BVwG I419 2130994-2

BVwGI419 2130994-230.9.2021

AsylG 2005 §10 Abs3
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §56 Abs1
AsylG 2005 §58 Abs11 Z2
AsylG-DV 2005 §4 Abs1 Z2
AsylG-DV 2005 §4 Abs1 Z3
AsylG-DV 2005 §8 Abs1 Z1
BFA-VG §21 Abs7
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art8
FPG §52
FPG §59 Abs5
VwGVG §24 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2021:I419.2130994.2.00

 

Spruch:

 

I419 2193224-2/5E

I419 2120034-2/2E

I419 2130994-2/2E

I419 2172467-2/2E

 

IM NAMEN DER REPUBLIK!

 

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. Tomas JOOS über die Beschwerden von XXXX alias XXXX , geboren XXXX alias XXXX , XXXX , geboren am XXXX , XXXX , geboren am XXXX , und XXXX , geboren am XXXX , alle StA. Nigeria und vertreten durch RA Mag. Dr. Anton KARNER, gegen die Bescheide des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 27.02.2020, Zl. XXXX , XXXX , XXXX und XXXX , zu Recht:

A) Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

 

Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Die Beschwerdeführerin und die Beschwerdeführer, hier auch als BF und gemäß der Reihenfolge ihrer Nennung im Spruch als BF1 bis BF4 bezeichnet, sind eine Familie. BF1 ist der Vater, BF2, seine Lebensgefährtin, die Mutter der weiteren BF, ihrer beiden minderjährigen, in Österreich geborenen Söhne BF3 und BF4.

2. BF1 stellte 2013 einen Asylantrag, der zurückgewiesen wurde, was der AsylGH bestätigte (26.08.2013, S21 437.062-1/2013-4E). Seinen Folgeantrag von 2017 wies das BFA im zweiten Rechtsgang 2018 verbunden mit einer Rückkehrentscheidung ab.

BF2 stellte 2013 einen Asylantrag, den das BFA im zweiten Rechtsgang 2015 verbunden mit einer Rückkehrentscheidung abwies. Für BF3 und BF4 wurden 2016 und 2017 Asylanträge gestellt, die das BFA im jeweiligen Jahr verbunden mit Rückkehrentscheidungen abwies.

Die vier abweisenden Bescheide hat dieses Gericht, mit Ausnahme der aberkannten aufschiebenden Wirkung bei BF1 und mit einer Maßgabe bei BF2, am 30.04.2019 bestätigt, indem es die Beschwerden im Übrigen abwies (I405 2193224-1, 2120034-1, 2130994-1, 2172467-1). Die Revisionen dagegen wies der VwGH zurück (14.08.2019, Ra 2019/18/0251 bis 0254-4).

3. Am 20.11.2019 beantragten die BF Aufenthaltstitel „in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen“ gemäß § 56 Abs. 1 AsylG. Gleichzeitig beantragten sie die Heilung des Mangels der Nichtvorlage von Reisepässen. Mit den bekämpften Bescheiden hat das BFA die Anträge auf Mängelheilung abgewiesen (Spruchpunkte I) sowie die Anträge auf Aufenthaltstitel gemäß § 56 Abs. 1 AsylG zurückgewiesen (Spruchpunkte II).

4. Beschwerdehalber wird vorgebracht, dass die Botschaft keine Pässe mehr „im Inland“ ausstelle. Die erwachsenen BF seien unbescholten, integriert, versichert und schuldenfrei. Im Fall der Rückkehr seien sie einer existenziellen Notlage ausgesetzt, weil sie nach sieben Jahren Abwesenheit keine Verdienstmöglichkeit haben würden.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der unter Pkt. I. dargestellte Verfahrensgang wird als Sachverhalt festgestellt. Darüber hinaus werden folgende Feststellungen getroffen:

1.1 Zu den Personen der Beschwerdeführerin und der Beschwerdeführer:

BF1 ist Mitte 30, BF2 Ende 20, BF3 ist fünf und BF4 vier Jahre alt. Die BF sind Angehörige der Volksgruppe Ika und christlichen Glaubens. Die BF leiden weder an einer schweren Krankheit noch sind sie längerfristig pflege- oder rehabilitationsbedürftig. BF1 und BF2 sind erwerbsfähig und in einer afrikanischen Pfingstkirche aktiv, wo sie Landsleute treffen. Die BF sind bei keinem Verein Mitglied, beziehen (außer BF1) Grundversorgung und bewohnen eine Mietwohnung mit ca. 56 m², BF1 und BF2 sind deren Hauptmieter. Ihre Identität steht mangels vorgelegter Dokumente nicht fest. Das BFA hat beim Herkunftsstaat um die Ausstellung von Heimreisezertifikaten ersucht.

