Normen
EStG §16 Abs1;
EStG §20 Abs1 Z1;
EStG §20 Abs1 Z2 lita;
EStG §4 Abs4;
EStG §16 Abs1;
EStG §20 Abs1 Z1;
EStG §20 Abs1 Z2 lita;
EStG §4 Abs4;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von 1.326,40 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer beantragte im Rahmen der Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr 2006 die Kosten der doppelten Haushaltsführung (Miet-, Betriebs- und Einrichtungskosten der Wohnung am Beschäftigungsort, Familienheimfahrten) als Werbungskosten zu berücksichtigen.
Begründend führte er aus, dass er sein im Jahr 1999 an der TU Wien begonnenes Studium der technischen Chemie im Sommersemester 2005 mit der Diplomprüfung abgeschlossen und ab 1. Dezember 2005 an der TU Graz mit seiner Doktorarbeit in technischer Chemie begonnen habe, wofür er als wissenschaftlicher Projektmitarbeiter von der TU Graz einen auf zwei Jahre befristeten Arbeitsvertrag erhalten habe. Sein Arbeitsort liege daher "zur Zeit zu einem großen Teil" in der Steiermark, "aber auch in Wien", weil er seit Oktober 2005 an der BOKU Wien für ein weiteres Studium inskribiert sei. Er sei Hauptmieter einer in Wien gelegenen Genossenschaftswohnung, die er im Streitjahr gemeinsam mit seiner Schwester als Hauptwohnsitz bewohnt habe.
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid anerkannte die belangte Behörde Aufwendungen für eine doppelte Haushaltsführung lediglich für eine Übergangszeit von sechs Monaten. Nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens wird sachverhaltsbezogen ausgeführt, der Beschwerdeführer sei ledig und kinderlos. Er habe im Jahr 2006 an seinem Beschäftigungsort eine Mietwohnung von 56,71 m2 Größe bezogen, bei welcher nicht erkennbar sei, dass sie seinen Wohnbedürfnissen weniger entspräche als die - gemeinsam mit seiner Schwester bewohnte - Wiener Wohnung, die eine Größe von 87,48 m2 aufweise. Solcherart liege es nahe, dass der Beschwerdeführer seinen Hauptwohnsitz (unabhängig von den Angaben gegenüber den Meldebehörden) tatsächlich bereits Anfang Jänner 2006 an den Beschäftigungsort verlegt habe. Somit könnten schon aus diesem Grund die Kosten der Haushaltsführung am Beschäftigungsort und der Fahrten zur Wohnung nach Wien nicht zu Werbungskosten führen.
Dazu komme, dass der Beschwerdeführer selbst mit Aufgabe der Mietwohnung im Dezember 2006 auch "offiziell" seinen Hauptwohnsitz an seinen Beschäftigungsort verlegt und damit klar dokumentiert habe, dass es ihm trotz der Befristung seines Dienstverhältnisses nicht unzumutbar gewesen sei, seine Wohnung in Wien aufzugeben. Dies träfe auch auf die anderen vom Beschwerdeführer geltend gemachten Gründe für die Beibehaltung seines Wohnsitzes in Wien zu: Das Studium an der BOKU sei Teil der privaten Lebensführung des Beschwerdeführers und das Abwarten des Zeitpunktes für die Aufgabe der Mietwohnung in Wien beträfe ausschließlich die privaten Lebensumstände der Schwester.
Wiewohl daher keine unmittelbar berufliche Veranlassung zur Beibehaltung der Wiener Wohnung bestanden habe, könne nicht darüber hinweggesehen werden, dass der Beschwerdeführer das Mietverhältnis nur zum Ende jedes Kalenderquartals unter Einhaltung einer vierteljährlichen Kündigungsfrist hätte kündigen können. Dies wäre gegenständlich frühestens mit 30. Juni 2006 möglich gewesen, weshalb sechs Monate zu je 85,50 EUR (insgesamt 513 EUR) und sechs Bahnfahrten (hin und retour) als Werbungskosten zu berücksichtigen seien.
Auf "Basis dieser Sach- und Rechtslage (habe) sich daher jede Auseinandersetzung mit den weiteren Berufungsargumenten" des Beschwerdeführers erübrigt.
Gegen diesen Bescheid wendet sich die Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Haushaltsaufwendungen oder Aufwendungen für die Lebensführung sind gemäß § 20 Abs. 1 Z 1 EStG 1988 grundsätzlich nicht als Werbungskosten oder Betriebsausgaben abziehbar. Lediglich unvermeidbare Mehraufwendungen, die dem Abgabepflichtigen dadurch erwachsen, dass er am Beschäftigungsort wohnen muss und ihm die Verlegung des (Familien)Wohnsitzes an den Beschäftigungsort ebenso wenig zugemutet werden kann wie die tägliche Rückkehr zum (Familien)Wohnsitz, sind als beruflich bzw. betrieblich bedingte Mehraufwendungen bei jener Einkunftsart abzuziehen, bei der sie erwachsen sind (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. Mai 2010, 2007/13/0095).
