Nachweispflicht bei Geltendmachung von Familienheimfahrtskosten in der Höhe des Pendlerpauschales von 3.672€ (§ 16 Abs.1 Z.6 lit d EStG 1988)!
European Case Law Identifier: ECLI:AT:BFG:2019:RV.7100984.2019
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Dr. R. in der Beschwerdesache A., vertreten durch Mag. Peter Zivic, Rechtsanwalt, 1010 Wien, Weihburggasse 20, über die Beschwerde vom 16.10.2018 gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt Wien 2/20/21/22 vom 13.09.2018, betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) für das Jahr 2017 zu Recht erkannt:
I. Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.
Die Bemessungsgrundlage und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem als
Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen
Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach
Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Der Beschwerdeführer (Bf.) ist verheirateter Vater von zwei unterhaltsberechtigten Söhnen mit kroatischer Staatsbürgerschaft und übt als "Betonierer" den Beruf eines Arbeiters aus.
Im Jahr 2017 hat der Bf. lohnsteuerpflichtige Einkünfte iHv 24.309,21 € bei der Fa. A_AG bezogen. Der Zugang von kroatischen Staatsbürgern zum österreichischen Arbeitsmarkt ist beschränkt gewesen.
Mit dem Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2017 wies das Finanzamt den mit der Abgabenerklärung 2017 gestellten Antrag auf Bewilligung von Familienheimfahrtskosten iHv 3.672 € als Werbungskosten gemäß § 16 EStG 1988 wegen Nichtvorlage eines ordnungsgemäß geführten Fahrtenbuchs und des Fehlens eines Nachweises für die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel ab.
Dem Einkommensteuerbescheid 2017 ging das abgabenbehördliche Schreiben vom 4.5.2018 voraus, mit dem der Bf. in Hinblick auf die unmittelbare Knüpfung des Anspruchs auf Familienheimfahrten an den Anspruch auf doppelte Haushaltsführung um Vorlage folgender Unterlagen (in beglaubigter Übersetzung) ersucht wurde:
- Begründung für die doppelte Haushaltsführung,
- Heiratsurkunde, Familienstandbescheinigung,
- Einkommensteuerbescheid der ausländischen Behörde als Nachweis für das Einkommen bei Vorliegen einer Landwirtschaft [Formular E 9 vom Bf.nsnachweis des/r Gatten/in Jahresabrechnung(en)],
- Dienstverträge des Bf.,
- Meldezettel aller am Familienwohnsitz gemeldeten Personen,
- Angabe der Größe der Dienstortwohnung in Quadratmeter,
- Mietvertrag betreffend die Wohnung am Dienstort samt Nachweis über die Mietzahlungen etc. und detaillierte Aufstellung,
- Hauptwohnsitz: Mietvertrag oder Grundbuchsauszug betreffend die Immobilie des Bf.,
- Nachweis über den Nächtigungsort des Bf. bei Fehlen einer Mietwohnung oder gemieteteten Räumlichkeiten in Wien,
- ausländischer Wohnsitz: Mietvertrag oder Grundbuchsauszug bei Grundvermögen.
Zu den beantragten Familienheimfahrtskosten wurde der Bf. um Vorlage einer detaillierten Aufstellung der Familienheimfahrten mit Datum der Hin- und Rückreise und Tickets bei Benützung öffentlicher Verkehrsmittel bzw. eines ordnungsgemäß geführten Fahrtenbuchs samt Tankbelege und Zulassungsschein bei Fahrten mit dem eigenen Auto ersucht. Auf die erhöhte Mitwirkungspflicht / Beweismittelbeschaffungspflicht des Bf. bei den Sachverhaltselementen mit Wurzeln im Ausland [§ 115 BAO] und die Erledigung des Antrags aufgrund der Aktenlage bei nicht oder nur teilweiser Beibringung der angeführten Unterlagen wurde verwiesen.
Mit der Vorhaltsbeantwortung des steuerlich vertretenen Bf. vom 2.7.2018 wurden die
- Heiratsurkunde Kopie;
- Haushaltsgemeinschaftsbescheinigung samt beglaubigter Übersetzung betreffend die am Familienwohnsitz in Kroatien im gemeinsamen Haushalt mit dem Bf. lebenden Familienangehörigen;
- Grundbesitzblatt betreffend den am Familienwohnsitz in Kroatien im gemeinsamen Eigentum des Bf. und dessen Ehefrau stehenden Grundbesitz;
- Einkommensbescheinigung betreffend die Ehefrau für das Jahr 2017;
- Dienstgeberbestätigung betreffend die unentgeltliche Unterbringung des Bf. am Beschäftigungsort in Österreich in einem Firmenquartier seines Dienstgebers (16 m2 groß), in welchem eine Mitunterbringung von Familienangehörigen weder vorgesehen noch gestattet ist;
- Arbeitsvertrag des Bf.;
- Kroatischer Kfz- Zulassungsschein betreffend das Fahrzeug des Bf., mit welchem dieser seine regelmäßigen Familienheimfahrten an den Familienwohnsitz in Kroatien unternimmt;
an das Finanzamt übermittelt.
Mit der Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid 2017 beantragte der rechtsfreundliche Vertreter des Bf. die Abänderung des angefochtenen Bescheides dahingehend, dass die für den Bf. mit den Familienheimfahrten an den Familienwohnsitz in Kroatien tatsächlich verbundenen in eventu gemäß § 184 BAO geschätzten (Werbungs) Kosten steuerlich entsprechend berücksichtigt werden. Begründet wurde die Beschwerde wie folgt:
- "Gemäß der Rechtsprechung des VwGH und des BFG ist ein Nachweis der Kosten der Familienheimfahrten mittels eines Fahrtenbuches nicht zwingend, zumal die Erfahrung gezeigt hat, dass die Führung eines Fahrtenbuches für ausländische Gastarbeiter, die in Österreich lediglich Hilfsarbeitertätigkeiten verrichten, oftmals zu kompliziert ist; es wird daher in derartigen Fällen ein Nachweis der Kosten der Familienheimfahrten auch mittels anderer Beweismittel zugelassen bzw. mitunter gemäß § 184 auch eine Schätzung der Kosten aufgrund der Entfernung des Familienwohnsitzes im Ausland vom Beschäftigungsort in Österreich und aufgrund der aufgrund der praktischen Erfahrungen vermuteten Häufigkeit der Familienheimfahrten vorgenommen. Die Entfernung des Familienwohnsitzes in Kroatien vom Beschäftigungsort in Österreich beträgt laut Information in etwa 380 Kilometer.
