AsylG 2005 §75 Abs20
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
B-VG Art.133 Abs4
European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2018:L503.1315826.1.00
Spruch:
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. DIEHSBACHER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Türkei, vertreten durch RA Dr. Helmut Blum, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 29.10.2007, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 15.03.2018, zu Recht erkannt:
A.)
I. Die Beschwerde wird gemäß §§ 3, 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.
II. Gemäß § 75 Abs. 20 AsylG 2005 ist eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig.
B.)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang und Sachverhalt
1. Die Beschwerdeführerin (im Folgenden kurz: "BF") reiste am 6.1.2006 mit dem Flugzeug in das Bundesgebiet ein und gab anlässlich der Passkontrolle - unter Beiziehung eines Dolmetschers für die kurdische Sprache (Kurmandschi) - an, sie sei türkische Staatsangehörige und trage den im Spruch angeführten Namen; sie habe keine Reisedokumente, zumal ihr der Schlepper diese abgenommen habe. Sie wolle in Österreich um Asyl ansuchen (AS. 3).
Am 7.1.2006 erfolgte - unter Beiziehung eines Dolmetschers für die kurdische Sprache - die Erstbefragung der BF durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes vor der Polizeiinspektion Schwechat-Flughafen. Dabei wiederholte die BF ihre Angaben zu ihrer Identität; sie sei türkische Staatsangehörige, sei muslimischen Glaubens und gehöre der kurdischen Volksgruppe an (AS. 7). Sie stamme aus S. (Anmerkung des BVwG: einer Kreisstadt in der Provinz Sirnak in Südostanatolien). Dort würden sich nach wie vor ihre Mutter, ihr Bruder sowie ihre zwei Schwestern aufhalten.
Zu ihrer Reiseroute gab die BF an, sie sei vor etwa einem Monat von ihrer Familie einem Schlepper übergeben worden, der sie über einen unbekannten Flughafen in ein ihr unbekanntes Land gebracht habe, wobei sie dann schließlich zu einem weiteren ihr unbekannten Flughafen gebracht worden und schließlich nach Wien geflogen sei. Für die Schleppung habe sie € 8.000 bezahlt.
Auf die Frage nach ihren Fluchtgründen gab die BF an, sie sei Kurdin und als solche vom türkischen Regime unterdrückt worden; ihr Dorf B. sei im Jahr 1994 von der türkischen Armee angegriffen und die BF dabei schwer verletzt worden; weiters sei sie vom Geheimdienst gesucht worden, weil ihr vorgeworfen worden sei, die kurdische Partei DEHAP unterstützt zu haben (AS. 13).
2. Am 18.1.2006 wurde die BF vor dem (damaligen) Bundesasylamt, EAST Ost, unter Beiziehung eines Dolmetschers für die kurdische Sprache niederschriftlich befragt (AS. 41 ff).
Eingangs wiederholte die BF auf Nachfragen ihre oben dargestellten Angaben zu ihrer Person.
Auf Aufforderung, alle ihre Fluchtgründe zu nennen, gab die BF an, dass sie "von Zeit zu Zeit" vom Militär und von der Polizei verhört worden sei. Ihr werde jedes Mal vorgeworfen, dass sie "Mitglied einer Partei" sei. Sie habe auch Angst, dass sie bei den Verhören misshandelt und vergewaltigt werden könnte. In der Türkei würden die Menschenrechte missachtet (AS. 49).
Auf weiteres Nachfragen gab die BF an, sie habe vor ca. zwei oder drei Jahren beschlossen, die Heimat zu verlassen, damals sei es aber finanziell nicht möglich gewesen.
Auf die Frage, was der konkrete Ausreisegrund gewesen sei, gab die BF an, "Als Kurdin werde ich ständig verfolgt und ich hatte immer Angst vor der Polizei oder vom Militär verhaftet zu werden" (AS. 51). Die Türken würden die Kurden als Menschen zweiter Klasse behandeln.
Auf die Frage nach ihren Rückkehrbefürchtungen gab die BF an, sie habe Angst, verhaftet zu werden. Im Fall einer Verhaftung würde sie auch vergewaltigt werden.
3. Am 21.6.2007 wurde die BF vor dem BAA, Außenstelle Eisenstadt, unter Beiziehung eines Dolmetschers für die kurdische Sprache (Sorani) niederschriftlich befragt. Dabei gab die BF eingangs an, dass sie nur Kurdisch-Kurmandschi spreche und bereits vor der EAST Verständigungsschwierigkeiten bestanden hätten (AS. 153). Daraufhin wurde die Befragung der BF beendet.
Vorgelegt wurde von der BF in Kopie eine Bestätigung des Bürgermeisters von M. (Anmerkung: im Nordirak) vom 24.5.2007 vor, der zufolge sie seit 11 Jahren im Flüchtlingslager M. "ihr Leben gemeinsam mit kurdischen Flüchtlingen fristet" (Übersetzung AS. 131). Bei der BF handle es sich um eine Kurdin, die aus ihrem Geburtsort D. vertrieben und mit Verletzungen nach Südkurdistan geflohen sei, nachdem türkische Sicherheitskräfte ihr Heimatdorf überfallen und "evakuiert" hätten. Die BF befinde sich seit Herbst 1994 in der Gemeinschaft des Flüchtlingslagers und sei dort bis zum 4.1.2006 gewesen. Während ihres Aufenthalts im Flüchtlingslager habe sie gemeinsam mit anderen Frauen und jungen Mädchen an verschiedenen Aktivitäten der Frauenstiftung teilgenommen. In diesem Zusammenhang legte die BF auch eine Art Ausweis, auf dem ihr Name aufscheint, des Flüchtlingslagers M. vor.
Weiters legte die BF eine Bestätigung des "Vereins zur wissenschaftlichen Untersuchung der Vertreibungsproblematik und Kultur-, Sozial-, Unterstützungs- und Solidaritätsverein für Betroffene der Vertreibung in Diyarbakir" vor, wonach auch das Dorf D. (B.) im Bezirk S. in der Provinz Sirnak im Jahr 1994 von Seiten der Sicherheitskräfte wegen Sicherheitsbedenken "geleert" worden sei.
Zudem gab die BF eine ergänzende Stellungnahme ab. Darin führte die BF aus, dass sie nunmehr erstmalig mit einer Sozialarbeiterin ein Gespräch über ihr Asylverfahren und ihre Einvernahme im Jänner 2006 geführt habe; dabei sei offensichtlich geworden, dass die Einvernahme sehr mangelhaft gewesen sei und ihre Angaben völlig verkürzt bis falsch wiedergegeben worden seien, da kein Dolmetscher in der Sprache Kurmandschi zur Verfügung gestanden sei. Tatsächlich sei im Jahre 1994 das Dorf, in dem die BF mit ihrer Familie gelebt habe, vom türkischen Militär bombardiert und die BF so schwer verletzt worden, dass sie das Bewusstsein verloren und dieses erst in einem Spital im Nordirak wiedererlangt habe, wobei sie nicht wisse, wie sie dorthin gelangt sei. Seitdem habe sie auch keinen Kontakt mehr zu ihrer Familie gehabt. Das Lager, in dem sich die BF im Nordirak aufgehalten habe, sei dann jedoch vom türkischen Militär angegriffen worden, sodass sie dieses habe wechseln müssen. Schließlich sei die BF Ende 2005 aus dem Irak über den Iran nach Österreich geflohen. Richtig sei, dass sie Staatsangehörige der Türkei sei. Der Grund für ihre politische Verfolgung und letztendliche Flucht nach Österreich liege "in dem Terror, den der türkische Staat gegen die Kurden ausübt". Nicht nur die BF, sondern ihre Familie und die Bevölkerung ihres Dorfes würden beschuldigt, die PKK zu unterstützen, auch wenn sie nur Sympathisanten der PKK gewesen seien. Schließlich sei ihr Dorf "vernichtet" worden.
4. Am 30.7.2007 erfolgte eine weitere niederschriftliche Befragung der BF vor dem BAA, Außenstelle Eisenstadt, unter Beiziehung eines Dolmetschers (offensichtlich) für Kurdisch-Kurmandschi (AS. 165 ff).
Auf Nachfragen nach ihrem Reiseweg betonte die BF, sie sei im Jahr 1994 in den Irak - in das Flüchtlingslager M. - geflohen und sei dann am 4.1.2006 in den Iran gefahren, von wo sie die Schlepper mit dem Flugzeug nach Europa gebracht hätten. Sie besitze keinen türkischen Reisepass und habe seit 1994 keine Beziehungen mehr zur Türkei gehabt. Auf die Frage nach ihrem Gesundheitszustand gab die BF an, sie müsse Medikamente nehmen, weil sie noch immer Bombensplitter in ihrem Kopf bzw. ihrem ganzen Körper habe.
Auf Aufforderung, die Gründe ihrer Asylantragstellung nochmals zu schildern, gab die BF an, die Türken hätten ihr Heimatdorf zerstört. Die BF hätte in den Nordirak flüchten müssen und habe sich dort in einem von der UNO gegründeten Flüchtlingslager namens M. aufgehalten. Allerdings habe es auch dort keine Sicherheit gegeben und sei dieses Flüchtlingslager von den Türken bombardiert worden, sodass sie geflüchtet sei. Während ihres Aufenthalts im Flüchtlingslager habe sie im Rahmen einer "Frauenstiftung", die von der UNO für kurdische Frauen gegründet worden sei, gearbeitet, wobei sie hauptsächlich Handarbeiten durchgeführt habe.
Auf die Frage nach ihren Rückkehrbefürchtungen gab die BF an, die Bewohner ihres Dorfes seien beschuldigt worden, Terroristen Unterschlupf gewährt zu haben, weshalb sie alle als Terroristen eingestuft worden seien. Aus diesem Grunde hätte man die BF im Fall einer Rückkehr vor Gericht gestellt und inhaftiert und auch misshandelt (AS. 169). Sie wisse im Übrigen nicht, ob ihre Angehörigen noch am Leben oder im Gefängnis seien.
Die Fragen, ob sie in der Türkei jemals Probleme mit der Polizei, mit Gendarmen, Soldaten oder einem Gericht hatte oder ob sie in der Türkei jemals festgenommen worden sei, verneinte die BF (AS. 171). Allerdings seien Polizisten und Gendarmen immer wieder in das Heimatdorf gekommen und hätten die Bewohner geschlagen und erniedrigt. Die BF sei auch kein Mitglied einer politischen Partei; allerdings seien ihre Angehörigen bei der HADEP gewesen. Die Frage nach politischen Problemen in ihrer Heimat verneinte die BF, allerdings sei "jeder Kurde ein Feind der Türken" (AS. 171).
