VwGH 2004/15/0102

VwGH2004/15/01028.2.2007

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Zorn, Dr. Büsser und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schilhan, über die Beschwerde des Finanzamtes Bregenz in 6900 Bregenz, Brielgasse 19, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Feldkirch, vom 2. Juni 2004, GZ. RV/0316-F/03, betreffend Einkommensteuer 1998 bis 2002 (mitbeteiligte Partei: ST in B, vertreten durch Dr. Bertram Grass und Mag. Christoph Dorner, Rechtsanwälte in 6900 Bregenz, Bahnhofstraße 21), zu Recht erkannt:

Normen

BAO §115 Abs1;
BAO §119 Abs1;
BAO §184;
EStG §16 Abs1 Z6;
EStG §16 Abs1;
EStG §16;
EStG §20 Abs1 Z1;
EStG §20 Abs1 Z2 lita;
EStG §20 Abs1 Z2 lite;
EStG §33 Abs5 Z1;
EStG §4;
BAO §115 Abs1;
BAO §119 Abs1;
BAO §184;
EStG §16 Abs1 Z6;
EStG §16 Abs1;
EStG §16;
EStG §20 Abs1 Z1;
EStG §20 Abs1 Z2 lita;
EStG §20 Abs1 Z2 lite;
EStG §33 Abs5 Z1;
EStG §4;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde unter anderem über die Berufungen des Mitbeteiligten gegen die Bescheide des beschwerdeführenden Finanzamtes hinsichtlich Einkommensteuer der Jahre 1998 bis 2002 entschieden. Hiebei ist die belangte Behörde - soweit für das Beschwerdeverfahren von Bedeutung - davon ausgegangen, dass der Beschwerdeführer in den Streitjahren als Musiklehrer an verschiedenen Schweizer Musikschulen nichtselbständig erwerbstätig gewesen sei. Der Mitbeteiligte habe seinen Beruf im Rahmen von drei Dienstverhältnissen an drei verschiedenen Musikschulen in der Schweiz ausgeübt. Die Musikschulen in Flawil und in Rapperswil-Jona hätten öffentlich-rechtliche Rechtsträger während die dritte, die Jugendmusikschule Fürstenland in Gossau, einen privatrechtlichen Rechtsträger aufweise. Der Mitbeteiligte habe im Streitzeitraum seinen Familienwohnsitz in Bregenz und einen weiteren Wohnsitz in St. Gallen unterhalten. Die Schulorte seien von Bregenz 46, 51 und 94 Kilometer entfernt und in einer reinen Fahrzeit von 34, 43 und 151 Minuten zu erreichen. Von St. Gallen seien die Schulorte 8, 13 bzw. 56 km (in westlicher Richtung) entfernt. Die Unterrichtsverpflichtung an der privatrechtlichen Jugendmusikschule Fürstenland in Gossau betrage 15 Stunden, jene in Flawil 9,25 und in Rapperswil-Jona 7,25 Stunden. Zu diesen Unterrichtspensen kämen noch Arbeitszeiten im Rahmen von Vorspielübungen, Schülerkonzerten, Sitzungen und anderen schulischen Veranstaltungen. Die Unterrichtszeiten begännen regelmäßig um 08.00 Uhr, 09.00 Uhr, 09.20 oder 09.30 Uhr und endeten regelmäßig um 20.30 Uhr. Der Mitbeteiligte sei sowohl gelegentlich von Bregenz als auch von St. Gallen zu seinen Arbeitsorten gefahren; dies seit er im Jahre 1997 den Führerschein gemacht habe. Für die Aufenthaltsnahme des Mitbeteiligten in St. Gallen sei bestimmend die geringe Entfernung zu allen drei Arbeitsorten und die relativ späten und unregelmäßigen Arbeitszeiten sowie die seit 1982 faktisch und rechtlich gegebene Möglichkeit, dort relativ günstig zu nächtigen. Darüber hinaus seien hiefür von Bedeutung die im Schulbetrieb im Besonderen erforderliche Pünktlichkeit, die amtsbekannten Verkehrsverhältnisse auf der Strecke zwischen Hard und Bregenz, die einzukalkulierenden allfälligen Verzögerungen aus Anlass der Grenzüberschreitung und nicht zuletzt die von Bregenz aus geradezu unzumutbar weit entfernte Schule in Rapperswil-Jona. Vor dem 1. April 2000 sei dem Mitbeteiligten an relativ häufig wechselnden Adressen zum Teil bloß in Untermiete Wohnstätten zur Verfügung gestanden, zu deren zeitlicher Nutzung keine exakten Angaben mehr zu machen seien. Seit dem 1. April 2000 benütze der Mitbeteiligte ein nicht nur sehr günstiges (Miete inklusive Betriebskosen SF 290,--), sondern auch sehr einfaches, 20 m2 großes Appartement. Dieses sei ausgestattet mit Fernsehgerät und CD-Player sowie Kochnische. Dusche und WC seien ihm dort nicht zur alleinigen Verfügung gestanden. In dieser Wohnung halte sich der Mitbeteiligte fast nur zum Schlafen auf. Er habe in der Schweiz nachweislich Kosten getragen, die ihrer Art nach (Gesprächsgebühren, Mietaufwand, Bankspesen, Rundfunkgebühren) und auch dem Umfang nach für einen täglich nach Hause zurückkehrenden Grenzgänger nicht nur untypisch, sondern mit einer solchen Annahme geradezu unvereinbar seien. Die besonders ins Gewicht fallenden persönlichen Beziehungen des Mitbeteiligten lägen zweifelsfrei in Bregenz. Hier wohne und lebe er mit seiner Ehefrau, seinen Kindern und seiner Schwiegermutter im gemeinsamen Haushalt. Er verbringe hier nicht nur regelmäßig das Wochenende, sondern feiere auch gelegentlich unter der Woche Feste. Er halte sich auch ab und zu in den Ferien hier auf. In Bregenz werde ein repräsentatives Reihenhaus mit Garten und Garage genutzt. Die Bankschulden im Zusammenhang mit dem Erwerb dieses Hauses, welches im grundbücherlichen Eigentum seiner Ehefrau stehe, würden vom Mitbeteiligten bedient. Der Mitbeteiligte habe als Bürge den Erwerb dieses Objektes erst ermöglicht und die Fremdfinanzierung übernommen. Damit existiere auch eine starke wirtschaftliche Beziehung des Mitbeteiligten zu Österreich. Seine beruflichen Beziehungen lägen ausschließlich in der Schweiz. Über Vermögen in der Schweiz verfüge er allerdings nicht.

