Zl. 265/07).
Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte sind die Staaten im Hinblick auf das internationale Recht und ihre vertraglichen Verpflichtungen befugt, die Einreise, den Aufenthalt und die Ausweisung von Fremden zu überwachen (EGMR 28.05.1985, Abdulaziz ua., Zl. 9214/80 ua, EuGRZ 1985, 567; 21.10.1997, Boujlifa, Zl. 25404/94; 18.10.2006, Üner, Zl. 46410/99; 23.06.2008 [GK], Maslov, 1638/03; 31.07.2008, Omoregie ua., Zl. 265/07). Die EMRK garantiert Ausländern kein Recht auf Einreise, Aufenthalt und Einbürgerung in einem bestimmten Staat (EGMR 02.08.2001, Boultif, Zl. 54273/00).
In Ergänzung dazu verleiht weder die EMRK noch ihre Protokolle das Recht auf politisches Asyl (EGMR 30.10.1991, Vilvarajah ua., Zl. 13163/87 ua.; 17.12.1996, Ahmed, Zl. 25964/94; 28.02.2008 [GK] Saadi, Zl. 37201/06).
Hinsichtlich der Rechtfertigung eines Eingriffs in die nach Art. 8 EMRK garantierten Rechte muss der Staat ein Gleichgewicht zwischen den Interessen des Einzelnen und jenen der Gesellschaft schaffen, wobei er in beiden Fällen einen gewissen Ermessensspielraum hat. Art. 8 EMRK begründet keine generelle Verpflichtung für den Staat, Einwanderer in seinem Territorium zu akzeptieren und Familienzusammenführungen zuzulassen. Jedoch hängt in Fällen, die sowohl Familienleben als auch Einwanderung betreffen, die staatliche Verpflichtung, Familienangehörigen von im Staat Ansässigen Aufenthalt zu gewähren, von der jeweiligen Situation der Betroffenen und dem Allgemeininteresse ab. Von Bedeutung sind dabei das Ausmaß des Eingriffs in das Familienleben, der Umfang der Beziehungen zum Konventionsstaat, weiters ob im Ursprungsstaat unüberwindbare Hindernisse für das Familienleben bestehen, sowie ob Gründe der Einwanderungskontrolle oder Erwägungen zum Schutz der öffentlichen Ordnung für eine Ausweisung sprechen. War ein Fortbestehen des Familienlebens im Gastland bereits bei dessen Begründung wegen des fremdenrechtlichen Status einer der betroffenen Personen ungewiss und dies den Familienmitgliedern bewusst, kann eine Ausweisung nur in Ausnahmefällen eine Verletzung von Art. 8 EMRK bedeuten (EGMR 31.07.2008, Omoregie ua., Zl. 265/07, mwN; 28.06.2011, Nunez, Zl. 55597/09; 03.11.2011, Arvelo Aponte, Zl. 28770/05; 14.02.2012, Antwi u. a., Zl. 26940/10).
Die Ausweisung eines Fremden, dessen Aufenthalt lediglich auf Grund der Stellung von einem oder mehreren Asylanträgen oder Anträgen aus humanitären Gründen besteht, und der weder ein niedergelassener Migrant noch sonst zum Aufenthalt im Aufenthaltsstaat berechtigt ist, stellt in Abwägung zum berechtigten öffentlichen Interesse einer wirksamen Einwanderungskontrolle keinen unverhältnismäßigen Eingriff in das Privatleben dieses Fremden dar, wenn dessen diesbezüglichen Anträge abgelehnt werden, zumal der Aufenthaltsstatus eines solchen Fremden während der ganzen Zeit des Verfahrens als unsicher gilt (EGMR 08.04.2008, Nnyanzi, Zl. 21878/06).
Aufenthaltsbeendende Maßnahmen beeinträchtigt das Recht auf Privatsphäre eines Asylantragstellers dann in einem Maße, der sie als Eingriff erscheinen lässt, wenn über jemanden eine Ausweisung verhängt werden soll, der lange in einem Land lebt, eine Berufsausbildung absolviert, arbeitet und soziale Bindungen eingeht, ein Privatleben begründet, welches das Recht umfasst, Beziehungen zu anderen Menschen einschließlich solcher beruflicher und geschäftlicher Art zu begründen (Wiederin in Korinek/Holoubek, Bundesverfassungsrecht, 5. Lfg., 2002, Rz 52 zu Art 8 EMRK).
