Spruch:
Das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt vom 22. September 2009, GZ 39 Hv 175/07t-463, verletzt § 32 Abs 1 letzter Satz StPO.
Dieses Urteil, das im Übrigen (in Betreff des Teilfreispruchs sowie des Adhäsionserkenntnisses) ebenso wie der unter einem gefasste Beschluss auf Absehen vom Widerruf einer bedingten Strafnachsicht unberührt bleibt, wird in seinen Schuld- und Strafaussprüchen einschließlich der Vorhaftanrechnung aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Wiener Neustadt verwiesen.
Mit ihren Rechtsmitteln werden die Angeklagten Andrija B***** und Luka B***** auf die Urteilsaufhebung verwiesen.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil, das - ebenso wie ein den Angeklagten Luka B***** betreffender Beschluss auf Absehen vom Widerruf einer bedingten Strafnachsicht - jeweils unbekämpft geblieben auch einen Teilfreispruch des Angeklagten Luka B***** sowie ein Adhäsionserkenntnis gemäß § 366 Abs 2 zweiter Satz StPO enthält, wurden der Angeklagte Andrija B***** des Verbrechens des im Rahmen einer kriminellen Vereinigung begangenen gewerbsmäßig schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 128 Abs 2, 129 Z 1, Z 3, 130 zweiter, dritter und vierter Fall StGB und der Angeklagte Luka B***** des Verbrechens des im Rahmen einer kriminellen Vereinigung begangenen schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 12 dritter Fall, 127, 128 Abs 2, 129 Z 1, Z 3, 130 (gemeint richtig:) zweiter Fall StGB schuldig erkannt und unter Vorhaftanrechnung zu Freiheitsstrafen verurteilt.
Rechtliche Beurteilung
Gegen dieses Urteil richten sich die Nichtigkeitsbeschwerden und Berufungen der Angeklagten Andrija B***** und Luka B*****.
Die - zum Urteil führende - Hauptverhandlung wurde am 22. September 2009 durchgeführt, wobei das erkennende Gericht aus zwei Richtern und zwei Schöffen zusammengesetzt war (ON 416 S 1).
Dies steht - wie die Generalprokuratur gemäß § 23 Abs 1 StPO zutreffend ausführt - mit dem Gesetz nicht im Einklang:
Mit dem (am 17. Juni 2009 kundgemachten) Budgetbegleitgesetz 2009, BGBl I 2009/52, wurde der letzte Satz des § 32 Abs 1 StPO dahin geändert, dass das Landesgericht als Schöffengericht aus einem Richter und zwei Schöffen besteht, sodass das Erstgericht nicht gehörig besetzt war (Jerabek, WK-StPO § 514 Rz 9; zur gegenteiligen, im Erlass des Bundesministeriums für Justiz vom 17. Juni 2009 über die Änderungen des StGB, der StPO, des JGG, des StAG und des StVG durch das Budgetbegleitgesetz 2009, JMZ 894000L/4/II3/09, JABl 2009/15, geäußerten Rechtsansicht RIS-Justiz RS0125534).
Da fallbezogen die in Rede stehende Rechtsfrage nach dem ungerügten Protokoll über die Hauptverhandlung (vom 23. Juli 2009: ON 391, und vom 22. September 2009: ON 416) nicht erörtert wurde und in diesem speziellen Fall selbst rechtskundigen Verteidigern die erforderliche Kenntnis der wahren prozessualen Rechtslage zum damaligen Zeitpunkt nicht einfach unterstellt werden kann (vgl dazu 13 Os 115/09z, 13 Os 125/09w uam) - zumal die erste klarstellende Entscheidung des Obersten Gerichtshofs zu diesem Problemkreis erst am 17. November 2009 gefällt wurde (14 Os 130/09p, 141/09f) - ist nicht von einer Verletzung der Rügeobliegenheit (§ 281 Abs 1 Z 1 zweiter Halbsatz StPO) durch die Verteidiger auszugehen (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 133; 14 Os 2/10s, 14/10f).
Ein Nachteil aus der - zugleich auch das verfassungsmäßig gewährleistete Recht auf den gesetzlichen Richter (Art 83 Abs 2 B-VG) beeinträchtigenden - Verletzung der in Rede stehenden Vorschrift über die Gerichtsbesetzung für die Angeklagten kann nicht ausgeschlossen werden und sah sich der Oberste Gerichtshof zu dem aus dem Spruch ersichtlichen Vorgehen veranlasst (§ 292 letzter Satz StPO).
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