Auf die nochmalige Frage nach ihren Rückkehrbefürchtungen gab die BF an, sie würde vor Gericht gestellt und zu einer jahrelangen Gefängnisstrafe verurteilt werden, weil die Türken wissen würden, dass sie das Heimatdorf der BF bombardiert hätten und weil sie wissen würden, dass die BF lange Zeit im Nordirak in einem Flüchtlingslager gelebt habe; alle Kurden, die in diesem Flüchtlingslager gelebt hätten, seien Gegner des Staates und würden als solche vor Gericht gestellt (AS. 171).
Abschließend wurden der BF die länderkundlichen Informationen des BAA zur Türkei übergeben und ihr die Möglichkeit zur Abgabe einer schriftlichen Stellungnahme eingeräumt.
5. Am 1.8.2007 richtete das BAA eine Anfrage an die Staatendokumentation dahingehend, ob es Informationen gibt, wonach Kurden, welche im Flüchtlingslager M. (Nordirak) gelebt hätten, ein "normales" Leben führen könnten, wenn sie in die von türkischen Soldaten zerstörten Dörfer zurückgekehrt sind. Konkret wurde auch angefragt, ob es zutreffend sei, dass das von der BF erwähnte Dorf D. D. im Jahr 1994 bombardiert und die Bewohner in die Flucht geschlagen wurden; es wurde zudem um Beantwortung ersucht, ob dieses Dorf heute noch existiert und die Menschen dort einem geregelten Leben nachgehen könnten.
6. Am 14.8.2007 langte beim BAA eine Stellungnahme der BF zu den Länderfeststellungen des BAA ein; in ihrer Stellungnahme bemängelte die BF insbesondere, dass diese Länderinformationen die aktuelle Situation der Kurden in der Türkei nur sehr dürftig darstellen würden und verwies die BF ihrerseits auf diverse Berichte zur Lage in der Türkei.
7. Am 16.8.2007 langte beim BAA eine Anfragebeantwortung der Staatendokumentation ein. Darin wurde - unter Hinweis auf Erhebungen durch die österreichische Botschaft Ankara bzw. ein Telefonat mit dem Dorfvorsteher von D. K. - ausgeführt, das erwähnte Dorf sei im Jahr 1994 von "PKK Terroristen" überfallen und die Einwohner vertrieben worden; seit 2001 existiere dieses Dorf wieder und seien dort 10 kurdische Familienverbände angesiedelt. Eine Rückkehr sei sicherlich möglich und zumutbar, wenn es sich bei der rückkehrenden Person um eine solche mit kurdischer Abstammung handelt.
Mit Schreiben vom 21.8.2007 übermittelte das BAA der BF die erwähnte Anfragebeantwortung und räumte ihr die Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme ein.
8. Am 6.9.2007 langte dazu eine Stellungnahme der BF ein. Darin bemängelte die BF insbesondere, bei dem von der österreichischen Botschaft Ankara herangezogenen Telefonat handle es sich keinesfalls um eine verlässliche Auskunft. Die BF habe selbst in Anwesenheit von Frau K. Ö. die Telefonnummer des Dorfvorsteher gewählt und habe eine ganz andere Information erhalten, nämlich dass das Dorf aufgrund der Unterstützung der PKK vom Militär verbrannt und bombardiert worden sei; es würden dort jetzt auch keine 10 kurdischen Familienverbände, sondern nur ca. 5 Familien leben. Aus diesem Grunde beantrage sie insbesondere die Befragung von Frau K. Ö. als Zeugin für dieses Telefongespräch und dass sich der Vertrauensanwalt vor Ort ein Bild von der Situation macht.
Schließlich legte die BF einen Zeitungsartikel vom 27.6.1996 vor, demzufolge ein abgeschobener Kurde in der Türkei ermordet wurde.
9. Mit Bescheid vom 29.10.2007, Zahl: XXXX , wies das BAA den Antrag der BF auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gem. § 3 Abs 1 AsylG ab und erkannte der BF den Status der Asylberechtigten nicht zu (Spruchpunkt I.); gem. § 8 Abs 1 Z 1 AsylG wurde der BF der Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf ihren Herkunftsstaat Türkei nicht zuerkannt (Spruchpunkt II.) und wurde die BF gem. § 10 Abs 1 Z 2 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Türkei ausgewiesen (Spruchpunkt III.).
Begründend führte das BAA nach Darstellung des bisherigen Verfahrensgangs aus, bei der BF handle es sich um eine Staatsangehörige der Türkei und Angehörige der kurdischen Volksgruppe, wobei ihre Identität nicht feststehe. Es könne nicht festgestellt werden, dass die BF in der Türkei als Kurdin ständig der Gefahr einer Festnahme durch die Polizei oder das Militär ausgesetzt gewesen wäre bzw. im Fall einer Rückkehr ausgesetzt sei. Es könne insbesondere auch nicht festgestellt werden, dass die BF aufgrund ihres Aufenthalts im irakischen Flüchtlingslager M. in der Türkei als Regimegegnerin betrachtet würde.
Nach Wiedergabe der länderkundlichen Feststellungen und der vom BAA eingeholten Anfragebeantwortung der österreichischen Botschaft Ankara führte das BAA im Rahmen der Beweiswürdigung aus, die Behauptung der BF, als Kurdin ständig der Gefahr einer Festnahme durch die Polizei oder das Militär ausgesetzt zu sein und aufgrund des Aufenthaltes im irakischen Flüchtlingslager M. in der Türkei als Regimegegnerin betrachtet zu werden, stelle die BF nur allgemein in den Raum, ohne diese belegen oder durch konkrete Anhaltspunkte glaubhaft machen zu können. Insbesondere auch aus dem Erhebungsbericht der österreichischen Botschaft in Ankara ergebe sich, dass die asylbegründenden Angaben der BF nicht zutreffen würden. Es sei unrichtig, dass für die BF eine Rückkehr in ihr Heimatdorf unmöglich wäre. Das Dorf D. K. existiere seit dem Jahre 2001 wieder. Derzeit seien dort 10 kurdische Familienverbände angesiedelt. Es entspreche auch nicht der Wahrheit, dass ehemals vertriebene Bewohner heute vom türkischen Staat generell als Feinde betrachtet und gesucht würden.
Des Weiteren seien aufgrund der Berichtslage türkische Staatsbürger kurdischer und anderer Volkszugehörigkeit allein aufgrund ihrer Abstammung keinen staatlichen Repressionen unterworfen. Zu betonen sei auch, dass die BF eigenen Angaben zufolge keine kurdische Terroristin sei und auch sonst in keiner Weise in Verbindung mit der PKK oder deren Nachfolgeorganisationen stand oder steht, so dass auch diesbezüglich keine Verfolgungsgefahr festgestellt werden könne.
Mangels Glaubhaftmachung einer asylrelevanten Gefährdung der BF komme somit keine Gewährung von Asyl in Betracht (Spruchpunkt I.). Aber auch eine sonstige Gefährdung der BF sei im Verfahren nicht hervorgekommen und würden auch keine hinreichenden Gründe zur Annahme bestehen, dass der BF im Fall einer Rückkehr in die Türkei dort die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen wäre, sodass auch die Gewährung von subsidiärem Schutz nicht in Betracht komme (Spruchpunkt II.). Im Hinblick auf die Ausweisung der BF in die Türkei (Spruchpunkt III.) führte das BAA insbesondere aus, die BF habe hier in Österreich keine Angehörigen und bestehe hier auch kein schützenswertes Privatleben der BF.
10. Mit Schriftsatz ihrer damaligen rechtsfreundlichen Vertretung vom 15.11.2007 erhob die BF fristgerecht Beschwerde gegen den Bescheid des BAA vom 29.10.2007. Darin gab die BF eingangs an, sie sei türkische Staatsangehörige kurdischer Volksgruppenzugehörigkeit und spreche nur die kurdische Sprache in der Dialektform des Kurmandschi. Dessen ungeachtet sei sie bei ihrer Einvernahme durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 7.1.2006 sowie am 18.1.2006 vor dem BAA von einem Dolmetscher der Sprache Sorani einvernommen worden, wodurch es zu erheblichen Verständigungsschwierigkeiten gekommen sei. Erst am 21.6.2007 sei ein Dolmetscher in ihrer Muttersprache beigezogen worden, sodass allfällige Widersprüche zu den Voreinvernahmen unerheblich seien.
Sodann wiederholte die BF, dass sie sich seit dem Jahr 1994 nach der Vernichtung ihres Heimatdorfs im Flüchtlingslager M. im Nordirak aufgehalten habe, wobei es sich dabei um ein Rückzugsgebiet der PKK handle, was zu einer entsprechenden Verfolgungsgefahr für die BF führe. Das BAA habe sich mit dieser Thematik nicht ausreichend befasst. Aber auch bereits aufgrund der allgemeinen Berichtslage drohe der BF aufgrund ihrer kurdischen Volksgruppenzugehörigkeit Verfolgung durch den türkischen Staat.
Schließlich habe die BF durch ihren langjährigen Aufenthalt im irakischen Flüchtlingslager keinerlei persönliche Kontakte mehr zu ihrer Heimat und habe daher - gerade auch als kurdische Frau - keine Möglichkeit, in ihrer Heimat ein menschenwürdiges Leben zu führen, sodass zumindest subsidiärer Schutz zu gewähren gewesen wäre.
Beigelegt wurden der Beschwerde diverse Berichte zur Lage in der Türkei sowie in Kopie die von der BF bereits am 21.6.2007 dem BAA (ebenfalls in Kopie) vorgelegten Dokumente (siehe oben Punkt 3).
11. Am 19.11.2007 legte das BAA den Akt dem damaligen Unabhängigen Bundesasylsenat vor.
12. Am 9.8.2010 langte beim damaligen Asylgerichtshof seitens der BF ein Konvolut von Arztbefunden ein. In den Befunden wird insbesondere davon berichtet, dass die BF im Rahmen eines Militärangriffs in den 90er Jahren von mehreren Granatsplittern getroffen worden sei, die bislang nur teilweise entfernt worden seien.
13. Mit Schriftsatz ihres damaligen rechtsfreundlichen Vertreters vom 28.7.2011 erstattete die BF diverses Vorbringen zu ihrer bisherigen Integration in Österreich.
14. Am 31.1.2013 langte beim damaligen Asylgerichtshof eine ergänzende Stellungnahme der BF ein. Darin betonte die BF nochmals, dass das Flüchtlingslager M. im Nordirak von der türkischen Regierung als Rückzugsgebiet der PKK betrachtet werde, sodass die BF - wie auch alle anderen Lagerbewohner in M. - vom türkischen Staat verdächtigt werde, die PKK zu unterstützen bzw. enge Verbindungen zu dieser zu haben. Unter Hinweis auf englischsprachige Berichte, die darin zitierten Webseiten entnommen worden seien, brachte die BF auch insbesondere vor, dass es im Oktober 2009 bzw. sodann auch im Jahr 2010 im Zusammenhang mit einer freiwilligen Rückkehraktion von Personen aus dem Flüchtlingslager M. im Nordirak in die Türkei zu Verhaftungen bzw. Verurteilungen zurückgekehrter Personen gekommen sei.