Im gegenständlichen Fall wird daher die Kanzlei des Rechtsvertreters den Beschwerdeführer zur Vorlage von Nachweisen über die Häufigkeit dessen Familienheimfahrten und des dabei verwendeten Verkehrsmittels und eventuell auch zur Namhaftmachung von Augenzeugen seiner regelmäßigen Familienheimfahrten nach Kroatien auffordern.
Es wird daher nach Vorlage von weiteren Nachweisen betreffend die tatsächlichen Familienheimfahrten des Beschwerdeführers beantragt, der vorliegenden Beschwerde Folge zu geben und den angefochtenen Einkommensteuerbescheid 2017 vom 13.9.2018 aufzuheben - bzw. - nach Möglichkeit im Wege einer entsprechenden Beschwerdevorentscheidung gemäß § 262 BAO - dahingehend abzuändem, dass (auch) im Jahre 2017 die für den Beschwerdeführer mit den Familienheimfahrten an den Familienwohnsitz in Kroatien tatsächlich verbundenen in eventu gemäß § 184 BAO geschätzten (Werbungs)Kosten steuerlich entsprechend berücksichtigt werden."
Mit der abweisenden Beschwerdevorentscheidung betreffend Einkommensteuer 2017 wurde dem Bf. wie folgt vorgehalten:
- "Aufwendungen für Familienheimfahrten eines Arbeitnehmers vom Wohnsitz am Arbeitsort zum Familienwohnsitz sind im Rahmen der durch § 20 Abs. 1 Z. 2 lit. e ESTG 1988 gesetzten Grenzen Werbungskosten, wenn die Voraussetzungen einer beruflich veranlassten doppelten Haushaltsführung vorliegen. Dies ist insbesondere der Fall, wenn der Ehegatte des Steuerpflichtigen am Ort des Familienwohnsitzes steuerlich relevante Einkünfte im Sinne des § 2 Abs 3 Z 1 bis 4 ESTG 1988 aus einer AKTIVEN Erwerbstätigkeit in Höhe von mehr als € 6.000,- jährlich erzielt. Da Ihre Gattin N.N., It. Vorlage der kroatischen Rentenversicherungsanstalt im Kalenderjahr 2017 ausschließlich Rentenzahlungen (=Pensionsbezüge) erhalten hat, sind die gesetzlichen Voraussetzungen für Familienheimfahrten nicht gegeben; Ihre Beschwerde war somit abzuweisen."
Mit dem darauffolgenden Vorlageantrag verwies der rechtsfreundliche Vertreter auf die abgabenbehördliche Anerkennung der Werbungskosten für Familienheimfahrten infolge Unzumutbarkeit der Verlegung des Familienwohnsitzes aus Kroatien nach Österreich in den Vorjahren und brachte in Ergänzung des gesamten bisherigen Vorbringens und der bislang vorgelegten Urkunden mit Rücksicht auf die bestehende Unzumutbarkeit der Verlegung des Familienwohnsitzes aus Kroatien nach Österreich für den 58-jährigen Bf. wie folgt vor:
- "Wie aus der vorgelegten Dienstgeberbestätigung des langjährigen Dienstgebers des Beschwerdeführers, der Bauunternehmung A-AG, hervorgeht, ist der Beschwerdeführer während seiner Beschäftigung unentgeltlich in einem lediglich 16 m2 (1 Zimmer) großen Firmenquartier untergebracht, in welchem die (Mit-)Unterbringung von Familienangehörigen nicht gestattet ist.
Demgegenüber verfügen der Beschwerdeführer und seine Ehefrau - als jeweiliger Hälftebesitzer - am Familienwohnsitz in Kroatien über ein eigenes Haus samt Hof (siehe das vorgelegte Besitzblatt des Katasteramtes A-Stadt vom 21.5.2018).
Der Verkauf des Einfamilienhauses am Familienwohnsitz in Kroatien würde auf Grund der erheblichen Unterschiede in den Immobilienpreisen zwischen der Republik Kroatien und der Republik Österreich für den Beschwerdeführer und seine Ehefrau zu erheblichen Vermögenseinbußen führen und wäre für den Beschwerdeführer mit einem nicht unerheblichen wirtschaftlichen Nachteil verbunden, zumal die Anschaffung selbst einer adäquaten Eigentumswohnung, geschweige denn eines Einfamilienhauses, am Beschäftigungsort in Österreich aus dem Verkaufserlös des Einfamilienhauses in Kroatien nicht möglich wäre.
Zudem leben am Familienwohnsitz in Kroatien zusammen mit dem Beschwerdeführer und mit dessen Ehefrau auch noch die beiden, über kein ausreichendes eigenes Einkommen verfügenden volljährigen Söhne des Beschwerdeführers (S1 und S2, welcher in der vorgelegten Übersetzung der „Bescheinigung über die Zusammensetzung des Haushaltes“ unrichtig ebenfalls mit dem Vornamen „A.B.“ anstatt „A.A.“ widergegeben wird), wodurch die Aufgabe des Familienwohnsitzes in Kroatien für den auch gegenüber seinen volljährigen Kindern mangels entsprechenden Einkommens noch unterhaltspflichtigen Beschwerdeführer nicht zumutbar ist. Würde er das Einfamilienhaus am Familienwohnsitz in Kroatien aufgeben, müßte er ja seinen beiden Söhnen, die selbst nicht über ein entsprechende Einkommen verfügen, dennoch - durch Ankauf oder zumindest durch Miete einer Wohnung in Kroatien - eine Wohnmöglichkeit zur Verfügung stellen. Die Aufgabe und Auflösung des Familienwohnsitzes in Kroatien ist daher auch aus diesem wirtschaftlichen Grund für den Beschwerdeführer nicht zumutbar.
Schlußendlich ist der Beschwerdeführer in Österreich als Bauarbeiter an immer wieder wechselnden Arbeitsstätten bzw. Baustellen, die von seinem Dienstgeber betrieben werden, beschäftigt, wodurch eine Verlegung des Familienwohnsitzes nach Österreich zusätzlich nicht zumutbar erscheint."
Mit dem abgabenbehördlichen Vorlagebericht wurde folgende abgabenbehördlcihe Stellungnahme zum Vorlageantrag abgegeben:
- "Zum Grunde des Anspruches:
Grundsätzlich ist festzuhalten, dass die Kosten für Familienheimfahrten nur abzugsfähig sind, soweit auch die Voraussetzungen einer steuerlich relevanten doppelten Haushaltsführung vorliegen (vgl. Lenneis in Jakom EStG, 11. Aufl. 2018, § 16, V. ABC der Werbungskosten Rz 56 Stichwort Doppelte Haushaltsführung Punkt i.).
Zu prüfen ist somit, ob die Voraussetzungen für eine doppelte Haushaltsführung vorliegen.