Nach der Rechtsprechung des EGMR (EGMR 08.04.2008, Nnyanzi v. the United Kingdom, 21878/06 bzgl. einer ugandischen Staatsangehörigen die 1998 einen Asylantrag im Vereinigten Königreich stellte) ist im Hinblick auf die Frage eines Eingriffes in das Privatleben maßgeblich zwischen niedergelassenen Zuwanderern, denen zumindest einmal ein Aufenthaltstitel erteilt wurde und Personen, die lediglich einen Asylantrag gestellt haben und deren Aufenthalt somit bis zur Entscheidung im Asylverfahren unsicher ist, zu unterscheiden (im Falle der Beschwerdeführerin Nnyanzi wurde die Abschiebung nicht als ein unverhältnismäßiger Eingriff in ihr Privatleben angesehen, da von einem grundsätzlichen Überwiegen des öffentlichen Interesses an einer effektiven Zuwanderungskontrolle ausgegangen wurde).
Nach der Rechtsprechung des EGMR (vgl. aktuell SISOJEVA u.a. gg. Lettland, 16.06.2005, Bsw. Nr. 60.654/00) garantiert die Konvention Ausländern kein Recht auf Einreise und Aufenthalt in einem Staat, unter gewissen Umständen können von den Staaten getroffene Entscheidungen auf dem Gebiet des Aufenthaltsrechts (zB. eine Ausweisungsentscheidung) auch in das Privatleben eines Fremden eingreifen. Dies beispielsweise dann, wenn ein Fremder den größten Teil seines Lebens in einem Gastland zugebracht (wie im Fall SISOJEVA u.a. gg. Lettland) oder besonders ausgeprägte soziale oder wirtschaftliche Bindungen im Aufenthaltsstaat vorliegen, die sogar jene zum eigentlichen Herkunftsstaat an Intensität deutlich übersteigen (vgl. dazu BAGHLI gg. Frankreich, 30.11.1999, Bsw. Nr. 34374/97; ebenso die Rsp. des Verfassungsgerichtshofes; vgl. dazu VfSlg 10.737/1985; VfSlg 13.660/1993).
Bei der vorzunehmenden Interessensabwägung ist zwar nicht ausschlaggebend, ob der Aufenthalt des Fremden zumindest vorübergehend rechtmäßig war (EGMR 16.09.2004, Ghiban / BRD; 07.10.2004, Dragan / BRD; 16.06.2005, Sisojeva u.a. / LV), bei der Abwägung jedoch in Betracht zu ziehen (vgl. VfGH 17.03.2005, G 78/04; EGMR 08.04.2008, Nnyazi / GB). Eine langjährige Integration ist zu relativieren, wenn der Aufenthalt auf rechtsmissbräuchlichem Verhalten, insbesondere etwa die Vortäuschung eines Asylgrundes (vgl VwGH 2.10.1996, 95/21/0169), zurückzuführen ist (VwGH 20.12.2007, 2006/21/0168). Darüber hinaus sind auch noch Faktoren wie etwa Aufenthaltsdauer, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens und dessen Intensität, sowie der Grad der Integration welcher sich durch Intensität der Bindungen zu Verwandten und Freunden, Selbsterhaltungsfähigkeit, Schulausbildung bzw. Berufsausbildung, Teilnahme am sozialen Leben, Beschäftigung manifestiert, aber auch die Bindungen zum Herkunftsstaat, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, Verstöße gegen das Einwanderungsrecht und Erfordernisse der öffentlichen Ordnung sowie die Frage, ob das Privat- und Familienleben in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren, bei der Abwägung in Betracht zu ziehen (VfGH 29.09.2007, B1150/07 unter Hinweis und Zitierung der EGMR-Judikatur).
Gemäß der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes vom 07.10.2010, B 950/10 sind betreffend die Frage der Integration einer Familie in Österreich insbesondere die Aufenthaltsdauer der Familie in Österreich, ein mehrjähriger Schulbesuch von minderjährigen Kindern, gute Deutschkenntnisse und eine sehr gute gesellschaftliche Integration der gesamten Familie zu berücksichtigen.
Es ist weiters als wesentliches Merkmal zu berücksichtigen, wenn – anders als in Fällen, in denen die Integration auf einem nur durch Folgeanträge begründeten unsicheren Aufenthaltsstatus basierte (vgl. zB VfGH 12.6.2010, U614/10) – die Integration der Beschwerdeführer während eines einzigen Asylverfahrens (dessen Dauer im durch den Verfassungsgerichtshof entschiedenen Fall sieben Jahre betrug), welches nicht durch eine schuldhafte Verzögerung durch den Beschwerdeführer und seine Familie geprägt war, erfolgte.