Im Rahmen des Erwägungsteiles führte die belangte Behörde aus, der Lebensmittelpunkt des Mitbeteiligten liege in Österreich, wo er exklusive persönliche, familiäre Beziehungen aber auch gewichtige wirtschaftliche Beziehungen unterhalte.

Österreich komme nach dem Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Schweizerischen Eidgenossenschaft zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern und Einkommen und vom Vermögen vom 30. Jänner 1974, BGBl. Nr. 64/1975 in der Fassung BGBl. Nr. 161/1995 (kurz: DBA-Schweiz) hinsichtlich der von den öffentlichen Kassen ausbezahlten Löhne das Besteuerungsrecht unter Anrechnungsverpflichtung zu. Arbeitstägliches Pendeln sei in diesem Zusammenhang nicht erforderlich.

Hinsichtlich des privatrechtlichen Dienstverhältnisses sei der Mitbeteiligte nicht üblicherweise an jedem Arbeitstag zwischen dem inländischen Familienwohnsitz und dem ausländischen Arbeitsort gependelt. Damit sei er nicht Grenzgänger im Sinne des DBA-Schweiz. Das habe zur Folge, dass nach dem DBA-Schweiz dem Tätigkeitsstaat das alleinige Besteuerungsrecht zukomme. Österreich als Ansässigkeitsstaat dürfe hinsichtlich dieser Einkünfte lediglich den Progressionsvorbehalt anwenden.