Es ist Sache des Steuerpflichtigen, der die Beibehaltung des in unüblicher Entfernung vom Beschäftigungsort gelegenen Familienwohnsitzes als beruflich veranlasst geltend macht, der Abgabenbehörde die Gründe zu nennen und nachzuweisen, aus denen er die Verlegung des Familienwohnsitzes als unzumutbar ansieht. Die Abgabenbehörde ist in einem solchen Fall nicht verhalten, nach dem Vorliegen von Gründen für die behauptete Unzumutbarkeit zu suchen (vgl.: VwGH 27.2.2008, 2005/13/0037).
Wirtschaftliche Nachteile die durch die Verlegung des Familienwohnsitzes nach Österreich entstehen würden:
Wirtschaftliche Nachteile allein vermögen keine dauerhafte Unzumutbarkeit der Verlegung des Familienwohnsitzes zu begründen (vgl. BFG vom 07.06.2018, RV/5101670/2017). Zudem wird angemerkt, dass der durch den Verkauf des Hauses in der Slowakei entstehende Nachteil nachzuweisen wäre (im Regelfall durch ein Gutachten über den Wert des Hauses).
Kinder am Familienwohnsitz:
Die beiden Söhne des Bf. sind beide bereits volljährig und nicht pflegebedürftig. Einen Grund für die Unzumutbarkeit der Verlegung des Familienwohnsitzes nach Österreich stellen sie somit nicht dar.
Einkommen der Ehegattin am Familienwohnsitz:
Die Ehegattin des Bf. erzielt keine aktiven Einkünfte mehr. Die Rente könnte auch von einem österreichischen Familienwohnsitz bezogen werden.
Ständig wechselnde Arbeitsstätten:
Zum Nachweis dieses grundsätzlich geeigneten Grundes, wäre eine Bestätigung des Arbeitgebers vorzulegen aus der hervorgeht, an welchen Baustellen (Adressen) der Bf. im Jahr 2017 tätig gewesen ist.
Da aus jetziger Sicht kein Grund für die Unzumutbarkeit der Verlegung des Familienwohnsitzes ersichtlich ist, liegen die Voraussetzungen für die Berücksichtigung einer doppelten Haushaltsführung als Werbungskosten nicht vor. Zur Höhe:
Zuzustimmen ist der steuerlichen Vertretung des Bf., dass der Nachweis der Kosten bzw. Durchführung der Familienheimfahrten nicht unbedingt durch ein ordentliches Fahrtenbuch zu erfolgen hat, soweit der Nachweis auf andere Weise erbracht werden kann.
Im vorliegenden Fall wurde allerdings auch kein einziger anderer Nachweis vorgelegt. So wurden weder Tankrechnungen noch eine einfache Aufstellung über die Familienheimfahrten vorgelegt. Aufgrund der derzeitigen Beweislage muss angezweifelt werden, ob die Familienheimfahrten überhaupt durchgeführt wurden. Eine Schätzung ist nach Ansicht der ho. Behörde aufgrund der fraglichen Beweislage nicht durchzuführen.
Aufgrund der obigen Ausführungen wird beantragt, die Beschwerde abzuweisen. Sollte der Bf. im Zuge des Verfahrens vor dem Bundesfinanzgericht die Berücksichtigung der Pendlerpauschale beantragen, bestehen keine Bedenken gemäß § 16 Abs. 1 Z 6 lit. e EStG 1988 € 1.224,00 als Pendlerpauschale zu berücksichtigen."
Mit dem an die Verfahrensparteien adressierten Schreiben vom 27.2.2019 stellte das Bundesfinanzgericht aufgrund der Aktenlage zum 27.2.2019 fest, dass wöchentliche Familienheimfahrten eines in Wien beschäftigten Kroaten mit Rücksicht auf die Entfernung völlig unüblich seien und daher nur monatliche Familienheimfahrten - bei Vorlage der gesetzlichen Voraussetzungen - steuerlich abgesetzt werden könnten.
Das AMS beschreibe das Arbeitsumfeld eines berufstätigen "Betonierers" mit den Schlagworten "Außenarbeit, Erhöhte Verletzungsgefahr, Großbaustelle, Hilfstätigkeit, Lärmbelastung, Montageeinsätze, Saisonarbeit, Schmutzbelastung, Schwere körperliche Arbeit, Staubbelastung". Die überfachlichen beruflichen Kompetenzen eines Bauhelfers würden mit den Worten "Einsatzbereitschaft; insbesondere: Flexibilität", "Handwerkliches Geschick", "Körperliche Belastbarkeit; insbesondere: Körperkraft, Körperliche Ausdauer", "Teamfähigkeit" und "Trittsicherheit" klargestellt. Die Schwere der körperlichen Arbeit des Bf. iVm der dem Micheline Router entnehmbaren Angabe hinsichtlich der Dauer der einfachen Fahrt mit "03h53 davon 03h29 auf der Autobahn" AX würde daher für die Zurücklegung der Fahrtstrecke von 1XXX Wien, A-Straße 34 nach A-Stadt, B-Straße 20, als Mitfahrer in einem auf vier Personen zugelassenen Pkw. oder als Fahrgast in einem Bus sprechen.
Bei Annahme einer vierköpfigen Kfz- Fahrtengemeinschaft würden sich die Kosten/Mitfahrer für die Fahrt von der Adresse A-Straße 34, 1XXX Wien, nach A-Stadt, B-Straße 20, über die AX im Schätzungsverfahren gemäß § 184 BAO wie folgt ergeben:
Fahrtkosten für die Hinfahrt laut Micheline Router: Geschätzte Kosten € 57,74
davon Maut € 6,46
Kraftstoff € 27,08
Vignette € 24,20
Von den Gesamtkosten für die einfache Fahrt iHv 57,74 € würden 1/4 der Kosten, also 14,40 € auf jeden einzelnen Mitfahrer entfallen. Eine Hin- und Retourfahrt führe somit zu Kosten iHv (14,40 € x 2 =) 28,80 €.
Bei Inanspruchnahme der Dienstleistungen des Busunternehmens Eurolines würden die Kosten für die Hin- und Retourfahrt auf der in Rede stehenden Strecke 29 € betragen.
Im gegenständlichen Beschwerdefall hätten somit die monatlichen Familienheimfahrtkosten für den Bf. als Mitfahrer [28,80 € x 12 =] 345,60 € oder als Busfahrgast [Hin- und Retour 29,00 € x 12 =] 348 € betragen können.