15. Am 14.2.2013 langte beim Asylgerichtshof eine weitere Stellungnahme der BF ein. Darin wies die BF darauf hin, dass im Personenstandsregister ihres Vaters nur ihre Geschwister angeführt würden, nicht jedoch sie selbst. Sie habe daher die "Vermutung", dass ihr vom türkischen Staat die Staatsbürgerschaft entzogen wurde und sie staatenlos sei. Es wurde beantragt, der Asylgerichtshof möge Recherchen bezüglich des Verlusts der Staatsbürgerschaft durchführen, da die BF davon ausgehe, dass ihr aus politischen Gründen die türkische Staatsbürgerschaft entzogen wurde.
16. Am 23.5.2013 führte der damalige Asylgerichtshof eine Beschwerdeverhandlung in der Sache der BF unter Beiziehung eines Dolmetschers für die Sprache Kurmandschi durch.
Dabei gab die BF eingangs zu ihrer Person unter anderem an, sie sei einerseits in psychologischer Behandlung (Psychotherapie) und sei andererseits wegen der nach wie vor in ihrem Körper befindlichen Granatsplitter, die auf die Bombardierung ihres Dorfes im Jahr 1994 zurückzuführen seien, operiert worden und diesbezüglich ebenso immer noch in Behandlung. Sie engagiere sich in Österreich bei einem kurdischen Verein. Sie lebe von der Grundversorgung; einer Erwerbstätigkeit dürfe sie nicht nachgehen.
In der Türkei würden nach wie vor ihre Mutter, ihr Bruder und ihre zwei Schwestern leben. Regelmäßigen Telefonischen Kontakt habe sie nur mit ihrem Bruder, der in S. (Anmerkung des BVwG: einer Kreisstadt in der Provinz Sirnak in Südostanatolien, in der auch die BF selbst aufgewachsen sei) in einer Bäckerei arbeite. Zu ihrer Mutter und ihren Schwestern habe sie keinen telefonischen Kontakt, zumal sie befürchte, dass die Telefone abgehört werden.
Auf die Frage nach ihren Fluchtgründen bzw. Rückkehrbefürchtungen gab die BF insbesondere an, diese seien nach wie vor aufrecht. Sie habe sich ja im Flüchtlingslager M. aufgehalten und sei konkret im Jahr 2009 eine Gruppe von Personen, die aus diesem Lager in die Türkei gefahren sei, um mit den türkischen Behörden zu verhandeln, festgenommen worden. Die BF sei ja auch (in Österreich) politisch gegen den türkischen Staat aktiv.
Am Ende der Verhandlung merkte die BF an, dass sie "staatenlos" sei.
17. Mit Beschluss vom 22.10.2013 wurde durch den damaligen Asylgerichtshof OA Dr. C. R., Facharzt für Neurologie, zum Sachverständigen bestellt. Der Sachverständige wurde seitens des Asylgerichtshofes - unter Beifügung der bisherigen Befunde - um Beantwortung ersucht, wie sich der aktuelle Gesundheitszustand der BF in psychischer und physischer Sicht darstellt, ob bei der BF eine aktuelle Behandlungsbedürftigkeit besteht, mit welchen Auswirkungen auf den Gesundheitszustand der BF bei einer Rückverbringung in die Türkei zu rechnen wäre und ob die BF arbeitsfähig ist.
18. Am 6.12.2013 gab Dr. C. R. sein neurologisch-psychiatrisches Gutachten ab. Auf das Kürzeste zusammengefasst kam der Sachverständige zum Ergebnis, dass bei der BF eine - gegenwärtig leichtgradige - rezidivierende depressive Störung vorliege; es bestehe der Verdacht auf posttraumatische Kopfschmerzen. Es bestehe ein Zustand nach Schädel-Hirn-Trauma und habe die BF Schmerzen in Bereich des linken Unterarms und bestehe ein Cervicalsysndrom. Bezüglich der depressiven Störung der BF bestehe weiterhin eine Behandlungsbedürftigkeit. Im Fall einer Rückverbringung der BF in die Türkei könnte zwar kurz- bis mittelfristig eine Verschlechterung ihrer depressiven Störung eintreten, allerdings bestehe nicht die reale Gefahr, dass sie in einen lebensbedrohlichen Zustand geraten oder die Krankheit sich in einem lebensbedrohlichen Ausmaß verschlechtern könnte. Es bestehe grundsätzlich Arbeitsfähigkeit in einem näher dargelegten Ausmaß.
19. Am 17.12.2013 übermittelte der Asylgerichtshof der BF das erwähnte Gutachten und räumte ihr die Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme ein. Unter einem wurde die BF aufgefordert, allfällige Änderungen in ihrem Privat- und Familienleben bekannt zu geben und wurden der BF diverse Länderberichte zur Lage in der Türkei übermittelt.
20. Am 3.1.2014 langte beim nunmehr zuständigen BVwG eine Stellungnahme der BF ein. Darin wurde etwa bemängelt, die übermittelten Länderfeststellungen seien nicht ausreichend, da darin lediglich auf die allgemeine Situation in der Türkei eingegangen werde, bzw. seien diese auch nicht mehr aktuell genug. Beantragt wurde in diesem Zusammenhang etwa die Einholung eines Sachverständigengutachtens betreffend die Situation von Rückkehrerinnen aus dem Lager M. im Nordirak. In diesem Zusammenhang wurde nochmals darauf hingewiesen, dass es bereits zu Verhaftungen von in die Türkei zurückkehrenden Personen gekommen sei, wobei diesbezüglich auch ein Ausdruck einer türkischen Nachrichten-Webseite vorgelegt wurde. Zudem legte die BF Gerichtsurteile ihre Cousins und Onkel betreffend vor, die sich derzeit in der Türkei in Haft befinden würden, da sie aufgrund ihrer prokurdischen politischen Tätigkeit der Unterstützung bzw. Mitgliedschaft in einer terroristischen Organisation angeklagt worden seien.
Die BF "vermute" zudem, dass ihr die türkische Staatsbürgerschaft entzogen wurde, dies vor allem vor dem Hintergrund, dass sie nicht mehr im Personenstandsregister ihres Vaters aufscheine. Mit der Frage der Staatsangehörigkeit der BF würden sich die bisher getroffenen Länderfeststellungen nicht auseinandersetzen und seien insofern mangelhaft.
21. Am 23.4.2014 richtete das nunmehr zuständige BVwG einerseits eine Anfrage an die Staatendokumentation und andererseits an die ÖB Ankara.
In der Anfrage an die Staatendokumentation ersuchte das BVwG - nach Darstellung des Sachverhalts - um Beantwortung, ob Hinweise darauf bestehen, dass die BF wegen ihres bloßen Aufenthalts im Flüchtlingslager M. im Nordirak im Fall einer Rückkehr in die Türkei Verfolgung zu befürchten hat, obwohl sie niemals Mitglied der PKK war.
In dem Erhebungsersuchen an die ÖB Ankara ersuchte das BVwG - nach Darstellung des Sachverhalts - um Recherchen dahingehend, ob die BF, wie von ihr behauptet, tatsächlich nicht (mehr) im Personenstandsregister eingetragen ist und ob es tatsächlich denkbar wäre, dass die BF die türkische Staatsbürgerschaft verloren hat.
22. Am 2.7.2014 langte beim BVwG die Anfragebeantwortung der Staatendokumentation betreffend Verfolgungsgefahr aufgrund des bloßen Aufenthalts im Flüchtlingslager M. ein, die im Wesentlichen aus der Darstellung allgemeiner Quellen bestand.
23. Am 24.11.2014 und 8.5.2015 urgierte das BVwG bei der ÖB Ankara betreffend das Erhebungsersuchen vom 23.4.2014.
24. Am 25.8.2015 wurde dem BVwG seitens der ÖB Ankara mitgeteilt, dass eine entsprechende Vollmacht der BF für den Vertrauensanwalt notwendig sei. Im Übrigen gebe es laut dem türkischen Staatsbürgerschaftsgesetz drei Gründe für einen Verlust der Staatsbürgerschaft, nämlich 1. den Militärdienst für einen anderen Staat, 2. den öffentlichen Dienst für einen anderen Staat, welcher den Interessen der Türkei entgegenstehe, und 3. ein Dienst bzw. eine Tätigkeit für ein Land, welches mit der Türkei im Krieg ist. Diese Tatbestände würden natürlich von der jeweiligen Interpretation abhängen, allerdings wäre der BF ein allfälliger Verlust der Staatsbürgerschaft mitgeteilt worden.
In weiterer Folge wurde vom BVwG eine entsprechende Vollmacht der BF eingeholt. Im Anschluss daran musste im Jahr 2016 mehrmals mit der ÖB Ankara Kontakt aufgenommen werden, um eine den Erfordernissen entsprechende Vollmacht vorlegen zu können.
25. Am 5.1.2017 urgierte das BVwG ein weiteres Mal bei der ÖB Ankara in der Sache der BF.
26. Am 20.2.2017 langte beim BVwG seitens der ÖB Ankara eine "Zwischenerledigung" ein, der eine "vorläufige Stellungnahme" des österreichischen Honorarkonsuls I., zugleich Vertrauensanwalt der ÖB Ankara, beigeschlossen war.
Der Honorarkonsul gab in seiner vorläufige Stellungnahme an, dass sich bei den Untersuchungen herausgestellt habe, dass die BF "gar nicht im Familienregister eingetragen worden ist". Es sei darüber hinaus mit einer entfernten Verwandten der BF Kontakt aufgenommen worden und habe diese erklärt, dass keinerlei Eintragungen über die BF existieren würden. Die Untersuchungen würden fortgeführt werden.
Die ÖB Ankara führte in ihrem Schreiben aus, dass jedes Kind bei der Geburt im Nüfus des Vaters eingetragen würde; Frauen würden bei Eheschließung in den Nüfus des Ehemannes eingetragen und zugleich im Nüfus des Vaters mit dem Vermerk "Akt geschlossen" ausgetragen werden, sie würden jedoch weiterhin im Nüfus des Vaters als Tochter namentlich angeführt bleiben. Der Vermerk "Akt geschlossen" würde sich außerdem bei Personen finden, die aus der türkische Staatsangehörigkeit ausgetreten oder verstorben sind.
Das Nicht-Aufscheinen konkret der BF im Nüfus könne aus Sicht der Botschaft nur bedeuten, "dass die Geburt der Person von deren Eltern nicht amtlich eintragen gelassen wurde". Aus Sicht der Botschaft könne bei der BF nicht von einem Verlust der türkischen Staatsangehörigkeit ausgegangen werden. Der Verlust der türkischen Staatsangehörigkeit sei im Nüfus stets mit Aktenzahl und Datum des entsprechenden Beschlusses des türkischen Innenministeriums vermerkt. Ein Nüfus werde von den zuständigen Nüfus-Ämtern auch für Personen ausgestellt, die nicht mehr im Besitz der türkischen Staatsangehörigkeit seien.
