OGH 13Os46/06y (RS0120890)

OGH13Os46/06y13.9.2017

Rechtssatz

Zwar trifft die Rügeobliegenheit den Angeklagten selbst trotz sinnlicher Wahrnehmung eines Nichtigkeit begründenden Vorgangs nur dann, wenn er über dessen rechtliche Implikationen wenigstens so weit Bescheid weiß, dass er, auch ohne juristische Fachkenntnis zu besitzen, den rechtlichen Sinnzusammenhang nach Art eines Aha-Erlebnisses versteht. Ein rechtskundiger Verteidiger aber kann sich auf mangelnde Rechtskenntnisse nicht berufen, sodass das, was sich während der Hauptverhandlung in Anwesenheit des Verteidigers ereignet, jedenfalls in dessen Kenntnis gelangt.

Normen

StPO §281 Abs1 Z1

13 Os 46/06yOGH14.06.2006
13 Os 115/09zOGH17.12.2009

Vgl aber; Beisatz: Im vorliegenden Fall kann selbst bei den rechtskundigen Verteidigern nicht einfach von der erforderlichen Kenntnis der prozessualen Rechtslage ausgegangen werden, weil die Besetzungsänderung von einem im Rechtsinformationssystem des Bundes zur Verfügung gestellten Einführungserlass begleitet wurde, der den Rechtsanwender über deren Konsequenzen für Hauptverfahren über im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Novelle bereits rechtswirksame Anklageschriften in die Irre führte, ohne den Unterschied von Zuständigkeit eines Gerichts und dessen gehöriger Besetzung anzusprechen. Die in einem Rechtsstaat sonst ohne weiteres zu rechtfertigende Grundannahme, nach der wenigstens professionell damit befassten Personen Kenntnis sowohl der einschlägigen gesetzlichen Vorschriften als auch deren systematischen Zusammenhangs zuzusinnen ist, wird im Übrigen seit Inkrafttreten des StPRefG am 1. Jänner 2008 durch Anpassungsgesetzgebung und mehrfach unterjährige, stets über den gesamten Regelungsbereich der StPO verstreute Novellierungen für das anzuwendende Strafprozessrecht zunehmend in Frage gestellt. (T1)

13 Os 139/09dOGH17.12.2009

Vgl aber; Beis wie T1

12 Os 143/09kOGH18.12.2009

Vgl aber; Beis ähnlich wie T1

11 Os 54/11tOGH05.05.2011

Vgl aber; Beis ähnlich wie T1

12 Os 25/13pOGH16.05.2013

Auch; Vgl auch Beis wie T1<br/>Beisatz: Da das Geschlecht der Richter in aller Regel offensichtlich ist, besteht die Obliegenheit zur sofortigen Rüge. (T2)

13 Os 43/13tOGH16.05.2013

nur: Was sich während der Hauptverhandlung in Anwesenheit des Verteidigers ereignet, ist jedenfalls im Sinn dieser Norm „in dessen Kenntnis gelangt“. (T3)

13 Os 10/13iOGH04.04.2013

Vgl auch

13 Os 117/15bOGH18.12.2015

Auch;Beisatz: Geht es um die Ausgeschlossenheit eines Richters, kann den Angeklagten die Obliegenheit treffen, seinen Verteidiger über den Umstand der vorangegangenen Befassung dieses Richters ins Bild zu setzen. (T4)

11 Os 82/17vOGH13.09.2017

Vgl; Beis ähnlich wie T4; Beisatz: Aufgrund des namentlichen Aufrufs der Geschworenen hätte der Angeklagte seinen Verteidiger über die angebliche, aus der phonetischen Namensähnlichkeit mit einem Bekannten des Angeklagten abgeleitete Voreingenommenheit eines bestimmten Geschworenen informieren können. (T5)

Dokumentnummer

JJR_20060614_OGH0002_0130OS00046_06Y0000_001

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)