Als Werbungskosten im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung kämen Mehraufwendungen in Betracht, die dem Abgabepflichtigen dadurch erwachsen, dass er berufsbedingt einen Doppelwohnsitz führe. Das beschwerdeführende Finanzamt habe die Abzugsfähigkeit der geltend gemachten Aufwendungen allein im Hinblick auf die relativ geringe Entfernung zwischen dem Familienwohnsitz in Österreich und den Arbeitsorten in der Schweiz verneint. Bei dieser erstinstanzlichen Betrachtung blieben die unregelmäßigen, oft in die Abendstunden gehenden Arbeitszeiten, die wechselnden Arbeitsorte sowie das berufsspezifisch im Besonderen gegebene Pünktlichkeitserfordernis unberücksichtigt. Auch auf die amtsbekannten Straßen- und Verkehrsverhältnisse sowie die einzukalkulierenden Unwägbarkeiten beim Grenzübertritt sei ungenügend Bedacht genommen worden. Unter Berücksichtigung des bislang nicht Bedachten sei der Berufung in diesem Punkt stattzugeben und die geltend gemachten Aufwendungen anteilig, soweit auf die steuerpflichtigen öffentlich-rechtlichen Bezüge entfallend, anzuerkennen gewesen. Der Mitbeteiligte habe Berechnungen der Einkommensteuer der Jahre 1998 bis 2002 vorgelegt. Diese Berechnungen seien dem beschwerdeführenden Finanzamt zur Kenntnis gebracht worden. Das Finanzamt habe die vorgelegten Berechnungen nicht angezweifelt. Die belangte Behörde sei daher bei der Steuerberechnung von diesen Unterlagen ausgegangen. Lediglich bei den Sonderausgaben 1998 und 1999 seien Vorzeichenfehler korrigiert worden. Zum anderen seien die sonstigen Bezüge progressionsneutral behandelt worden. Die als Werbungskosten anerkannten Aufwendungen für die berufsbedingte doppelte Haushaltführung seien nur insoweit steuermindernd zum Ansatz gelangt, als sie mit steuerpflichtigen Einkünften im Zusammenhang stünden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde des Finanzamtes nach Vorlage der Verwaltungsakten und der Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde und Erstattung einer Gegenschrift durch die mitbeteiligte Partei erwogen:

Das beschwerdeführende Finanzamt wendet sich gegen die Berücksichtigung der Aufwendungen für die doppelte Haushaltsführung und die Familienheimfahrten sowie für Fahrtkosten vom Wohnsitz in St. Gallen zum Arbeitsort Rapperswil-Jona als Werbungskosten.

Mangels beruflicher Veranlassung der Begründung und der Beibehaltung des Familienwohnsitzes in Bregenz seien die Kosten der doppelten Haushaltsführung und der Familienheimfahrten nicht zu berücksichtigen. Der Mitbeteiligte habe 1982 eine Arbeitsstelle und eine Aufenthaltsbewilligung in der Schweiz und zwar in Flawil erhalten. Ab diesem Zeitpunkt habe er bzw. sein Arbeitgeber für ihn eine Wohnung in St. Gallen gemietet. Er sei zunächst von St. Gallen nach Wien gependelt, wo seine Ehefrau mit dem gemeinsamen Sohn und der Schwiegermutter gelebt habe. Die Ehefrau habe sich damals noch einer Ausbildung unterzogen. Ab Mai 1983 sei die Ehefrau ebenfalls in der Schweiz berufstätig geworden. Sie habe nicht in die Schweiz übersiedeln wollen und sei daher als "familiäre Kompromisslösung" ein Familienwohnsitz in Bregenz begründet worden. Der Familienwohnsitz sei sohin aus privaten Gründen von Wien nach Bregenz und nicht in die Schweiz verlegt worden. Dies gelte auch für die Beibehaltung dieses Familienwohnsitzes. Die Ehefrau des Mitbeteiligten habe zwar seit 1984 ein Beschäftigungsverhältnis in Vorarlberg angenommen und erziele seither Einkünfte im Sinn des § 2 Abs. 3 Z. 1 bis 4 EStG 1988 aus einer Erwerbstätigkeit in Höhe von mehr als S 20.000,-- jährlich.

Darüber hinaus sei nach Ansicht des beschwerdeführenden Finanzamtes dem Mitbeteiligten die tägliche Rückkehr von seinen Arbeitsorten in der Schweiz zum Familienwohnsitz in Bregenz zumutbar, weil Gossau 55,8 km, Flawil 65,2 km und Rapperswil 97,2 km von Bregenz entfernt seien. Arbeitsbeginn und Arbeitsende fielen nicht in die Verkehrsstoßzeiten. Sowohl Flawil als auch Gossau seien in unmittelbarer Nähe (ca. 5 km) der Autobahn St. Margarethen-Zürich. Aus diesen Gründen sei eine tägliche Rückkehr zum Familienwohnsitz als zumutbar anzusehen.

