Rechtssatz
1.) Nicht jede von einem Beamten amtlich ausgestellte Urkunde ist eine "öffentliche" im Sinne §§ 224, 228, 311 StGB, sondern nur eine solche, der ihrer Art, ihrem Inhalt und ihrer (spezifischen) rechtlichen Zweckbestimmung nach eben deswegen, weil sie von einem Beamten kraft Amts ausgestellt wurde, erhöhte Bestandsgarantie (Beweisgarantie) zukommt.
2.) Für die Beurteilung einer Urkunde als "öffentliche" kommt es (abgesehen von einer ausdrücklichen Erklärung des Gesetzgebers) nicht allein auf formelle, in der rechtlichen Beschaffenheit des Ausstellers gelegene Kriterien an, sondern darüber hinaus auf die inhaltlich-materielle Bedeutung dessen, was beurkundet wird; erst darin liegt der Grund für den besonderen strafrechtlichen Schutz.
12 Os 145/81 | OGH | 04.11.1982 |
Veröff: EvBl 1983/79 S 302 = SSt 53/68 = JBl 1983,386 (mit zustimmender Anmerkung von Kienapfel) = RZ 1983/25 S 73 |
13 Os 56/83 | OGH | 22.09.1983 |
Beisatz: Urkunden die im Rahmen der Hoheitsverwaltung nicht primär für den Verkehr nach außen, sondern bloß zur gegenseitigen Information amtlicher Stellen bestimmt sind, sind zwar amtliche, nicht aber öffentliche Urkunden im Sinne des Strafgesetzbuches (hier: Aktenvermerk eines Betriebsprüfers - § 89 BAO). (T1) |
13 Os 170/83 | OGH | 12.01.1984 |
nur: Für die Beurteilung einer Urkunde als "öffentliche" kommt es (abgesehen von einer ausdrücklichen Erklärung des Gesetzgebers) nicht allein auf formelle, in der rechtlichen Beschaffenheit des Ausstellers gelegene Kriterien an, sondern darüber hinaus auf die inhaltlich-materielle Bedeutung dessen, was beurkundet wird; erst darin liegt der Grund für den besonderen strafrechtlichen Schutz. (T2) <br/>Beis wie T1 |
13 Os 15/84 | OGH | 23.05.1984 |
Vgl auch; Beisatz: Abgrenzung der Hoheitsverwaltung von der Wirtschaftsverwaltung auf grund materiell-inhaltlicher Merkmale bei jedem einzelnen Vollzugsakt. (T3) <br/>Veröff: EvBl 1985/42 S 188 = SSt 55/34 = JBl 1985,55 (Anmerkung Liebscher) = RZ 1984/97 S 284 (Anmerkung Kienapfel) |
9 Os 131/85 | OGH | 11.12.1985 |
Beisatz: Urkunden, die zwar von einem Beamten errichtet werden, aber in gleicher oder ähnlicher Weise im privaten Rechtsverkehr auch von einem Nichtbeamten ausgestellt werden, sind deshalb keine öffentlichen Urkunden in strafrechtlichen Sinn. (T4) <br/>Veröff: EvBl 1986/124 S 472 = SSt 56/98 |
12 Os 160/86 | OGH | 10.12.1987 |
Beisatz: Ergibt sich daraus - und nicht etwa bloß aus der Vergleichbarkeit des äußeren Beurkundungsvorgangs - eine Urkundenfunktion als Ausdruck staatlicher Autorität, welche größeres Vertrauen der Allgemeinheit auf die Echtheit und die inhaltliche Richtigkeit bewirkt, so liegt eine mit Anspruch auf erhöhten Echtheitsschutz und strafrechtlichen Wahrheitsschutz versehene öffentliche Urkunde vor. (T5) <br/>Veröff: SSt 58/86 |
15 Os 105/87 | OGH | 06.11.1987 |
nur: Nicht jede von einem Beamten amtlich ausgestellte Urkunde ist eine "öffentliche" im Sinne §§ 224, 228, 311 StGB, sondern nur eine solche, der ihrer Art, ihrem Inhalt und ihrer (spezifischen) rechtlichen Zweckbestimmung nach eben deswegen, weil sie von einem Beamten kraft Amts ausgestellt wurde, erhöhte Bestandsgarantie (Beweisgarantie) zukommt. (T6) <br/>Beisatz: Im Einzelfall kann auch bei nur für den dienstinternen Bereich bestimmten Urkunden ein qualifizierter strafrechtlicher Echtheitsschutz und Wahrheitsschutz bestehen. (T7) |
13 Os 130/90 | OGH | 04.09.1991 |
Beisatz: Eine bloß der internen Abrechnung dienenden Überstundenliste ist keine öffentliche Urkunde. (T8) |
13 Os 31/03 | OGH | 30.04.2003 |