In Hinblick auf die zum Stichtag 27.2.2019 bestandene Ungewissheit bezüglich des vom Bf. für die Familienheimfahrten tatsächlich gewählten Verkehrsmittels (Bus, Bahn, Pkw.) und die unbeantworteten Fragen nach der beruflichen Ausbildung samt Höhe der Einkünfte der erwachsenen Söhne des Bf. erging das an den Bf. adressierte Ersuchen um Abgabe einer Gegenäußerung zur abgabenbehördlichen Stellungnahme zum Vorlageantrag vom 22.2.2019 (siehe Vorlagebericht) sowie zu den obigen Ausführungen des BFG.
Dem Amtsvertreter wurde freigestellt, die Auswirkungen der Geltung der Zugangsbeschränkungen für kroatische Arbeitskräfte zum Arbeitsmarkt [voraussichtlich] bis zum 30.6.2020 auf das Beschwerdeverfahren, RV/7100984/2019, schriftlich darzustellen.
Mit Mail vom 28.3.2019 teilte der Amtsvertreter dem BFG zum Beschluss vom 27.2.2019 mit, auf die Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme zu verzichten.
Mit Schreiben vom 1.4.2019 stellte der rechtsfreundliche Vertreter des Bf. [nach Äußerung der Bedenken des Bf. an der inhaltlichen Richtigkeit der Stellungnahme des Finanzamts zum Vorlageantrag sowie der Ausführungen des BFG im Schreiben vom 27.2.2019] im Wesentlichen den Antrag auf Berücksichtigung einer Pendlerpauschale gemäß § 16 Abs. 1 Z 6 lit. e EStG 1988 in der Höhe von EUR 1.224.00 für die Fahrten an den Familienwohnsitz nach Kroatien.
Mit Mail der belangten Behörde vom 4.4.2019 erklärte der Amtsvertreter sich mit der Schätzung der Kosten der Familienheimfahrten in Höhe von € 1.224,00 (= Höhe der Pendlerpauschale gemäß § 16 Abs. 1 Z 6 lit. e) einverstanden.
Über die Beschwerde wurde erwogen:
Zwischen den Verfahrensparteien ist unstrittig, dass der Bf. [ein kroatischer Staatsbürger, von Beruf Arbeiter ("Betonierer"), verheiratet, Hälfteeigentümer des ehelichen Hauses in A-Stadt, Vater von zwei erwachsenen, unterhaltsberechtigten Kindern] lohnsteuerpflichtige Einkünfte iHv 24.309,21 € bei der Fa. A-AG im Jahr 2017 bezogen hat.
Der Bf. ist während seiner Beschäftigung bei der A-AG im Jahr 2017 unentgeltlich in einem 16m²-Zimmer im Firmenquartier untergebracht gewesen. Die Mitbenützung dieses Zimmers von Familienangehörigen ist nicht gestattet gewesen.
Im Jahr 2017 ist der Zugang für kroatische Arbeitskräfte zum österreichischen Arbeitsmarkt beschränkt gewesen.
Aufgrund der Aktenlage war somit das Vorliegen der Voraussetzungen für die doppelte Haushaltsführung als erwiesen anzunehmen, weil der Bf. unentgeltlich in einem 16m2 - Zimmer im Firmenquartier untergebracht gewesen war, dessen Mitbenützung des Zimmers von Familienangehörigen der Dienstgeber untersagt hatte. Mit einer Nutzfläche von 16m² entsprach die vom Arbeitgeber dem Bf. gebotene kostenlose Wohnmöglichkeit nicht den Bedürfnissen eines Ehepaares mit zwei erwachsenen Kindern. Mit dem Jahreseinkommen von 24.309,21 € [= abgerundet 2.025 €/Monat] hatte der Bf. gemeinsam mit seiner nicht mehr erwerbstätigen Ehefrau, die Leistungen aus einer Altersversorgung in Kroatien bezieht, zwei nicht selbsterhaltungsfähige und daher unterhaltsberechtigte Söhne zu versorgen. Da Momente bloß persönlicher Vorliebe für die Beibehaltung des Familienwohnsitzes aufgrund der Aktenlage für das Jahr 2017 nicht festzustellen waren, ließen die für die Beibehaltung der doppelten Haushaltsführung sprechenden Gründe den Rückschluss darauf, dass dem Bf. der Wechsel des Familienwohnsitzes nach Österreich auch im Jahr 2017 nicht zumutbar war, zu.
In Hinblick darauf, dass die Voraussetzungen einer beruflich veranlassten doppelten Haushaltsführung für das Jahr 2017 gegeben waren, waren Kosten für Familienheimfahrten insoweit abzugsfähig, als den Bf. ein Mehraufwand getroffen hatte. Ein Mehraufwand ist generell nachzuweisen, soll er in der beantragen Höhe als gemäß § 16 EStG 1988 abzugsfähige Werbungskosten anerkannt werden. Mangels Vorlage einer Aufstellung der Familienheimfahrten mit Datum der Hin- und Rückreise samt Zahlungsbelegen war die Anzahl der Familienheimfahrten im Jahr 2017 und die Höhe der auf Familienheimfahrten fallenden Kosten [Treibstoffkosten bei Fahrt mit dem eigenen Pkw, Ticketkosten bei Fahrten mit öffentlichen Verkehrsmittel (Bus-/Bahn) bzw. einem privaten Busunternehmen, Kostenanteil im Rahmen einer Fahrgemeinschaft] ungewiss. Aufgrund der Aktenlage war somit das Fehlen von Nachweisen für den Anfall von Familienheimfahrtkosten in der mit der Abgabenerklärung 2017 geltend gemachten [durch § 20 Abs. 1 Z. 2 lit. e EStG 1988 mit dem höchsten Pendlerpauschale begrenzten] Höhe festzustellen.
Zur Rechtslage:
In einkommensteuerrechtlicher Hinsicht sind Werbungskosten gemäß § 16 Abs. 1 EStG 1988 die Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen. Werbungskosten sind gemäß § 16 Abs. 1 Z. 6 EStG 1988 auch Ausgaben des Steuerpflichtigen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte.
Für den Fall, dass dem Arbeitnehmer die Benützung eines Massenbeförderungsmittels zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zumindest hinsichtlich der halben Entfernung nicht zumutbar ist, beträgt das Pendlerpauschale bei mehr als über 60 km 3.672 € jährlich (§ 16 Abs. 1 Z. 6 lit. d EStG 1988).