BF1 besuchte 12 Jahre die Schule in Benin, Edo State, sowie drei Jahre ein Polytechnikum in Oko, Anambra State. Er spricht Ika und Englisch und hielt sich zuletzt in Agbor in Delta State auf, davor knapp ein Jahr in Lagos. Er hat Berufserfahrung als Verkäufer. Im Herkunftsstaat leben seine Mutter sowie vier Brüder und vier verheiratete Schwestern.

Er zog Mitte 2011 illegal nach Griechenland, wo er Asyl beantragte, BF2 kennenlernte und bis 2013 blieb. Dann beantragte er in Ungarn sowie anschließend in Österreich, wo er am 25.06.2013 illegal einreiste, internationalen Schutz. Am 16.12.2013 erließ das BFA wider ihn eine Rückkehrentscheidung mit einem bis 2019 gültigen Einreiseverbot wegen unrechtmäßigen Aufenthalts im Bundesgebiet und rechtskräftiger Verurteilung.

Am 07.01.2014 wurde er nach Straf- und Schubhaft (Dublin-)überstellt nach Ungarn. Sechs Wochen später beantragte er in der Schweiz Asyl. Im Februar 2015 wurde er beim Versuch aufgegriffen, mit einem falschen Ausweis illegal aus Italien entgegen dem bestehenden Einreiseverbot neuerlich nach Österreich zu reisen, worauf er sich 12 Tage als Schubhäftling im Inland befand und dann wegen Haftunfähigkeit infolge Hungerstreiks entlassen werden musste. Am 18.12.2015 beantragte er in Italien Asyl. Seinen Angaben nach wurde er von dort in den Herkunftsstaat abgeschoben.

Spätestens am 21.02.2017, seinen Angaben nach im Dezember 2016 oder Jänner 2017, gelangte er neuerlich illegal nach Österreich und stellte einen Folgeantrag. Seit 21.03.2017 ist er hier mit BF2 im gemeinsamen Haushalt gemeldet.

Er verkauft seit Februar 2017 eine Straßenzeitung, wobei er monatlich ca. € 80,-- bis € 100,-- verdient. Am 08.05.2018 begann er einen Deutschkurs bei „W.“ einem gemeinnützigen Verein, den er als A1-Kurs mit 100 Unterrichtseinheiten von 14.01. bis 05.07.2019 fortsetzte und jedenfalls bis März 2019 auch regelmäßig besuchte.

BF1 wurde wie folgt strafgerichtlich verurteilt:

- Am 25.11.2013 vom LGS Wien zu acht Monaten Freiheitsstrafe, sieben davon bedingt nachgesehen, wegen des Vergehens des gewerbsmäßigen unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften begangen durch Überlassen am 21.11.2013 im Bereich einer U-Bahnstation und

- am 21.04.2017 vom LG Klagenfurt zu vier Monaten bedingt nachgesehener Freiheitsstrafe wegen der Vergehen der Fälschung besonders geschützter Urkunden und der Urkundenfälschung, weil er bei der Einreise 2015 eine Totalfälschung eines italienischen Fremdenpasses sowie Totalfälschungen einer italienischen Aufenthalts- und einer italienischen Identitätskarte verwendet hatte, wobei erschwerend das Zusammentreffen dreier Vergehen und die Begehung während der Probezeit wirkten, mildernd das Geständnis, der Beitrag zur Wahrheitsfindung und der lange zurückliegende Tatzeitpunkt. Zugleich wurde die Probezeit der vorigen Nachsicht auf fünf Jahre verlängert.

Das BFA hat über BF1 zusammen mit einer neuerlichen Rückkehrentscheidung ein weiteres Einreiseverbot verhängt, was beides am 14.08.2019 rechtskräftig wurde.

BF2 stammt aus Agbor, wo sie sechs Jahre die Schule besucht und dann mit ihren Eltern in der Landwirtschaft gearbeitet hat. Mehrere Jahre hat sie auch bei einer Tante in Lagos verbracht. Im Herkunftsstaat leben diese Tante und die Eltern von BF2. Im Mai 2008 zog sie illegal nach Griechenland und beantragte dort internationalen Schutz. Ebenso illegal reiste sie 2013 von dort nach Ungarn und stellte einen Asylantrag, sowie anschließend nach Österreich, wo sie am 20.11.2013 illegal einreiste und internationalen Schutz beantragte.

Seither hält sie sich hier auf. Nachdem sie im März 2014 die zugewiesene Unterkunft verlassen hatte und untergetaucht war, wurde sie abgemeldet und verfügte bis August 2014 nur über eine Obdachlosenadresse. Seitdem ist sie durchgehend mit Hauptwohnsitz gemeldet. Im August und September 2015 hat BF2 einen Deutschkurs A 1.1 mit ca. 50 Unterrichtsstunden besucht, bei einem weiteren solchen von September 2016 bis Februar 2017 war sie bei 44 von 74 Unterrichtseinheiten anwesend.