Bei der Abwägung der betroffenen Rechtsgüter zur Prüfung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit des staatlichen Eingriffes ist immer auf die besonderen Umstände des Einzelfalls im Detail abzustellen. Eine Ausweisung hat daher immer dann zu unterbleiben, wenn ihre Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden und seiner Familie schwerer wiegen würden als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung.
1.4.4. Da die Beschwerdeführer gleichermaßen von einer Rückkehrentscheidung betroffen sind, liegt insoweit kein Eingriff in ein schützenswertes Familienleben vor (VwGH 19.12.2012, Zl. 2012/22/0221 mwN).
In Österreich lebt auch eine Tochter der BF1-2 bzw. Schwester des BF3 sowie die Ehegattin des BF3. Die Ehegattin des BF3 kam im April 2019 nach Österreich und besteht mit dem BF3 seit 20.08.2019 ein gemeinsamer Wohnsitz. Mit der Tochter der BF1-2 bzw. der Schwester des BF3 besteht kein gemeinsamer Wohnsitz.
Eine familiäre Beziehung unter Erwachsenen fällt nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte nur dann unter den Schutz des Art. 8 Abs. 1 EMRK, wenn zusätzliche Merkmale der Abhängigkeit hinzutreten, die über die üblichen Bindungen hinausgehen (vgl. dazu auch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 09. Juni 2006, B 1277/04, unter Hinweis auf die Judikatur des EGMR; des Weiteren auch das Erkenntnis des VwGH vom 26.01.2006, Zl. 2002/20/0423, und die darauf aufbauende Folgejudikatur, etwa die Erkenntnisse vom 08.06.2006, Zl. 2003/01/0600, vom 22.08.2006, Zl. 2004/01/0220 und vom 29.03.2007, Zl. 2005/20/0040, vom 26.06.2007, Zl. 2007/01/0479).
Die Beziehung der bereits volljährigen Kinder zu den Eltern ist vor allem dann als Familienleben zu qualifizieren, wenn jene auch nach Eintritt der Volljährigkeit im Haushalt der Eltern weiterleben, ohne dass sich ihr Naheverhältnis zu den Eltern wesentlich ändert (Chvosta, Die Ausweisung von Asylwerbern und Art. 8 MRK, ÖJZ 2007/74, 860 unter Hinweis auf Wiederin in Korinek/Holoubek, Österreichisches Bundesverfassungsrecht, Art. 8 EMRK Rz 76). Alle anderen verwandtschaftlichen Beziehungen (zB zwischen Enkel und Großeltern, erwachsenen Geschwistern [vgl. VwGH 22.08.2006, Zl. 2004/01/0220, mwN; 25.4.2008, Zl. 2007/20/0720 bis 0723-8], Cousinen [VwGH 15.01.1999, Zl. 97/21/0778; 26.6.2007, Zl. 2007/01/0479], Onkeln bzw. Tanten und Neffen bzw. Nichten) sind nur dann als Familienleben geschützt, wenn eine "hinreichend starke Nahebeziehung" besteht. Nach Ansicht der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts ist für diese Wertung insbesondere die Intensität und Dauer des Zusammenlebens von Bedeutung (vgl. VfSlg 17.457/2005). Dabei werden vor allem das Zusammenleben und die gegenseitige Unterhaltsgewährung zur Annahme eines Familienlebens iSd Art. 8 EMRK führen, soweit nicht besondere Abhängigkeitsverhältnisse, wie die Pflege eines behinderten oder kranken Verwandten, vorliegen.
Die BF1-2 und der BF3 leben mit der Tochter bzw. Schwester nicht in einem gemeinsamen Haushalt. Weitere Merkmale einer Abhängigkeit, die über die üblichen Bindungen hinausgehen, liegen ebenfalls nicht vor. Insbesondere vermögen auch gelegentliche Besuche, Telefonate oder allgemeine Unterstützungsleistungen bei alltäglichen Angelegenheiten keine über die üblichen Bindungen hinausgehende Abhängigkeit der Beschwerdeführer von der Tochter bzw. Schwester zu begründen.
In Anbetracht dessen wurde auch kein spezielles Nahe- bzw. Abhängigkeitsverhältnis der Beschwerdeführer zur Tochter bzw. Schwester vorgebracht, welches eine – im Lichte der Rechtsprechung des EGMR – ausreichende Beziehungsintensität begründen würde.