Nach § 16 Abs. 1 Z. 6 lit. e EStG 1988 ist die Voraussetzung für die Berücksichtigung eines Pendlerpauschales gemäß lit. d, dass der Arbeitnehmer an mindestens elf Tagen im Kalendermonat von der Wohnung zur Arbeitsstätte fährt. Ist dies nicht der Fall gilt Folgendes: Fährt der Arbeitnehmer an mindestens acht Tagen, aber an nicht mehr als zehn Tagen im Kalendermonat von der Wohnung zur Arbeitsstätte, steht das jeweilige Pendlerpauschale zu zwei Drittel zu. Werden Fahrtkosten als Familienheimfahrten berücksichtigt, steht kein Pendlerpauschale für die Wegstrecke vom Familienwohnsitz (§ 20 Abs 1 Z 2 lit. e EStG 1988) zur Arbeitsstätte zu. Fährt der Arbeitnehmer an mindestens vier Tagen, aber an nicht mehr als sieben Tagen im Kalendermonat von der Wohnung zur Arbeitsstätte, steht das jeweilige Pendlerpauschale zu einem Drittel zu. Werden Fahrtkosten als Familienheimfahrten berücksichtigt, steht kein Pendlerpauschale für die Wegstrecke vom Familienwohnsitz (§ 20 Abs 1 Z 2 lit. e EStG 1988) zur Arbeitsstätte zu.
Gemäß § 20 Abs. 1 Z. 2 lit. e EStG 1988 dürfen die Kosten der Fahrten zwischen Wohnsitz am Arbeits(Tätigkeits)ort und Familienwohnsitz (Familienheimfahrten), soweit sie den auf die Dauer der auswärtigen (Berufs-)Tätigkeit bezogenen höchsten in § 16 Abs 1 Z 6 lit. d EStG 1988 angeführten Betrag übersteigen, bei den einzelnen Einkünften nicht abgezogen werden.
Nach § 4 Abs. 1 der Pendlerverordnung, BGBl. II Nr. 276/2013, liegt ein Familienwohnsitz (§ 16 Abs. 1 Z. 6 lit. f EStG 1988 und § 20 Abs. 1 Z. 2 lit. e EStG 1988) dort, wo 1.ein in (Ehe)Partnerschaft oder in Lebensgemeinschaft lebender Steuerpflichtiger oder 2.ein alleinstehender Steuerpflichtiger seine engsten persönlichen Beziehungen (zB Familie, Freundeskreis) und einen eigenen Hausstand (Abs. 2) hat.
Nach § 4 Abs. 2 PendlerVO hat der Steuerpflichtige einen eigenen Hausstand, wenn er eine Wohnung besitzt, deren Einrichtung seinen Lebensbedürfnissen entspricht. Ein eigener Hausstand liegt jedenfalls nicht vor, wenn der Steuerpflichtige Räumlichkeiten innerhalb eines Wohnverbandes einer oder mehrerer Person(en), die nicht (Ehe)Partner sind oder mit denen eine Lebensgemeinschaft besteht, mitbewohnt.
Für den Fall, dass der Familienwohnsitz des Steuerpflichtigen (iSd § 4 der PendlerVO) außerhalb der üblichen Entfernung vom Beschäftigungsort liegt, können die (Mehr)Aufwendungen für eine „doppelte Haushaltsführung“, wie z.B. für die Wohnung am Beschäftigungsort und die Kosten für Familienheimfahrten, nur berücksichtigt werden, wenn die doppelte Haushaltsführung beruflich bedingt ist bzw. eine Wohnsitzverlegung in übliche Entfernung vom Ort der Erwerbstätigkeit nicht zugemutet werden kann (VwGH 27.2.08, 2005/13/0037). Eine berufliche Veranlassung liegt grundsätzlich nicht vor, wenn der Arbeitnehmer seine Familienwohnung aus privaten Gründen vom bisherigen Wohnort, der auch der Beschäftigungsort ist, wegverlegt und am Beschäftigungsort einen zweiten Hausstand führt (VwGH 26.4.06, 2006/14/0013; BFG 19.3.15, RV/5100311/2013).
Nach Lenneis/Jakom EStG, 11.Aufl. 2018, § 16 Rz 56, können folgende Umstände für die Beibehaltung der doppelten Haushaltsführung sprechende Gründe sein:
- Der Arbeitgeber stellt dem Steuerpflichtigen eine kostenlose bzw. verbilligte Wohnmöglichkeit, die aufgrund der Größe und Ausstattung nicht den Familienbedürfnissen entspricht, zur Verfügung.
- Im gemeinsamen Haushalt am Familienwohnsitz wohnen unterhaltsberechtigte und betreuungsbedürftige Kinder und eine (Mit)Übersiedlung der gesamten Familie ist aus wirtschaftlichen Gründen unzumutbar.
- Bei der bevorstehenden Pensionierung ist davon auszugehen, dass der Steuerpflichtige
- höchstens noch fünf Jahre berufstätig sein und dann an den Familienwohnsitz zurückkehren wird (VwGH 26.11.96, 95/14/0124; 24.11.11, 2008/15/0296).
- Die erheblich höheren Lebenshaltungskosten in Österreich (VwGH 10.3.16, 2013/15/0146)].
Nach Lenneis/Jakom EStG, 11. Aufl. 2018, § 16 Rz 56, sind Familienheimfahrten die Fahrten zw Berufs- und Familienwohnsitz, also zwischen zwei Wohnungen. Es liegt sohin ein Sachverhalt vor, der grundsätzlich in den Bereich der privaten Lebensführung zu verweisen wäre. Steuerlich absetzbar werden diese Kosten daher nur dann, wenn die Voraussetzungen einer beruflich veranlassten doppelten Haushaltsführung vorliegen, und nur insoweit, als den Steuerpflichtigen ein Mehraufwand trifft und die durch § 20 Abs. 1 Z. 2 lit e EStG 1988 gesetzte Begrenzung mit dem höchsten Pendlerpauschale nicht überschritten wird. Die diesbezüglichen Fahrtkosten sind also keine Reisekosten iSd § 16 Abs. 1 Z 9 EStG 1988 oder § 4 Abs 5 EStG 1988.
Als Fahrtkosten sind jene Aufwendungen abzusetzen, die durch das tatsächlich benutzte Verkehrsmittel anfallen (Bahnkarte, Kfz-Kosten, Flugkosten). Über die anzuerkennende Häufigkeit der Familienheimfahrten bestehen keine gesetzlichen Regelungen (VwGH 8.2.07, 2004/15/0102), weshalb die anzuerkennende Anzahl der Familienheimfahrten im Einzelfall zu prüfen ist, wobei insbesonders die Distanz zwischen den beiden Wohnsitzen und die familiären Verhältnisse zu berücksichtigen sein werden (UFS 18.12.07, RV/1993- W/03). Bei einem verheirateten (in eheähnlicher Gemeinschaft oder in Gemeinschaft mit einem minderjährigen Kind lebenden) Steuerpflichtigen sind grundsätzlich die Kosten von wöchentlichen Familienheimfahrten zu berücksichtigen (VwGH 11.1.84, 81/13/0171 für die Strecke Wien-Salzburg). Bei einem alleinstehenden Steuerpflichtigen wird grundsätzlich das monatliche Aufsuchen des Heimatortes als ausreichend anzusehen sein, um dort nach dem Rechten zu sehen (VwGH 22.9.87, 87/14/0066). Voraussetzung ist, dass der alleinstehende Steuerpflichtige an diesem Heimatort über eine Wohnung verfügt; der Besuch der Eltern ist nicht als Familienheimfahrt zu werten.