Werbungskosten sind nach § 16 Abs. 1 Satz 1 EStG 1988 Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen.

Nach § 20 Abs. 1 Z. 1 leg. cit. dürfen die für den Haushalt des Steuerpflichtigen und für den Unterhalt seiner Familienangehörigen aufgewendeten Beträge bei den einzelnen Einkünften nicht abgezogen werden, was nach § 20 Abs. 1 Z. 2 lit. a leg. cit. auch für Aufwendungen oder Ausgaben für die Lebensführung gilt, selbst wenn sie die wirtschaftliche oder gesellschaftliche Stellung des Steuerpflichtigen mit sich bringt und sie zur Förderung des Berufes oder der Tätigkeit des Steuerpflichtigen erfolgen.

Gemäß § 20 Abs. 1 Z. 2 lit. e leg. cit. sind nicht abzugsfähig Kosten der Fahrten zwischen Wohnsitz am Arbeits- (Tätigkeits‑)Ort und Familienwohnsitz (Familienheimfahrten), soweit sie den auf die Dauer der auswärtigen (Berufs‑)Tätigkeit bezogenen höchsten in § 16 Abs. 1 Z. 6 lit. c angeführten Betrag übersteigen (nach § 124a Z. 3 EStG 1988 für Lohnzahlungszeiträume, die nach dem 31. Dezember 1995 enden).

Aufwendungen für Familienheimfahrten des Arbeitnehmers von dem am Arbeitsort gelegenen Wohnsitz zum Familienwohnsitz sind unter jenen Voraussetzungen Werbungskosten, unter denen eine doppelte Haushaltsführung als beruflich veranlasst gilt. Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung ausgeführt hat, sind die Aufwendungen für Familienheimfahrten dann als Werbungskosten zu berücksichtigen, wenn die Arbeitsstätte vom Familienwohnort so weit entfernt ist, dass die tägliche Rückkehr nicht mehr zumutbar ist, die Arbeitsstätte somit außerhalb des Einzugsbereiches des Familienwohnsitzes liegt und deswegen im Dienstort ein weiterer Wohnsitz begründet werden muss (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 27. Jänner 2000, 96/15/0205, und vom 25. Februar 2003, 99/14/0340).

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Beibehaltung des Familienwohnsitzes aus der Sicht einer Erwerbstätigkeit, die in unüblicher Entfernung von diesem Wohnsitz ausgeübt wird, niemals durch die Erwerbstätigkeit, sondern immer durch Umstände veranlasst, die außerhalb dieser Erwerbstätigkeit liegen. Berufliche Veranlassung der mit einer doppelten Haushaltsführung verbundenen Mehraufwendungen des Steuerpflichtigen und deren daraus resultierende Qualifizierung als Werbungskosten liegt nach dieser ständigen Rechtsprechung nur dann vor, wenn dem Steuerpflichtigen die Verlegung des Familienwohnsitzes an den Ort seiner Beschäftigung nicht zuzumuten ist, wobei die Unzumutbarkeit unterschiedliche Ursachen haben kann. Solche Ursachen müssen aus Umständen resultieren, die von erheblichem objektiven Gewicht sind. Momente bloß persönlicher Vorliebe für die Beibehaltung des Familienwohnsitzes reichen nicht aus (vgl. etwa das Erkenntnis vom 22. November 2006, 2005/15/0011 m. w.N.). Der Grund, warum Aufwendungen für Familienheimfahrten dennoch als Werbungskosten berücksichtigt werden, liegt darin, dass derartige Aufwendungen so lange als durch die Erwerbstätigkeit veranlasst gelten, als eine Wohnsitzverlegung nicht zugemutet werden kann. Die Unzumutbarkeit kann ihre Ursachen sowohl in der privaten Lebensführung haben als auch in der weiteren Erwerbstätigkeit des Steuerpflichtigen oder in der Erwerbstätigkeit des Ehegatten. Solche Umstände können auch eine auf Dauer angelegte doppelte Haushaltsführung rechtfertigen (vgl. Hofstätter/Reichel, Die Einkommensteuer, Kommentar, § 16 Abs. 1 Z. 6, Tz 3, mit Hinweisen auf die hg. Rechtsprechung).

