VwGH Ra 2019/18/0251

VwGHRa 2019/18/025114.8.2019

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer sowie die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober und den Hofrat Dr. Sutter als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Kienesberger, über die Revision 1. des K I alias D J, 2. der G O, 3. des D O, und 4. des O K, alle in Graz und vertreten durch Mag. Thomas Klein, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Sackstraße 21, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 30. April 2019, Zlen. 1. I405 2193224-1/12E, 2. I405 2120034-1/7E, 3. I405 2130994- 1/7E und 4. I405 2172467-1/8E, betreffend Asylangelegenheiten (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

B-VG Art133 Abs4
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019180251.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Die revisionswerbenden Parteien sind Mitglieder einer Familie. Der Erstrevisionswerber und die Zweitrevisionswerberin sind Lebensgefährten, der Dritt- und Viertrevisionswerber sind deren in Österreich geborene minderjährige Kinder. Sie sind alle Staatsangehörige von Nigeria, gehören zur Volksgruppe der Ika und bekennen sich zum christlichen Glauben.

2 Der Erstrevisionswerber stellte am 25. Juni 2013 seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz, welchen er im Wesentlichen damit begründete, dass ihn Ritualisten verfolgen würden, weil er ihnen nicht habe beitreten wollen. Dieser Antrag wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes (BAA) vom 24. Juli 2013 zurückgewiesen und Ungarn für zuständig erklärt (Spruchpunkt I.). Das BAA wies den Erstrevisionswerber dorthin aus und stellte fest, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Ungarn zulässig sei (Spruchpunkt II.).

3 Mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes (AsylGH) vom 26. August 2013 wurde die dagegen erhobene Beschwerde des Erstrevisionswerbers als unbegründet abgewiesen.

4 In der Folge reiste der Erstrevisionswerber aus dem Bundesgebiet aus und stellte am 26. Februar 2014 in der Schweiz und am 18. Dezember 2015 in Italien jeweils einen Antrag auf internationalen Schutz.

5 Die Zweitrevisionswerberin stellte am 20. November 2013 einen Antrag auf internationalen Schutz, den sie in der Erstbefragung damit begründete, dass es in ihrer Heimat schwer für sie gewesen sei. In der Einvernahme gab die Zweitrevisionswerberin jedoch an, dass sie geflohen sei, weil sie für einen Schrein durch ihre Familie geopfert werden sollte.

6 Mit Bescheid vom 24. Februar 2014 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) den Antrag auf internationalen Schutz als unzulässig zurück und erklärte Ungarn für zuständig (Spruchpunkt I.). Zudem wies das BFA die Zweitrevisionswerberin nach Ungarn aus und stellte fest, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Ungarn zulässig sei (Spruchpunkt II.).

7 Mit Beschluss vom 13. März 2014 gab das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) der dagegen erhobenen Beschwerde der Zweitrevisionswerberin statt und behob den Bescheid. 8 Mit Bescheid vom 28. Dezember 2015 wies das BFA den Antrag auf internationalen Schutz der Zweitrevisionswerberin vollumfänglich ab (Spruchpunkte I. und II.) und erteilte ihr keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen. Es erließ eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass eine Abschiebung der Zweitrevisionswerberin nach Nigeria zulässig sei, und legte eine Frist von zwei Wochen für die freiwillige Ausreise fest (Spruchpunkt III.).

9 Am 5. Februar 2016 sowie am 19. September 2017 wurden für den Dritt- und Viertrevisionswerber Anträge auf internationalen Schutz gestellt, die jedoch keine eigenen Fluchtgründe geltend machten.

10 Mit Bescheiden vom 8. Juli 2016 (betreffend den Drittrevisionswerber) sowie vom 21. September 2017 (betreffend den Viertrevisionswerber) wies das BFA die Anträge auf internationalen Schutz vollinhaltlich ab (Spruchpunkte I. und II.), erteilte den Dritt- und Viertrevisionswerbern keine Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ jeweils eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass die Abschiebung nach Nigeria zulässig sei (Spruchpunkt III.), und legte eine Frist von zwei Wochen für die freiwillige Ausreise fest (Spruchpunkt IV.). 11 Der Erstrevisionswerber stellte am 21. Februar 2017 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz, welcher mit Bescheid des BFA vom 15. Mai 2017 zurückgewiesen und Italien für zuständig erklärt wurde (Spruchpunkt I.). Zudem wurde die Außerlandesbringung angeordnet und die Abschiebung nach Italien für zulässig erklärt (Spruchpunkt II.).

12 Mit Erkenntnis vom 7. Juni 2017 gab das BVwG der dagegen erhobenen Beschwerde statt und behob den Bescheid des BFA (Spruchpunkt A). Die Revision erklärte es für nicht zulässig (Spruchpunkt B).

13 Mit Bescheid vom 20. März 2018 wies das BFA den Antrag auf internationalen Schutz vollinhaltlich ab (Spruchpunkte I. und II.), erteilte dem Erstrevisionswerber keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt III.), erließ eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.), stellte fest, dass die Abschiebung nach Nigeria zulässig sei (Spruchpunkt V.), und legte keine Frist für die freiwillige Ausreise fest (Spruchpunkt VI.). Zudem erkannte das BFA einer gegen den Bescheid zu erhebenden Beschwerde die aufschiebende Wirkung ab (Spruchpunkt VII.). 14 Mit Teilerkenntnis vom 26. April 2018 gab das BVwG der Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkt VII. statt und behob ebendiesen ersatzlos.