Hinsichtlich der Ehegattin des BF3 ist anzumerken, dass sich beide 2014 der Türkei kennen gelernt haben und im Jahr 2014 traditionell und im Jahr 2018 standesamtlich geheiratet haben. Der BF3 kam bereits im Jänner 2015 nach Österreich und ist seine Ehegattin seit April 2019 in Österreich aufhältig. Seit August 2019 besteht ein gemeinsamer Haushalt. Folglich ist vom Bestehen eines Familienlebens des BF3 mit seiner Ehegattin iSd Art. 8 EMRK auszugehen.
Der diesbezügliche Eingriff durch die Ausweisung des BF3 ist angesichts der dargestellten Gesetzeslage und insbesondere der Judikatur des EGMR jedoch zulässig.
Vor dem Hintergrund, dass die Ehegattin des BF3 selbst türkische Staatsangehörige ist, beide dort bereits zusammengelebt haben und auch Familienangehörige der Ehegattin in der Türkei leben, kann dem BF3 eine Übersiedlung gemeinsam mit seiner Ehegattin in die Türkei durchaus zugemutet werden. Unabhängig davon wäre es dem BF3 und seiner Ehegattin selbst für den Fall der Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Familienlebens in der Türkei zuzumuten, unter den gegebenen Umständen zumindest für die Dauer eines ordnungsgemäß geführten Niederlassungsverfahrens, für das der BF3 vorübergehend in die Türkei ausreist, die Beziehung zwischenzeitlich über Telekommunikation, elektronische Medien oder Besuche aufrechtzuerhalten. Die relevante Rechtsprechung des EGMR zeigt, dass es Fälle geben kann, in denen ein Verweis auf Besuchsmöglichkeiten oder sonstige fernmündliche Kontakte genügt, um eine Verletzung von Art. 8 EMRK zu vermeiden (vgl. EGMR 31.07.2008, Darren Omeregie and others v. Norway 265/07). Im gegenständlichen Verfahren liegt zudem ein wesentlich weniger ausgeprägtes Familienleben vor.
Da somit im gegenständlichen Fall ein ungerechtfertigter Eingriff in das Familienleben der Beschwerdeführer zu verneinen ist, bleibt zu prüfen, ob mit der Ausweisung ein Eingriff in deren Privatleben einhergeht.
Die BF1-2 verfügen lediglich über rudimentäre Deutschkenntnisse. Der BF3 spricht nur auf einfachem Niveau die deutsche Sprache.
Was eine allfällige gesellschaftliche Integration angeht, so ist anzumerken, dass der BF1 keine freundschaftlichen Kontakte in Österreich pflegt. Die BF2 pflegt Kontakte zu zwei Arbeitskolleginnen. Lediglich der BF3 verfügt über soziale Kontakte außerhalb der Arbeit. Die Beschwerdeführer sind auch keine Mitglieder in einem Verein und besucht der BF1 lediglich einen kurdischen Verein, wenn er sich in Wien aufhält. Eine gesellschaftliche Integration im beachtlichen Ausmaß ist daher nicht erkennbar. Diesbezüglich ist aber auch auf die höchstgerichtliche Judikatur zu verweisen, wonach selbst ein Fremder, der perfekt Deutsch spricht sowie sozial vielfältig vernetzt und integriert ist, über keine über das übliche Maß hinausgehenden Integrationsmerkmale verfügt und diesen daher nur eine untergeordnete Bedeutung zukommt (Erk. d. VwGH vom 6.11.2009, 2008/18/0720; 25.02.2010, 2010/18/0029).
Den einzigen Anknüpfungspunkt eines Privatlebens im Sinne des Art. 8 EMRK stellt die Erwerbstätigkeit der Beschwerdeführer dar. Es wird nicht verkannt, dass der BF1 in Österreich seit Oktober 2017 als Pizzalieferant, die BF2 seit April 2019 als Reinigungskraft sowie der BF3 seit Juni 2017 in der Gastronomie bzw. als Kochgehilfe erwerbstätig sind. Zu Lasten der Beschwerdeführer ist dabei jedoch anzumerken, dass die Möglichkeit der mehrjährigen beruflichen Tätigkeit in Österreich im gegenständlichen Fall lediglich darauf zurückzuführen ist, dass die Beschwerdeführer die Erlangung ihrer türkischen Staatsangehörigkeit den österreichischen Behörden nicht zur Kenntnis gebracht haben. Durch die berufliche Tätigkeit der Beschwerdeführer alleine kann daher im Rahmen der Interessensabwägung im Sinne des Art. 8 EMRK nicht von einem Überwiegen der privaten Interessen der Beschwerdeführer ausgegangen werden.