Der Verwaltungsgerichtshof hat wiederholt erkannt, dass die Beibehaltung eines (Familien)Wohnsitzes aus der Sicht der Erwerbstätigkeit, die in unüblich weiter Entfernung von diesem Wohnsitz ausgeübt wird, nicht durch die Erwerbstätigkeit, sondern durch Umstände veranlasst ist, die außerhalb der Erwerbstätigkeit liegen. Der Grund, warum Aufwendungen für Familienheimfahrten dennoch als Betriebsausgaben oder Werbungskosten bei den aus der Erwerbstätigkeit erzielten Einkünften Berücksichtigung finden, liegt darin, dass derartige Aufwendungen solange als durch die Einkunftserzielung veranlasst gelten, als dem Steuerpflichtigen eine Wohnsitzverlegung in übliche Entfernung vom Ort der Erwerbstätigkeit nicht zugemutet werden kann. Die Unzumutbarkeit der Verlegung des ständigen Wohnsitzes an den Ort der Beschäftigung kann die verschiedensten Ursachen haben und sich auch aus Umständen der privaten Lebensführung ergeben (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 20. September 2007, 2006/14/0038).
Die Wohnsitzverlegung ist auch einem alleinstehenden Steuerpflichtigen unzumutbar, wenn der Verbleib am Tätigkeitsort nur von (nach den Umständen gemessen) kurzer Dauer sein wird, weil das Beschäftigungsverhältnis zeitlich befristet und nach den Umständen des Einzelfalles von einer Rückkehr an den Hauptwohnsitz auszugehen ist (vgl. zu einem auf vier bzw. fünf Jahren angelegten Ausbildungsverhältnis das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 7. September 1993, 93/14/0081).
Der Beschwerdeführer hat auf die Befristung seiner auswärtigen Tätigkeit hingewiesen und schon im Verwaltungsverfahren eine Reihe von Umständen ins Treffen geführt, die dafür sprachen, dass er nach Ende des mit zwei Jahren veranschlagten Projektes tatsächlich wieder an seinen ständigen Wohnort zurückkehren werde (neben dem Studium an der BOKU vor allem die Art der Beschäftigung, die auf die Abfassung einer Dissertation ausgerichtet war). In der Beschwerde ergänzt er dieses Vorbringen mit Ausführungen zu seiner erheblichen Körperbehinderung, die zum einen eine Bezugsperson erforderlich mache, welche er seinerzeit in Person seiner Schwester gehabt habe, und zum anderen mit Hinweisen auf die in Wien vorhandenen besseren Chancen zur Berufseingliederung im Bereich der öffentlichen Verwaltung. Tatsächlich sei der Beschwerdeführer nach zweimonatiger Verlängerung des Arbeitsvertrages mit der TU Graz seit Mai 2008 nunmehr in Wien bei einem näher bezeichneten Amt tätig.
Die belangte Behörde hat der Befristung des Arbeitsverhältnisses im Beschwerdefall keine Bedeutung beigemessen, weil der Beschwerdeführer die bisherige "Familienwohnung" Ende 2006 tatsächlich aufgegeben habe. Sie hat es aber unterlassen, sich mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers auseinanderzusetzen, wonach sich die Verhältnisse durch den Auszug der Schwester aus der gemeinsamen Wohnung wesentlich geändert hätten. Dass diese Umstände dem privaten Bereich des Beschwerdeführers zuzurechnen sind, trifft wohl zu, ändert nach dem Gesagten aber nichts daran, dass auch derartige Umstände bei Prüfung der Zumutbarkeit der Wohnsitzverlegung zu berücksichtigen sind. Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt erkannt hat, kann sich die Unzumutbarkeit der Verlegung des ständigen Wohnsitzes in den Bereich des Berufsortes nämlich auch aus Umständen der privaten Lebensführung ergeben (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. September 2007, 2006/14/0038). Insofern hat die belangte Behörde die Rechtslage verkannt.
Soweit sich der angefochtene Bescheid darauf stützt, es liege nahe, dass die Wohnsitzverlegung des Beschwerdeführers ohnedies bereits Anfang Jänner 2006 erfolgt sei, erweist sich diese Feststellung, die sich nur auf die Größe der Wohnung am Beschäftigungsort von rund 57 m2 stützt und der vom Beschwerdeführer damit begegnet wird, dass eine billigere Wohngelegenheit am Beschäftigungsort nach der Lage der Dinge gar nicht zu bekommen gewesen wäre, nicht als Ergebnis schlüssiger Beweiswürdigung.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandsersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Wien, am 24. November 2011
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