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist es Sache des Steuerpflichtigen, der die Beibehaltung des in unüblicher Entfernung vom Beschäftigungsort gelegenen Familienwohnsitzes als beruflich veranlasst geltend macht, der Abgabenbehörde die Gründe zu nennen, aus denen er die Verlegung des Familienwohnsitzes an den Ort der Beschäftigung als unzumutbar ansieht, ohne dass die Abgabenbehörde in einem solchen Fall verhalten ist, nach dem Vorliegen auch noch anderer als der vom Steuerpflichtigen angegebenen Gründe für die behauptete Unzumutbarkeit zu suchen. Die berufliche Veranlassung von Aufwendungen, denen nach dem ersten Anschein eine nicht berufliche Veranlassung zu Grunde liegt, ist vom Steuerpflichtigen darzustellen (vgl. auch hiezu das Erkenntnis vom 22. November 2006, 2005/15/0011, m.w.N.).

Vor dem Hintergrund dieser Rechtslage ist es nicht für rechtswidrig zu erkennen, wenn die belangte Behörde die Aufwendungen für die doppelte Haushaltsführung und die Familienheimfahrten als Werbungskosten anerkannt hat. Auszugehen ist von den in den Streitjahren bestehenden Verhältnissen, wonach der Mitbeteiligte in Bregenz den Familienwohnsitz und in St. Gallen einen weiteren Wohnsitz unterhalten hat. Am Familienwohnsitz leben seine Ehefrau, die Schwiegermutter und die Kinder. Seine Ehefrau geht in Vorarlberg einer Erwerbstätigkeit nach. Bereits diese unstrittigen Umstände zeigen, dass die Beibehaltung des Familienwohnsitzes in Bregenz als beruflich veranlasst anzusehen ist. Die Ehefrau des Beschwerdeführers geht hier seit Jahrzehnten einer Erwerbstätigkeit nach. Dieser Umstand rechtfertigt auch eine auf Dauer angelegte doppelte Haushaltsführung. Die Berufstätigkeit des Ehepartners am Ort des Familienwohnsitzes hat der Verwaltungsgerichtshof mehrfach als Grund für die Unzumutbarkeit einer Wohnsitzverlegung unter der Bedingung bejaht, dass der Ehepartner des Steuerpflichtigen aus seiner Berufstätigkeit nachhaltig Einkünfte nicht bloß untergeordneten Ausmaßes erzielt (siehe die bei Quantschnigg/Schuch, Einkommensteuer-Handbuch, § 16 Tz 102, und bei Doralt, EStG7, § 4 Tz 351, angeführten Nachweise). Dass diese Voraussetzungen im Beschwerdefall nicht gegeben wären, behauptet das beschwerdeführende Finanzamt nicht.

Die belangte Behörde hat auch die Unzumutbarkeit der täglichen Rückkehr zum Familienwohnsitz für alle drei Beschäftigungsverhältnisse des Mitbeteiligten in der Schweiz umfassend begründet. Das beschwerdeführende Finanzamt führt dagegen die Entfernung der einzelnen Arbeitsorte von Bregenz, Beginn und Ende der Arbeitszeit und dem Umstand ins Treffen, dass Flawil und Gossau in unmittelbarer Nähe der Autobahn St. Margarethen/Zürich lägen.

Mit diesem Vorbringen zeigt das Finanzamt keine Rechtswidrigkeit auf. Die bloße Angabe der Entfernung des Arbeitsortes vom Familienwohnsitzes reicht nicht aus, um die Zumutbarkeit der täglichen Rückkehr begründen zu können. Über die Art der Wegstrecke wird durch den Hinweis, dass Flawil und Gossau in unmittelbarer Nähe (5 km) zur Autobahn St. Margarethen/Zürich lägen, nichts dargetan. Über die Beschaffenheit der Wegstrecke zum Arbeitsort Rapperswil-Jona wird überhaupt nichts vorgetragen.

Dem gegenüber hat die belangte Behörde auf die Erfordernisse des Schulbetriebes hinsichtlich Pünktlichkeit, Beginn und Ende der Arbeitszeit sowie auf die "amtsbekannten" Verkehrsverhältnisse auf der Strecke Hard-Bregenz und die einzukalkulierenden allfälligen Verzögerungen aus Anlass der Grenzüberschreitung hingewiesen. Gegen solche Umstände hat das Finanzamt in der Beschwerde nichts vorgebracht.