Wöchentliche bzw. monatliche Familienheimfahrten sind mit Rücksicht auf die Entfernung (insbesonders ins Ausland) völlig unüblich, sodass nur eine geringere Anzahl von Familienheimfahrten steuerlich absetzbar ist (VwGH 11.1.84, 81/13/0171, 81/13/0185). Für Familienheimfahrten von 500 km je einfache Strecke Wien–Ort in Polen sind monatliche Familienheimfahrten angemessen (UFS 18.12.07, RV/1993-W/03). Die Höhe der absetzbaren Kosten ist durch § 20 Abs 1 Z 2 lit e EStG 1988 mit dem höchsten Pendlerpauschale gemäß § 16 Abs. 1 Z. 6 lit. d EStG 1988 begrenzt. Dabei ist diese jährliche Höchstgrenze gemäß § 16 Abs. 1 Z. 6 lit d EStG 1988 auf Monatsbeträge umzurechnen, wobei ein voller Monatsbetrag auch für angefangene Kalendermonate der auswärtigen (Berufs)Tätigkeit zusteht (VwGH 20.9.01, 98/15/0207). Steuerfreie bzw. nicht steuerbare Ersätze (z.B. des Arbeitgebers) für Tage der Familienheimfahrten (z.B. gemäß § 26 Z. 4 lit a S 2) sind von den dem Steuerpflichtiegn erwachsenden tatsächlichen Aufwendungen abzuziehen. Erst danach erfolgt die Kürzung auf den abzugsfähigen Höchstbetrag. Mit der Anerkennung der Kosten für Familienheimfahrten sind auch die Kosten für die Fahrten bei Beginn bzw. Ende einer auswärtigen Beschäftigung abgegolten und somit nicht zusätzlich zu berücksichtigen.
Nach htps: //www.bmf.gv. at /steuern/arbeitnehmer.../abc-der-werbungskosten.html kann ein Steuerpflichtiger für den Fall, dass der Beschäftigungsort vom Familienwohnsitz zu weit entfernt ist, um täglich nach Hause zu fahren (jedenfalls bei einer Entfernung von mehr als 80 km und wenn die Fahrzeit mit dem tatsächlich benutzten Verkehrsmittel mehr als eine Stunde beträgt), und der Abgabepflichtige somit eine Wohnung in der Nähe seines Arbeitsplatzes benötigt, die Aufwendungen für diese Wohnung als Werbungskosten geltend machen. Voraussetzung für die doppelte Haushaltsführung ist, dass der Steuerpflichtige zwei haushaltsführende Wohnsitze besitzt. Ein Dienstnehmer darf beispielsweise Miet- und Betriebskosten für eine zweckentsprechende angemietete Wohnung einschließlich der erforderlichen Einrichtungsgegenstände geltend machen oder Hotelkosten bis zu 2.200 € monatlich absetzen. Weiters können Aufwendungen für Familienheimfahrten bis zu einem Höchstbetrag von 306 Euro pro Monat als Werbungskosten geltend gemacht werden. Als Fahrtkosten sind die Aufwendungen für das jeweils benutzte Verkehrsmittel zu berücksichtigen (z.B. Bahnkarte, Kilometergeld). Verheiratete sowie in eingetragener Partnerschaft oder eheähnlicher Gemeinschaft (auch ohne Kind) Lebende können diese Werbungskosten auf Dauer absetzen, wenn die Partnerin/der Partner steuerlich relevante Einkünfte (mehr als 6.000 Euro jährlich oder mehr als ein Zehntel der Einkünfte der/des Steuerpflichtigen) erzielt. Ist die Partnerin oder der Partner nicht berufstätig, kann die doppelte Haushaltsführung in der Regel für eine Dauer von zwei Jahren beansprucht werden. Bei Alleinstehenden ist sie mit sechs Monaten befristet. In Ausnahmefällen (z.B. in Berufszweigen mit typischerweise hoher Fluktuation, wie im Baugewerbe; bei befristeten Arbeitsverhältnissen; wenn am Familienwohnsitz ein pflegebedürftiger Angehöriger lebt; bei ausländischem Familienwohnsitz – auch bei wesentlichem Kaufkraftunterschied oder bei fremdenrechtlichen Zuzugsbeschränkungen) kann auch ein längerer Zeitraum gerechtfertigt sein.
In verfahrensrechtlicher Hinsicht haben die Abgabenbehörden gemäß § 114 Abs. 1 BAO darauf zu achten, dass alle Abgabepflichtigen nach den Abgabenvorschriften erfasst und gleichmäßig behandelt werden, sowie darüber zu wachen, dass Abgabeneinnahmen nicht zu Unrecht verkürzt werden. Sie haben alles, was für die Bemessung der Abgaben wichtig ist, sorgfältig zu erheben und die Nachrichten darüber zu sammeln, fortlaufend zu ergänzen und auszutauschen.
Nach § 115 BAO haben die Abgabenbehörden die abgabepflichtigen Fälle zu erforschen und von Amts wegen die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse zu ermitteln, die für die Abgabepflicht und die Erhebung der Abgaben wesentlich sind. Diese Verpflichtung wird durch eine erhöhte Mitwirkungspflicht der Abgabepflichtigen, wie beispielsweise bei Auslandssachverhalten, eingeschränkt (§ 115 Abs. 1 BAO). Die Angaben der Abgabepflichtigen und amtsbekannte Umstände sind auch zugunsten der Abgabepflichtigen zu prüfen und zu würdigen (§ 115 Abs. 3 BAO).
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs trägt die Abgabenbehörde zwar die Feststellungslast für alle Tatsachen, die vorliegen müssen, um einen Abgabenanspruch geltend machen zu können, doch befreit dies die Partei nicht von ihrer Offenlegungs- und Mitwirkungspflicht (z.B. VwGH 28.1.1998, 95/13/0069; VwGH 7.6.2005, 2001/14/0187; VwGH 23.2.2010, 2007/15/0292).