Gut zwei Jahre nach der Einreise von BF2 brachte sie BF3 zur Welt, rund zwei Jahre später BF4. Seit Jänner 2015 verkauft sie eine Straßenzeitung, derzeit wegen der Kinder nicht täglich. Damit verdient sie monatlich ca. € 70,-- bis € 80,--. Sie ist strafrechtlich unbescholten.

BF3 und BF4 sind im Kindergartenalter. BF4 besuchte 2019/20 noch eine Kinderkrippe, BF3 bereits den Kindergarten. Auf Abhängigkeiten der beiden von anderen Personen als BF1 und BF2 liegen keine Hinweise vor.

1.2 Zum Vorbringen:

Das abweisende Erkenntnis dieses Gerichts vom 30.04.2019 wurde den BF am 03.05.2019 zugestellt. Sie sind seither nicht ausgereist und haben keine Anträge auf Ausstellung von Reisepässen gestellt. BF1 und BF2 haben an einer Vorführung zur Botschaft am 08.11.2019 teilgenommen, bei welcher ihre Staatsangehörigkeit bestätigt wurde.

In den verwendeten Antragsformularen betreffend die Aufenthaltstitel ist vor der Unterschrift die Belehrung nach § 58 Abs. 11 AsylG 2005 enthalten.

Die Botschaft des Herkunftsstaats in Wien stellt regelmäßig Reisepässe an dessen Staatsangehörigen aus, wenn diese solche beantragen. Über die Antragstellung und eventuelle Erteilungshindernisse werden regelmäßig Bestätigungen erteilt, die regelmäßig in asyl- und fremdenrechtlichen Verfahren vorgelegt werden und in den Akten zu finden sind.

Seit 14.08.2019 hat BF1 folgende Integrationsschritte gesetzt:

Er hat bis 17.09.2019 einen (im Juli begonnenen) Deutschkurs der Straßenzeitung mit 20 Unterrichtseinheiten absolviert und im November 2019 eine Einstellungszusage eines KFZ-Händlers als Vollzeitkraft erhalten. Seit Oktober 2019 ist er als Selbstständiger sozialversichert.

Am 21.01.2021 hat BF1 ein undatiertes Empfehlungsschreiben des gemeinnützigen Vereins „W.“ vorgelegt, bei dem er seit 2018 Deutschkurse besuchte.

Mit der Caritas hat er am 07.06.2021 eine Vereinbarung über freiwillige Mitarbeit bei Transportdiensten für einen Tag pro Woche (acht Stunden) geschlossen. Am 23.06.2021 hat der die Integrationsprüfung mit Sprachniveau A2 bestanden.

Seit 03.05.2019 haben die weiteren BF folgende Integrationsschritte gesetzt:

BF2 war für eine Deutschprüfung A2 im Dezember 2019 angemeldet.

Die BF haben ein Empfehlungsschreiben eines afrikanisch-österreichischen Ehepaares vom 16.01.2020 vorgelegt, BF1 und BF2 auch Bonitätsbestätigungen des Kreditschutzverbandes.

Die BF haben weder dem BFA noch dem Verwaltungsgericht die Originale von Reisedokumenten oder von Geburtsurkunden des BF1 oder der BF2 und auch keine Originale von diesen gleichzuhaltenden Dokumenten vorgelegt. BF1 und BF2 haben angegeben, keine derartigen Dokumente zu haben.

Die BF haben nicht nachgewiesen, dass es ihnen unmöglich oder unzumutbar wäre, sich ein Reisedokument des Herkunftsstaates zu beschaffen. Sie haben dies auch nicht betreffend eine Geburtsurkunde von BF1 oder BF2 nachgewiesen.

Den vom BFA in den bekämpften Bescheiden jeweils getroffenen Länderfeststellungen betreffend den Herkunftsstaat sind keine Umstände zu entnehmen, die darauf hindeuten, dass es den BF anders als zur Zeit der vorigen Rückkehrentscheidungen nicht oder schwerer möglich wäre, dorthin zurückzukehren (BF1 und BF2) oder zu übersiedeln (BF3 und BF4).

Sie stimmen soweit von Interesse auch mit den nunmehr aktuellen auf Stand 03.09.2021 inhaltlich überein, die unter anderem Folgendes beinhalten:

Kinder:

Die Rechte des Kindes werden in Nigeria nur unzureichend gewährleistet. Der Child Rights Act, mit dem die UN-Kinderrechtskonvention in nationales Recht umgesetzt werden soll, wurde bislang lediglich von 24 (AA 5.12.2020), nach anderen Angaben von 25 der 36 Bundesstaaten ratifiziert (USDOS 30.3.2021). Insbesondere die nördlichen Bundesstaaten sehen in einigen Bestimmungen (Rechte des Kindes gegenüber den eigenen Eltern, Mindestalter für Eheschließungen) einen Verstoß gegen die Scharia (AA 5.12.2020).