nur T6; Beisatz: Dient eine Äußerung der Gemeinde der Prüfung und Abwägung einander widerstreitender öffentlicher Interessen (hier nach dem Krnt NaturschutzG), so kann sie nicht als Ausübung bloßer Privatwirtschaftsverwaltung angesehen werden; das Anhörungsrecht der Gemeinde ist sohin hoheitlicher Natur. Einer Bestätigung des Bürgermeisters als des zur Vertretung der Gemeinde nach außen befugten Beamten kommt nach Art und Inhalt eine wesentlich höhere (Echtheits- und) Beweisgarantie zu als einer gleichartigen Privaturkunde. (T9) |
17 Os 8/13z | OGH | 30.09.2013 |
Vgl; Beisatz: Unter einer öffentlichen Urkunde im Sinn des § 311 StGB sind nur mit qualifizierter Beweiskraft ausgestattete Urkunden zu verstehen, die ein Beamter innerhalb seiner Amtsbefugnisse oder eine mit öffentlichem Glauben versehene Person innerhalb des ihr zugewiesenen Geschäftskreises in der vorgeschriebenen Form errichtet hat. Die Urkunde muss dabei für den Verkehr nach außen bestimmt sein und dem Zweck dienen, volle Beweiskraft für und gegen jedermann zu erbringen. Dagegen sind von Beamten (sogar) im Rahmen der Hoheitsverwaltung ausgestellte Urkunden dann keine öffentlichen Urkunden, wenn sie bloß der Ordnung, Erleichterung oder Kontrolle des inneren Dienstes, der gegenseitigen Information amtlicher Stellen oder der amtlichen Verlautbarung dienen, sich mithin nicht mit staatlicher Autorität nach außen wenden (sog „schlichte amtliche Urkunden“). Maßgebend ist stets der konkrete rechtliche Inhalt und die besondere rechtliche Zweckbestimmung der jeweiligen Urkunde. (T10)<br/>Beisatz: Da es sich beim Verständigungszettel „Lager Nr. 127“ (von straßenverkehrsrechtlicher Beanstandung) um eine in der Verwaltungsformularverordnung nicht geregelte Drucksorte handelt, der bloße Verständigungsfunktion zukommt, ist mangels umfassender Beweiswirkung von einer schlichten Amtsurkunde auszugehen. (T11) |
17 Os 2/14v | OGH | 12.05.2014 |
Vgl; Beis ähnlich wie T10; Beisatz: Für die Annahme, dass die Ausstellung einer „Amtsbestätigung“ hinsichtlich des ladungsgemäßen „Erscheinens“ des Beschuldigten zu einer Verhandlung (§ 51e VStG idF vor BGBl I 2013/33) und des „Entlassungszeitpunkts“ zum hoheitlichen Aufgabenbereich des UVS Vorarlberg gehörte, geben weder das Gesetz noch die Verwaltungsformularverordnung BGBl II 1999/508 etwas her. (T12)<br/>Beisatz: Der Eingangsvermerk beweist bloß die Tatsache und den Zeitpunkt des Einlangens behördlicher Eingaben, was bei fristgebundenen Eingaben die amtliche Überprüfung der Rechtzeitigkeit ermöglicht. Er richtete sich ‑ ungeachtet seiner besonderen Beweisfunktion ‑ nicht nach außen, sondern dient bloß amtlicher Information. Damit stellt er aber keine öffentliche Urkunde im Sinn der §§ 224, 311 StGB dar. (T13) |
11 Os 103/17g | OGH | 13.09.2017 |
Auch; Beisatz: Sprachdiplome und Kurszeugnisse gemäß § 9b Abs 2 Z 4 NAG‑DV zum Nachweis von Kenntnissen der deutschen Sprache iSd § 21a Abs 1 NAG sind nicht mit erhöhter Beweisgarantie ausgestattet, weil die Behörde bei Zweifeln über die geforderten Deutschkenntnisse weiterführende Ermittlungen anzustellen bzw den Drittstaatsangehörigen aufzufordern hat, zusätzliche Bescheinigungsmittel vorzulegen. (T14) |
14 Os 40/19t | OGH | 07.10.2019 |
Vgl; Beisatz: Hier: Beim Protokoll über die Sitzung des Gemeindevorstands handelt es sich in Bezug auf den hier relevanten Sachverhalt um eine öffentliche Urkunde. Denn es wurde von Beamten im Rahmen ihrer Amtsbefugnisse in der vorgeschriebenen Form errichtet und betraf in der Beschlussfassung über die Besoldung in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis eine Angelegenheit der Hoheitsverwaltung. (T15) |
Dokumentnummer
JJR_19821104_OGH0002_0120OS00145_8100000_002
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