Die Botschaft werde die Angelegenheit im Auge behalten und weiter berichten.
27. Am 24.10.2017 und 31.1.2018 urgierte das BVwG weitere Male bei der ÖB Ankara, zumal in der Beantwortung vom 20.2.2017 noch weitere Ermittlungen angekündigt worden waren.
28. Am 2.3.2018 übermittelte die ÖB Ankara eine "abschließende Stellungnahme" des Vertrauensanwalts. Darin wurde nochmals dargestellt, dass alle offiziellen Aufzeichnungen untersucht worden seien; die BF sei in keinem Register eingetragen. In dem Gebiet, aus dem die BF stamme, würden "Mädchen für gewöhnlich nicht eingetragen" werden; dies könnte auch bei der BF der Fall gewesen sein.
29. Am 15.3.2018 führte das BVwG in der Sache der BF eine Beschwerdeverhandlung unter Beiziehung eines Dolmetschers für Kurdisch-Kurmandschi durch.
Zu ihrem Leben in Österreich gab die BF an, sie gehe mangels Beschäftigungsbewilligung hier keiner Erwerbstätigkeit nach, wenngleich sie gerne - etwa als Köchin, Schneiderin oder Reinigungskraft - arbeiten würde und auch arbeitsfähig sei; sie habe beim AMS einmal einen entsprechenden Antrag gestellt, der jedoch abgewiesen worden sei. Sie lebe nach wie vor von der Grundversorgung und besuche regelmäßig einen Deutschkurs; sie habe bereits die Prüfung A2 abgelegt, wenngleich sie den Richter ohne Dolmetscher nur eingeschränkt verstehen würde. Sie besuche in Linz einen kurdischen Verein, der für Frauenrechte eintrete. Ihr Gesundheitszustand habe sich seit der Verhandlung vor dem Asylgerichtshof nicht wesentlich verändert. Zum Privatleben der BF in Österreich zeugenschaftlich befragt wurde zudem eine gute Bekannte der BF.
In der Türkei würden sich nach wie vor ihre Mutter, ihre Schwestern und ein Bruder aufhalten. Ein- oder zweimal pro Monat telefoniere sie mit ihrer Familie, wobei sie nicht noch öfter telefonieren würden, da ihre Familienmitglieder als HADEP-Mitglieder unter Überwachung stehen würden. Ihr Bruder arbeite in einer Bäckerei und sorge für ihre Mutter und Schwestern. Auf Nachfragen gab die BF zudem an, es seien auch bereits Cousins bzw. Tanten der BF inhaftiert worden, wobei sie diesbezüglich bereits früher entsprechende Urteile in Vorlage gebracht habe.
In weiterer Folge wurden der BF die Ermittlungsergebnisse der ÖB Ankara zur Frage der Staatsangehörigkeit dargelegt.
Im Hinblick auf ihre Fluchtgründe bzw. Rückkehrbefürchtungen wiederholte die BF ihr bisheriges Vorbringen. Sie sei 1994 bei einem Angriff der türkischen Armee verletzt worden und habe sich dann in weiterer Folge bis zum Jahr 2006 in einem Lager im Nordirak aufgehalten, wobei sie sich insbesondere für Frauenbelange eingesetzt und in einem Nähverein tätig gewesen sei oder den Gemüsegarten betreut habe, und zwar ohne, dass sie sonstige Aktivitäten gesetzt habe. Für ihren Lebensunterhalt im Lager habe die UNO gesorgt. Bereits der Aufenthalt in dem Lager im Nordirak führe zu einer Verfolgung seitens der türkischen Behörden, zumal dieses Lager von der Türkei als "politisches Lager" gefürchtet sei, in dem auch gegen die türkische Armee bzw. Regierung demonstriert worden sei.
Auf Vorhalt, dass sie eigenen Angaben zufolge mit den türkischen Behörden oder Sicherheitskräften keinerlei Kontakt hatte und dass die Ermittlungen ergeben hätten, dass die BF den türkischen Behörden - mangels Eintragungen - auch gar nicht namentlich bekannt sei, wodurch die türkischen Behörden gar nicht wissen könnten, dass sich die BF in einem Lager im Nordirak aufgehalten hat, erwiderte die BF, die türkische Regierung habe entsprechende Informanten und es "genügt, wenn man Kurde ist" (Verhandlungsschrift S. 10). Im Fall einer Rückkehr fürchte sie, getötet zu werden.
Abschließend wurden der BF bzw. ihrer Vertreterin aktuelle länderkundliche Informationen zur Lage in der Türkei übergeben und ihr die Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme eingeräumt.
30. Am 29.3.2018 langte beim BVwG eine Stellungnahme der rechtsfreundlichen Vertretung der BF ein.
Eingangs wurde darauf hingewiesen, dass die (bereits seinerzeit eingeholte) Anfragebeantwortung der Staatendokumentation aus dem Jahr 2014 datiere und somit nicht mehr aktuell sei. Die Anfragebeantwortung durch die ÖB Ankara bestätige, dass die BF in der Türkei nicht registriert sei. Aus aktuellen Berichten folge, dass die Einreisekontrollen nach dem Putschversuch verschärft worden und exilpolitisch aktive Personen gefährdet seien. Exilpolitisch aktive Personen würden im Fall einer Rückkehr verhaftet werden. Im Fall der BF komme hinzu, dass Familienmitglieder aufgrund von Verbindungen zur PKK bereits in Haft seien, was für die BF im Fall einer Rückkehr eine besondere Gefährdung bedeute.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen (Sachverhalt):
1.1. Zur Person der BF werden folgende Feststellungen getroffen:
Die BF trägt den im Spruch angeführten Namen, ist Staatsangehörige der Türkei und gehört der kurdischen Volksgruppe an.
Sie stammt aus der Provinz Sirnak in Südostanatolien an der Grenze zum Irak. Im Jahr 1994 - als die BF 17 Jahre alt war- wurde das Heimatdorf der BF, D., - wie von der BF vorgebracht - von der türkischen Luftwaffe bombardiert und die BF dabei schwer verletzt. Im Gefolge dessen wurde die BF in den Nordirak gebracht, wo sie medizinisch behandelt wurde und sich vor allem im Flüchtlingslager M. aufhielt und sich dort insbesondere für Frauenbelange einsetzte. Darüber hinausgehende - etwa strafrechtlich relevante - Aktivitäten der BF in diesem Zusammenhang sind nicht feststellbar. Die BF hielt sich bis 2006 im Nordirak auf.
Nicht feststellbar ist, ob die BF sodann den Irak über den Iran in Richtung Österreich verließ oder ob ihre Ausreise über die Türkei bewerkstelligt wurde.
Ihre Mutter, ihre zwei Schwestern und ihr Bruder leben aktuell nach wie vor in der Provinz Sirnak, und zwar in der Kreisstadt S. Das Dorf D. in derselben Provinz hatte ihre Familie nach dem Bombardement im Jahr 1994 verlassen. Der Bruder der BF arbeitet aktuell in einer Bäckerei und sorgt auch für den Lebensunterhalt seiner Mutter und seiner Schwestern. Der Vater der BF ist bereits vor längerem verstorben.
1.2. Zu den Fluchtgründen bzw. Rückkehrbefürchtungen der BF werden folgende Feststellungen getroffen:
Es kann, wie soeben dargelegt, zwar festgestellt werden, dass das Heimatdorf der BF im Jahr 1994 von der türkischen Luftwaffe bombardiert und die BF dabei schwer verletzt wurde, wobei sie sich im Anschluss daran bis zum Jahr 2006 in verschiedenen Flüchtlingslagern im Nordirak, vor allem im Lager M., aufhielt. Nicht festgestellt werden kann jedoch, dass die BF jemals in das Visier der türkischen Behörden oder Sicherheitskräfte gelangte; die BF hatte niemals unmittelbaren Kontakt mit den der türkischen Behörden oder Sicherheitskräften. Die BF ist den türkischen Behörden gänzlich unbekannt. Es besteht somit keine Gefahr einer Verfolgung für die BF im Fall einer Rückkehr wegen ihres bloßen Aufenthalts im Flüchtlingslager M.
Es kann auch keine sonstige Gefahr einer Verfolgung für die BF im Fall ihrer Rückkehr, etwa aufgrund ihrer kurdischen Volksgruppenzugehörigkeit oder aufgrund ihres Engagements bei einem kurdischen Verein in Österreich, festgestellt werden.
1.3. Zur Lage der BF im Fall einer Rückkehr:
Nicht festgestellt werden kann, dass die BF im Fall der Rückkehr in die Türkei in eine existenzbedrohende Notlage geraten würde. Sie verfügt in der Türkei - und zwar in ihrer Heimatregion Sirnak - über ein Netz von Angehörigen in Form ihrer Mutter, ihres Bruders und von zwei Schwestern. Die BF ist arbeitsfähig.
Die BF leidet zwar an einer leichtgradigen rezidivierenden depressiven Störung, allenfalls verbunden mit posttraumatischen Kopfschmerzen, und rezidivierenden dissoziativen Krampfanfällen sowie an diversen neuropathischen Schmerzen und einem Cervicalsyndrom und ist die Einnahme eines gängigen Antidepressivums indiziert, im Fall einer Rückkehr in die Türkei besteht aber nicht die reale Gefahr, dass die BF in einen lebensbedrohlichen Zustand geraten könnte.
1.4. Zum Privat- und Familienleben der BF in Österreich:
Die BF hält sich seit Jänner 2006 - somit seit mehr als 12 Jahren - in Österreich auf. Sie wurde erst hier alphabetisiert. Sie hat eine Deutschprüfung auf Niveau A2 absolviert, wenngleich eine Verständigung mit ihr auf Deutsch nur rudimentär möglich ist. Die BF geht mangels Beschäftigungsbewilligung keiner Beschäftigung nach, wenngleich sie gerne - etwa als Köchin, Schneiderin oder Reinigungskraft - arbeiten würde und auch arbeitsfähig ist; sie lebt von der Grundversorgung. Am 5.2.2016 wurde für die BF beim AMS ein Antrag auf Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung gestellt, der abgewiesen wurde. Die BF besucht weiterhin Deutschkurse. Sie hat in Österreich keine Angehörigen, wenngleich sie hier über einen Freundeskreis verfügt.
Die BF ist unbescholten.
1.5. Zur Lage im Herkunftsstaat der BF:
Zur Lage in der Türkei wird auf das vom BVwG in der Beschwerdeverhandlung vom 15.3.2018 in das Verfahren eingebrachte Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zur Türkei vom 7.2.2017 mit letzten Aktualisierungen vom 5.3.2018 verwiesen, in dem eine Vielzahl von Berichten diverser allgemein anerkannter Institutionen berücksichtigt wurden. Insoweit die Berichtslage konkret für die BF relevant ist (z. B. Lage der Kurden in der Türkei, Frage der Gefahr einer Verfolgung der BF aufgrund ihres Aufenthalts im Flüchtlingslager M.) wird darauf unten im Rahmen der Beweiswürdigung betreffend die Fluchtgründe bzw. Rückkehrbefürchtungen der BF näher eingegangen.