Nach Ritz, BAO, 6.Aufl. 2017, § 115 Rz 9, findet die Pflicht zur amtswegigen Ermittlung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes dort ihre Grenze, wo nach Lage des Falles nur die Partei Angaben zum Sachverhalt machen kann (VwGH 25.10.1995, 94/15/0131, 94/15/0181; VwGH 15.12.2009, 2006/13/0136). Inwieweit eine solche Wechselwirkung besteht, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles.
Nach Ritz, BAO, 6. Aufl. 2017, § 115 Rz 10, und der dort zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs liegt eine erhöhte Mitwirkungspflicht der Partei (eine in den Hintergrund tretende amtswegige Ermittlungspflicht) u.a. dann vor, wenn Sachverhaltselemente ihre Wurzeln im Ausland haben; die Mitwirkungs- und Offenlegungspflicht ist in dem Maße höher, als die behördlichen Ermittlungsmöglichkeiten geringer sind (VwGH 23.2.1994, 92/15/0159; VwGH 26.7.2000, 95/14/0145). Diesfalls bestehe somit eine erhöhte Mitwirkungspflicht, eine Beweismittelbeschaffungspflicht und eine Vorsorgepflicht (vgl zB Loukota, Internationale Steuerfälle, Tz 429 ff; Kotschnigg, ÖStZ 1992, 84; VwGH 25.5.1993, 93/14/0019; VwGH 28.5.2009, 2008/15/0046).
Nach § 119 BAO sind die für den Bestand und Umfang einer Abgabepflicht oder für die Erlangung abgabenrechtlicher Begünstigungen bedeutsamen Umstände vom Abgabepflichtigen nach Maßgabe der Abgabenvorschriften offenzulegen. Die Offenlegung muss vollständig und wahrheitsgemäß erfolgen (§ 119 Abs. 1 BAO). Der Offenlegung dienen gemäß § 119 Abs. 2 BAO insbesondere die Abgabenerklärungen.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs bedeutet vollständig und wahrheitsgemäß offenlegen, der Abgabenbehörde nicht nur ein richtiges und vollständiges, sondern auch ein klares Bild von den für die Abgabenerhebung maßgeblichen Umständen zu verschaffen (VwGH 20.9.1989, 88/13/0072; OGH 18.12.1995, 14 Os 83/95, ÖStZB 1996, 445; VwGH 25.1.1999, 93/17/0313).
Was bei einer Abgabenerklärung zu einer vollständigen Offenlegung gehört, hat der Erklärungspflichtige in der Abgabenerklärung zunächst selbst nach bestem Wissen und Gewissen, dh nach der äußersten, ihm nach seinen Verhältnissen zumutbaren Sorgfalt zu beurteilen. Objektiv setzt die Vollständigkeit die Offenlegung aller für eine ordnungsgemäße Feststellung des Sachverhaltes notwendigen Tatsachen voraus (VwGH 11.4.1991, 90/16/0231).
Nach dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs vom 20.2.1991, 86/13/0047, beschränkt sich der Umfang der Offenlegungs- und Wahrheitspflicht keineswegs lediglich auf das Vorbringen unbewiesener Tatsachen. Umstände, die regelmäßig oder sogar ihrer Natur entsprechend nach außen nicht in Erscheinung treten, sind in erster Linie von demjenigen unter Beweis zu stellen, der ihr Vorliegen behauptet.
Tatsache ist, dass neben der Pflicht zur amtswegigen Sachverhaltsermittlung (§ 115 Abs. 1) durch die Abgabenbehörde Mitwirkungspflichten der Partei sowie Beweisvorsorgepflichten, beispielsweise im Zusammenhang mit Auslandssachverhalten bestehen (z.B. Kotschnigg, ÖStZ 1992, 84).
Als Beweismittel im Abgabenverfahren kommt gemäß § 166 BAO alles in Betracht, was zur Feststellung des maßgebenden Sachverhaltes geeignet und nach Lage des einzelnen Falles zweckdienlich ist.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zum § 166 BAO heißt beweisen, ein behördliches Urteil über die Gewissheit des Vorliegens einer entscheidungsrelevanten Tatsache herbeiführen (VwGH 14.12.1994, 93/16/0191; VwGH 28.6.1995, 89/16/0014).
Nach § 167 Abs. 2 BAO hat die Abgabenbehörde unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Abgabenverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht.
Nach ständiger Rechtsprechung zu § 167 Abs. 2 BAO genügt es, von mehreren Möglichkeiten jene als erwiesen anzunehmen, die gegenüber allen anderen Möglichkeiten eine überragende Wahrscheinlichkeit oder gar die Gewissheit für sich hat und alle anderen Möglichkeiten absolut oder mit Wahrscheinlichkeit ausschließt oder zumindest weniger wahrscheinlich erscheinen lässt (zB VwGH 23.9.2010, 2010/15/0078; VwGH 28.10.2010, 2006/15/0301; VwGH 26.5.2011, 2011/16/0011; VwGH 20.7.2011, 2009/17/0132).
Soweit die Abgabenbehörde die Grundlagen für die Abgabenerhebung nicht ermitteln oder berechnen kann, hat sie diese gemäß § 184 Abs. 1 BAO zu schätzen. Dabei sind alle Umstände zu berücksichtigen, die für die Schätzung von Bedeutung sind. Zu schätzen ist gemäß § 184 Abs. 2 BAO insbesondere dann, wenn der Abgabepflichtige über seine Angaben keine ausreichenden Aufklärungen zu geben vermag oder weitere Auskunft über Umstände verweigert, die für die Ermittlung der Grundlagen (Abs 1) wesentlich sind.
Aus folgenden Gründen war der angefochtene Bescheid abzuändern:
Für den Fall, dass ein Bauarbeiter am Arbeitsort unterzubringen ist, zählen insbesonders die Kosten für Unterbringung und Familienheimfahrten zu den abzugsfähigen Unterbringungskosten am Arbeitsort, weil nur die unvermeidbaren Mehraufwendungen als Werbungskosten in Betracht kommen, die einem Steuerpflichtigen dadurch erwachsen, dass er am Beschäftigungsort wohnen muss (VwGH 3.3.92, 88/14/0081; VwGH 23.5.00, 95/14/0096). Die Unzumutbarkeit der Verlegung des Familienwohnsitzes ist stets aus der Sicht des jeweiligen Streitjahres zu beurteilen (VwGH 26.11.96, 95/14/0124; 15.11.05, 2005/14/0039; 26.7.07, 2006/15/0047); ohne Belang ist, ob die Verlegung des Familienwohnsitzes bereits früher zumutbar gewesen ist oder nicht (VwGH 26.7.07, 2006/15/0047; 19.12.13, 2010/15/0124); die Gründe für die Beibehaltung sind daher jährlich von der Abgabenbehörde zu prüfen.