Das Finanzamt wendet sich auch gegen die Höhe der Aufwendungen für die doppelte Haushaltsführung in dem es darauf hinweist, dass in gewissen Zeiten der Mitbeteiligte bei Bekannten oder Freunden gewohnt hat und dafür der Nachweis von Kosten nicht erbracht worden sei. Auch habe der Mitbeteiligte für den übrigen Zeitraum nicht lückenlos den Nachweis einer Mietzinszahlung erbracht.

Dem gegenüber hat die belangte Behörde die geltend gemachten Mietaufwendungen als Werbungskosten für glaubhaft gemacht angesehen und deren Höhe zum Teil geschätzt. Wenn die belangte Behörde hiebei nicht von einer exakten monatsweisen Ermittlung des Aufwandes für die doppelte Haushaltsführung ausgegangen ist, sondern auf Grund der nachgewiesenen Aufwendungen auch für Zeiten, in denen keine exakten Nachweise vorliegen, von ähnlichen Beträgen ausgegangen ist, kann darin keine Rechtswidrigkeit erblickt werden. Werbungskosten sind nämlich grundsätzlich von Amts wegen zu berücksichtigen. Mangels eines Nachweises sind Werbungskosten nicht gänzlich unberücksichtigt zu lassen, sondern zu schätzen (vgl. Quantschnigg/Schuch, Einkommensteuer-Handbuch, § 16 Tz 14). Die Aufwendungen für die doppelte Haushaltsführung sind daher dem Grunde und der Höhe nach zu Recht anerkannt worden.

Das Finanzamt wendet sich auch gegen die Höhe der Aufwendungen für die Familienheimfahrten mit der Behauptung, die Strecke Bregenz-St. Gallen betrage nur 38 km und nicht 45 km und überdies dauere der Schulbetrieb in der Schweiz höchstens an 40 Wochen. Der Ansatz von 45 km sowie die Anzahl der Heimfahrten von 52 sei sohin unrichtig.

Auch damit kann das Finanzamt keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzeigen. Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die belangte Behörde die geltend gemachten Aufwendungen nur anteilig, nämlich soweit sie auf die steuerpflichtigen öffentlich-rechtlichen Bezüge entfallen, anerkannt hat. Weiters ist zu beachten, dass mit dem Strukturanpassungsgesetz 1996 die Abzugsfähigkeit für Aufwendungen für die Familienheimfahrten der Höhe nach eingeschränkt wurde und zwar mit Wirksamkeit ab dem Kalenderjahr 1996. Der Fahrtaufwand wurde demnach der Höhe nach mit dem höchsten Pendlerpauschale begrenzt. Gesetzliche Regelungen über die anzuerkennende Häufigkeit der Familienheimfahrten bestehen nicht. Die belangte Behörde hat darauf verwiesen, dass die Ermittlung dieser Aufwendungen ein Akt der Schätzung war. Der Einwand des Finanzamtes, dass eine Strecke nicht 45 km sondern nur 38 km beträgt, erweckt keine Zweifel am Schätzungsergebnis, weil die Fahrtstrecke zwischen zwei Punkten, die in zwei sich über eine nicht unerhebliche Fläche erstreckenden Städte liegen, zu schätzen ist. Im Übrigen wird nicht behauptet, dass sich bei der Wahl einer allenfalls kürzeren Route die Fahrzeit wesentlich verkürzt.

Die belangte Behörde hat 52 Familienheimfahrten im Jahr angenommen. Der Hinweis in der Beschwerde, dass die belangte Behörde auf arbeits- (unterrichts-)freie Zeiten wie z.B. Urlaub nicht Bedacht genommen hat, zeigt keine Rechtswidrigkeit der Schätzung auf. Die belangte Behörde ist davon ausgegangen, dass neben den Unterrichtspensen auch noch Arbeitszeiten im Rahmen von Vorspielübungen, Schülerkonzerten, Sitzungen und anderen schulischen Veranstaltungen anfallen. Ausgehend von diesem Arbeitsumfang ist die tatsächliche Arbeitszeit pro Jahr nicht nur von der Anzahl der Unterrichtsstunden und deren zeitlichen Lagerung abhängig. Da nicht auszuschließen ist, dass die anderen Arbeitsverpflichtungen, wie z.B. Schülerkonzerte, außerhalb der Unterrichtswochen stattfinden, kann im Schätzungsergebnis der belangten Behörde keine Rechtswidrigkeit erblickt werden.