Der Child Rights Act sieht bei einer Eheschließung ein Mindestalter von 18 Jahren vor. Vor allem die nördlichen Bundesstaaten halten sich nicht an das offizielle Mindestalter auf Bundesebene (USDOS 30.3.2021). Kinderehen, in denen Mädchen in jungen Jahren mit zumeist älteren Männern verheiratet werden, sind folglich vor allem im Norden des Landes verbreitet. Insgesamt heiraten schätzungsweise 43 Prozent der Mädchen unter 18 Jahren und 17 Prozent unter 15 Jahren (AA 5.12.2020). Im Fall einer Kinderehe ist kein staatlicher Schutz verfügbar, nicht einmal im Süden, wo die Fallzahlen niedriger sind (INGO 9./10.2019).

Mit traditionellen Glaubensvorstellungen verbundene Rituale und der in Bevölkerungsteilen verbreitete Glaube an Kinderhexen führen zu teils schwersten Menschenrechtsverletzungen (Ausgrenzung, Aussetzung, Mord) an Kindern, insbesondere an Kindern mit Behinderungen (AA 5.12.2020; vgl. USDOS 30.3.2021). Entsprechende Fälle werden überwiegend aus der südlichen Hälfte Nigerias berichtet, besonders gehäuft aus dem Südosten und den Bundesstaaten Akwa Ibom und Edo (AA 5.12.2020).

Gesetzlich sind die meisten Formen der Zwangsarbeit verboten, auch die von Kindern, und es sind ausreichend harte Strafen vorgesehen. Die Durchsetzung der Gesetze bleibt jedoch in weiten Teilen des Landes ineffektiv. Daher ist Zwangsarbeit – u.a. bei Kindern – weit verbreitet. Frauen und Mädchen müssen als Hausangestellte, Buben als Straßenverkäufer, Diener, Minenarbeiter, Steinbrecher, Bettler oder in der Landwirtschaft arbeiten (USDOS 30.3.2021).

Rückkehr:

Zum Zeitpunkt der Berichtslegung kann kein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen festgestellt werden, welcher geeignet wäre, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die allgemein herrschende Situation in Nigeria stellt keine Bedrohung i.S.v Art. 2 MRK, 3 MRK oder des Protokolls Nr. 6 oder 13 der EMRK dar. Außerdem kann allgemein festgestellt werden, dass eine nach Nigeria zurückgeführte Person, die in keinem privaten Verband soziale Sicherheit finden kann, keiner lebensbedrohlichen Situation überantwortet wird. Sie kann ihre existenziellen Grundbedürfnisse aus selbstständiger Arbeit sichern, insbesondere dann, wenn Rückkehrhilfe angeboten wird (ÖB 10.2020).

Abschiebungen erfolgen auf dem Luftweg, in Linien- oder Chartermaschinen. Rückführungen aus EU-Staaten erfolgen meist durch Charterflüge, die auch durch FRONTEX durchgeführt werden (AA 5.12.2020). Die österreichische Botschaft in Abuja unterstützt regelmäßig die Vorbereitung und Durchführung von Joint Return Operations (JROs) gemeinsam mit FRONTEX (ÖB 10.2020). Ohne gültigen nigerianischen Pass oder einen von einer nigerianischen Botschaft ausgestellten vorläufigen Reiseausweis ist eine Einreise aus Europa kommender nigerianischer Staatsangehöriger nicht möglich. Dies gilt auch für zwangsweise Rückführungen (AA 5.12.2020).

Erkenntnisse darüber, ob abgelehnte Asylbewerber bei Rückkehr nach Nigeria allein wegen der Beantragung von Asyl mit staatlichen Repressionen zu rechnen haben, liegen nicht vor. Verhaftung aus politischen Gründen oder andere außergewöhnliche Vorkommnisse bei der Einreise von abgeschobenen oder freiwillig rückkehrenden Asylwerbern sind nicht bekannt (AA 5.12.2020). Die Erfahrungen mit den JROs seit dem Jahre 2005 lassen kaum Probleme erkennen (ÖB 10.2020). Abgeschobene Personen werden im Allgemeinen nach ihrer Ankunft in Lagos von der zuständigen Behörde (Nigerian Immigration Service), manchmal auch von der NDLEA (National Drug Law Enforcement Agency) befragt (AA 5.12.2020) bzw. erkennungsdienstlich behandelt (ÖB 10.2020) und können danach das Flughafengelände unbehelligt verlassen (AA 5.12.2020; vgl. ÖB 10.2020). Meist steigen sie in ein Taxi ein oder werden von ihren Familien abgeholt. Es kann jedoch nicht mit gänzlicher Sicherheit ausgeschlossen werden, dass die abgeschobenen Personen keine weiteren Probleme mit den Behörden haben. Das fehlende Meldesystem in Nigeria lässt allerdings darauf schließen, dass nach Verlassen des Flughafengeländes eine Ausforschung Abgeschobener kaum mehr möglich ist (ÖB 10.2020).