Tatsache ist, dass Beton ein chemisch instabiler Baustoff ist, dessen Beständigkeit von verschiedenen inneren und äußeren Einflüssen nachhaltig beeinflusst werden kann. Enthält die Abgabenerklärung des Bf. für das Jahr 2017 die handschriftliche Berufsangabe "Betonierer", so waren ständig wechselnde Arbeitsstätten des Bf. bei dessen beruflicher Tätigkeit anzunehmen.
Die vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellte kostenlose Wohnmöglichkeit, die aufgrund der Größe nicht den Familienbedürfnissen der Bf. im Streitjahr entsprochen hatte, das vom Dienstgeber ausgesprochene Verbot betreffend Mitnutzung der Wohnung des Bf. im Firmenquartier von Mitgliedern der Familie des Bf. sowie die Beschränkung des Zugangs für kroatische Staatsbürger am österreichischen Arbeitsmarkt waren für die Beibehaltung der doppelten Haushaltsführung im Jahr 2017 sprechende Gründe, aufgrund dieser der Antrag des Bf. auf Gewährung von Familienheimfahrtkosten für das Jahr 2017 dem Grunde nach berechtigt war.
Die Abstände, in denen steuerlich relevante Familienheimfahrten durchgeführt werden können, bestimmen sich generell nach dem, was als üblich oder im Interesse der Familie geboten angesehen werden kann. Bei geringerer Entfernung zwischen Arbeitsstätte und Familienwohnsitz (z.B. Wien- Salzburg) kann die wöchentliche Heimfahrt als üblich angesehen werden (VwGH 11.1.1984, 81/13/0171, 0185), bei größeren Entfernungen und körperlich anstrengenden Berufen werden meist längere Intervalle bei Pkw-Fahrten ohne Mitfahrer üblich sein.
Familienheimfahrten des Bf. waren im Interesse der Familie im Jahr 2017 zweifellos geboten, weil der Zugang für kroatische Arbeitskräfte zum österreichischen Arbeitsmarkt im Streitjahr beschränkt gewesen war und die beiden [gemeinsam mit ihrer pensionierten Mutter am Familienwohnsitz wohnhaften] erwachsenen Söhne des Bf. eigene Einkünfte gehabt hatten, die nicht für die Selbsterhaltung ausreichend waren, sodass seitens der erwachsenen Kinder des Bf. verringerte Ansprüche auf Unterhalt gegenüber den Eltern für das Jahr 2017 bestanden hatten.
Aufwendungen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte mit dem eigenen Pkw. oder mit Massenbeförderungsmittel bedürfen stets eines entsprechenden Nachweises bzw. der Glaubhaftmachung, damit sie mit dem durch § 20 Abs. 1 Z. 2 lit. e EStG 1988 mit dem höchsten Pendlerpauschale begrenzten Betrag berücksichtigt werden können. Fehlen Beweismittel des Bf. (z.B. Fahrtenbuch, Tankbelege, Bustickets, etc.), die Gewissheit über den tatsächlichen Anfall von Kosten für Familienheimfahrten in der durch § 20 Abs. 1 Z. 2 lit. e EStG 1988 mit dem höchsten Pendlerpauschale begrenzten und vom Bf. mit der Abgabenerklärung für das Streitjahr geltend gemachten Höhe verschaffen, so sind die Familienheimfahrtkosten in der Höhe des vom Bf. in der Einkommensteuererklärung 2017 eingetragenen Betrages nicht nachgewiesen.
Die Glaubhaftmachung der Kosten für Familienheimfahrten hat den Nachweis der Wahrscheinlichkeit zum Gegenstand und unterliegt wie eine Beweisführung den Regeln der freien Beweiswürdigung. Nach ständiger Rechtsprechung zu § 167 Abs. 2 BAO genügt es, von mehreren Möglichkeiten jene als erwiesen anzunehmen, die gegenüber allen anderen Möglichkeiten eine überragende Wahrscheinlichkeit oder gar die Gewissheit für sich hat und alle anderen Möglichkeiten absolut oder mit Wahrscheinlichkeit ausschließt oder zumindest weniger wahrscheinlich erscheinen lässt. Da der Bf. während seiner Beschäftigung unentgeltlich in einem lediglich 16 m2 (1 Zimmer) großen Firmenquartier untergebracht war, in welchem die (Mit-)Unterbringung von Familienangehörigen nicht gestattet war, Unterhaltsansprüche der mit der Ehegattin des Bf. am Familienwohnsitz in A-Stadt wohnhaften erwachsenen Kinder gegenüber den Bf. im Jahr 2017 bestanden hatten und der Zugang für kroatische Staatsbürger zum österreichischen Arbeitsmarkt beschränkt gewesen war, bestanden seitens des BFG keine Bedenken, Familienheimfahrtskosten in der gemäß § 184 BAO geschätzten Höhe von 1.224,00 € - dieser Betrag entspricht dem Pendlerpauschale gemäß § 16 Abs. 1 Z 6 lit. e EStG 1988 - anzuerkennen.
Der Sachverhalt und die Rechtsfolgen sind zwischen den Verfahrensparteien unstrittig.
Aufgrund der Aktenlage ergab die Berechnung der Einkommensteuer für das Jahr 2017 eine Gutschrift in Höhe von - 455,00 €.
Das Einkommen errechnete sich ausgehend von Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit iHv (24.309,21 € - 1.224,00 €=) 23.085,21 € nach Abzug der Sonderausgaben [Pauschbetrag für Sonderausgaben (60,00 €), Kirchenbeitrag (351,84 €)] mit 22.673,37 €.
Die Einkommensteuer für das Jahr 2017 war dadurch, dass die Steuer nach Abzug der Absetzbeträge [2.985,68 €] und die Steuer für die sonstigen Bezüge [291,97 €] einen Gesamtbetrag iHv 3.277,65 € ergeben hatte, auf den die Lohnsteuer iHv 3.732,57 € anrechenbar war, in Höhe von - 455,00 € festzusetzen.
Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.
Zulässigkeit einer Revision
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Im gegenständlichen Beschwerdefall ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig, da keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vorliegt. Auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes wird verwiesen.
Wien, am 6. April 2019
Zusatzinformationen | |
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Materie: | Steuer |
betroffene Normen: | § 16 Abs. 1 Z 6 lit. e EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
Schlagworte: | Familienheimfahrtskosten, Kroatische Staatsbürgerschaft, Zugangsbeschränkung von kroatischen Staatsbürgern auf den österreichischen Arbeitsmarkt |