2. Beweiswürdigung:
2.1. Zur Identität der BF:
Was zunächst die oben getroffenen Feststellungen zur Identität der BF anbelangt, so hat die BF im gesamten Verfahren keine (Original)Dokumente in Vorlage gebracht. In einer Gesamtschau der bisherigen Verfahrensergebnisse ist jedoch - wenn auch nicht mit absoluter Gewissheit - von der von der BF angegeben Identität auszugehen: So legte die BF in Kopie insbesondere eine Art Flüchtlingsausweis aus dem Lager M. im Nordirak vor. Darüber hinaus wurde von der BF ein Personenstandsregisterauszug ihrer (behaupteten) Familie in Vorlage gebracht, in dem die BF zwar - was sie ja selbst betonte - nicht aufscheint, auf dessen Grundlage jedoch (zeitaufwendige) Erhebungen durch die ÖB Ankara getätigt wurden, in die insbesondere auch Verwandte der BF einbezogen wurden. Allfällige Bedenken an der Identität der BF kamen dabei nicht auf, vielmehr ergaben die Recherchen der ÖB Ankara, dass seinerzeit in der Geburtsregion der BF nicht alle Geburten eingetragen worden seien. Vor diesem Hintergrund war zur obigen Feststellung der Identität der BF zu gelangen.
2.2. Zur Staatsangehörigkeit der BF:
Eingangs sei diesbezüglich angemerkt, dass sich die BF beim Verfahren vor dem BAA stets selbst als türkische Staatsangehörige bezeichnete, und zwar insbesondere auch bei ihren allerersten Angaben der Grenzpolizeiinspektion Schwechat-Flughafen gegenüber, als sehr wohl ein Dolmetscher für Kurmandschi beigezogen wurde (AS. 3). Ihre Angaben bei weiteren Befragungen vor dem BAA, wonach sie türkische Staatsangehörige sei (diesbezüglich wandte sie ja später Verständigungsprobleme ein, zumal kein Dolmetscher für Kurmandschi beigezogen wurde), hat sie dann aber auch noch weiteren schriftlichen Stellungnahmen bestätigt; vgl. etwa ihre Stellungnahme vom 21.6.2007: "Die Angaben im Absatz ‚Ich bin Staatsangehörige der Türkei ...' stimmen ..." (AS. 145). Auch im Beschwerdeschriftsatz ihres damaligen rechtsfreundlichen Vertreters vom 15.11.2007 führt die BF wörtlich aus: "Ich bin türkische Staatsangehörige kurdischer Volkszugehörigkeit". Dessen ungeachtet hat sich das BVwG mit dem (erst) später im Beschwerdeverfahren erstatteten Vorbringen, sie sei womöglich gar keine türkische Staatsangehörige (mehr) - insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass sie ihre fehlende Eintragung im Personenstandsregister darzulegen vermochte -, auseinanderzusetzen und wurden in diesem Sinne (zeitaufwendige) Erhebungen seitens der ÖB Ankara veranlasst.
Die Recherchen hatten zunächst ergeben, dass die Tatbestände für den Verlust der Staatsbürgerschaft abschließend geregelt sind (nämlich
1. der Militärdienst für einen anderen Staat, 2. der öffentliche Dienst für einen anderen Staat, welcher den Interessen der Türkei entgegensteht, und 3. ein Dienst bzw. eine Tätigkeit für ein Land, welches mit der Türkei im Krieg ist), wobei die BF offensichtlich keinen dieser Tatbestände verwirklicht hat. Selbst wenn man dagegen einwenden würde, dass die "Interpretation" dieser Tatbestände ja den türkischen Behörde obliegt und somit eine (bewusst) extensive bzw. tatsächlich unrichtige Interpretation zu Lasten der BF nicht ausgeschlossen werden könnte, so hat die ÖB Ankara aber auch entsprechend dargelegt, dass der Verlust der Staatsbürgerschaft jedenfalls nur das Ergebnis eines diesbezüglichen Verfahrens sein könne. Die Recherchen der ÖB Ankara haben aber keinerlei Hinweis auf ein derartiges Verfahren ergeben bzw. hätte gerade in einem solchen Fall dann der Name der BF hervorkommen müssen. Insofern fügen sich diese Umstände aber wiederum gänzlich in die ebenfalls getätigten, konkreten Ausführungen der ÖB Ankara im Fall der BF, wonach das mangelnde Aufscheinen der BF im Personenstandsregister nur so erklärt werden kann, dass die BF eben gar nicht eingetragen wurde, was in ihrer Geburtsregion auch nicht unüblich gewesen sei. Insofern bestehen aber auch keine Zweifel an der türkischen Staatsangehörigkeit der BF und war somit zur entsprechenden Feststellung zu gelangen.
2.3. Die übrigen zur Person der BF getroffenen Feststellungen bzw. zu ihrer Lebensgeschichte beruhen auf den diesbezüglich glaubwürdigen Angaben der BF. Darüber hinaus ergibt sich auch aus diversen Berichten, dass das Heimatdorf der BF im Jahr 1994 tatsächlich bombardiert wurde und ist aufgrund der von der BF erlittenen, erwiesenen Verletzungen offenkundig, dass sie einem Bombenangriff ausgesetzt war. Durchaus glaubwürdig ist ihr daran anschließender Aufenthalt in Flüchtlingslagern im Nordirak, wobei mangels gegenteiliger Hinweise den Angaben der BF folgend die Feststellung zu treffen war, dass sie sich dort insbesondere für Frauenbelange einsetzte und keine darüber hinausgehenden - etwa strafrechtlich relevanten - Aktivitäten gesetzt hatte. Auch die Angaben der BF zu ihren nach wie vor in der Türkei in ihrer Heimatregion Sirnak aufhältigen Angehörigen (Mutter, Bruder, zwei Schwestern) sind durchaus glaubwürdig.
Einzig nicht feststellbar ist der tatsächliche Fluchtweg der BF. So wurden am Beginn des Verfahrens mehrfach Angaben der BF protokolliert, wonach ihr selbst ihr Fluchtweg unbekannt sei. Im weiteren Verlauf gab die BF dann an, mangels Dolmetscher für Kurmandschi seien ihre Angaben gänzlich falsch übersetzt worden; vielmehr sei sie aus dem Irak in den Iran und dann in weiterer Folge nach Österreich gereist, was sie auch stets angegeben habe; auch in der Beschwerdeverhandlung vor dem BVwG gab die BF an, sie habe seit ihrer Ausreise in den Nordirak türkischen Boden nicht mehr betreten. Ganz unabhängig davon, ob derart grundlegende Divergenzen überhaupt auf Verständigungsschwierigkeiten zurückzuführen sein könnten, ist jedoch anzumerken, dass die BF bereits anlässlich der Grenzkontrolle auf dem Flughafen Wien-Schwechat am 6.1.2006 unter Beiziehung eines einem Dolmetschers für Kurmandschi (bei dem es sich im Übrigen zufällig um jenen Dolmetscher handelte, der auch nunmehr für die Beschwerdeverhandlung vor dem BVwG am 15.3.2018 beigezogen wurde und mit dem die BF keinerlei Verständigungsschwierigkeiten hatte) befragt wurde (AS. 3) und dabei beispielsweise wörtlich zu Protokoll gab: "Von wo in der Türkei ich geflogen bin kann ich nicht sagen". Vor diesem Hintergrund konnten keine Feststellungen zum Fluchtweg der BF getroffen werden.
2.4. Zu den Fluchtgründen bzw. Rückkehrbefürchtungen der BF:
Wie bereits oben dargestellt, wurde das Heimatdorf der BF (nahe der türkisch-irakischen Grenze) im Jahr 1994 tatsächlich bombardiert und wurde die BF dabei schwer verletzt; im Anschluss daran hielt sich die BF in diversen Flüchtlingslagern im Nordirak, vor allem im Lager M., auf, wobei sie sich dort insbesondere für Frauenbelange einsetzte und keine darüber hinausgehenden - etwa strafrechtlich relevanten - Aktivitäten gesetzt hatte.
Wenn die BF nun vorbringt, sie unterliege bereits aufgrund dieser Umstände einer Verfolgungsgefahr in der Türkei, so ist zunächst auf die eigenen Angaben der BF hinzuweisen, wonach sie - die die Türkei ja bereits im Alter von 17 Jahren verlassen hat - keinerlei direkten Kontakt mit den türkischen Behörden oder Sicherheitskräften hatte, geschweige denn diesen namentlich bekannt geworden wäre. Schon insofern erhellt nicht, warum die türkischen Behörden dann ein Interesse an der BF im Fall ihrer Rückkehr haben sollten. Diese Erwägungen haben sich vor allem auch durch die Erhebungen des AsylGH bzw. BVwG betreffend den Einwand der BF, sie sei womöglich keine türkische Staatsangehörige (mehr), zumal sie den türkischen Behörden insofern gar nicht bekannt sei, als ihre Eintragung im Personenstandsregister fehle, bestätigt. Diese Erhebungen führten nämlich zu dem Ergebnis, dass die BF, wie von ihr einerseits behauptet, den türkischen Behörden tatsächlich nicht namentlich bekannt ist und dass eine entsprechende Eintragung der BF im Personenstandsregister tatsächlich fehlt. Andererseits sind diese Umstände dann aber nicht mit dem weiteren Vorbringen der BF, die türkischen Behörden hätten konkret Interesse an ihrer Person wegen ihres Aufenthalts im Flüchtlingslager M., in Einklang zu bringen, würde ein derartiges Interesse doch überhaupt die Kenntnis von der Existenz der BF und darüber hinausgehend ihres Aufenthalts im Flüchtlingslager M. voraussetzen. Diesem Vorhalt vermochte die BF in der Beschwerdeverhandlung vor dem BVwG am 15.3.2018 keine substantiierten Argumente entgegen zu halten, sondern tätigte sie nur vage Erklärungsversuche (Verhandlungsschrift S. 10):
"RI: Woher sollte die türkische Regierung wissen, dass Sie überhaupt dort waren?
P: Sie haben Informanten und sie wissen auch wie viele Menschen in den Lagern sind. In der Türkei sind sehr viel unschuldige Menschen im Gefängnis, sie werden als Terroristen geführt.
RI: Sie sind den türkischen Behörden aber nicht einmal namentlich bekannt?
P: Das muss nicht bekannt sein, es genügt wenn man Kurde ist. Jetzt haben sie auch Afrin angegriffen, sie wollen Kurden umbringen."