Wegen Drogendelikten im Ausland verurteilte Nigerianer werden nach Rückkehr an die NDLEA überstellt. Ein zweites Strafverfahren in Nigeria wegen derselben Straftat haben diese Personen jedoch trotz anderslautender Vorschriften im „Decree 33“ nicht zu befürchten (AA 5.12.2020). Aus menschenrechtlichen Erwägungen wird gegenüber nigerianischen Behörden als Grund für Abschiebungen stets „overstay“ angegeben, da dieser kein strafrechtliches Delikt darstellt (ÖB 10.2020).

Staatliche oder sonstige Aufnahmeeinrichtungen für zurückkehrende unbegleitete Minderjährige sind in Lagos und anderen Landesteilen grundsätzlich vorhanden. Sie sind jedoch in schlechtem Zustand, so dass z.B. die Angebote nicht bekannt sind oder eine ausreichende Versorgung dort nicht ohne weiteres gewährleistet ist. Internationale Akteure betreiben Rückkehrer- bzw. Migrationsberatungszentren. Eine entsprechende Einrichtung von IOM in Benin-City, Edo State, wurde 2018 eröffnet. Gleichermaßen haben im Herbst 2018 in Lagos, Abuja und Benin City Migrationsberatungszentren der GIZ ihren Betrieb aufgenommen. Gemeinsam mit dem nigerianischen Arbeitsministerium wird dort über berufliche Perspektiven in Nigeria informiert und es werden Aus- oder Weiterbildungsprojekte angeboten (AA 5.12.2020).

Demnach kann den Feststellungen auch nichts entnommen werden, was das Interesse der BF am Verbleib in Österreich gegenüber einem Befolgen der Ausreisepflicht gegenüber bisher verstärken würde. Das gilt gleichermaßen für alle früheren Wohnorte von BF1 oder BF2, ob nun Oko, Benin, Agbor oder Lagos, besonders aber für Lagos, wo sogar beide längere Zeit gewohnt haben (BF1 nach eigenen Angaben noch Ende 2016) und demnach auch bisherige Sozialkontakte erneuern können, auch wenn die erwachsenen BF (vor den früheren Rückkehrentscheidungen schon) angegeben haben, keine Kontakte in den Herkunftsstaat zu haben.

Aus den Vorbringen der BF sowie aus den Angaben von BF1 und BF2 in ihrer Einvernahme beim BFA geht betreffend BF1 verglichen mit dem Zeitpunkt der Rückkehrentscheidung von August 2019 und betreffend die weiteren BF im Vergleich zur rechtskräftigen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes vom 30.04.2019, Zl. I405 2193224-1/12E, I405 2120034-1/7E, I405 2130994-1/7E und I405 2172467-1/8E keine wesentliche Sachverhaltsänderung hervor. Hinweise darauf, dass die Erteilung von Aufenthaltsberechtigungen an die BF zur Aufrechterhaltung ihres Privat- und Familienlebens erforderlich wäre, haben sich nicht ergeben.

2. Beweiswürdigung:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang und der festgestellte Sachverhalt ergeben sich zunächst aus dem Inhalt den vorgelegten Verwaltungsakten des BFA sowie den Beschwerden, ferner den Erkenntnissen dieses Gerichts und des AsylGH in den vorigen Beschwerdeverfahren, konkret den unter I. genannten sowie jene betreffend die Schubhaft von BF1 im Jahr 2015 (BVwG 02.02.2016, W112 2104431-1/7E) und dessen Abschiebung nach Italien (BVwG 07.06.2017, W144 2159703-1/3E). Auskünfte aus dem Strafregister, dem Zentralen Fremdenregister, dem Zentralen Melderegister (ZMR) und dem Betreuungsinformationssystem der Grundversorgung (GVS) wurden ergänzend eingeholt.

Die Feststellungen zu ihren Lebensumständen, ihrem Gesundheitszustand, der Arbeitsfähigkeit sowie der Glaubenszugehörigkeit gründen sich auf die diesbezüglichen glaubhaften Angaben vom BF1 und BF2 sowie die Feststellungen der angefochtenen Bescheide.

Betreffend die grundsätzliche Möglichkeit, bei der Botschaft Nigerias in Wien erfolgreich Reisepässe zu beantragen und die Tatsache, dass solche Anträge von dieser auch bestätigt werden, beruhen die Feststellungen über die Begründung der Bescheide hinaus darauf, dass sie dem Amtswissen des Gerichts entsprechen, welches sich laufend in asyl- und fremdenrechtlichen Verfahren mit Beschwerdeführern nigerianischer Staatsangehörigkeit bestätigt. Es finden sich auch immer wieder (Ablichtungen der) Reisepässe in Akten, die als Behörde die Botschaft nennen. Ob die Pässe „im Inland ausgestellt“ werden, was die Beschwerden infrage stellen, oder die Herstellung anderswo stattfindet, kann dabei außer Betracht bleiben.