Das Finanzamt wendet sich gegen die Berücksichtigung von Kilometergeldern für die Fahrten vom Wohnsitz in St. Gallen zum Arbeitsort Rapperswil-Jona sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach. Es bringt vor, dass es sich hiebei nicht um Fahrten zwischen verschiedenen Arbeitgebern handelt, sondern vom Zweitwohnsitz in St. Gallen zum Arbeitgeber in Rapperswil. An diesem Arbeitstag werde der Mitbeteiligte für die anderen Arbeitgeber nicht tätig. Aufwendungen zwischen dem Wohnort und dem Arbeitsplatz seien nicht durch Kilometergelder abzugelten. Darüber hinaus habe die belangte Behörde diesen Aufwand für 46 Fahrten (eine pro Woche) angesetzt. Sie habe jedoch nicht berücksichtigt, dass nach dem Ferienplan der Schweizer Schulen der Ansatz von sechs Wochen Urlaub jedenfalls zu gering ist.

Dieses Vorbringen ist im Ergebnis begründet:

Die Berücksichtigung der Aufwendungen des Arbeitnehmers für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte erfolgt durch die Regelung des Verkehrsabsetzbetrages nach § 33 Abs. 5 Z. 1 EStG 1988 und die Pauschbeträge nach § 16 Abs. 1 Z. 6 leg. cit. Bei mehreren Dienstverhältnissen steht der Verkehrsabsetzbetrag nur einmal zu. Ein zusätzliches (zweites) Pendlerpauschale steht für ein weiteres Dienstverhältnis nur dann zu, wenn dadurch im Lohnzahlungszeitraum überwiegend das Zurücklegen zusätzlicher Wegstrecken (zwischen Wohnung und Arbeitsstätte) verursacht wird. In diesem Fall ist für die Zuerkennung des Pendlerpauschales bei jedem Dienstverhältnis die jeweilige Wegstrecke Wohnung-Arbeitsstätte maßgeblich. Über die Aufwendungen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte hinausgehende Aufwendungen eines Dienstnehmers für Fahrten zwischen verschiedenen Arbeitsstätten führen in ihrer tatsächlichen Höhe, in der Regel bemessen mit dem Kilometergeld, zu Werbungskosten (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. November 2006, 2004/15/0130, m.w.N.).

Die belangte Behörde räumt in der Gegenschrift ein, dass es sich bei den in Rede stehenden Fahrten um solche zwischen der Wohnung in St. Gallen und dem Arbeitsort Rapperswil-Jona handelt und nicht um Fahrten zwischen zwei Arbeitsorten des Mitbeteiligten. Die Aufwendungen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsort werden - wie dargestellt - mit dem Verkehrsabsetzbetrag und - bei Vorliegen der Voraussetzungen - dem Pendlerpauschale gemäß § 16 Abs. 1 Z. 6 EStG 1988 abgegolten. Im Beschwerdefall liegen zwar die Wohnung und die Arbeitsstätte des Mitbeteiligten im Ausland, doch sind keine Anhaltspunkte dafür zu finden, dass das für solche Aufwendungen im Inland zu berücksichtigende Pendlerpauschale nicht auch im benachbarten Ausland zuzuerkennen wäre, zumal die diesbezüglichen Verhältnisse gleich gelagert sind. Anzumerken ist, dass das hg. Erkenntnis vom 18. Dezember 1990, 90/14/0132, nicht nur von anders gelagerten Verhältnissen im Ausland ausgegangen, sondern auch zu einer anderen Rechtslage erflossen ist.

Da die belangte Behörde in Verkennung der Rechtslage den Mitbeteiligten als Ersatz seiner diesbezüglichen Fahrtaufwendungen das Kilometergeld zuerkannt hat, an Stelle die Voraussetzungen des Pendlerpauschales zu prüfen, hat sie ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet; dieser war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Wien, am 8. Februar 2007

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