Insofern beruft sich die BF hier nur auf Allgemeinplätze, ohne den dargestellten Beweisergebnissen, dass sie konkret niemals in das Visier der türkischen Behörden gelangte, entgegen zu treten.
Vor diesem Hintergrund vermögen der BF auch die von ihr vorgebrachten Meldungen aus Online-Medien, wonach es (konkret im Jahr 2009) zu einer Rückkehr von mehreren ehemaligen Insassen des Lagers M. aus dem Nordirak in die Türkei gekommen sei, was für zahlreiche dieser Personen mit Festnahme und Verurteilung wegen Propaganda- bzw. Terrorismusdelikten geendet habe, nicht zum Erfolg zu verhelfen. Der Vollständigkeit halber ist diesbezüglich aber zu betonen, dass bei jenem Vorfall den Berichten zufolge (abrufbar auf Englisch unter dem von der BF vorgebrachten Link http://bianet.org/english/politics/ 137885-77-5-years-of-imprisonment-to-peace-group) 26 Flüchtlinge aus dem Lager M. und darüber hinaus 8 PKK-Mitglieder einem Aufruf von Abdullah Öcalan zur Rückkehr und Unterstützung des Friedensprozesses gefolgt waren und dabei von "Zehntausenden" Menschen an der Türkisch-Irakischen Grenze willkommen geheißen wurden und sind diesbezüglich auch Bilder von Menschenmassen, die die Rückkehrer umjubeln und wie Helden feiern, auf der Webseite ersichtlich. Im Zuge dessen sei es dann den Berichten zufolge zu einem Einschreiten der türkischen Sicherheitskräfte mit entsprechenden Festnahmen von Rückkehrenden und letztlich zur Verurteilung von sieben Mitgliedern der "Friedensgruppe" gekommen. In diesem Fall ging der Rückkehr somit ein öffentlicher Aufruf von Abdullah Öcalan voran und wurden die Rückkehrenden von zehntausenden Personen "empfangen", was schon per se nahe legt, dass diese Umstände zumindest das Interesse der türkischen Sicherheitskräfte erwecken. Insofern könnten daraus aber, unabhängig von der getroffenen Feststellung, dass die BF den türkischen Behörden gar nicht bekannt ist, auch keinerlei Rückschlüsse auf eine Gefährdung der BF bei einer allfälligen, "bloßen" (keinerlei Aufsehen erregenden) Rückkehr gezogen werden.
Darüber hinaus ist dem Berichtsmaterial zwar zu entnehmen, dass angesichts des Zusammenbruchs des Friedensprozesses im Sommer 2015 dem Südosten der Türkei eine ernsthafte Verschlechterung der Sicherheitslage widerfuhr und die Regierung die Maßnahmen nach dem gescheiterten Putschversuch auch dazu benutzte, viele Gemeinderäte und Bürgermeister sowie Lehrer zu suspendieren und etliche kurdisch-sprachige Medien zu schließen; es gibt auch Berichte über zahlreiche und schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen nach dem gescheiterten Putschversuch (vgl. das vom BVwG in das Verfahren eingebrachte Länderinformationsblatt, S. 90). Zudem wird auch von Fällen politisch und ethnisch motivierte Gewalt gegen Kurden berichtet (vgl. das Länderinformationsblatt, S. 91). Dessen ungeachtet kann aus dem gesamten Berichtsmaterial nach Ansicht des BVwG aber nicht abgeleitet werden, dass der BF bereits aufgrund ihrer kurdischen Volksgruppenzugehörigkeit (im Sinne einer Gruppenverfolgung) mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit die Gefahr einer Verfolgung droht, wobei diesbezüglich auch anzumerken ist, dass die Mutter, der Bruder und die zwei Schwestern der BF den eigenen Angaben der BF zufolge zuletzt in der Beschwerdeverhandlung vom 15.3.2018 auch aktuell unbehelligt in der Heimatregion der BF in der Türkei leben.
Zudem sei angemerkt, dass auch aus dem Vorbringen der BF, (entferntere) Verwandte wie Onkel, Cousins und Tanten seien bereits (vor längerer Zeit) wegen PKK-Bezugs verurteilt und inhaftiert worden - wobei die BF diesbezüglich auch Urteile in Vorlage brachte - keine maßgebliche Gefahr einer Verfolgung für die BF abzuleiten ist. Das BVwG verkennt zwar nicht, dass das türkische Justizsystem aktuellen Berichten zufolge Rückschritte gemacht hat, insbesondere hinsichtlich der Unabhängigkeit der Gerichtsbarkeit (vgl. das Länderinformationsblatt, S. 46). Dessen ungeachtet bestehen aber keine Hinweise darauf, dass auch Familienmitglieder - wobei im Fall der BF hinzukommt, dass es sich um entferntere Verwandte handelt - im Form einer "Sippenhaft" strafrechtlich belangt würden.
Schließlich brachte die BF auch vor, sie besuche hier in Österreich einen kurdischen Verein, wobei sie vor dem AsylGH diesbezüglich auch von Demonstrationsteilnahmen, und zwar als "normale Teilnehmerin", berichtete (vgl. die Verhandlungsschrift vor dem AsylGH vom 23.5.2013, S. 7). Diesbezüglich ist anzumerken, dass der Berichtslage zufolge (nur) türkische Staatsangehörige, die im Ausland in herausgehobener oder erkennbar führender Position für eine in der Türkei verbotene Organisation tätig sind und sich nach türkischen Gesetzen strafbar gemacht haben, Gefahr laufen, dass sich die Sicherheitsbehörden und die Justiz mit ihnen befassen, wenn sie in die Türkei einreisen (vgl. etwa das Länderinformationsblatt, S. 114). Dass die BF in irgendeiner Weise in Österreich exponiert tätig gewesen wäre, hat sie nie vorgebracht. In ihrer letzten Stellungnahme vom 29.3.2018 bringt die BF zwar unter Hinweis auf diverse Berichte vor, die türkischen Auslandsvertretungen würden "entsprechende Aktivitäten" an die türkischen Behörden weiterleiten, was im Fall einer Rückkehr zur Verhaftung und Misshandlungen führen würde. Dem ist jedoch entgegen zu halten, dass die BF in Österreich nie in exponierter Weise tätig war und in keiner Weise erhellt, wie die türkischen Behörden über die Auslandsvertretungen konkret über die BF hätten informiert werden sollen und hat die BF diesbezüglich auch keinerlei substantiiertes Vorbringen erstattet.
Aufgrund all diese Erwägungen war somit zur obigen Feststellung zu gelangen, dass der BF im Falle einer Rückkehr in die Türkei keine maßgebliche Gefahr einer Verfolgung droht.
2.5. Was die obige Feststellung anbelangt, dass die BF im Fall der Rückkehr in die Türkei in keine existenzbedrohende Notlage geraten würde, so ist darauf hinzuweisen, dass sie in der Türkei - und zwar in ihrer Heimatregion Sirnak - über ein Netz von Angehörigen in Form ihrer Mutter, ihres Bruders und von zwei Schwestern verfügt, wobei die BF mit ihrem Bruder regelmäßig telefoniert; ihr Bruder arbeitet den eigenen Angaben der BF zufolge in einer Bäckerei und sorgt für den Lebensunterhalt der Mutter bzw. seiner Schwestern. Wenn die BF in der Beschwerdeverhandlung vor dem BVwG - auf mehrmaliges Nachfragen ihrer Vertreterin - etwa (bloß) verneint, von ihrem Bruder unterstützt zu werden (vgl. Verhandlungsschrift S. 12), so kann dem vor dem als notorisch anzusehenden Zusammenhalt innerhalb türkischer Familien kein Glauben geschenkt werden und spricht ja gerade auch der regelmäßige telefonische Kontakt für eine nach wie vor aufrechte Bindung. Darüber hinaus ist aber auch anzumerken, dass die BF den in Österreich vorgenommenen Untersuchungen und insbesondere auch ihren eigenen Angaben zufolge arbeitsfähig ist.
Schließlich hat zwar das Gutachten von Dr. C. R. vom 6.12.2013 ergeben, dass die BF an einer leichtgradigen rezidivierenden depressiven Störung, allenfalls verbunden mit posttraumatischen Kopfschmerzen, und rezidivierenden dissoziativen Krampfanfällen sowie an diversen neuropathischen Schmerzen und einem Cervicalsyndrom leidet und dass die Einnahme eines gängigen Antidepressivums indiziert ist; der Sachverständige hat aber auch klar ausgeführt, dass im Fall einer Rückkehr in die Türkei nicht die reale Gefahr besteht, dass die BF in einen lebensbedrohlichen Zustand geraten könnte. Die BF hat im Übrigen in der Beschwerdeverhandlung vor dem BVwG am 15.3.2018 angegeben, dass sich ihr Gesundheitszustand seither nicht wesentlich geändert hat.
2.6. Die oben getroffenen Feststellungen zum Privat- und Familienleben der BF in Österreich beruhen auf ihren diesbezüglich glaubwürdigen Angaben und vorgelegten Dokumenten; dass die BF unbescholten ist, folgt aus einer vom BVwG eingeholten Strafregisterauskunft.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A) Abweisung der Beschwerde im Hinblick auf die Spruchpunkte I. und II. des bekämpften Bescheids und Stattgebung der Beschwerde im Hinblick auf Spruchpunkt III. des bekämpften Bescheids
3.1. Allgemeines
3.1.1. Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das VwGVG geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
§ 1 BFA-VG bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und FPG bleiben unberührt.
Gemäß § 75 Abs 19 AsylG sind alle mit Ablauf des 31. Dezember 2013 beim Asylgerichtshof anhängigen Beschwerdeverfahren ab 1. Jänner 2014 vom Bundesverwaltungsgericht nach Maßgabe des Abs 20 zu Ende zu führen.
3.1.2. Im Besonderen: Zur Entscheidung durch einen männlichen Einzelrichter
Der Vollständigkeit halber ist im gegenständlichen Verfahren darauf hinzuweisen, dass die BF bei ihrer Einvernahme vor der EAST Ost am 18.1.2006 angab, sie sei von Zeit zu Zeit vom Militär und der Polizei verhört worden; anlässlich der Schilderung ihrer Rückkehrbefürchtungen gab sie diesbezüglich an: "Ich habe Angst, dass ich dabei misshandelt und vergewaltigt werden könnte" (AS. 49). Im weiteren Verfahrensverlauf gab die BF sinngemäß an, die Protokollierungen bei dieser Befragung hätten nichts mit dem tatsächlich von ihr Ausgesagten zu tun, da eine Verständigung mangels Kurmandschi-Kenntnissen des Dolmetschers gar nicht möglich gewesen sei. Vielmehr gab die BF in weiterer Folge stets an, sie persönlich habe niemals unmittelbaren Kontakt mit den türkischen Behörden oder Sicherheitskräften gehabt, sondern sei ihr Heimatdorf im Jahr 1994 (als die BF 17 Jahre alt war) bombardiert und sie dabei schwer verletzt worden, woraufhin sie sich bis zur Ausreise nur mehr in Flüchtlingslagern im Nordirak aufgehalten habe, wodurch ihr im Fall einer Rückkehr in die Türkei Verfolgung drohe. In der Verhandlung vor dem AsylGH am 23.5.2013 gab die BF in diesem Sinne hinsichtlich der Situation von Personen, die aus Flüchtlingslagern im Nordirak in die Türkei zurückkehren, etwa wörtlich an: "Einige von diesen Leuten wurden in der Türkei festgenommen und andere sind geflüchtet. Für Frauen ist die Lage noch schlimmer, sie werden eingesperrt und vergewaltigt und viel mehr unterdrückt. Sie zwingen sie, Spione zu werden." (Verhandlungsschrift S. 7).