Darüberhinausgehende besondere Integrationsbemühungen haben die Beschwerdeführer nicht dargetan.
Der Umstand, dass die Beschwerdeführer in Österreich unbescholten sind, bewirkt keine Erhöhung des Gewichtes der Schutzwürdigkeit von persönlichen Interessen an einem Aufenthalt in Österreich, da das Fehlen ausreichender Unterhaltsmittel und die Begehung von Straftaten eigene Gründe für die Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen darstellen (VwGH 24.07.2002, 2002/18/0112).
Der BF3 verbrachte im Übrigen den weitaus überwiegenden Teil seines Lebens in der Türkei und besuchte dort die Schule. Der BF1 war über mehrere Jahre hinweg immer wieder beruflich in der Türkei aufhältig und spricht seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung zur Folge ein wenig Türkisch, weshalb davon auszugehen ist, dass jedenfalls die BF3 und 1 in der Lage sein werden für sich und die BF2 den Lebensunterhalt zu bestreiten. Zudem halten sich in der Türkei nach wie vor mehrere Verwandt der Beschwerdeführer auf und deutet nichts darauf hin, dass es den Beschwerdeführern im Falle einer Rückkehr in die Türkei nicht möglich wäre, sich in die dortige Gesellschaft zu integrieren.
Der sohin in Anbetracht der fehlenden sozialen Integration sowie des geringen Spracherwerbs relativ schwachen Rechtsposition der Beschwerdeführer im Hinblick auf einen weiteren Verbleib in Österreich stehen die öffentlichen Interessen des Schutzes der öffentlichen Ordnung, insbesondere in Form der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Bestimmungen, sowie des wirtschaftlichen Wohles des Landes gegenüber.
Nach Maßgabe einer Interessensabwägung im Sinne des § 9 BFA-VG ist die belangte Behörde daher zu Recht davon ausgegangen, dass das öffentliche Interesse an der Beendigung des unrechtmäßigen Aufenthalts des Beschwerdeführers im Bundesgebiet das persönliche Interesse des Beschwerdeführers am Verbleib im Bundesgebiet überwiegt und daher durch die angeordnete Rückkehrentscheidung eine Verletzung des Art. 8 EMRK nicht vorliegt.
Auch sonst sind keine Anhaltspunkte hervorgekommen und auch in den Beschwerden nicht substantiiert vorgebracht worden, dass im gegenständlichen Fall eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig wäre. Die belangte Behörde ist des Weiteren auch nach Abwägung aller dargelegten persönlichen Umstände der Beschwerdeführer zu Recht davon ausgegangen, dass den Beschwerdeführern ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG von Amts wegen nicht zu erteilen ist. Schließlich sind im Hinblick auf die von der belangten Behörde in den angefochtenen Bescheiden gemäß § 52 Abs. 9 iVm § 46 FPG getroffenen Feststellungen keine konkreten Anhaltspunkte dahingehend hervorgekommen, dass die Abschiebung in die Türkei unzulässig wäre.
1.4.5. Zu den Spruchpunkten V. und VI. der angefochtenen Bescheide:
Gemäß § 52 Abs. 9 FPG hat das Bundesamt mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung des Drittstaates, in den der Drittstaatsangehörige abgeschoben werden soll, aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist.
Nach § 50 Abs. 1 FPG ist die Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 EMRK oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre.
Nach § 50 Abs. 2 FPG ist Abschiebung in einen Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre, es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005).
Nach § 50 Abs. 3 FPG ist Abschiebung in einen Staat unzulässig, solange der Abschiebung die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht.
Die Zulässigkeit der Abschiebung der Beschwerdeführer in die Türkei ist gegeben, da nach den die Aberkennung des zuerkannten Status von Asylberechtigten tragenden Feststellungen der vorliegenden Entscheidung keine Gründe vorliegen, aus denen sich eine Unzulässigkeit der Abschiebung der Beschwerdeführer im Sinne des § 50 FPG ergeben würde.
Gemäß § 55 Abs. 1 FPG wird mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt. Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt nach § 55 Abs. 2 FPG 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides, sofern nicht im Rahmen einer vom Bundesamt vorzunehmenden Abwägung festgestellt wurde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen.
Da derartige Gründe im Verfahren nicht vorgebracht wurden, ist die Frist zu Recht mit 14 Tagen festgelegt worden.
Zu Spruchteil B)
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.
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