BF1 hat beim BFA angegeben, er habe „gar nicht versucht“, sich bei der Botschaft einen Reisepass ausstellen zu lassen, weil alle Leute, die aus Nigeria kämen, ihm gesagt hätten, „dass es sowieso unmöglich sei, einen Reisepass zu erhalten“, und zwar – auf Nachfrage des BFA-Organs – weil „man als Asylwerber automatisch keinen bekommt“. BF2 erklärte beim BFA, sie habe sich nicht an die Botschaft gewandt, weil sie „auch“ von BFA wisse, dass „wir Asylwerber keinen Reisepass bekommen“.

Diese Angaben erweisen einerseits, dass die BF sich nicht um die Beschaffung von Reisepässen bemüht haben, und sind andererseits (von der inhaltlichen Unrichtigkeit abgesehen) unschlüssig, da die BF seit Rechtskraft ihrer Ausreisepflicht keine Asylwerber mehr sind.

In der Folge konnte auch festgestellt werden, dass die BF – was unstrittig ist – keine Pässe vorgelegt haben. Die Nichtvorlage von Geburtsurkunden des BF1 oder der BF2 folgt aus der Angabe von BF2 beim BFA, dass sie „keinerlei nigerianische Dokumente“ hätten.

Da die Rückkehr der BF gemeinsam erfolgen kann, und diese seit den ihnen gegenüber zuletzt ergangenen Rückkehrentscheidungen keine wesentlichen Änderungen im Privatleben erfuhren, gibt es keinen Hinweis, dass ihnen zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinn des Art. 8 EMRK ein Aufenthaltstitel erteilt werden müsste.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Abweisung der Beschwerden:

3.1 Zu den Anträgen auf Mängelheilung (Spruchpunkte II):

3.1.1 Gemäß § 55 AsylG 2005 ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine „Aufenthaltsberechtigung plus“ zu erteilen, wenn dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist (Z. 1) und der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 14a NAG erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 ASVG erreicht wird (Z 2). Liegt nur die Voraussetzung der Z. 1 vor, ist nach Abs. 2 eine „Aufenthaltsberechtigung“ zu erteilen.

3.1.2 Dem Antrag sind gemäß § 8 Abs. 1 AsylG-DV 2005 (unter anderem) ein gültiges Reisedokument (Z. 1) und eine Geburtsurkunde oder ein ihr gleichzuhaltendes Dokument (Z. 2) anzuschließen. Nach § 4 Abs. 1 AsylG-DV 2005 kann die Behörde auf begründeten Antrag die Heilung (auch) eines Mangels nach § 8 AsylG-DV 2005 zulassen, und zwar im Fall der Nichtvorlage erforderlicher Urkunden oder Nachweise, wenn deren Beschaffung für den Fremden nachweislich nicht möglich oder nicht zumutbar war (Z. 3).

3.1.3 Die Beschwerdeführer haben eine solche Heilung in Bezug auf die Vorlage der Reisepässe (nicht auf jene der Geburtsurkunden) beantragt, einen Nachweis, dass ihnen deren Beschaffung nicht möglich oder nicht zumutbar gewesen wäre, haben sie jedoch nicht erbracht.

3.1.4 Nach der Rechtsprechung ist in diesem Fall zwar nicht die Heilung nach § 4 Abs. 1 Z. 3 AsylG-DV 2005 vorgesehen, jedoch jene nach Z. 2 zu prüfen, deren Voraussetzungen die gleichen sind wie für die materielle Stattgabe des verfahrenseinleitenden Antrags auf einen Aufenthaltstitel gemäß § 55 AsylG 2005. (VwGH 26.01.2017, Ra 2016/21/0168 mwN) Vorliegend wäre also zu prüfen, ob bei einem (bzw. bei der) oder mehreren der BF die Erteilung des beantragten Aufenthaltstitels zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinn des Art. 8 EMRK erforderlich ist.