In diesem Zusammenhang wird nicht die Bestimmung des § 20 Abs 1 AsylG verkannt, der zufolge die Einvernahme durch einen Organwalter desselben Geschlechts zu erfolgen hat, wenn der Asylwerber seine Furcht vor Verfolgung auf Eingriffe in seine sexuelle Selbstbestimmung gründet. Ebenso wenig wird verkannt, dass die Einvernahme bzw. gemäß § 20 Abs 2 AsylG 2005 auch die Verhandlungsführung vor dem Asylgerichtshof bzw. Bundesverwaltungsgericht schon dann durch Personen desselben Geschlechts durchzuführen ist, wenn die Flucht aus dem Heimatstaat nicht mit bereits stattgefundenen, sondern mit Furcht vor sexuellen Übergriffen begründet wurde (insb. VwGH vom 27.6.2016, Zl. Ra 2014/18/0161 und VfGH vom 11.12.2013, Zl. U1914/2012 ua).
Betrachtet man die beiden erwähnten Entscheidungen jedoch näher, so unterschied sich der diesen Entscheidungen zugrunde liegende Sachverhalt doch erheblich vom gegenständlichen Sachverhalt: In dem dem Verfahren vor dem VfGH, Zl. U1914/2012 ua, zugrunde liegenden Sachverhalt war insbesondere entscheidungswesentlich, dass der Beschwerdeführerin in ihrem Herkunftsstaat von ihren Verfolgern konkret gedroht worden war, sie zu vergewaltigen, wenngleich es nicht zu einer Vergewaltigung gekommen war. In dem dem Verfahren vor dem VwGH, Zl. Ra 2014/18/0161, zugrunde liegenden Sachverhalt hat die Beschwerdeführerin im Laufe des Verfahrens an mehreren Stellen von ihrer Angst vor Vergewaltigung durch Mitglieder der Al Shabaab gesprochen und sie hat angegeben, bereits zweimal entführt, festgehalten, geschlagen und gefoltert - wenn auch nicht vergewaltigt - worden zu sein. Auch in diesem Zusammenhang betonte der VwGH, dass § 20 AsylG zur Anwendung gelangt.
Im gegenständlichen Fall hatte die BF eigenen Angaben zufolge aber keinerlei persönlichen Kontakt mit den türkischen Sicherheitskräften, sondern sie beruft sich letztlich nur darauf, dass die Lage von Frauen im Fall einer Inhaftierung - wobei ihr eine solche im Fall einer Rückkehr drohen würde - entsprechend schlecht sei und dass es dabei auch zu Vergewaltigungen kommen könne. Diese Ausführungen korrelieren aber mit keinerlei einigermaßen konkret auf ihre Person bezogenen Umständen wie etwa Drohungen oder bereits erfolgten Inhaftierungen oder sonstigen Misshandlungen, sondern stellen diese letztlich nur eine Einschätzung der BF von der Lage in der Türkei dar, die zu einer entsprechenden Rückkehrbefürchtung der BF führt. Betrachtet man nun aber den Zweck von § 20 AslyG - so soll diese Bestimmung im Wege der Durchführung der mündlichen Verhandlung durch eine weibliche Richterin den Abbau von Hemmschwellen bei der Schilderung von Eingriffen in die sexuelle Selbstbestimmung bewirken (vgl. VwGH vom 27.6.2016, Zl. Ra 2014/18/0161) -, so kann die gegensätzliche Konstellation von dieser Bestimmung nicht umfasst sein und erfolgt die Entscheidung zulässiger Weise durch einen männlichen Einzelrichter.
3.2. Zur Abweisung hinsichtlich Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheids (Nichtgewährung von Asyl gem. § 3 AsylG)
3.2.1. Gemäß § 3 Absatz 1 Asylgesetz ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.
Flüchtling im Sinne des Asylgesetzes ist, wer aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.
Das Vorbringen des Asylsuchenden muss geeignet sein, eine asylrelevante Verfolgung im rechtlichen Sinne glaubhaft darzulegen. Hiezu muss zunächst eine konkrete, gegen den Asylwerber selbst gerichtete Verfolgungshandlung glaubhaft gemacht werden, aus der eine wohlbegründete Furcht im Sinne von § 3 Absatz 1 Asylgesetz iVm
Artikel 1 Abschnitt A Z 2 GFK rechtlich ableitbar ist. Hiezu genügt der bloße Hinweis auf die allgemeine Lage in dem Heimatland des Asylwerbers nicht (vgl hiezu zB VwGH 10.03.1994, Zahl 94/19/0056). Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist (vgl hiezu zB VwGH 12.05.1999, Zahl 98/01/0649). Eine Verfolgungshandlung setzt einen Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen voraus, der geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen (vgl hiezu zB VwGH 25.04.1999, Zahl 99/01/0280).
Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK nennt (VwGH 9.9.1993, 93/01/0284; 15.3.2001, 99720/0128); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorherigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein (VwGH 16.6.1994, 94/19/0183; 18.2.1999, 98/20/0468). Relevant kann aber nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss vorliegen, wenn der Asylbescheid erlassen wird; auf diesen Zeitpunkt hat die Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den genannten Gründen zu befürchten habe (vgl. VwGH 9.3.1999, 98/01/0318; 19.10.2000, 98/20/0233).
3.2.2. Wie im Rahmen der Beweiswürdigung ausführlich dargelegt, konnte die BF keine maßgebliche Gefahr einer Verfolgung aus einem in der GFK angeführten Grund für den Fall ihrer Rückkehr in die Türkei glaubhaft machen. Eine Asylgewährung kommt somit nicht in Betracht und ist die Beschwerde diesbezüglich spruchgemäß abzuweisen.
3.3. Zur Abweisung hinsichtlich Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheids (Nichtzuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG in Bezug auf den Herkunftsstaat Türkei):
3.3.1. Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird (Z 1), oder dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist (Z 2), der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
Gemäß § 8 Abs. 2 AsylG 2005 ist die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 zu verbinden.
Gemäß § 8 Abs. 3 AsylG 2005 sind Anträge auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative im Sinne des § 11 leg. cit. offen steht.
Somit ist vorerst zu klären, ob im Falle der Rückführung des Fremden in seinen Herkunftsstaat Art. 2 EMRK (Recht auf Leben), Art. 3 EMRK (Verbot der Folter), das Protokoll Nr. 6 zur EMRK über die Abschaffung der Todesstrafe oder das Protokoll Nr. 13 zur EMRK über die vollständige Abschaffung der Todesstrafe verletzt werden würde. Der VwGH hat in ständiger, noch zum Refoulementschutz nach der vorigen Rechtslage ergangenen, aber weiterhin gültigen Rechtsprechung erkannt, dass der Antragsteller das Bestehen einer solchen Bedrohung glaubhaft zu machen hat, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffende und durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerte Angaben darzutun ist (VwGH 23.02.1995, 95/18/0049; VwGH 05.04.1995, 95/18/0530; VwGH 04.04.1997, 95/18/1127; VwGH 26.06.1997, 95/18/1291; VwGH 02.08.200098/21/0461). Diese Mitwirkungspflicht des Antragstellers bezieht sich zumindest auf jene Umstände, die in der Sphäre des Asylwerbers gelegen sind und deren Kenntnis sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen kann (VwGH 30.09.1993, 93/18/0214).
Die Anforderungen an die Schutzwilligkeit und Schutzfähigkeit des Staates entsprechen jenen, wie sie bei der Frage des Asyls bestehen (VwGH 08.06.2000, 2000/20/0141). Ereignisse, die bereits längere Zeit zurückliegen, sind daher nicht geeignet, die Feststellung nach dieser Gesetzesstelle zu tragen, wenn nicht besondere Umstände hinzutreten, die ihnen einen aktuellen Stellenwert geben (vgl. VwGH 14.10.1998, 98/01/0122; VwGH 25.01.2001, 2001/20/0011).
Unter "realer Gefahr" ist eine ausreichend reale, nicht nur auf Spekulationen gegründete Gefahr möglicher Konsequenzen für den Betroffenen ("a sufficiently real risk") im Zielstaat zu verstehen (VwGH 19.02.2004, 99/20/0573; auch ErläutRV 952 BlgNR 22. GP zu § 8 AsylG 2005). Die reale Gefahr muss sich auf das gesamte Staatsgebiet beziehen und die drohende Maßnahme muss von einer bestimmten Intensität sein und ein Mindestmaß an Schwere erreichen, um in den Anwendungsbereich des Artikels 3 EMRK zu gelangen (zB VwGH 26.06.1997, 95/21/0294; VwGH 25.01.2001, 2000/20/0438; VwGH 30.05.2001, 97/21/0560).
Herrscht in einem Staat eine extreme Gefahrenlage, durch die praktisch jeder, der in diesen Staat abgeschoben wird - auch ohne einer bestimmten Bevölkerungsgruppe oder Bürgerkriegspartei anzugehören -, der konkreten Gefahr einer Verletzung der durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte ausgesetzt wäre, so kann dies der Abschiebung eines Fremden in diesen Staat entgegenstehen.
Die bloße Möglichkeit einer dem Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben wird, genügt nicht, um seine Abschiebung in diesen Staat unter dem Gesichtspunkt des § 8 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig erscheinen zu lassen; vielmehr müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade der Betroffene einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde (vgl. VwGH 27.02.2001, 98/21/0427; VwGH 20.06.2002, 2002/18/0028; siehe dazu vor allem auch EGMR 20.07.2010, N. gg. Schweden, Zl. 23505/09, Rz 52ff; 13.10.2011, Husseini gg. Schweden, Zl. 10611/09, Rz 81ff).