15 Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 30. April 2019 wies das BVwG die dagegen erhobenen Beschwerden der revisionswerbenden Parteien nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit der Maßgabe als unbegründet ab, dass der Spruchpunkt III. betreffend die Zweitrevisionswerberin zu lauten hat: "Eine ‚Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz' gemäß § 57 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) wird nicht erteilt." und "Gemäß § 55 Absatz 1 bis 3 FPG beträgt die Frist für Ihre freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung."

(Spruchpunkt A). Die Revision erklärte das BVwG für nicht zulässig (Spruchpunkt B).

16 Begründend führte das BVwG aus, der Erstrevisionswerber sei unglaubwürdig, weil er bereits im ersten Asylverfahren eine falsche Staatsangehörigkeit angegeben habe sowie mit einer gefälschten Identitätskarte nach Österreich gereist sei, weshalb er bereits strafgerichtlich verurteilt worden sei. Zudem seien die Fluchtvorbringen des Erstrevisionswerbers und der Zweitrevisionswerberin - aufgrund näher dargestellter widersprüchlicher Angaben - nicht glaubhaft. Daher könne keine asylrelevante Verfolgung angenommen werden. Der Erstrevisionswerber und die Zweitrevisionswerberin seien gesund und erwerbsfähig, würden eine mehrjährige Schul- und Berufsausbildung aufweisen und wären im Stande, ihren Lebensunterhalt in Nigeria als Verkäufer zu bestreiten. Sie hätten den überwiegenden Teil ihres Lebens in Nigeria verbracht, seien dort sozialisiert worden, würden die Landessprache sprechen und über Familienangehörige verfügen. Daher bestehe im Falle der Rückkehr keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 oder 3 EMRK. Die Dritt- und Viertrevisionswerber seien im anpassungsfähigen Alter und könnten daher problemlos die Sprache im Herkunftsstaat erlernen sowie sich mit den sozialen und kulturellen Gegebenheiten in Nigeria vertraut machen. Zudem hätten sie noch keinen Kindergarten bzw. keine Schule besucht oder sich einen Freundeskreis aufgebaut, welchen sie aufgeben müssten. 17 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die außerordentliche Revision, in der zur Zulässigkeit vorgebracht wird, dass das BVwG von der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen sei, indem es nicht dargelegt habe, auf welche Ermittlungen es sich gestützt habe, wenn es das Fluchtvorbringen der Zweitrevisionswerberin, wonach sie für einen Schrein durch ihre Familie habe geopfert werden sollen, als widersprüchlich erachte. Dem Erkenntnis seien weder einschlägige gegenteilige Länderfeststellungen noch durchgeführte Erhebungen zu entnehmen. Dies widerspreche § 18 Abs. 1 AsylG, wonach die Behörden in allen Stadien des Verfahrens darauf hinzuwirken hätten, dass für die Entscheidung erhebliche Angaben gemacht und Umstände vervollständigt würden.

18 Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan.

19 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

20 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 21 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 22 Der Verwaltungsgerichtshof ist als Rechtsinstanz tätig, zur Überprüfung der Beweiswürdigung ist er im Allgemeinen nicht berufen. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG liegt - als Abweichung von der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes - allerdings dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die im Einzelfall vorgenommene Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. etwa VwGH 14.3.2019, Ra 2018/18/0441, mwN).

23 Das Fluchtvorbringen der Zweitrevisionswerberin wertete das BVwG im Revisionsfall unter Hinweis auf mehrere Widersprüche und vage Angaben in ihren Aussagen als nicht glaubhaft. So habe die Zweitrevisionswerberin in der Erstbefragung angegeben, sie habe Nigeria aufgrund der schwierigen Lage verlassen, während sie in der Einvernahme angegeben habe, ihre Familie habe sie für einen Schrein opfern wollen. Zudem habe sie weder den Namen des Kultes nennen, noch dessen Praktiken schildern können, obwohl ihren Angaben nach jährlich ein Kind geopfert worden sei. Die Zweitrevisionswerberin habe überdies angegeben, sie habe bis zu ihrem zwölften Lebensjahr im Dorf bei ihren Eltern und dann drei Jahre bei ihrer Tante in Lagos gelebt. Erst danach sei sie wegen der drohenden Opferung geflüchtet. In der mündlichen Verhandlung habe die Zweitrevisionswerberin dagegen angegeben, dass ihre Familie sie bereits mit zwölf Jahren dem Schrein habe opfern wollen, weshalb sie zu ihrer Tante geflohen sei. Diese habe die Zweitrevisionswerberin zu ihren Eltern zurückgeschickt, von denen sie dann schlussendlich geflohen sei.

24 Dass die vom BVwG vorgenommene Beweiswürdigung damit an einer vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifenden Mangelhaftigkeit leidet, konnte die Revision mit ihrem Vorbringen zur Zulässigkeit nicht aufzeigen.

25 In der Revision wurden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 14. August 2019

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