3.1.6 Diese Prüfung kann aber unterbleiben, wenn gegen den Antragsteller eine Rückkehrentscheidung rechtskräftig erlassen wurde und aus dem begründeten Antragsvorbringen unter Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG ein geänderter Sachverhalt, der eine ergänzende oder neue Abwägung nach Art. 8 EMRK erforderlich macht, nicht hervorgeht. Das ist dann der Fall, wenn die geltend gemachten Umstände von vornherein keine solche Bedeutung aufweisen, die eine Neubeurteilung aus dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK gebieten. (VwGH 12.11.2015, Ra 2015/21/0101)

3.1.7 Vergleichsmaßstab ist dabei der Sachverhalt, der zur vorigen Rückkehrentscheidung führte, also der am 14.08.2019 bei BF1, am 03.05.2019 bei den anderen BF vorgelegene. (VwGH 29.03.2021, Ra 2017/22/0196) Die möglichen verbesserten Sprachkenntnisse, auf die bei BF1 die Integrationsprüfung A2 (während des Beschwerdeverfahrens) ein Hinweis ist, sowie die Arbeitsplatzzusagen sind keine maßgeblichen Änderungen. (Vgl. VwGH 27.01.2015, Ra 2014/22/0094) Die sonstigen Aktivitäten von BF1 und jene der anderen BF gehen über die früheren nur in dem Punkt hinaus, dass BF1 nun während des Beschwerdeverfahrens der Caritas gegenüber eine Art „Selbstverpflichtung“ einging, acht Stunden wöchentlich dort tätig zu sein. Selbst wenn er dieser nachkommt, ist damit weder ein Arbeitsplatz verbunden noch eine Existenzsicherung gegeben, sodass ein in dieser Beschäftigung liegendes Interesse am Verbleib nicht nach knapp vier Monaten bereits gegenüber dem beharrlichen Missachten der Ausreiseverpflichtung ins Gewicht fiele.

Bei BF2 gilt betreffend die dokumentierte Anmeldung zur Sprachprüfung das oben Ausgeführte umso mehr, als auch kein Prüfungsergebnis vorliegt. Die Empfehlungsschreiben für die BF dokumentieren die bereits früher vorgelegenen Aktivitäten und Kontakte.

Bei den beiden BF im Kindergartenalter ist zu beachten: Wenngleich minderjährigen Kindern der Vorwurf, dass sie sich ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst sein mussten, nicht zu machen ist, muss das Bewusstsein der Eltern über die Unsicherheit ihres Aufenthalts auch auf die Kinder durchschlagen, wobei diesem Umstand allerdings bei ihnen im Rahmen der Gesamtabwägung im Vergleich zu anderen Kriterien weniger Gewicht zukommt. (VwGH 21.05.2019, Ra 2019/19/0136 mwN) Zu diesen Kriterien gehört fallbezogen neben der Geburt im Inland (die schon bisher vorlag) die Frage, ob die BF sich in einem anpassungsfähigen Alter befinden.

In der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes wurde für einen 4-Jährigen (VwGH 16.07.2020, Ra 2020/21/0077), eine 10-Jährige (VwGH 25.04.2019, Ra 2018/22/0251) und „auch für Kinder im Alter von sieben und elf Jahren noch eine grundsätzliche Anpassungsfähigkeit“ (VwGH 03.05.2018, Ra 2018/18/0195 mwN) angenommen. Die beiden minderjährigen BF sind demnach weiterhin in einem anpassungsfähigen Alter.

3.1.8 Betreffend die seit der letzten Rückkehrentscheidung vergangene Zeit hat die Rechtsprechung (unter Berücksichtigung weiterer Faktoren) Perioden von vier oder mehr als vier Jahren als nicht mehr so kurz angesehen, dass keine Neubeurteilung im genannten Sinn nötig wäre. (VwGH 27.08.2020, Ra 2020/21/0001; 23.01.2020, Ra 2019/21/0356)

In einem Zeitablauf von zweieinhalb Jahren dagegen liegt allein noch keine Sachverhaltsänderung, die eine Neubeurteilung im Hinblick auf Art. 8 EMRK gebieten würde. (Vgl. VwGH 15.12.2011, 2010/21/0228 zu Anträgen auf eine Niederlassungsbewilligung nach vorherigen Ausweisungen). Auch dann, wenn zwischen der Rechtskraft der Rückkehrentscheidung und dem Bescheid des BFA ungefähr zwei Jahre und zehn Monate liegen, ist es vertretbar, davon auszugehen, dass damit noch keine maßgebliche Sachverhaltsänderung bewirkt wird. (VwGH 29.03.2021, Ra 2017/22/0196)

Vorliegend erging der Bescheid damals ca. 6,5 (bei BF1) bzw. 8 Monate nach der vorangegangenen Rückkehrentscheidung, insgesamt sind seit dieser bei BF1 etwa zwei Jahre und 1,5 Monate vergangen, bei den anderen BF zwei Jahre und fünf Monate. Mit Blick darauf und auf die Rechtswidrigkeit des Aufenthalts in dieser Zeit (VwGH 23.02.2017, Ra 2016/21/0340 mwN) sowie das Fehlen von Hinweisen auf gravierende Sachverhaltsänderungen im Privat- und Familienleben erweist sich demnach auch fallbezogen eine Neubeurteilung der Voraussetzungen im Sinn des Art. 8 EMRK als nicht geboten.