Bei außerhalb staatlicher Verantwortlichkeit liegenden Gegebenheiten im Herkunftsstaat kann nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) die Außerlandesschaffung eines Fremden nur dann eine Verletzung des Art. 3 EMRK darstellen, wenn im konkreten Fall außergewöhnliche Umstände ("exceptional circumstances") vorliegen (EGMR 02.05.1997, D. gg. Vereinigtes Königreich, Zl. 30240/96; 06.02.2001, Bensaid, Zl. 44599/98; vgl. auch VwGH 21.08.2001, 2000/01/0443). Unter "außergewöhnlichen Umständen" können auch lebensbedrohende Ereignisse (zB Fehlen einer unbedingt erforderlichen medizinischen Behandlung bei unmittelbar lebensbedrohlicher Erkrankung) ein Abschiebungshindernis im Sinne des Art. 3 EMRK iVm. § 8 Abs. 1 AsylG 2005 bilden, die von den Behörden des Herkunftsstaates nicht zu vertreten sind (EGMR 02.05.1997, D. gg. Vereinigtes Königreich; vgl. VwGH 21.08.2001, 2000/01/0443; VwGH 13.11.2001, 2000/01/0453; VwGH 09.07.2002, 2001/01/0164; VwGH 16.07.2003, 2003/01/0059). Nach Ansicht des VwGH ist am Maßstab der Entscheidungen des EGMR zu Art. 3 EMRK für die Beantwortung der Frage, ob die Abschiebung eines Fremden eine Verletzung des Art. 3 EMRK darstellt, unter anderem zu klären, welche Auswirkungen physischer und psychischer Art auf den Gesundheitszustand des Fremden als reale Gefahr ("real risk") - die bloße Möglichkeit genügt nicht - damit verbunden wären (VwGH 23.09.2004, 2001/21/0137).
3.3.2. Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich, dass gegenständlich die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs 1 AsylG 2005 nicht gegeben sind:
Dass die BF im Fall der Rückkehr in ihren Herkunftsstaat Folter, einer erniedrigenden oder unmenschlichen Behandlung oder Strafe ausgesetzt sein könnte, konnte im Rahmen des Ermittlungsverfahrens nämlich nicht festgestellt werden. Anhaltspunkte dahingehend, dass eine Rückführung in den Herkunftsstaat für die BF als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde, sind ebenso wenig hervorgekommen. Diesbezüglich verkennt das BVwG zwar keinesfalls die aktuelle Berichtslage, wonach dem Südosten der Türkei angesichts des Zusammenbruchs des Friedensprozesses im Sommer 2015 eine ernsthafte Verschlechterung der Sicherheitslage widerfuhr und dass es insbesondere nach dem gescheiterten Putschversuch auch Berichte über zahlreiche und schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen gibt (vgl. das vom BVwG in das Verfahren eingebrachte Länderinformationsblatt, S. 90). Dessen ungeachtet kann den aktuellen Berichten aber nicht entnommen werden, dass sich die Sicherheitslage in der Türkei bzw. auch konkret im Südosten der Türkei dermaßen prekär darstellen würde, dass eine Rückverbringung jedweder Person dorthin zur einer maßgeblichen Bedrohung von Leib und Leben dieser Personen führen würde.
Darüber hinaus leben die Mutter sowie der Bruder und zwei Schwestern der BF in der Heimatregion der BF in der Türkei und hat die BF regelmäßig telefonischen Kontakt. Der Bruder der BF verdient seinen Lebensunterhalt in einer Bäckerei und sorgt auch für den Lebensunterhalt seiner Mutter und seiner beiden Schwestern. Insofern verfügt die BF über ein Netz von Angehörigen in der Türkei und besteht kein Grund zur Annahme, dass die BF im Bedarfsfall von ihren Angehörigen nicht unterstützt werden würde. Zudem ist die BF arbeitsfähig.
Vor diesem Hintergrund kann auch nicht erkannt werden, dass der BF im Falle einer Rückkehr in die Türkei die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen und die Schwelle des Art. 3 EMRK überschritten wäre (vgl. diesbezüglich das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16.07.2003, 2003/01/0059, zur "Schwelle" des Art. 3 EMRK), hat doch die BF selbst nicht ausreichend konkret vorgebracht, dass ihr im Falle einer Rückführung in die Türkei jegliche Existenzgrundlage - im Sinne des bereits zitierten Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom 16.07.2003, 2003/01/0059 - fehlen würde und sie in Ansehung existenzieller Grundbedürfnisse (wie etwa Versorgung mit Lebensmitteln oder Unterkunft) einer lebensbedrohenden Situation ausgesetzt wäre.
Schließlich war festzustellen, dass die BF an einer leichtgradigen rezidivierenden depressiven Störung, allenfalls verbunden mit posttraumatischen Kopfschmerzen, und rezidivierenden dissoziativen Krampfanfällen sowie an diversen neuropathischen Schmerzen und einem Cervicalsyndrom leidet und dass die Einnahme eines gängigen Antidepressivums indiziert ist. Im Hinblick auf die gesundheitlichen Konsequenzen einer allfälligen Rückverbringung der BF in die Türkei führte Dr. C. R. in seinem Gutachten vom 6.12.2013 aus, es könnte zu einer kurz- bis mittelfristigen Verschlechterung der depressiven Störung der BF kommen, da in diesem Falle ihr Wunsch, in Österreich zu bleiben, nicht erfüllt werden würde; es bestünde aber keinesfalls die Gefahr eines lebensbedrohlichen Zustands.
Subsumiert man diesen Sachverhalt nun unter die (restriktive) Rechtsprechung des EGMR, so ist die "Schwelle" des Art. 3 EMRK in Anbetracht des Gesundheitszustands der BF bei weitem nicht erreicht und besteht kein Abschiebungshindernis im Sinne des Art. 3 EMRK.
Die Rückverbringung der BF in die Türkei stellt somit keine Verletzung von Art. 2 oder 3 EMRK dar und ist folglich die Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des Bescheides des BAA abzuweisen.
3.4. Unzulässigerklärung der Rückkehrentscheidung gemäß § 75 Abs. 20 AsylG 2005
3.4.1. § 75 Abs 20 AsylG normiert, dass, wenn das Bundesverwaltungsgericht in den Fällen des Abs. 18 und 19 in Bezug auf Anträge auf internationalen Schutz
1. den abweisenden Bescheid des Bundesasylamtes,
2. jeden weiteren einer abweisenden Entscheidung folgenden zurückweisenden Bescheid gemäß § 68 Abs. 1 AVG des Bundesasylamtes,
3. den zurückweisenden Bescheid gemäß § 4 des Bundesasylamtes,
4. jeden weiteren einer zurückweisenden Entscheidung gemäß § 4 folgenden zurückweisenden Bescheid gemäß § 68 Abs. 1 AVG des Bundesasylamtes,
5. den Bescheid des Bundesasylamtes, mit dem der Status des Asylberechtigten gemäß § 7 aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt, oder
6. den Bescheid des Bundesasylamtes, mit dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 aberkannt wird,
bestätigt, das Bundesverwaltungsgericht in jedem Verfahren zu entscheiden hat, ob in diesem Verfahren die Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig ist oder das Verfahren zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung an das Bundesamt zurückverwiesen wird. Wird das Verfahren zurückverwiesen, so sind die Abwägungen des Bundesverwaltungsgerichtes hinsichtlich des Nichtvorliegens der dauerhaften Unzulässigkeit der Rückkehrentscheidung für das Bundesamt nicht bindend. In den Fällen der Z 5 und 6 darf kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 vorliegen.
§ 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG lautet:
(1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.
(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:
1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,
2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,
3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,
4. der Grad der Integration,
5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,
6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,
7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,
8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,
9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.
(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.
3.4.2. Im gegenständlichen Fall wurde weder der Status der Asylberechtigten noch der Status der subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt, sodass gem. § 75 Abs 20 AsylG 2005 zu entscheiden ist, ob die Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig ist oder das Verfahren zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung an das Bundesamt zurückverwiesen wird.
3.4.3. Die bisherige Aufenthaltsdauer der BF in Österreich beträgt mehr als 12 Jahre, was doch ein erheblicher Zeitraum ist. Die BF trifft keine Mitschuld an der Verfahrensdauer.
Den getroffenen Feststellungen zufolge wurde die BF erst in Österreich alphabetisiert. Sie hat eine Deutschprüfung auf Niveau A2 abgelegt, wenngleich eine Verständigung mit ihr auf Deutsch nur rudimentär möglich ist. Die BF geht mangels Beschäftigungsbewilligung keiner Beschäftigung nach, wenngleich sie gerne - etwa als Köchin, Schneiderin oder Reinigungskraft - arbeiten würde und auch arbeitsfähig ist; sie lebt von der Grundversorgung. Am 5.2.2016 wurde für die BF beim AMS ein Antrag auf Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung gestellt, der abgewiesen wurde. Die BF besucht weiterhin Deutschkurse. Sie hat in Österreich keine Angehörigen, wenngleich sie hier über einen Freundeskreis verfügt. Die BF ist zudem unbescholten.
Insofern ist der Grad der Integration der BF als mäßig zu bezeichnen, wobei man aber - etwa im Hinblick auf ihre Deutschkenntnisse - berücksichtigen muss, dass die BF erst hier alphabetisiert wurde und dass sehr wohl entsprechende Schritte seitens der BF im Rahmen ihrer Möglichkeiten - wie die Ablegung der Prüfung auf Niveau A2, einer (vergeblichen) Beantragung einer Beschäftigungsbewilligung oder der weitere Besuch von Deutschkursen - ersichtlich sind. Hinzu kommt, dass die BF aufgrund ihrer langen Aufenthaltsdauer entsprechende soziale Kontakte in Form eines Freundeskreises hat.
Nach Auffassung des BVwG indiziert ein derartiger Grad der Integration üblicherweise nicht ein Überwiegen der privaten Interessen an einem Verbleib in Österreich gegenüber den öffentlichen Interessen an einer Aufenthaltsbeendigung. Im konkreten Fall jedoch, bei dem sich die BF nunmehr beinahe 12 1/2 Jahre in Österreich aufhält, kommt der Aufenthaltsdauer im Rahmen der vorzunehmenden Abwägung ein entsprechend hoher Stellenwert zu, der - in Verbindung mit den zweifellos gegebenen, wenn auch mäßigen Integrationsschritten - knapp zu einem Überwiegen der privaten Interessen der BF an einem Verbleib in Österreich führt.
Zusammengefasst ist nach Ansicht des BVwG im gegenständlichem Fall die Rückkehrentscheidung spruchgemäß für auf Dauer unzulässig zu erklären. Im Übrigen sind die privaten Bindungen der BF nicht nur vorübergehender Natur.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Aus den dem gegenständlichen Erkenntnis entnehmbaren Ausführungen geht hervor, dass das erkennende Gericht im gegenständlichen Fall nicht von der bereits zitierten einheitlichen Rechtsprechung des VwGH, insbesondere zur Glaubwürdigkeit, zum Flüchtlingsbegriff, zum Refoulementschutz bzw. zum durch Art. 8 EMRK geschützten Recht auf ein Privat- und Familienleben, abgeht. Darüber hinaus wird zu diesem Thema keine Rechtssache, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, erörtert.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)