3.1.9 Die Heilungsanträge hat das BFA damit (in Spruchpunkt II der bekämpften Bescheide) zu Recht abgewiesen, sodass die Beschwerden sich in Bezug auf diesen Spruchpunkt als unbegründet erweisen.

3.2 Zu den Anträgen auf Erteilung von Aufenthaltstiteln (Spruchpunkte I):

3.2.1 Kommt der Drittstaatsangehörige seiner allgemeinen Mitwirkungspflicht nicht im erforderlichen Ausmaß nach, insbesondere im Hinblick auf die Ermittlung und Überprüfung erkennungsdienstlicher Daten, ist nach § 58 Abs. 11 AsylG 2005 (Z. 1) das Verfahren zur Ausfolgung des von Amts wegen zu erteilenden Aufenthaltstitels ohne weiteres einzustellen oder (Z. 2) der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels zurückzuweisen. Über diesen Umstand ist der Drittstaatsangehörige zu belehren (was bei den BF nach den Feststellungen der Fall war).

3.2.2 Das BFA hat demnach die Anträge zu Recht zurückgewiesen, weshalb die Beschwerden auch betreffend den jeweiligen Spruchpunkt I unbegründet sind und abzuweisen waren.

3.2.3 Wird der Antrag eines Drittstaatsangehörigen auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 AsylG 2005 abgewiesen, so ist nach § 10 Abs. 3 diese Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden. Wird ein solcher Antrag zurückgewiesen, gilt dies nur insoweit, als dass kein Fall des § 58 Abs. 9 Z. 1 bis 3 AsylG 2005 vorliegt (was hier nicht zutrifft).

Demnach hätte das BFA auch mit den erlassenen Zurückweisungen gegenüber BF2, BF3 und BF4 Rückkehrentscheidung zu verbinden gehabt, zumal zwar in § 59 Abs. 5 FPG angeordnet ist, dass es dann, wenn gegen einen Drittstaatsangehörigen bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung besteht, bei allen nachfolgenden Verfahrenshandlungen (auch) nach dem AsylG 2005 keiner neuerlichen Rückkehrentscheidung bedarf, dies aber nach der Rechtsprechung (VwGH 31.03.2020, Ra 2019/14/0209) nur auf jene Fälle anwendbar ist, in denen rechtskräftige Rückkehrentscheidungen mit Einreiseverbot vorliegen, wie hier bei BF1.

3.2.4 Die Säumnis mit der Erlassung einer Rückkehrentscheidung führt aber nicht zur Rechtswidrigkeit der (hier: zurückweisenden) Entscheidung über den Antrag auf einen Aufenthaltstitel, da diese Entscheidung nicht von der Rückkehrentscheidung abhängt, sondern (umgekehrt) die Rückkehrentscheidung ohne Entscheidung über den verfahrenseinleitenden Antrag (z. B. auf internationalen Schutz) unzulässig ist. (Vgl. VwGH 31.01.2019, Ra 2018/22/0086 mwN, Antrag nach § 56 AsylG 2005)

Zu B) (Un)Zulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung zur Bedeutung der Aufenthaltsdauer und des Privat- und Familienlebens bei der Erteilung von Aufenthaltstiteln oder zur Verknüpfung von Nichterteilung eines Aufenthaltstitels und Rückkehrentscheidung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Im vorliegenden Fall wurde keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufgeworfen. Die vorliegende Entscheidung basiert auf den oben genannten Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes.

4. Zum Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung:

Der VwGH hat im Zusammenhang mit einer Zurückweisung gemäß § 58 Abs. 10 AsylG 2005 bereits ausgesprochen, dass die Bestimmung des § 21 Abs. 7 BFA-VG nicht einschlägig ist, sondern die Zulässigkeit des Unterbleibens einer Verhandlung auf Basis des § 24 Abs. 2 Z. 1 VwGVG zu beurteilen ist. Demnach kann eine Verhandlung (unter anderem) dann entfallen, wenn der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag zurückzuweisen ist. In den Fällen des § 24 Abs. 2 VwGVG liegt es im Ermessen des Verwaltungsgerichts, trotz Antrag keine mündliche Verhandlung durchzuführen. (VwGH 29.03.2021, Ra 2017/22/0196 mwN)

Da der Sachverhalt geklärt ist, und sich auch aus den Registerabfragen und den Eingaben im Beschwerdeverfahren, zuletzt Mitte Juli, kein Zweifel daran ergab, dass die angeführten Umstände nach wie vor aktuell zutreffend sind, lagen auch im Sinne der Rechtsprechung eindeutige Fälle vor, in denen die Verschaffung eines persönlichen Eindrucks nicht geboten war. (Vgl. VwGH 04.03.2021, Ra 2019/21/0214 mwN)

Im Rahmen des genannten Ermessens konnte daher eine Verhandlung unterbleiben.

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